Thomas Mann schrieb sein Spätwerk "Doktor Faustus" zu einer Zeit, als sich der zweiteWeltkrieg auf seinem Höhepunkt befand und in Europa Millionen Menschen durchRechtslosigkeit, Krankheit und Hunger ihr Leben verloren. Zu dieser Zeit wurde dieeuropäische Zivilisation mit dem Schrecken der Verbrechen des Hitlerregimes konfrontiert,was auf kultureller, sozialer und politischer Ebene Erosionen nicht bekannten Ausmaßesbewirkten. Das europäische Bürgertum samt dessen Wertesystem, vom ruhigen späten19. in das wütende 20. Jahrhundert hinübergerettet, wurde durch Massendeportation,Mittäterschaft und immense Kriegszerstörungen im großen Maße um den Rest seinerExistenz gebracht. Wo sich aus jener Quelle akademischer Geist und Schöpferdrang inder Tradition humanistischer Ideale zur Triebfeder der mitteleuropäischen Kultur dervergangenen Jahrhunderte entwickelten, zeigte sich nun die häßliche Fratze des Kriegesmit all ihren gegenwärtigen und folgenden zivilisatorischen Entstellungen. Diesen kulturgeschichtlichen Hintergrund will ich berücksichtigen, wenn ich mich imFolgenden mit Teilen der biographischen und schöpferischen Existenz des im Romanauftretenden Protagonisten Adrian Leverkühn beschäftigen werde. Im Zentrum steht dieFrage, in welchem Ausmaß die Figur und deren musikalisches Werk Konstitution undWerdegang eines Deutschland nachzeichnet, das durch Entfesselung eines Weltkriegesund industriellen Massenmord die bürgerliche Ordnung niederreißt und sich dadurchselbst zerstört. Leverkühns kompositorischer Triumph, welcher zu gleicher Zeit dasendgültige Scheitern einer tragischen Figur bedeutet; "symbolisierten für Thomas Mann[...] die gleichzeitige Katastrophe in Europa, das durch den Hitler-Faschismus einenRückschritt in eine unvorstellbare Barbarei erlebte."1 Diese ebenfalls von Mann bemerkte allegorische Qualität wird erweitert durch die Betrachtung wichtiger Nebenfiguren und deren zeitlicher und politischer Spannungsfelder, in diese die Charaktere durch seinenVerfasser gesetzt wurden. Auf diese Weise wird es unumgänglich sein, nicht nur dasLeben der Hauptfigur zu beleuchten, sondern ebenso jene Umstände, in denen diesesstattfand.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Übersicht
- Darstellung von Musik als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse
- Musik im Umfeld des jungen Adrian Leverkühn
- Teufelsgespräch und Kulturkritik
- die psychophysische Konstitution Adrian Leverkühns im Rahmen seines kompositorischen Spätwerkes
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Deutschlandbild im Roman "Doktor Faustus" von Thomas Mann durch die Analyse der Figur und des musikalischen Werkes von Adrian Leverkühn. Im Fokus steht die Frage, inwiefern die Figur und ihre Musik die gesellschaftlichen Verhältnisse und den Niedergang der bürgerlichen Ordnung im Deutschland des 20. Jahrhunderts widerspiegeln.
- Die Darstellung von Musik als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse
- Die Rolle des Teufelsgesprächs in der Kulturkritik des Romans
- Die psychophysische Konstitution Adrian Leverkühns und deren Einfluss auf sein Spätwerk
- Die Korrelation zwischen Leverkühns musikalischem Werk und der historischen Entwicklung Deutschlands
- Die Rolle der Musik im Roman als Symbol für den Wandel des Zeitgeistes
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in die historische und kulturelle Situation ein, in der Thomas Mann seinen Roman "Doktor Faustus" schrieb. Sie beleuchtet die katastrophalen Folgen des Zweiten Weltkriegs für die europäische Kultur und Gesellschaft, die durch den Aufstieg des Nationalsozialismus und die Verherrlichung von Krieg und Gewalt geprägt waren. Die Arbeit soll untersuchen, inwiefern die Figur Adrian Leverkühn und sein musikalisches Werk die Folgen dieses Umbruchs widerspiegeln.
Darstellung von Musik als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse
Dieses Kapitel analysiert verschiedene Aspekte der musikalischen Darstellung im Roman. Es untersucht die Musik im Umfeld des jungen Adrian Leverkühn, das Teufelsgespräch und die darin enthaltene Kulturkritik sowie die psychophysische Konstitution Leverkühns und deren Einfluss auf seine spätere Kompositionsarbeit. Die Analyse soll Aufschluss darüber geben, wie Musik im Roman als Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse und des Wandels der Zeit fungiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter, die im Roman "Doktor Faustus" von Thomas Mann eine zentrale Rolle spielen, sind: Musik, Gesellschaft, Kultur, Deutschlandbild, Adrian Leverkühn, Teufelspakt, Kulturkritik, psychophysische Konstitution, Spätwerk, Wandel des Zeitgeistes, Bürgerliche Ordnung, Krieg, Barbarei, Nationalsozialismus, Thomas Mann, Arnold Schönberg, Theodor W. Adorno, Dodekaphonie, Wiener Schule.
- Quote paper
- Christoph Adrian (Author), 2009, Das Deutschlandbild im Doktor Faustus - dargestellt in Leben und Werk des Adrian Leverkühn, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145437