Im Unterschied zu religiös-theologischen Deutungsweisen oder dem Rothschen Selbstverständnis im Kontext der inneren Heimatlosigkeit ist die Identitätsfrage in Verbindung mit der Assimilationsproblematik einzelner Figuren lediglich angeschnitten und mit Ausnahme der geschlechterspezifischen Betrachtungsweisen nur unzureichend thematisiert worden.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit liegt darin, dieses Forschungsdefizit zu beheben und zu beantworten, wie Joseph Roth im Roman "Hiob" mit Hilfe des Schicksals der Familie Singer ostjüdische Assimilation in ein amerikanisch-europäisches Wertesystem als identitätszersetzenden Akt kritisiert und inwieweit er stattdessen einen kulturverbindenden, traditionsbewussten und humanistischen Gegenentwurf anbietet. Dazu wird zunächst der Frage nach der allgemeinen Darstellung von Heimat und ostjüdischer Identität in Hiob nachgegangen sowie notwendigerweise das darin eingewobene Heimatverständnis und Identitätskonzept des Autors diskutiert. Unter Berücksichtigung der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse und mittels wissenschaftlich fundierter Figurenanalyse soll letztlich die intendierte, gesellschaftskritische Wirkungsabsicht im Roman eines einfachen Mannes herausgearbeitet werden. Dafür soll nachgewiesen werden, dass Roth allen Familienmitgliedern der Familie Singer eine Suche nach Identität, eine spezifische Sehnsucht nach Heimat eingepflanzt hat, die aufgrund eines defizitären Zustandes unbefriedigt ist und insofern erst Assimilationsbestrebungen auslöst. Klärungsbedarf hat zudem das Phänomen, wieso gerade der westeuropäisch assimilierte Jude Roth in seinem Roman scheinbar (ost-)jüdischen Traditionalismus propagiert und ob seine konstruktive Kritik an dem zeitgenössischen, jüdischen Anpassungsusus diesen Widerspruch aufzulösen vermag.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Heimatbegriff und Darstellung (ost-)jüdischer Identität in Hiob.
- 3. Familie Singer als Fallbeispiel einer konstruktiven Assimilationskritik
- 3.1 Das Familienschicksal: Assimilationswillen als Reaktion auf individuelles Identitätsdefizit
- 3.1.1 Jonas und Schemarjah – zwei Seiten einer Medaille des ostjüdischen Assimilationskonfliktes.
- 3.1.2 Mirjam - Nymphomanie als Bewältigungsstrategie gegen ein defizitäres Ichideal.
- 3.1.3 Deborah - Assimilationsverlangen aufgrund von entwurzeltem Traditionalismus und Konsumlust
- 3.1.4 Mendel – Akkulturationsaversion eines identitätsbedürftigen Mannes
- 3.2 Menuchims Rückkehr als konstruktives Angebot eines modernisierten jüdischen Heimat- und Identitätskonzepts
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert den Roman "Hiob" von Joseph Roth im Kontext ostjüdischer Identität und Assimilation. Sie untersucht, wie Roth durch die Darstellung der Familie Singer die Problematik der konstruktiven Assimilationskritik beleuchtet.
- Die Bedeutung des Heimatbegriffs für ostjüdische Identität in Roths Werk.
- Die Auswirkungen von Assimilationsdruck auf individuelle und familiäre Identitätsfindung.
- Die Rolle der traditionellen jüdischen Kultur und Religion in der Konstruktion von Identität.
- Die Suche nach einem modernen, nicht-traditionellen Verständnis von jüdischer Heimat.
- Die Bedeutung der Erfahrung des Exils für die Entwicklung der ostjüdischen Identität.
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Die Einleitung stellt Joseph Roth als Autor vor, skizziert seine Lebensgeschichte und die Entstehung des Romans "Hiob". Sie beleuchtet die Relevanz des Romans im Hinblick auf die erloschene ostjüdische Kultur und die Analyse von Akkulturations- und Assimilationsproblemen.
- Kapitel 2: Heimatbegriff und Darstellung (ost-)jüdischer Identität in Hiob.: Dieses Kapitel widmet sich dem zentralen Thema des Heimatbegriffs in "Hiob". Es analysiert die Darstellung der ostjüdischen Identität und ihre Beziehung zu den Konzepten der Tradition, Religion und Assimilation.
- Kapitel 3: Familie Singer als Fallbeispiel einer konstruktiven Assimilationskritik: Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf der Analyse der Familie Singer als Beispiel für die Auswirkungen von Assimilation auf die individuelle und familiäre Identität. Es werden die individuellen Geschichten der Familienmitglieder Jonas, Schemarjah, Mirjam, Deborah und Mendel beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf Schlüsselbegriffe wie ostjüdische Identität, Assimilation, Akkulturation, Heimatbegriff, Familienschicksal, Tradition, Religion, Exil und die Theodizee-Frage.
- Quote paper
- Jonas Martin Barczik (Author), 2023, Identität in Joseph Roths "Hiob" (1930), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1450620