Das Genre der Computerspiele ist in der heutigen Kultur ein nicht mehr wegzudenkender Teil der Unter- haltungsmaschinerie geworden. Es stellt ein Freizeitvergnügen dar, das erst seit wenig mehr als 30 Jahren existiert und im Jahre 2006 die Filmbranche umsatzmäßig zum ersten Mal auf den zweiten Platz verwies2 - in immer mehr Lebensbereiche, beruflich oder privat eindringt und diese nach und nach erobert. Die Onlinewelt nimmt mehr und mehr Platz in unserem realen Leben ein und hat, bei entsprechend großem Einfluss, Auswirkungen auf diese reale Lebenswelt. Computerspiele haben sich einen festen Platz im Leben vieler Kinder, Jugendlicher und auch Erwachsener erobert, faszinieren und betören, machen abhängig und motivieren zu immer höheren Leistungen in der elektronischen Welt. Die Computerspielwelt kann man nicht nur durch Unterhaltung beschreiben, auch der Wille zum Erfolg zählt. Wettbewerb funktioniert auch online handlungsmotivierend und so verbringen mehr und mehr Menschen ihre Zeit vor dem Bildschirm; eine Folge davon ist, dass weniger Zeit für ihr eigentliches Leben zur Verfügung steht. Es ist nebensächlich, ob ich meinen Online–Charakter, den so genannten Avatar, ausbauen oder erweitern will, noch schnell einmal eine Bestzeit in den Pixelasphalt brenne und mich damit in weltweite Ranglisten eintragen kann - die Sogwirkung, die Immersion in die Spielewelt, ist auch für nicht süchtige Gelegenheitsspieler gewaltig. Das oben erwähnte negativ assoziierte Suchtverhalten ist mehr und mehr dem Onlinepart der Spiele zuzurechnen, der es ermöglicht, gegen Spieler aus der
ganzen Welt anzutreten und sich selbst an einer geführten Weltrangliste zu messen. Unwesentlich ist, ob man bei einem Rennspiel um Punkte, in einem so genannten „Shooter“ um Abschüsse oder bei einem Puzzle gegen die Zeit um den Sieg spielt – die aufgezeichneten Punkte werden in eine Rangliste eingetragen, die, so meine zu überprüfende Hypothese, erstaunliche Faktoren z.B. eine Langzeitmotivation für den Spieler bietet. Die Rangliste ist jenes Richtmaß, an dem sich alle Spieler orientieren und gezielte Selbstverbesserung vorantreiben können. Für die Spielehersteller entstehen immer wieder Herausforderungen, denn der stetige technologische Wandel in unserer Gesellschaft erfordert auch im Bereich der Computerspiele eine kontinuierliche Weiterentwicklung, um gesteigerten Ansprüchen an das Spielerleben gerecht zu werden und nicht an Motivationskraft zu verlieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Zielsetzung
1.2. Gliederung
1.3. Gleichheitsgrundsatz
2. Das Individuum in der Gesellschaft
2.1. Gesellschaft und Globalisierung
2.2. Der veränderte Arbeitsplatz
2.3. Gouvernementalität
2.4. Selbsttechniken
3. Highscore - durch Kompetition und Kooperation zum >Erfolg
3.1. Leistung durch Kompetition und durch Kooperation
3.2. Kooperation und Konkurrenz in der praxis
3.2.1. Das Wertequadrat für Konkurrenz und Kooperation
3.3. Highscore - Listen von Rang
4. (Computer-) Spiel und Motivation
4.1. Das Spiel der Spiele
4.2. Reiz des Computerspielens
4.3. Der öffentliche Diskurs
4.3.1. Einfluss von Computerspielen
4.4. Unterhaltung durch Computerspiele
5. Fallbeispiel: Weltranglisten in ausgewählten Computerspielen
5.1. Multiplayer - Spiele
5.2. Highscore: Statistik und Rangliste
5.2.1. Trackmania
5.2.1.1. Die Statistik bei Trackmania
5.2.2. Battlefield
5.2.2.1. Das Spielprinzip
5.2.2.2. Der Commandermodus
5.2.2.3. Das Squadsystem
5.2.2.4. Die Statistiken
5.3. Die Fallstudie
5.4. Gegenstand der Forschung
5.5. Forschungsmethode - das Leitfadeninterview
5.6. persönlicher Forschungszugang
5.7. Vorgangsweise und Informationen zu den Interviews
5.8. Forschungsleitende Fragen:
5.9. Fragenkatalog der Interviews
5.9.1. Allgemeine und einleitende Fragen:
5.9.2. Genrefragen
5.10. Interview
5.11. Interview
5.12. Interview
5.13. Interview
6. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
6.1. Eine Fallbeschreibung
6.1.1. Fazit und Ergebnisse
6.2. Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zwei Verhaltensweisen in wechselseitiger Ergänzung
Abbildung 2: Wechselbeziehungen von Konkurrenz und Kooperation
Abbildung 3: Das Wertequadrat von Konkurrenz und Kooperation nach Fengler
Abbildung 4: Folgen (Wirkungen) von Computerspiele spielen
Abbildung 5: Motivation - Handlung - Erleben - Folge
Abbildung 6: Handlungstheoretisches Handlungsmodell „Computerspiel“
Abbildung 7: Spielerperspektive auf einer Straßenkarte innerhalb des Spiels. Der Spielbildschirm unterteilt sich dabei in einen Spielbereich mit Head Up-Display (HUD) und einer Minikarte
Abbildung 8: Übersichtskarte des Commanders
Abbildung 9: Das Squadsystem (links) und die Minimap (Übersichtskarte) des Spielers
Abbildung 10: : Übersichtseite der Statistik eines Spielers einer privaten Webseite. Der Rang und die wichtigsten Daten werden hier ausgegeben
Abbildung 11: Übersichtsseite der Auszeichnungen eines Spielers
Abbildung 12: Anzeige von Spielintensität und im Spiel verbrachte Zeit
Danksagung
Allen voran möchte ich mich bei meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Heidemarie und Johann Töfferl bedanken. Sie haben mich in den Jahren meines Studiums immer unterstützt und gefördert. Ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich meinen eigenen Weg einschlagen und eine Hochschulbildung genießen durfte. Ihre Geduld und ihr Zutrauen haben mich immer wieder ermutigt, alle Höhen und Tiefen zu meistern. Vor allem ihnen möchte ich diese Arbeit widmen. Wenn Eco meint, dass der Dank an die Betreuerin / den Betreuer von schlechtem Geschmack zeuge1 – so entgegne ich dass sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten lässt. Meinem Geschmack entspricht es, dass ich auch Ao. Univ.- prof. Dr. Brigitte Hipfl für die fachliche Unterstützung und Betreuung meiner Diplomarbeit danken kann. Besonders innigen Dank möchte ich Univ. – Ass. Mag. Gabriele Frankl aussprechen, die in mir jenen wissenschaftlichen Anspruch weckte, der zu dieser Arbeit notwendig war. Ihrem Einsatz und ihrem Engagement verdanke ich, dass diese Arbeit in dieser Form entstehen konnte. Weiters bin ich Ass.-prof. Mag. Dr. Günther Stotz zu besonderem Dank verpflichtet, da er mir immer wieder mit Rat zur Seite gestanden ist und sich durch seine Hilfsbereitschaft auszeichnet. Meinen Freunden, Kollegen und Bekannten bin ich zum Schluss dankbar. Sie finden zwar namentlich keine Erwähnung, sind aber durch die vielen Diskussionen und dem Austausch über in dieser Arbeit ständig präsent. Sie begleiten meinen Lebensweg - herzlichst danke.
1.Einleitung
Willkommen im 21. Jahrhundert! Das Genre der Computerspiele ist in der heutigen Kultur ein nicht mehr wegzudenkender Teil der Unter- haltungsmaschinerie geworden. Es stellt ein Freizeitvergnügen dar, das erst seit wenig mehr als 30 Jahren existiert und im Jahre 2006 die Filmbranche umsatzmäßig zum ersten Mal auf den zweiten platz verwies2- in immer mehr Lebensbereiche, beruflich oder privat eindringt und diese nach und nach erobert. Inszenierte Skandale passieren nicht mehr nur im Fernsehen, sondern geschehen auch online und werden ebendort diskutiert. Die Onlinewelt nimmt mehr und mehr platz in unserem realen Leben ein und hat, bei entsprechend großem Einfluss, Auswirkungen auf diese reale Lebenswelt3.
Computerspiele haben sich einen festen platz im Leben vieler Kinder, Jugendlicher und auch Erwachsener erobert, faszinieren und betören, machen abhängig und motivieren zu immer höheren Leistungen in der elektronischen Welt. Die Computerspielwelt kann man nicht nur durch Unterhaltung beschreiben, auch der Wille zum Erfolg zählt. Wettbewerb funktioniert auch online handlungsmotivierend und so verbringen mehr und mehr Menschen ihre Zeit vor dem Bildschirm; eine Folge davon ist, dass weniger Zeit für ihr eigentliches Leben zur Verfügung steht. Lebensfixpunkte wie Arbeit, partnerschaft, Freundschaften oder Hobbys machen dem neuen, dem einen „Hobby“ platz und führen im Extremfall zur Online-Sucht4. Es ist nebensächlich, ob ich meinen Online-Charakter, den so genannten Avatar, ausbauen oder erweitern will, noch schnell einmal eine Bestzeit in den pixelasphalt brenne und mich damit in weltweite Ranglisten eintragen kann - die Sogwirkung, die Immersion in die Spielewelt, ist auch für nicht süchtige Gelegenheitsspieler gewaltig. Das oben erwähnte negativ assoziierte Suchtverhalten ist mehr und mehr dem Onlinepart der Spiele zuzurechnen, der es ermöglicht, gegen Spieler aus der ganzen Welt anzutreten und sich selbst an einer geführten Weltrangliste zu messen. Unwesentlich ist, ob man bei einem Rennspiel um punkte, in einem so genannten „Shooter“ um Abschüsse oder bei einem puzzle gegen die Zeit um den Sieg spielt - die aufgezeichneten punkte werden in eine Rangliste eingetragen, die, so meine zu überprüfende Hypothese, erstaunliche Faktoren z.B. eine Langzeitmotivation für den Spieler bietet. Die Rangliste ist jenes Richtmaß, an dem sich alle Spieler orientieren und gezielte Selbstverbesserung vorantreiben können. Eine weitere Überlegung ist, dass ‚Mensch versus Mensch´ Auseinandersetzungen und gemeinsames Spielen in Teams, länger und stärker motivieren und die Spieler an die Computerwelt fesselt, in der sie für kurze oder zumeist längere Zeit eintauchen.
Meine eigenen Erfahrungen auf dem Gebiet der Computerspiele sind, ähnlich dem Fernseh-Konsum unserer Generation als erste Sozialisationsinstanz, von Kindesbeinen an intensiv. Über unterschiedlichste Homecomputer und Videospielsysteme landete ich Ende der Neunziger Jahre beim personalcomputer, da der Spiele- massenmarkt ebendort seine größte Ausbreitung fand. Zwei Spiele, die ich mit Hingabe und Leidenschaft als auch großem zeitlichem Einsatz in letzter Zeit spielte, sind Battlefield 2 und Trackmania United. Diese möchte ich für eine Analyse heranziehen, da sie auf eindrucksvolle Art und Weise zeigen, wie heutige Spiele funktionieren (müssen), um Spieler über einen sehr langen Zeitraum an sich zu binden und damit aus der perspektive des Spieleherstellers erfolgreich zu sein. Für die Spielehersteller entstehen immer wieder Herausforderungen, denn der stetige technologische Wandel in unserer Gesellschaft erfordert auch im Bereich der Computerspiele eine kontinuierliche Weiterentwicklung, um gesteigerten Ansprüchen an das Spielerleben gerecht zu werden und nicht an Motivationskraft zu verlieren.
1.1. Zielsetzung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die theoretische sowie die praktische Auseinandersetzung mit dem Thema Weltranglisten als Leistungsmaßstab und Faktoren für die Zuwendung. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen das Leistungsbedürfnis und die Möglichkeit der Übertragbarkeit von Aspekten der Selbstverbesserung. Weiteres Ziel ist die qualitative Untersuchung von Onlinespielern und deren Bezügen zu Ranglisten. Mit diesen Beispielen aus der praxis soll anhand der theoretischen Ausführungen exemplarisch dargestellt werden, inwiefern die z.B. die Langzeitmotivation von Ranglisten abhängig ist und die Spieler durch Kooperation und Konkurrenz zum Erfolg kommen. Die Spiele Trackmania und vor allem Battlefield 2 dienen hierbei als Fallbeispiele. Sie sind auf dem Gebiet der Führung von Weltranglisten mit sehr ausführlichen Statistiken Vorreiter und Wegbereiter dieser Neuerung. Da heutige Computerspieler, wie wir anhand der Interviews feststellen werden, die Rangliste als zentralen und entscheidenden Faktor für die Zuwendung, Unterhaltung sowie Leistungsvergleich ausmachen, ist eine Forschung zu diesem Thema höchst interessant. Der vorliegenden Arbeit liegen dabei folgende forschungsleitenden Fragen zugrunde: Warum motiviert ein Computerspiel mit geführter Rangliste? und Welche Faktoren gibt es für die Langzeitmotivation?
Aufgrund der Forschungsfragen stellen sich weiterführende Fragen, wie ein Computerspiel in der Lage ist, einen Spieler über einen sehr langen Zeitraum jeden Tag zu unterhalten bzw. an sich zu binden. Besonderes Forschungsinteresse richtet sich auf die Frage, wie wichtig die Kooperation und / oder der Wettkampf untereinander ist und welche Auswirkungen es auf das Spielverhalten hat. Die letzte zu beantwortende Forschungsfrage ist: Welchen Einfluss Computerspiele auf die reale Lebenswelt haben.
1.2. Gliederung
Gemäß den Forschungsfragen gliedert sich die Arbeit in zwei Teile: Einen theoretischen (Kapitel 2, 3 und 4) und einen empirischen Teil (Kapitel 5). Der Theorieteil setzt sich zuerst mit der bestehenden wissenschaftlichen Literatur zur Einbettung des Individuums in die Gesellschaft unter neoliberalistischen Verhältnissen auseinander. Am Ende des zweiten Kapitels und in weiterer Folge in Kapitel 3 werden die Möglichkeiten untersucht, mit denen man sich gemäß den Anforderungen selbst verbessern kann, um in einer leistungsorientierten Gesellschaft bestehen zu können.
Zur besseren Übersicht und Orientierung soll der inhaltliche Aufbau der Arbeit nach diesem Grobüberblick detaillierter beschrieben werden:
Wie in Kapitel 1, der Einleitung, bereits angedeutet wurde, sind Computerspiele in den gesellschaftlichen Kontext eingebettet. Für ein grundsätzliches Verständnis der Wechselwirkung zwischen der Kultur und dem Kulturprodukt, ist eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nötig, welche in Kapitel 2 erfolgt. Thematisiert wird der gesellschaftliche Wandel, welcher sich in den letzten Jahren zunehmend verändert und verschärft hat. Der prozess der Globalisierung unter neoliberalen Gesichtspunkten hat die Lebens- und Arbeitsbedingungen, sowie die Freizeitaktivitäten des Einzelnen dramatisch verändert. Dabei tritt die wirtschaftliche Globalisierung mit der Ausrichtung auf marktökonomische Ziele - auch bei Computerspielen - in den Vordergrund. Dem Einzelnen bleibt inmitten der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und dem Einfluss höherer Instanzen, wie der Gesetzgebung oder Arbeitgebern dennoch die Möglichkeit der Lebensgestaltung und der Orientierung an neuen Maßstäben. Die Konstituierung eines neuen Selbst, das sich ständig weiterentwickeln will, geschieht durch ständige Verbesserung und Techniken des Selbst. Michel Foucaults5Selbsttechniken zielen genau auf diese Selbstverbesserung ab: Sich selbst ständig weiterzuentwickeln, an sich zu arbeiten und Leistung zu erbringen. Dies kann auf unterschiedliche Arten erreicht werden, beispielsweise durch Kooperation oder Konkurrenz, wie sie in Kapitel 3 beschrieben werden. Konkurrenz und Kooperation werden häufig als gegenüber- liegende, sich ausschließende pole betrachtet, erfüllen aber wichtige Funktionen für das Individuum - der konkurrente Leistungsvergleich dient der Orientierung und hat identitätsbildende Funktion6. Nicht immer muss ich aber als Einzelner in Konkurrenz zu anderen treten - Teams haben wesentliche Vorteile. Die Bündelung der Kräfte lässt Ziele erreichen, die für einen Einzelnen oft unmöglich sind. Wesentlich dabei ist, dass man ein bestimmtes Ziel nicht entweder durch Kooperation oder Konkurrenz erreichen kann, sondern beide Formen zugleich existieren und damit wesentlich zur Leistung beitragen können.
Der Leistungsvergleich spielt dabei eine immer wesentlicher werdende Rolle. Das Computerspiel, dem u. a. Kapitel 4 gewidmet ist, stellt ideale Bedingungen zur Verfügung, um Leistungsvergleiche mit anderen zu ermöglichen. Ausführlich wird in Kapitel 4 gezeigt, warum das Spiel Grundlage jeder Kultur ist und wie Computerspielen entstanden und verortet ist. Moderne Computerspiele verfügen über eine Erweiterung der gebräuchlichen Highscore-Listen. Es wird durch die Onlineverbindung eine Weltrangliste mit ausführlichen Statistiken geführt, die neben dem Leistungsvergleich sehr großes potential zur Langzeitmotivation aufweist. Die Auseinandersetzung mit der Funktion und dem Einfluss von Ranglisten in Computerspielen, macht es nötig, zu fragen, inwieweit Ranglisten Einfluss auf die z.B. Motivation von Spielern ausüben. Die vorliegende Arbeit soll dazu einen entscheidenden Beitrag leisten. Die derzeit wieder aktuelle Debatte rund um Gewaltspiele macht einen Diskurs nötig, welche Theorien und Forschungsergebnisse über den Einfluss des Computerspielens auf den Spieler derzeit vorliegen. Den Abschluss des Theorieteils bildet das unterhaltende Element von Computerspielen, dem durch ein Modell des Unterhaltungserlebens Rechnung getragen wird.
Im empirischen Teil (Kapitel 5), der grob in zwei Unterkapitel unterteilt wird, werden die theoretischen Erkenntnisse anhand eines Fallbeispiels überprüft und erweitert. Zuerst werden die für die Forschung relevanten Spielgenres und danach die ausgewählten Computerspiele vorgestellt. Anschließend wird die Forschungsmethode, in diesem Fall das leitfadengestützte Interview ausgeführt und die Methodenwahl begründet. Der Forschungsprozess, die forschungsleitenden Fragen und der Fragenkatalog der Interviews bilden den ersten Teil der praxis.
Der zweite Teil der Forschung besteht in der Anwendung der Methodologie der Rekonstruktiven Sozialforschung nach Bohnsack7. Die geführten Interviews werden dabei zuerst der ‚Formulierenden Interpretation´ und danach der ‚Reflektierenden Interpretation´ zugeführt. Eingeleitet wird jede Interpretation von einer Vorabinformation, die den Ablauf oder die Besonderheiten des Interviews ausweisen. Ein abschließendes Fazit steht am Schluss der Untersuchung und betrachtet das Thema ganzheitlich.
1.3. Gleichheitsgrundsatz
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde in dieser Arbeit darauf verzichtet, geschlechtsspezifische Formulierungen zu verwenden. Jedoch möchte ich ausdrücklich festhalten, dass die verwendeten maskulinen Formen für beide Geschlechter zu verstehen sind.
2.Das Individuum in der Gesellschaft
„Erst der nächste Amoklauf wird die Fragen nach den gesellschaftlichen Bedingungen der Möglichkeit solch entgrenzter Gewalt auf die Tagesordnung setzen.“8
Der Amoklauf eines Schülers in Erfurt 2002 war für den psychologen Götz Eisenberg Anlass, den individuellen Amoklauf auf die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen. „Die im Namen des Neoliberalismus betriebene Deregulierung von Sozialstaat, Wirtschaft und Gesellschaft scheint mit einer psychischen Deregulierung einherzugehen. […] die Markt- und Kapitallogik räumt nicht nur alle ihren expansiven Drang behindernden äußeren Barrieren und Kontrollen beiseite, sondern auch die im Inneren der Menschen.
Und dies führt schnurstracks zur ´völlig ungerichteten Aggressionsentladung des Amoklaufs´“9. Jener Neoliberalismus, der häufig in einem Atemzug mit profitmaximierung, Deregulierung und Flexibilisierung, Leistungsprinzip und Globalisierung genannt wird und damit dem viel kritisierten Bild von einer „Ideologie des absolut freien, radikal deregulierten, flexibilisierten und alles zerfetzenden Marktkapitalismus“10entspricht, soll nach Eisenberg Mitschuld an dem Drama von Erfurt haben. Wie das Beispiel zeigt, wird der Neoliberalismus oft einseitig als Zielscheibe für unerwünschte Entwicklungen missbraucht. Gesellschaftliche Zusammenhänge sind weit komplexer, als lineares Ursache-Wirkungs-Denken zu fassen vermag. Das Beispiel weist aber auch auf den Einfluss der Gesellschaft auf das Individuum hin. Eine Beschäftigung mit dem Einzelnen verlangt daher auch nach einer Berücksichtigung dessen gesellschaftlicher Einbettung.
2.1. Gesellschaft und Globalisierung
Im Österreich der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts schaute man verstört Richtung Großbritannien, das unter der Führung von Margaret Thatcher einer neuen Ideologie unterlag: Das Ende des ´Wohlfahrtstaates´ wurde eingeläutet, zu Gunsten einer ökonomischen Wirtschaftspolitik, welche die Gewinninteressen in den Vordergrund rückte - der ´Neoliberalismus´ war geboren11. Wenn öffentliche Diskussionen heute verfolgt werden12, entsteht der Eindruck, dass von Neoliberalismus gesprochen, vielmehr jedoch die neoliberale Globalisierung gemeint wird. Generell wird Globalisierung, beispielsweise von Ulrich Beck, in viele „Dimensionen von Globalisierung“13unterteilt, wobei die neoliberale Globalisierung eine ökonomische und gesellschaftspolitische Sonderform darstellt:
„Man lässt ein größtmögliches Wachstum von produktivität und Wettbewerb als letztes und einziges Ziel menschlichen Handelns gelten; oder glaubt dass man sich den Kräften der Ökonomie nicht entziehen könne. Oder man macht - eine Voraussetzung, die alle anderen der Ökonomie begründet - einen grundtiefen Schnitt zwischen dem Ökonomischen und dem Gesellschaftlichen, das beiseite geschoben, den Soziologen überlassen wird, wie eine Art Ausschussware“, wie Bourdieu14bedenklich resümiert.
Willke übt ebenfalls scharfe Kritik am „gnadenlosen Ökonomismus, der eine fortschreitende Ausweitung der Marktzone zu Lasten traditioneller, bislang nicht ökonomisierter Lebenswelten betreibt. Marktbezogene, eogoistische Verhaltensorientierungen verdrängten dabei gemeinschaftsdienliche Normen und kulturelle Traditionen“15.
Globalisierung bedeutet dabei nichts anderes als die globale „Verflechtung aller Bereiche des Lebens wie etwa Wirtschaft, politik, Kultur, Kommunikation, Umwelt, Verkehr, usw. Einfluss bzw. Auswirkungen hat die Globalisierung vor allem auf Staaten, Institutionen, Gesellschaften und Individuen.“16 Der prozess der Globalisierung schafft unabhängig von Gesellschaftsformen und Kulturen, weltweit veränderte Bedingungen für Individuen, aber nicht nur für diese: Durch die beginnende Industrialisierung begann eine Komplexitätszunahme in der Wirtschaft, die durch die Globalisierung ein Ausmaß erreichte, das durch eine höhere Instanz wie beispielsweise den Staat, nicht mehr steuerbar ist17. Der Machtverlust für den Staat und das zeitgleiche Erstarken der wirtschaftlichen Kräfte führten zu neuen Machtinhabern: multinational operierende Firmen so genannte ´Konzerne´, die sich über Ländergrenzen hinwegsetzen, ganz nach der Devise „Weniger Staat, mehr Markt!“.18
Wenden wir uns jetzt dem Einzelnen innerhalb eines größeren Gefüges zu, so werden wir nicht umhin kommen, nach den Veränderungen zu fragen, die durch die zunehmende Globalisierung und Marktwirtschaft entstehen. Armin pongs19stellt am Anfang des 21. Jahrhunderts die Frage „In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?“ und sammelt Antworten von Wissenschaftern unterschiedlichster Disziplinen im gleichnamigen Buch, welches eine große Bandbreite an Auswahlmöglichkeiten an Bezeichnungen von Gesellschaftsformen anbietet. Beispielsweise beschreiben Ulrich Beck mit seiner Beschreibung der Risikogesellschaft oder Neil postman mit der Mediengesellschaft eine spezifische Sichtweise auf die Vielfalt der verschiedenen, zumeist fachspezifischen Strömungen und aufkommenden Begriffe, mit denen die aktuellen Erscheinungen seit gut einem Vierteljahrhundert gefasst werden. Allen Beschreibungen von Gesellschaft ist gemeinsam, dass die Rolle des Menschen innerhalb der Gesellschaft sich durch den Einfluss von Globalisierung und Neoliberalismus in erheblichem Maß gewandelt hat.
Aufgrund der vorangegangenen Ausführungen könnte überspitzt formuliert werden, dass ein ‚Marktsystem´ auf einen Einzelnen so eingewirkt hat, dass dieser zum Amokläufer wurde und sich zu einer derartig gewalttätigen Tat veranlasst sah. Wie Eisenberg nimmt auch Willke eine Extremposition ein, wenn er behauptet, dass „der Neoliberalismus zur eigentlichen Weltreligion aufgestiegen ist, zu einem Wertesystem, das via Globalisierung in alle Winkel der Welt dringt und das Denken und Handeln der Menschen bestimmt.“20Auch wenn ich diese radikalen Sichtweisen nicht teile, so bin ich doch der Meinung, dass der Neoliberalismus große Auswirkungen auf breiter Front aufweist.
Mit diesen veränderten Bedingungen geht ein euphemistischer Wandel der Alltagssprache einher: Bei Einsparungen ist von einer ´Steigerung der Effizienz´ die Rede (Bundesministerin Andrea Kdolsky im Online- Standard, 01.09.2007)21 und eine ´Verschlankung´ ist mit Stellenabbau gleichzusetzen. Begriffe wie die viel gerühmte und geforderte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verschleiern heute häufig die große psychische und physische Belastung der flexiblen Lebensweisen für den Einzelnen. Bourdieu sah „in dem Spiel, dass mit den Konnotationen und Assoziationen dieser Wörter glauben macht, die neoliberale Botschaft sei eine der allgemeinen Befreiung“22, eine größere Gefahr. Der Begriff der ‚Flexibilität’ erhält nach Richard Sennet seine Bedeutung von „einem Baum, der sich zwar im Wind biegen kann, dann aber in seine ursprüngliche Form zurückkehrt“23, ohne zu brechen. Diese Form der Elastizität, des Nachgebens und der Wiederherstellung sollte im Idealfall auf den Menschen übertragen werden können, der sich „wechselnden Umständen anpassen kann, ohne von ihnen gebrochen zu werden“24. Im heutigen Sprachgebrauch und -verständnis steht Flexibilität für eine verschärfte Variante des „Anpassens an Umstände“, es steht für Bereitschaft zur Veränderung, für Unabhängigkeit von starren Formen und Regeln und damit im Zusammenhang, risikofreudiger zu agieren.
2.2. Der veränderte Arbeitsplatz
„ICH-AG“
Unwort des Jahres 200225
Der (Arbeits-)Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten entscheidend verändert. Das Arbeitsleben bzw. die Erwerbstätigkeit folgt nicht mehr dem geradlinigen Verlauf, wie er noch für unsere Großeltern- und Eltern-Generation üblich war. Während es für diese den gewöhnlichen Umständen entsprach, einen Beruf zu erlernen und diesen bis zur pensionierung auszuüben, wird der Arbeitsmarkt derzeit von befristeten Arbeitsstellen, erzwungener Selbstständigkeit und häufig auch von Umschulungen auf einen neuen Beruf gekennzeichnet, wenn der alte Beruf obsolet geworden ist. Bereits 1994 hat Seymour papert erkannt: „Heute haben die meisten Menschen in den Industrienationen Berufe, die es bei ihrer Geburt noch gar nicht gab.“26Vorangegangene Generationen konnten in ihrem Arbeitsleben öfters mit einer „Lebenszeitstelle“ rechnen, mit der (freudigen, manchmal auch trüben) Aussicht, ihre Berufstätigkeit bis zur pensionierung ausüben zu können. Kurze Arbeitseinsätze in wechselnden Teams oder projekte in ständig ändernder Besetzung sind heute ein nicht unübliches Arbeitsfeld für viele junge, gut ausgebildete Menschen, die in ihrem Sozialisationsprozess andere, längerfristige Formen der Berufstätigkeit als selbstverständlich kennen lernten.
Als „patchwork- Biografien“27bezeichnet der Sozialphilosoph Manfred Füllsack die sich aufgrund der Abweichung von bisher als ´normal´ bezeichneten Arbeitsverhältnissen verändernden Biografien. Oftmaliger Arbeitsplatzwechsel, atypische Beschäftigungsverhältnisse oder auch phasen der Arbeitslosigkeit ergeben diese Biografien, die eine Aneinanderreihung von Arbeitsverhältnissen aufweisen. Die Individuen hinter diesen Biografien, werden als so genannten „Arbeitsnomaden“28bezeichnet, welche motivierte, gut ausgebildete Menschen mit einem hohen Grad an Mobilität sein sollten. Von Berufseinsteigern und manchmal auch von langjährig Berufstätigen wird das „moderne Nomadentum“ gefordert, das eine oftmalige Verschiebung ihres Lebensraums erfordert, ungeachtet der psychischen, physischen, sozialen oder familiären Auswirkungen.
Trotz der hohen Anforderungen an den Einzelnen bietet ein flexibles Arbeitsverhältnis keine Sicherheit für den Arbeitnehmer, da auch für Unternehmen Flexibilität notwendig wird. Der globale Wettbewerb sorgt innerhalb des Marktes dafür, dass Unternehmensstrukturen heute zunehmend veränderbar sind - und mit ihnen die Beschäftig- ungsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer. Um im globalen Wettbewerb zu bestehen, werden hohe Effizienz und Flexibilität der unter- nehmerischen Leistung gefordert. Die Wettbewerbsorientierung der Unternehmen führt zu einem verstärkten Druck auf die Arbeitnehmer, was sich ungünstig auf deren Leistungsvermögen und produktivität auswirkt: „Arbeitsmoral und Motivation sanken im Laufe der verschiedenen Entlassungswellen rapide ab“29. Negative Einflüsse sind ebenso auf die Identität bemerkbar, wie Sennet beschreibt: Wenn sich Arbeitnehmer „bei jeder Arbeit [...] mit ihren schwierigen Aufgaben identifizieren, die sie herausfordern“30und dann von diesen Aufgaben ‚entbunden’ werden, so bleibt diese wichtige Identifikationsmöglichkeit aus. Die Identitätskonstruktion, die durch die Arbeit entscheidend mitgeprägt wird, verliert eine wichtige Zutat - in modernen Gesellschaften ist die Identität ohne „die kategorische Einteilung der Menschen in den Klassengesellschaften der Vergangenheit“31fließender geworden. Die Arbeit zu verlieren bedeutet demnach, mehr als den Verlust der finanziellen Lebensgrundlage; in Gefahr ist auch die eigene Identität. Dieser Zusammenhang macht begreiflich, warum Auszubildende und/oder Arbeitnehmer unweigerlich in direktem Wettbewerb zueinander stehen. Die Angst vor dem Identitäts- und Einkommensverlust führt zur Akzeptanz des „flexiblen Verbiegens“.
Flexibilität ist sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich gefordert. Schnell wechselnde Beziehungsformen, der Zusammenbruch eines Netzwerkes z.B. durch Arbeitsplatzverlust, sorgt für eine große Unsicherheit für den Einzelnen in unserer Gesellschaft. „Im flexiblen Kapitalismus erfahren Menschen, die sich verändern, drei Arten von Unsicherheit“ beschreibt Sennet die Umstände des Einzelnen und führt dazu die Begriffe „mehrdeutige Seitwärtsbewegung“, „retrospektive Verluste“ und „unvorhersehbare Einkommensentwicklung“ ein.32
„Mehrdeutige Seitwärtsbewegungen“ sind Veränderungen der Stellung (innerhalb einer Firmenhierarchie), bei denen sich eine person seitwärts bewegt, während sie glaubt, in dem losen Netzwerk aufzusteigen. „Retrospektive Verluste“ kann man als Rückschau mit Reue nach einem Arbeitsplatzwechsel auf die alte Stelle beschreiben, nachdem man erkennt, dass man falsch entschieden hat. Und die „unvorhersehbare Einkommensentwicklung“ ist jene Komponente, die nicht mehr so planbar und stringent (z.B. Kollektivverträge) erscheint, wie sie es noch vor einigen Jahren war33. Zudem verflachen hierarchische Verhältnisse, die noch ein Minimum an Sicherheit boten. Unsicherheiten begleiteten auch in der Vergangenheit unser Leben und begleiten es noch immer. Das Ausmaß der Verunsicherung ist jedoch gerade in den vergangenen Jahren zunehmend gewachsen und kann bei ungewissen, konfliktträchtigen oder beunruhigenden Situation zu einer Art Todesstarre führen. Die traumatische Reaktion, dass gerade nichts getan wird, wenn großer Handlungsbedarf besteht, wird „kognitive Dissonanz“ genannt. Wenn man „mit scheinbar bedeutungslosem Erfolg konfrontiert ist“ oder es aussichtslos ist, für seine Anstrengung belohnt zu werden, „bleibt die Zeit stehen [...] und die Menschen bleiben auf ihre Dilemmata fixiert.“34
Die Flexibilisierung führt nicht nur zur Auflösung alter, sondern auch zur Entstehung neuer Strukturen. Eine solche stellt das Team dar. Die Aufteilung der Arbeitnehmer in Arbeitsgruppen, die auch unter dem Blickwinkel der Spezialisierung erfolgt, hat zum Ziel, unterschiedliche Kompetenzen zu bündeln. Als ein zukünftiges ´Teammitglied´ befindet man sich zwingend auch innerhalb eines Netzwerkes, beispielsweise bei der Arbeit, in der Familie oder in einer Gruppe von Computerspielern. Der Soziologe James Coleman schreibt dem Netzwerk „Bewegungsfähigkeit zu, die sich auf die Talente des Individuums und auf die Möglichkeiten zur Veränderung“35bezieht und ein Minimum an sozialem Kapital voraussetzt. Colemans soziales Kapital ist als eine Erweiterung des „Sozialen Kapitals“ von pierre Bourdieu zu sehen. Bourdieu beschreibt sein Sozialkapital als „die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von [...] Beziehungen verbunden ist; es handelt sich dabei, um Ressourcen, die auf Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen“36. Nicht immer jedoch sind diese Netzwerke von Dauer - kurze Zusammenschlüsse innerhalb einer Firma, projekte mit Ablaufdatum oder die schon oben erwähnten Spielernetzwerke sind Beispiel für zeitlich begrenzte Zusammenschlüsse.
Diese Vorstellung von Arbeit gilt nicht widerspruchslos für alle Arbeitsplätze, sondern soll verdeutlichen, welch großen Einfluss eine Wirtschaftsform auf die Bedingungen des Arbeitsplatz und auch die Lebenswelt eines Einzelnen haben kann. Der Einzelne ist demnach dermaßen einem System von Konkurrenz, Leistung und eigenem Anspruch ausgesetzt, dass Veränderungen zwingend notwendig wurden. Was muss man tun, um dem Bild zu entsprechen, das von höherer Instanz gefordert wird und wie verändere ich mich, um Chancen zu haben?
2.3. Gouvernementalität
Diese höhere Instanz könnte man nun als das Unternehmen bezeichnen, das ein Anforderungsprofil erstellt, dem man, will man diesen ausgeschriebenen Job einnehmen, möglichst nahe kommen sollte. Interessanter und auch sinnvoller ist die übergeordnete Struktur, die nicht nur dem Einzelnen, sondern zugleich auch dem Unternehmen ´vorschreibt´, wie das Anforderungsprofil überhaupt erst zustande kommt. Für diese Arbeit möchte ich dazu den ´Gouvernementalitätsbegriff´ von Foucault heranziehen, der aus ´gouverner (regieren) und mentalité (Denkweise)´ entstanden ist. Der geschichtliche Rückblick bzw. auch die Entstehung von Gouvernementalität in seiner gesamten Breite (z.B. durch Säkularisierung der Macht) entfällt, zugunsten eines eingeschränkten Blicks auf die Gouvernementalität im Neoliberalismus. Nach Foucault gehen wir von einem bestimmten Begriff von ´Regierung´ aus. Der Regierungsbegriff „vermittelt zwischen Macht und Subjektivität. Es macht die Untersuchung möglich, wie Herrschaftstechniken sich mit ´praktiken des Selbst´ verknüpfen und Formen politischer Regierung auf Techniken des ´Sich-selbst-regierens´ rekurrieren“37. Die Bedeutung von Gouvernementalität als eine systematische Verbindung und wechselseitige Konstituierung von „Machttechniken, Wissensformen und Subjektivierungsprozessen, […] indem das Subjekt in einer Art Doppelbewegung von Unterwerfung und Subjektwerdung auftritt: als produziertes und zugleich aktives, Macht ausübendes und zur Selbstführung fähiges Subjekt“38 soll dabei in den Mittelpunkt rücken. Sehr eingeschränkt findet der Begriff Eingang in diese Arbeit um eine bestimmte Annahme zu verstärken: Foucault geht davon aus, das „die Formen der politischen Regierung eng verbunden sind, mit den prinzipien persönlichen Verhaltens und den Techniken der Selbstformierung“39- diese Regierungstechnologie könnte man vereinfacht als herrschaftliche Vorgabe bezeichnen, die sich durch rationale und ökonomische Weise selbstreguliert. Interessant in diesem Zusammenhang ist der mehrfache Verweis Bourdieus auf den ´Mythos Neoliberalismus´, dass die von langer Hand vorbereitete und begonnene „Arbeit der Einprägung andauert […] Der Neoliberalismus zeigt sich uns schließlich im Schein der Unausweichlichkeit“ und dass dagegen vorzugehen sei. Bourdieu beschreibt damit die Wechselwirkung zwischen einer übergeordneten Instanz, die ihren Einfluss geltend mache und dem Individuum, dass diesem Einfluss ausgesetzt ist.
Zusammengefasst hat man jetzt Ziele, die es zu erreichen gilt und die durch jene, die diese (Ziele) erreichen wollen, erst konstituiert werden die praktiken mit denen der Einzelne zur Zielerreichung (seiner Selbst und einer übergeordneten Struktur) beitragen kann, sind von größerer Bedeutung. Die Ziele der Einzelnen dienen dabei den übergeordneten, höheren Zielen - das Individuum glaubt jedoch noch an ihre Selbstkontrolle und -steuerung.
2.4. Selbsttechniken
Die Technik, sich Selbst ständig einem prozess der Verbesserung zu unterziehen, ist keine Erfindung der Neuzeit oder das Mindestmaß, um in derzeit herrschenden Arbeitsverhältnissen zu passen. Die Technologien des Selbst, die Michel Foucault als Arbeit an sich selbst ansah, sind wie in dem gleichnamigen Buch40, eine kontinuierliche Weiterführung griechisch-römischer Tugenden und christlicher praktiken im Laufe der Zeit. Die Grundbedingung für diese Weiterentwicklung des Selbst war immer die gleiche: Eine Veränderung, sei es nun die Forderung nach Flexibiltät oder die Einhaltung von Anpassungsprozessen, sieht das Zusammenspiel von Gouvernementalität und der Selbsttechnik als gegeben an.
Eine Selbstverbesserung stellt eine bestimmte Veränderung des Selbst dar. Die Möglichkeiten der Selbstverbesserung zeigte Michel Foucault auf, der darin u.a. eine Weiterführung traditioneller Techniken im Wandel der Geschichte. Sein Interesse galt in seiner Arbeit der „Analyse der Wissenschaften als ´hochspezifischer Wahrheitsspiele´ auf der Grundlage spezieller Techniken, welche die Menschen gebrauchen, um sich selbst zu verstehen“41. Vier Techniken definierte er, die durch eine „bestimmte Art von Herrschaft verbunden ist“42. Sie stehen auf unterschiedliche Weise mit anderen heteronomen Machttechnologien in Wechselwirkung. Sie sind ein Indikator dafür, inwiefern der Mensch sich als Subjekt dieser Konstellation versteht und sich ihnen unterwirft oder sie benützt, um dem Offensein seines Existierens zu entsprechen.43
1. Technologie der produktion
Ermöglicht es, Dinge die produziert wurden, zu manipulieren und zu verändern,
2. Technologien von Zeichensystemen
Gestatten den Umgang mit Zeichen, Bedeutungen, Symbolen oder Sinn, z.B. Kommunikation
3. Technologien der Macht
prägt das Verhalten von Individuen, im Hinblick auf Herrschaft
4. Technologien des Selbst
„Ermöglichen dem Einzelnen, aus eigener Kraft oder mit Hilfe anderer eine Reihe von Operationen an seinem Körper oder seiner Seele, seinem Denken, seinem Verhalten und seiner Existenzweise vorzunehmen, mit dem Ziel, sich so zu verändern, dass er einen gewissen Zustand des Glücks, der Reinheit, der Weisheit, der Vollkommenheit oder der Unsterblichkeit erlangt.“44
Foucault zeichnet bewusst einen geschichtlichen Überblick der griechisch - römischen philosophie - wie das Individuum in den unterschiedlichen Jahrhunderten auf sich selbst einwirkte. Grundlegend dabei war das griechische „auf sich selbst achten“, das einerseits als Lebenskunst galt und andererseits für das soziale Verhalten bestimmend war (im speziellen Fall des griechisch - römischen Beispiels bedeutet es, dass man auf seine Seele ´Sorgfalt´ verwenden soll). Festzuhalten ist, dass dies nicht eine rein egoistische Lebenshaltung darstellte. Im Zusammenhang mit der delphischen Maxime „Erkenne dich selbst“ ist der größere Zusammenhang zu Tage getreten, der sich auch mit heute gängigen Moralvorstellungen vereinen lässt - der erste Weg zur (Ver-) Besserung ist die Selbsterkenntnis. Um sich dieser damaligen Selbsterkenntnis zu nähern, gab es verschiedene Möglichkeiten. Die Schrift bot vielfältige Zugänge in verschiedensten Formen, wobei ein Tagebuch noch die einfachste und auch intimste Form davon war. Beim Wiederlesen des Geschriebenen komme es dabei zu Selbsterkenntnisprozessen - als „die Enthüllung des Selbst“45, das die Stoiker als Selbsttechnik bereits anwandten. Foucault nennt zwei weitere stoische Selbsttechniken - die Selbstprüfung und Gewissenforschung sowie die ´askesis´. Anders als das Christentum, das Askese sofort mit Verzicht in Verbindung setzt, bedeutete es in der stoischen Tradition „zunehmende Beachtung des Selbst und eine Selbstbeherrschung, die nicht durch Verzicht auf Realität erlangt wird, sondern durch Erwerb und Aufnahme von Wahrheit“46- bezeichnend hierfür ist der Zustand, sich ein Ereignis vorzustellen und den Ablauf gedanklich nachzuzeichnen - als eine Übung des Geistes. Das Gegenteil davon, eine Übung in der Realität entspricht eher unseren christlichen Vorstellungen: die Enthaltsamkeit, die man zu einer Selbstprüfung zählen darf.
Michel Foucaults Selbsttechniken, so unterschiedlich sie in oben genannten Beispielen auch sein mögen, vereinen sich in ihrer Ausrichtung: Sie sind „bestimmte methodisch rationalisierte Verfahren der direkten Einwirkung auf sich Selbst zur induzierten und selbst gesteuerten Selbsttransformation“47- ob es nun antike Übungen oder christliche praktiken der Selbstanalyse sind, sie zeigen und zeugen von den vielfältigen Möglichkeiten „uns von ökonomischen, technischen oder gesellschaftlichen Normierungen und Zwängen soweit frei zu machen, dass wir sie als veränderbar, und das heißt auch als individualisierbar betrachten, anstatt dass wir uns als Subjekte dieser Dimensionen bestimmen lassen.“48
Die Selbsttechniken zielen darauf ab, uns selbst ständig weiterzuentwickeln, an uns zu arbeiten und Leistung zu erbringen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Diese Ziele können auf unterschiedliche Arten erreicht werden, beispielsweise in Konkurrenz zu anderen oder kooperativ. Da diese beiden Arten der Leistungserbringung wesentlich für das Verständnis von Ranglisten sind, sollen der Konkurrenz und der Kooperation im folgenden Kapitel verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet werden.
3.Highscore - durch Kompetition und Kooperation zum Erfolg
Selbstentfaltung vollzieht sich sowohl unabhängig, als auch in Konkurrenz zu anderen oder kooperativ. Konkurrenz und Kooperation werden häufig als gegenüberliegende, sich ausschließende pole betrachtet. Zudem wird konkurrentes Verhalten oft ausschließlich negativ bewertet. Diese Sichtweisen sollen im Folgenden einer kritischen prüfung unterzogen werden. Vielmehr soll dafür plädiert werden, dass neben der Kooperation auch die Konkurrenz wichtige Funktionen für das Individuum erfüllen - der konkurrente Leistungsvergleich dient der Orientierung und hat identitätsbildende Funktion49. Die Konkurrenz ist eine nicht vernachlässigbare Konstante in unserem sozialen Leben, der wir nicht immer als Einzelner gegenüber treten müssen. Eine Gruppe, respektive ein Team, hat wesentliche Vorteile in der Gesellschaft. Das Team stellt eine Bündelung von Kräften dar, durch das Ziele erreicht werden, die dem Einzelnen unerreichbar scheinen. Die funktionierende Kooperation mit anderen setzt aber bestimmte Merkmale voraus, die als erfüllt gelten müssen. Kooperation bildet, wie in Unterkapitel 3.1 argumentiert wird, das Fundament für Zusammenarbeit und das soziale Miteinander.
3.1. Leistung durch Kompetition und durch Kooperation
Leistung kann, wie weiter oben bereits erwähnt, auf verschiedene Arten erbracht werden, die Alfie Kohn wie folgt unterteilt: auf unabhängige Weise, durch Wettbewerb oder durch Kooperation.50Bei der unabhängigen Leistungserbringung wenden personen ihre Selbsttechniken auf sich selbst an, ohne direkte Wechselwirkungen zu anderen. Die beiden letzteren Arten, ein Ziel zu erreichen, sind für das Zustandekommen von Highscore-Listen relevant, da die Ergebnisse und positionen der Spieler in Ranglisten von den Ergebnissen und dem ‚Teamplay’ der anderen Spieler abhängig sind. Konkurrenz und Kooperation schließen sich nicht gegenseitig aus, stehen sich als Gedankenkonstrukte jedoch gegenüber.
Konkurrenz steht für, und hier verwende ich die Sammelbezeichnung nach Jörg Fengler, „alle Versuche, sich anderen Menschen gegenüber in Leistung, Attraktivität, Ressourcennutzung, Handlungsspielraum usw. zu behaupten und durchzusetzen oder eine drohende Unterlegenheit abzuwenden“51.
Kooperation ist im Gegensatz zu Konkurrenz stark positiv konnotiert. Wenn wir uns wieder die Bezeichnung nach Fengler betrachten, ist Kooperation „der Versuch von Menschen, Einzelkräfte so miteinander zu verbinden und zu verbünden, dass sich für das Ergebnis und alle Beteiligten ein Vorteil daraus ergibt und etwas erreicht wird, was keiner der Beteiligten allein zustande bringen würde“52.
Konkurrenz und Kooperation schließen sich als Verhaltensweisen gegenseitig nicht aus, sondern existieren zugleich, wie wir an den Bedingungen eines veränderten Arbeitsplatzes bereits im letzten Kapitel ablesen konnten: In Arbeitsgruppen stehen die personen oft in direktem Wettbewerb zueinander, müssen sich jedoch als Team kooperativ verhalten. In der zuvor angeführten Definition von Fengler dient Wettbewerb dazu, sich gegenüber anderen zu behaupten und eine drohende Niederlage abzuwenden, was manchmal erforderlich sein kann. Der Leistungsvergleich ist „im prinzip weder nachteilig noch destruktiv. Vielmehr stellt er einen Beitrag zur Identitätsklärung dar“53beschreibt Fengler und zählt zwei nicht unwesentliche punkte exemplarisch an der Kindesentwicklung auf:
- In körperlichen Auseinandersetzungen lernt das Kind, bei welchen Gegnern oder partnern es besser ist nachzugeben, bei welchen sich zu wehren oder in Verhandlungen zu treten und
- in fachlich-sachlichen Arbeiten lernen Kinder das eigene Leistungsniveau kennen.54
Das Konkurrieren, welches dabei die wesentliche Rolle spielt, trägt wesentlich durch den Vergleich von Ehrgeiz und Können, Bemühen und Erfolg, Überlegenheit und Niederlage „zur Ausbildung von seelischen Funktionen wie Belastbarkeit, Spannungsbogen, Belohnungsaufschub und Kontrollvermehrung bei“.55 Es ist als Leistungsvergleich und Orientierung ein, wenn auch mit Einschränkungen, positiver Faktor bei der Orientierung im Leben für den Menschen. Elementar für konkurrierendes Denken bleibt der Leistungsvergleich, der eine Reihenfolge spezifischer Fähigkeiten von personen ermittelt. Nach Schwarz56dient der Wettbewerb dazu, den Besten für eine bestimmte Tätigkeit zu ermitteln, wodurch gesellschaftliche Arbeitsteilung möglich wird. Der Nachteil der Konkurrenz liegt zum Einen darin begründet, dass immer jemand verliert und zum Anderen darin, das strukturell nicht kompetitive Situationen unter die Zeichen des Wettbewerbs gestellt werden, womit sich dessen destruktives potential entfaltet. Dies beginnt bereits für den Säugling, für den es keinerlei Funktion erfüllt, in seiner individuellen Entwicklung im Wettbewerb zu anderen Säuglingen zu stehen. Seine Eltern können jedoch die nicht kompetitive Situation, beispielsweise das ´Zahnen´, in einen kompetitiven Rahmen stellen und damit umdeuten, sodass zumindest für die Eltern untereinander - Wettbewerb erzeugt wird, wo dieser zuvor nicht existierte. Das Kind, das vor anderen Zähne bekommt, wird zum ‚Sieger’ in einem Wettkampf, den es faktisch nicht gibt. Dieser Leistungsvergleich setzt sich bei dem ´Laufen-lernen´ fort und erreicht seinen ersten Höhepunkt mit dem Eintritt in die Schule und dem damit zusammenhängenden Noten- bzw. Bewertungssystem. Auf diese ersten Leistungsvergleiche folgen in unserer wettbewerbsorientierten Gesellschaft viele weitere: Der schulische Werdegang oder der Kampf um Studien-, danach um Arbeits- oder Weiterbildungsplätze sowie Freizeitaktivitäten sind von Konkurrenz geradezu geprägt.
Nach Schwarz57setzt gesellschaftliche Arbeitsteilung den Wettbewerb voraus. Jede gesellschaftliche Formation benötigt jedoch auch Kooperation. Wenn für Fengler die Kooperation die Verbindung und Bündelung von Kompetenzen Einzelner ist, so ist die heute weit verbreitete Bezeichnung des Teams eine gelebte Kooperation, sofern das Team jedem einzelnen und der Gruppe einen Vorteil verschafft. Das Team ist „im prinzip nicht Selbstzweck, sondern eine Vorkehrung, mit deren Hilfe sich die verschiedensten Ziele erreichen lassen“58.
Drei wichtige Thesen von Hofstätter, die eine Gruppe charakterisieren, haben meiner Meinung nach heute noch Gültigkeit für die Teamarbeit:
- Das Team regt an.
- Das Team weiß mehr.
- Das Team gleicht aus.59
Diese drei Thesen bilden einen Teil des theoretischen Grundgerüsts einer Gruppe. Innerhalb der Gruppe gibt es Austausch und Kontakt, man teilt Informationen und manchmal verbringt man im Falle eines beruflichen Teams die Freizeit miteinander. Das führt dazu, dass sich das Team z.B. nicht nur auf die Arbeitszeit beschränkt, sondern darüber hinaus bestand hat. Das ´Mehr an Wissen´ innerhalb eines Teams erscheint mir selbsterklärend, denn wenn mehr Leute an einem Ideenpool teilnehmen, gibt es nicht nur mehr Ideen, sondern man beflügelt sich auch gegenseitig. Hofstätter gibt ausführlich Auskunft über Methoden und Berechnungen zur Ermittlung des Zeitpunkts, ab wann die Gruppengröße nicht mehr Effizienz und Kreativität fördert, sondern der kommunikative Aufwand durch die wachsende Komplexität den Nutzen übersteigt. Für diese Arbeit sind diese gruppendynamischen prozesse nicht relevant, weshalb hier auf Hofstätter verwiesen wird.
Für den Ausgleich unter den Mitgliedern einer Gruppe sorgt oft die Gruppe selbst, indem sie leistungsschwächere auf ein höheres Niveau bringen kann oder die extreme Leistung eines Einzelnen nivelliert. Drei Thesen reichen sicher nicht aus, um eine Gruppe ausreichend zu charakterisieren. Nicht berücksichtigt wurden z.B. Charakteristika wie Beistand, Hilfe usw. Für eine Gruppe, die gute Teamleistung erbringen will, müssen noch weitere Grundbedingungen definiert werden. Diese sind nach Fengler „Unabhängigkeit der Meinungsbildung, offene Kommunikation sowie Neugier und Akzeptanz.“60
Die Qualität der gruppeninternen Zusammenarbeit entscheidet maßgeblich über die Qualität der Leistung und in weiterer Folge der Ergebnisse, die das Team als Gruppe erbringen kann61. Folgende Fragestellungen sind für die Qualität der Teamarbeit entscheidend: Wie funktioniert der Austausch von Information, Wissen und Ressourcen; wie viel Vertrauen besteht zwischen den Teammitgliedern und wie wird Arbeit sinnvoll unter den Gruppenmitgliedern aufgeteilt?
Ich habe mich entschlossen, vier „Kennzeichen guter Zusammenarbeit“62 von Jörg Fengler zu übernehmen, die zum Ausdruck bringen, wie sich - und das wird später wichtiger werden -, on- und offline Gruppen bilden und miteinander agieren. Die Reihung der Kennzeichen entspricht keiner Wertung:
1. Gemeinsame Werte und Ziele
Die Grundbedingung der Gruppenarbeit ist das Verfolgen von kurz- oder mittelfristigen gemeinsamen Zielen. Langfristige gemeinsame Ziele determinieren die Gruppenarbeit insbesondere.
2. Aufgabe, Neigung und Fähigkeit
Innerhalb einer Gruppe gibt es selten eine Gleichverteilung von Interessen, Neigungen oder auch Fähigkeiten. Wenn nun personen als Gruppe auftreten, werden die Mitglieder bestrebt sein, erstens sich entsprechend ihrer Interessen einsetzen und zweitens, entsprechend ihrer Fähigkeiten. So erreicht man, dass den Wünschen des einzelnen Mitglieds entsprochen und andererseits der maximale Erfolg für die Gruppe als Gesamtheit erzielt wird. Der beiderseitige Vorteil ist ein elementares Wesen von Kooperation.
3. Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft
Die Hilfsbereitschaft sowie Zuverlässigkeit innerhalb einer Gruppe sind Determinanten der Gruppenarbeit und zugleich auch Ausdruck der Gruppenstimmung. Ob es nun Hilfe zur rechten Zeit ist, oder problembewältigung durch ein anderes Gruppenmitglied - die Gruppenstimmung wird durch den Einsatz und das Bemühen der Mitglieder widergespiegelt.
4. Vertrauen
Vertrauen bildet, neben Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft, den Nährboden für eine reibungslose Zusammenarbeit und Sicherheit.
Als weitere Kennzeichen guter Zusammenarbeit innerhalb einer Gruppe zählt Jörg Fengler z.B. Takt, Respekt und Loyalität, oder auch Konsensorientierung und Reversibilität63auf.
3.2. Kooperation und Konkurrenz in der praxis
Es ist eine zum Teil antagonistische Situation, in der sich Menschen befinden. Besonders im Sportbereich kommt es häufig vor, dass gleichzeitig Kooperation und Kooperation in Mannschaftsportarten anzutreffen sind. Üblicherweise sind Fußballteams nichts anderes als Gruppen, die gegen eine andere Gruppe konkurrieren. Innerhalb der Gruppe ist Kooperation, gerade im Mannschaftsport, eine Grundbedingung - jedoch gibt es zwischen den Gruppenmitgliedern starke Konkurrenz. Das Beispiel Fußballteam zeigt deutlich, dass man als Mannschaft gegen einen gemeinsamen Gegner antritt. Die Mannschaft selbst kann aber nicht aus elf Stürmern bestehen, sondern stellt ein Konglomerat aus Einzelfähigkeiten, die miteinander in Einklang gebracht werden, dar. Der Sport, der Wettkampf auf allen Ebenen (Breiten- und Spitzensport) anbietet, aber nicht nur in diese Richtung („Sport ist gesund!“) propagiert wird, dient als Ventil für ´Leistungsmesshungrige´ und aber auch vielschichtiger Interessen.
Ein geeignetes Bild zur Darstellung von Entwicklung von Sport im Allgemeinen bis hin zu (Groß-)Veranstaltungen, verdeutlichen die Olympischen Spiele. Die Vorstellung von Olympischen Spielen, welche die besten Sportler in einer Disziplin ermitteln, aber dem Ausspruch „Dabei sein ist alles“ der oft in diesem Zusammenhang erwähnt wird, eher zugetan sind, zeugen von einer sehr romantischen Vorstellung der Spiele um 800 v. Chr. Wenn auch heute noch jemand behauptet, dass die Siegesprämie ein Kranz von einem Ölbaum war, so muss er eines besseren belehrt werden. Neueste Studien und Rekonstruktionen gehen davon aus, dass damalige Olympiasieger mit einem Olympiasieg ihr Leben lang ausgesorgt haben (auch wenn es keine direkte Siegprämie gab)64. Die damaligen Spiele unterschieden sich vom Wettbewerbscharakter keineswegs deutlich von unseren modernen ´Olympischen Spielen´. Der finanzielle Charakter für das austragende Land und der gesamte Industriezweig sei in dieser Arbeit ausgeklammert, jener für den Sportler erhält jedoch hohen Stellenwert. Denn sobald man die sportlichen Ereignisse (eben Olympische Spiele, ein Fußballspiel zweier sehr großer europäischer Klubs oder auch die ´Wochenendfußballpartie´ zweier Dörfer) unter dem Gesichtspunkt der prämien (und damit das ´bewegte´ Geld) betrachtet, so wird man schnell zu dem Schluss gelangen, dass es hinfällig wird, wer der Bessere ist.
Die Motive, die hinter der sportlichen Auseinandersetzung stehen (Förderungsgelder, Sponsoren, Ruhm, Ansehen, privilegien) sind das Entscheidende geworden. Ganz oben auf dem Treppchen steht der Gewinner, der den Leistungsvergleich mitsamt den Anrechten und Ansprüchen durch Fernsehanstalten, Sponsoren, Veranstalter usw. für sich beansprucht. Er (der Sportler) hat das Messen zwischen sich und einem kleinen Kreis von Spezialisten für sich entscheiden können. Das Niveau, auf dem sich diese Sportler bewegen ist sehr hoch, dass der Sport auf diesem Level nicht noch gesund sein kann, erklärt sich von selbst. Doch bevor dieses Niveau erreicht wird, beginnt man mit Breitensport, der mit dem Interesse an Wettkämpfen ´dem eigentlichen Messen mit anderen´ die ersten Schritte auf ein derart hohes Leistungspotential und den Auswirkungen sein können.
3.2.1. Das Wertequadrat für Konkurrenz und Kooperation
Um das Verhältnis und die Beziehung von Konkurrenz und Kooperation sichtbar zu machen, greife ich auf das Wertequadrat nach Helwig65zurück, das Schulz von Thun für „Vorgänge der zwischenmenschlichen Kommunikation und persönlichkeitsbildung“66nutzbar machte. Das Wertequadrat verdeutlicht „die Beziehung zwischen scheinbar entgegengesetzten Handlungstendenzen“67. Dabei ist aber folgende prämisse unabdinglich: „ (...) jeder Wert (jede Tugend, jedes Leitprinzip, jedes persönlichkeitsmerkmal) kann nur dann zu einer konstruktiven Wirkung gelangen, wenn er sich in ´ausgehaltener Spannung´ zu einem positivem Gegenwert, zu einer ´Schwestertugend´ befindet“68. Das entspricht dem gängigen Bild von ´Balance´. Und diese Balance gilt es im Ausgleich zu halten. Das Wertequadrat hilft, Beziehungen zwischen den Begriffen zu veranschaulichen. Oftmals mit dem Vorteil, dass sich ein Begriff im Wertequadrat positiver als zuvor angenommen herausstellt. Weiters kann man daraus ablesen, dass man selbst auch die Fähigkeit des Erlernens eines Gegenpols einer bestimmten Eigenschaft hat. Für Schulz von Thun ist das Wertequadrat nicht der Ausdruck von Mittelmäßigkeit, sondern dass es „entscheidend ist, dass als innere Möglichkeit beide Haltungen zur Verfügung stehen“69.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Zwei Verhaltensweisen in wechselseitiger Ergänzung70
Die zwei Begriffe Konkurrenz und Kooperation stehen zunächst für zwei unvereinbare pole, die sich aber in einem Abhängigkeitsverhältnis ergänzen oder wechselseitig korrigieren. „Wenn beide Impulse bejaht werden kann der Mensch dabei vollständiger werden“71.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Wechselbeziehungen von Konkurrenz und Kooperation72
Im Wertequadrat von Konkurrenz und Kooperation gehen wir davon aus, dass jeweils Konkurrenz und Kooperation gesunde Impulse sind (also das positivuum im Wertequadrat) und das Gegenteil davon, die Fehlform (das Negativuum) ist. Die Fehlform für Konkurrenz ist ´Rivalisieren um jeden preis´ und für Kooperation ´Verantwortungslosigkeit´. Die Rivalität wird, wie die Verantwortungslosigkeit, stark negative Auswirkungen haben. Die Fehlformen stehen jedoch untereinander nicht in Kontakt.
Fengler beschreibt, dass manchmal „beide Haltungen von der gleichen person eingenommen werden“73. Diese schwankt zwischen den positionen (z.B. Verantwortungslosigkeit oder Kooperation) hin und her. Sie wechselt sozusagen, weil ihr beide positionen als zu extrem erscheinen, zwischen diesen, wobei dies von ihre Umgebung als sehr unangenehm empfunden wird.
Den Ausgleich schaffen hier die Querverbindungen, die eine Verbindung zwischen den gegenüber liegenden positiven Impulsen knüpfen. „Wer rivalisiert, kann sich Kooperation als Lernziel vornehmen, um seine Einseitigkeit zu überwinden; wer in der Kooperation zuviel des Guten getan hat und sich in eine Haltung der Verantwortungslosigkeit hineinmanövriert hat, kann im Konkurrieren vollständiger werden.“74
Das Wertequadrat soll aber nicht nur das Verhältnis und die Beziehung von Konkurrenz und Kooperation sichtbar zu machen, sondern soll auch als Entwicklungsquadrat verstanden werden. Aus Eifer wird aus der Kooperation, die eine Bündelung der Kräfte darstellt, ein Fehlverhalten, das in Verantwortungslosigkeit resultiert. Die Möglichkeit der ´Entwicklung´ d.h. durch ein Lernziel seine Einseitigkeit zu beseitigen, stellt die Querverbindung dar: das `Kennenlernen´ des Gegensatzes macht das ´Vollständiger´ werden erst möglich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Das Wertequadrat von Konkurrenz und Kooperation nach Fengler75
[...]
1Eco, 2002: 228
2URL - http://www.aaacapital-atlantic.de/news_041118.html (10.09.2007)
3Vgl. Fritz, 2005: 10
4http://www.onlinesucht.at/
5Vgl. Foucault, 1993
6vgl. Fengler, 1996: 31
7Bohnsack, 2000: Rekonstruktive Sozialforschung
8Eisenberg, 2002: 21
9Eisenberg, 2002: 23
10vgl. Willke, 2003: 12
11Willke, 2003: 33
12URL - http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,385496,00.html
13Beck, 1997
14Bourdieu, 1998: 40
15Willke, 2003: 184
16vgl. Bundeszentrale für politische Bildung/bpb - pocket Global
17vgl. Willke, 2003: 84
18vgl. Willke, 2003: 33
19pongs, Armin: 2007
20Willke, 2003: 10
21URL - derstandard.at (01.09.2007)
22Bourdieu, 1998: 41
23Sennett, 1998: 57
24dgl.
25www.unwortdesjahres.org
26papert, 1994: 21
27Füllsack, 2006
28www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=31426. html
29Sennett, 1998: 63
30Sennett, 1998: 92
31dgl. S 96
32Vgl. Sennet, 1998: 70
33Sennett, 1998:112
34vgl. Sennett, 1998: 120
35vgl. Coleman, 1979: 389
36Bourdieu, 1997
37Lemke, 2007: 13
38vgl. pieper, Rodríguez, 2003: 8
39Lemke, 2007 : 15
40Foucault, 1993
41Foucault, 1993 : 26
42Foucault, 1993 : 27
43Capurro, 1995: 24
44Foucault, in Capurro, 1995: 24
45Foucault, 1993: 45
46Foucault, 1993: 46
47Duttweiler, 2005: 266
48Capurro, 1995: 25
49vgl. Fengler, 1996: 31
50Kohn, 1989: 25
51Fengler, 1996: 9
52dgl.
53Fengler, 1996: 22
54vgl. Fengler: 1996, 22
55vgl. Fengler:1996, 23
56vgl. Schwarz: 2001:
57Schwarz, 2001
58Hofstätter, 1993: 28
59vgl. Höfstätter, 1993: 23, 66 und 103
60Fengler, 1996: 202 und 203
61Fengler, 1996: 208
62Fengler, 1996: 207
63Fengler, 1996: 208
64Wünsche, 2004
65Helwig, 1967
66Schulz von Thun, 1989: 38
67Fengler 1996: 28
68Schulz von Thun, 1989: 38
69Schulz von Thun, 1989: 44
70vgl. Fengler, 1996: 28
71vgl. Fengler, 1996: 29
72Fengler, 1996: 29
73Fengler, 1996: 31
74Fengler, 1996: 32
7575 Fengler, 1996: 31
- Quote paper
- Mario Toefferl (Author), 2007, Highscore - Weltranglisten als neuer Leistungsmaßstab in Computerspielen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145025
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