Nachdem die Buren zu Beginn des Krieges von Oktober bis Dezember 1899 anfängliche Erfolge mit ihrem offensiven Vorgehen gegen die britische Armee verbuchen konnten und dem Gegner binnen kürzester Zeit verheerende Niederlagen bescherten, änderte sich mit dem Eintreffen britischer Verstärkung die Situation schlagartig. Der britischen Übermacht ausgesetzt und somit in jeder offenen Feldschlacht deutlich unterlegen, entschieden sich die Buren aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten der konventionellen Kriegsführung für die Durchführung von Kommandomissionen. Hierbei wurde mit sabotageartigen Aktionen die Kommunikation und Logistik des Gegners gestört, welche als primäre Folge die Zersetzung der Kampfmoral mit sich brachten. Die britische Seite, welche keine passende militärische Möglichkeit fand, antwortete auf diese Aktionen mit der Politik der „verbrannten Erde“, wobei Burenfarmen zerstört, das Vieh vertrieben und so genannte concentration camps eingerichtet wurden, um den Widerstandswillen der Buren zu brechen. Obwohl internationale Vereinbarungen zur Regelung von Streitigkeiten und der Behandlung von Kriegsgefangenen verabschiedet worden waren (Genfer Konvention und Haager Abkommen), gab es am Ende des Krieges knapp 28000 burische Todesopfer, unter ihnen überwiegend Frauen und Kinder, die aus den inhumanen Lebensbedingungen in den Internierungslagern resultierten. Weshalb so viele Opfer auf beiden Seiten aus dem Konflikt hervorgingen und inwiefern die britische Seite ihre konventionelle Kriegsführung im Hinblick auf die Taktiken der Buren umstellen musste, um den Kriegausgang letztendlich für sich zu entscheiden, gilt es unter anderem im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Burische Kriegsführung
2.1. Versuch der Abgrenzung von Burischen Zivilisten und Kombattanten
2.2. Veränderung der Burischen Kriegsführung
3. Die Britischen Oberbefehlshaber Lord Roberts und Lord Kitchener
4. Die Britische Kriegsführung
4.1. Übergang zur Politik der „Verbrannten Erde“
4.2. Die Einrichtung von concentration camps
4.3. Unrechtmäßige Exekutionen von Buren
5. Verstöße gegen die Erste Genfer und die Haager Konvention
6. Schlussfolgerung
7. Bibliographie
1. Einleitung
„Unser Land ist ein Schutthaufen. Man findet nichts mehr als die Mauern von Gebäuden, sofern nicht auch diese mit Dynamit in die Luft gesprengt sind.“[1] Derartig beschrieb der Burengeneral de la Rey den Zustand der Südafrikanischen Republik im Dezember 1901. Nachdem die Buren zu Beginn des Krieges von Oktober bis Dezember 1899 anfängliche Erfolge mit ihrem offensiven Vorgehen gegen die britische Armee verbuchen konnten und dem Gegner binnen kürzester Zeit verheerende Niederlagen[2] bescherten, änderte sich mit dem Eintreffen britischer Verstärkung die Situation schlagartig. Der britischen Übermacht ausgesetzt und somit in jeder offenen Feldschlacht deutlich unterlegen, entschieden sich die Buren aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten der konventionellen Kriegsführung (welche ohnehin durch die bunt zusammen gewürfelten Burenfarmer, die nicht an das Befolgen von Befehlen gewöhnt waren, kaum anwendbar war) für die Durchführung von Kommandomissionen. Hierbei wurde mit sabotageartigen Aktionen die Kommunikation und Logistik des Gegners gestört, welche als primäre Folge die Zersetzung der Kampfmoral mit sich brachten. Die britische Seite, welche keine passende militärische Möglichkeit fand, antwortete auf diese Aktionen mit der Politik der „verbrannten Erde“, wobei Burenfarmen zerstört, das Vieh vertrieben und so genannte concentration camps eingerichtet wurden, um den Widerstandswillen der Buren zu brechen. Obwohl internationale Vereinbarungen zur Regelung von Streitigkeiten und der Behandlung von Kriegsgefangenen verabschiedet worden waren (die erste Genfer Konvention von 1864 und das Haager Abkommen von 1899, siehe Abschnitt 5.), gab es am Ende des Krieges knapp 28000 burische Todesopfer[3], unter ihnen überwiegend Frauen und Kinder, die aus den inhumanen Lebensbedingungen in den Internierungslagern resultierten. Weshalb so viele Opfer auf beiden Seiten aus dem Konflikt hervorgingen und inwiefern die britische Seite ihre konventionelle Kriegsführung im Hinblick auf die Taktiken der Buren umstellen musste, um den Kriegausgang letztendlich für sich zu entscheiden, gilt es unter anderem im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchen.
2. Die Burische Kriegsführung
2.1. Versuch der Abgrenzung von Burischen Zivilisten und Kombattanten
Problematisch erscheint von Anfang an eine mögliche Einteilung zwischen burischen Soldaten und Zivilisten vorzunehmen, schlicht und einfach weil beide Gruppen teilweise miteinander verschmolzen. Wie hatte man beispielsweise mit Frauen umzugehen, die ihre kämpfenden Männer bzw. Söhne mit Nahrung, Kleidung und ähnlichem versorgen? Waren auch sie als Kombattanten bzw. Kollaborateure zu behandeln oder stand ihnen ein anderer kriegsrechtlicher Status zu? Zusätzliche Probleme ergaben sich aus folgenden Fakten:
Laut geltendem Gesetz waren in beiden Burenrepubliken alle männlichen weißen Bürger zwischen 16 und 60 Jahren dazu verpflichtet, militärischen Dienst auf Abruf zu leisten. Dennoch war es für einen Buren möglich, ein Substitut für sich zu entsenden, welches die geforderten Pflichten anstatt der eigenen Person erfüllen sollte. Nachdem dieses System im weiteren Verlauf des Krieges stark eingeschränkt wurde, konnte ein Bürger, obwohl er einen Ersatz gesendet hatte, trotzdem zum Militärdienst berufen werden. Die britische Praxis demgegenüber sah vor, dass wenn ein Substitut eines Bürgers sich noch am Kampf beteiligte, würde der Absender des Ersatzmannes als Kriegsgefangener behandelt werden, auch wenn er nie unter Waffen in burischen Verbänden stand. Daraus folgend kann bis heute nicht genau festgestellt werden, wie viele wehrpflichtige Buren nicht am Krieg teilnahmen. Auch bewaffnete Kinder und Greise wurden als potentielle Gegner eingestuft.[4]
2.2. Veränderung der Burischen Kriegsführung
Um die Umstrukturierung der konventionellen britischen Kriegsführung als Reaktion auf veränderte Burentaktiken zu verstehen, soll hier ein kurzer Überblick über die gängige militärische Praxis der Buren gegeben werden. Nachdem die offensiven Anfangserfolge der burischen Truppen zu Kriegsbeginn mit dem Eintreffen britischer Verstärkung zunehmend verblassten, waren die Möglichkeiten gewöhnlicher Kriegsführung für die Buren passé. Folglich wurden Kommandos aufgestellt, welche eine relativ kleine Anzahl von Kämpfern (schätzungsweise zwischen 300 und 3000) im Vergleich zu regulären Truppenverbänden in sich vereinigten und unter optimaler Ausnutzung des Geländes[5] durchaus flexibel agieren konnten. Daraus ergab sich zwar die Möglichkeit zu überraschenden Attacken auf britische Ziele, doch das Problem bestand darin, dass weder Koordination zwischen den einzelnen Einheiten, noch ein genereller strategischer Gesamtplan mit allgemein festgesetzten Zielen bestanden.[6]
Ein weiteres Problem stellte die Kampfmoral der Buren dar, die in besonderen Situationen zwar äußerst energisch sein konnte, aber ohne persönliche Einsicht (wie etwa über das Ziel eines bevorstehenden Angriffs) eine Ablehnung des Kampfes zur Folge hatte.[7]
Jaenecke stellt fest, dass die Buren den ersten organisierten Guerillakrieg in der modernen Geschichte führten. Der große Vorteil der Buren lag im Rückhalt in der Bevölkerung, wobei sie deshalb die weit über das Land verteilten Farmen als Versorgungsnetz nutzen konnten. Ziele der Buren waren größtenteils britische Nachschubtransporte (u. a. um das eigene Defizit an Kriegsmaterial auszugleichen), die Sprengung von Brücken und Eisenbahnlinien sowie die Besetzung kleinerer Städte.[8] Die circa 20000 burischen Partisanen erzielten somit eine verheerende Wirkung auf die Moral der britischen Truppen, die durch ständige Angst vor plötzlichen Angriffen zunehmend zermürbt wurden. Selbst Anfang des Jahres 1902 war es den Briten, trotz erheblicher Truppenübermacht, noch nicht gelungen, vollständige Kontrolle über das Territorium des Oranje Freistaates zu erlangen. Somit konnten weder nachts Züge verkehren, noch war die Ankunft am Tage fahrender Züge garantierbar. Als Höhepunkt der britischen Hilflosigkeit könnte man den Marsch des Burengenerals Smuts in die britische Kapkolonie betrachten, wobei die Briten es nicht vermochten ihn daran zu hindern bzw. ihn vorher gefangen zu nehmen. Sein Ziel war es, die dortigen burischen Bewohner zum Aufstand zu bewegen und sich seinem Trupp anzuschließen. Zwar verfehlte er dieses Hauptziel, aber dennoch war es dem mit circa 360 Mann gestarteten Smuts gelungen, etwa 3500 Männer zu überzeugen, sich ihm anzuschließen.[9]
Zusammengefasst hatte es die britische Armee mit einem außergewöhnlich flexiblen, schnellen und unberechenbaren Gegner zu tun, der über Rückhalt in der Bevölkerung verfügte und verbissen um seine Heimat als auch seine nationalstaatliche Unabhängigkeit kämpfte. Die britische Reaktion darauf wird später (ab Abschnitt 4.1.) genauer untersucht.
3. Die Britischen Oberbefehlshaber Lord Roberts und Lord Kitchener
Der aus einer irischen Offiziersfamilie stammende Frederik Sleigh Roberts sammelte seine ersten Kampferfahrungen in Indien, wo er sich bei der Niederschlagung von Aufständen derartig positiv hervorhob, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Viktoriakreuz ausgezeichnet wurde. Weitere militärische Erfahrung erwarb er im Afghanistankrieg (Kandahar) wobei seine außergewöhnlichen Führungsqualitäten und sein Organisations-talent zum Vorschein kamen.[10] Nachdem die Briten jedoch verlustreiche Niederlagen in der „Schwarzen Woche“ hinnehmen mussten, beschloss das britische Kabinett im Dezember 1899 Feldmarschall Roberts als Nachfolger von General Buller nach Südafrika zu senden und den Truppenoberbefehl zu übernehmen. Einige Kritik wurde schon jetzt an der Berufung Roberts geäußert, da sein leichtfertiger Umgang mit Finanzmitteln (Indien) bekannt war. Weiterhin bemängelten einige seine Bestrafungsmaßnahmen gegen die Bevölkerung im Afghanistankonflikt, u. a. gehörte das Verbrennen von Dörfern dazu.[11]
Dennoch sollte man vermeiden, ein voreiliges Urteil über Roberts zu fällen – schließlich versuchte er zu Beginn der Guerillakriegsphase, die burische Zivilisten weitgehend zu schonen, da er wusste, dass andernfalls die Verbissenheit der Partisanen zunehmen würde.
Horatio Herbert Kitchener, ebenfalls aus einer Offiziersfamilie stammend, leistete seinen Militärdienst in Ägypten und wurde als „Kitchener von Khartum“ bei der Eroberung des Sudans bekannt. Hier zeichnete er sich einerseits durch seine militärische Organisation, auf der anderen Seite aber durch sein brutales Vorgehen gegen den Feind aus.[12]
Nachdem Kitchener und Roberts sich im August 1899 zum ersten Mal getroffen hatten, verstanden sich beide sehr gut, so dass Roberts nach seiner Berufung nach Südafrika auf die Einsetzung Kitcheners als seinen Stabschef[13] bestand. Nachdem es Roberts nicht gelang gegen die burischen Guerillas effektiv vorzugehen, übernahm Kitchener im November 1900 mit dem Rang eines Generalleutnants den Oberbefehl der südafrikani-schen Truppen. Auch er wurde bereits bezüglich seines äußerst bürokratischen Agierens und der Unfähigkeit, Zivilverwaltungen zu etablieren bzw. zu führen, kritisiert.[14]
[...]
[1] J. H. de la Rey, in: A. Schowalter (Hrsg.), Amtliche Berichte des Generals J. H. De la Rey, des Generals J. C. Smuts und des Generals P. J. Liebenberg sowie andere Urkunden über den Südafrikanischen Krieg, München, 1902, S. 5.
[2] Während der so genannten „black week“ wurden die britischen Verbände innerhalb einer Dezember- woche in den Schlachten von Magersfontein, Stormberg und Colenso deutlich geschlagen. Vgl. Owen Coetzer: Fire in the Sky: The Destruction of the Orange Free State, 1899-1902, Weltevreden Park, 2000, S. 58.
[3] Evans geht zusätzlich von bis zu 20000 Opfern (etwa 14000 davon bestätigt) unter der schwarzen afrikanischen Bevölkerung aus, die ebenfalls in Internierungslagern ihr Leben ließen. Vgl. Martin M. Evans: The Boer War. South Africa 1899-1902, Oxford, 1999, S. 150.
[4] Vgl. S.B. Spies: Methods of Barbarism: Roberts, Kitchener and Civilians in the Boer Republic, January 1900 – May 1902, Cape Town, 1977, S. 15ff.
[5] Kestell hebt die absolut souveräne Geländekenntnis und Orientierungsfähigkeit der Buren hervor, die zu jeder Zeit ihre Position bestimmen konnten. Vgl. J. D. Kestell: Mit den Burenkommandos im Felde, A. Schowalter (Hrsg.), München, 1902, S. 123f.
[6] Vgl. Walter Laqueur: Guerilla Warfare. A Historical & Critical Study, New Brunswick, 1998, S. 88.
[7] Vallentin berichtet dazu: „Wenn der Buer [sic] nicht will, gehorcht er eben nicht, und wenn er […] die Notwendigkeit eines Gefechts nicht einsieht, kämpft er nicht. Daher denn auch die wenig erfreuliche Erscheinung, daß [sic] die Hälfte der Streiter im Lager herumliegt und ruhig am Kaffeekessel rauchend und schwatzend sitzt, anstatt thätig [sic] an dem vielleicht nur in kurzer Entfernung tobenden Kampf teil zu nehmen.“ Vgl. Wilhelm Vallentin: Der Burenkrieg. Mit Benutzung des amtlichen Materials der Burenregierung, Bd. 1, Leipzig, 1903, S. 227.
[8] Vgl. Heinrich Jaenecke: Die Weißen Herren. 300 Jahre Krieg und Gewalt in Südafrika, Hamburg, 1977, S. 122.
[9] Vgl. Laqueur, S. 89ff.
[10] Vgl. Vallentin, S. 261f.
[11] Vgl. Spies, S. 22f.
[12] Vallentin bemerkt zusätzlich, dass Kitchener, im Vergleich zum beliebten Roberts, bei Offizieren und Mannschaften des englischen Heeres in hohem Maße respektiert, wenn nicht gar gefürchtet wurde. Vgl. Vallentin, S. 263.
[13] Als Stabschef war Kitchener vorwiegend für die Sicherheit der Bahnverbindungen verantwortlich.
Ebd., S. 264.
[14] Vgl. Spies, S. 24f.
- Arbeit zitieren
- Stefan Küpper (Autor:in), 2006, Die Britische Kriegsführung im Burenkrieg 1899 bis 1902, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145484
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