Die Methoden qualitativer Forschung zur Erhebung untersuchungsrelevanter Daten
erfreuen sich auch innerhalb der Sportwissenschaft immer größerer Beliebtheit. Mit
dem gesteigerten Interesse am Subjekt Mensch, seinem Handeln und Erleben in
seinem natürlichen Lebensumfeld, wuchs auch die Zahl derer, die sich mittels
unstrukturierten und offenen Erhebungsmethoden dem sozialen Umfeld des
Menschen nähern wollen.
Spätestens seit Erkenntnis über die einflussreiche Bedeutung psychischer Prozesse
im sportlichen Handeln, werden Methoden der qualitativen Erkenntnisgewinnung nun
auch vermehrt in Forschungsprozesse innerhalb der Sportwissenschaft eingebunden
und deren Ergebnisse in der Praxis umgesetzt.
Dabei geht es also nun nicht mehr primär um die Erfassung physiologischer
Parameter im Sport, sondern auch um die Erfassung von Faktoren auf psychischer
Ebene, wie Motive, Einstellungen, Emotionen und den Prozessen kognitiver
Informationsaufnahme, deren Verarbeitung und Umsetzung. Um deren Geltung im
Bezug zur Leistung und Leistungsfähigkeit eines Sportlers zu beschreiben und zu
erklären, und in den verschiedenen Arbeitsbereichen des Sports praktisch
umzusetzen. Vor allem im Leistungs- und Hochleistungssport finden diese
Erkenntnisse seit einigen Jahren ihre Anwendung. Versuche diese Erkenntnisse für
den Bereich des Behindertensports zu modifizieren gibt es bisher nur wenige.
Scheinbar schließen sich eine hohe sportliche Leistungsfähigkeit und Behinderung
nach wie vor in vielen Köpfen von Wissenschaftlern, Trainern und Übungsleitern
aus.
Die psychologische Betrachtungsweise spezifischer Anforderungen im Behindertensport
wurde bisher nur vereinzelt beleuchtet, es mangelt an einem umfassenden
Konzept zur Thematik.
In dieser Arbeit soll erläutert werden, welchen Nutzen ein Interviewleitfaden zur
Sammlung von Informationen, bezüglich des psychischen Anforderungsprofils, unter
dem Aspekt der Belastung und Beanspruchung, behinderter Rugbyspieler hat. Wie
hat sich die Methode der Datensammlung unter dieser Fragestellung bewährt und
sind meine Erwartungen erfüllt worden? Und weiterhin, lassen sich die entwickelten
und erprobten Fragen auch auf andere Rollstuhlsportler einer Mannschaftssportart
übertragen? Wie lässt sich das Leitfaden- Interview in der forschungsmethodischen
Praxis der Sportpsychologie einordnen?
Inhaltsverzeichnis
Prolog
Einführung
1 Theoretische Grundlagen und Vorüberlegungen
1.1 Behindertensport
1.1.1 Behinderung - Begriffbestimmung und aktuelle Zahlen
1.1.2 Aspekte des Behindertensports
1.2. Entwicklung des Rollstuhl- Rugby in der Bundesrepublik Deutschland
1.3 Methodik des Sportspiels Rollstuhl- Rugby und kurzer Abriss des Regelwerkes
1.4 Versuch einer Einordnung der Sportart Rollstuhl- Rugby in die Systematik der Sportspiele von Döbler und Scheidereit
2 Belastung und Beanspruchung als Grundbegriffe in der Sportpsychologie
2.1 Belastung und Beanspruchung in der Sportwissenschaft
2.1.1 Psychische Belastung im Sport
2.12 Psychische Beanspruchung im Sport
2.1.3 Zum Verhältnis psychischer Belastung und Beanspruchung zur psychischen und physischen Belastbarkeit
2.2 Ausblick auf mögliche Aspekte psychische Belastung und Beanspruchung im Sportspiel
3 Empirische Forschung im Sport
3.1 Grundlagen sportwissenschaftlicher Forschung
3.1.1 Grundlagen sportpsychologische Forschung
3.1.2 Aufgaben sportpsychologischer Forschung im Leistungssport
3.2 Qualitatives und quantitatives Paradigma in der empirischen Sportforschung
3.2.1 Quantitative Forschungsmethodik
3.2.2 Qualitative Forschungsmethodik
3.3.3 Konsequenzen für die sportwissenschaftliche Praxis
4 Die Methodik des Interviews als mündliche Form der Befragung
4.1 Allgemeine Grundlagen wissenschaftlicher Befragungen
4.2 Abgrenzung wissenschaftlicher Befragungen vom Alltagsgespräch
4.3 Kommunikation als Prozessmodell und Grundlage wissenschaftlicher Befragungen
4.4 Charakteristik wissenschaftlicher Befragungen
4.4.1 Grad der Standardisierung
4.4.2 Offene und geschlossene Fragen
4.5 Auswahl der Stichprobe und Stichprobengröße
4.6 Flexibilität und Offenheit qualitativer Interviews
4.7 Leitfadeninterview als mündliche Form der Befragung
5 Entwicklung und Erprobung des Interviewleitfadens
5.1 Aufgabenstellung
5.2 Kategorisierung der Fragen
5.3 Untersuchungsstichprobe
5.4 B efragungssituation
5.5 Durchführung der Interviews
5.6 Darstellung der Interviewergebnisse
6 Zusammenfassung und Ausblick
7 Literaturverzeichnis
8 Internetquellenangaben
9 Abbildungsverzeichnis
10 Tabellenverzeichnis
11 Anhang
12 Danksagung
Prolog
Während meines Magisterstudiums in den Fächern Sportwissenschaft und Rehabilitationspädagogik ist es mir gelungen, ein breites Wissensspektrum bezüglich des Rollstuhlsports anzueignen. Auf diesem Gebiet lag mein besonderes Interesse. Nicht nur im Zusammenhang positiver Wirkungen sportlicher Tätigkeit auf den menschlichen Körper, sondern auch hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Rollstuhlsportlern im Leistungs- und Freizeitsport. Ausgehend von den vielfältigen Fähigkeiten und Fertigkeiten von Behinderung betroffener Sportler, hat der Behindertenleistungssport auch in der Öffentlichkeit zunehmend an Aufmerksamkeit und Anerkennung gewonnen und einen großen Beitrag dazu geleistet, ein von den Defiziten ausgehendes Denkmuster in vielen Köpfen aufzulösen. Vor allem aber sind es die Sportler selbst, die großen Anteil daran haben, dass der Umgang mit behinderten Mitmenschen sich nicht nur im Sport wesentlich achtungsvoller und vorurteilsfreier gestaltet. Während meines Studiums habe ich dafür beispielhafte Lebensläufe kennen gelernt, die diese Haltung mehr als repräsentieren.
Rollstuhl-Rugby ist eine noch recht junge sportliche Disziplin in Deutschland. Trotzdem hatte ich die Gelegenheit, über die öffentlichen Medien einige Kenntnisse zu sammeln.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine umfassenden wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu, welche psychischen und physischen Anforderungen RollstuhlRugby in Training und Wettkampf an seine Spieler stellt. Das zeigte sich auch bei der Sammlung notwendiger Literatur zum Thema, bei der ich im Bezug auf diese Sportart sehr schnell an Grenzen gestoßen bin.
Dieser Aspekt motivierte mich umso mehr, mich mit dem Rollstuhl- Rugby und vor allem natürlich seinen Spielern auseinander zu setzen.
Während eines Praktikums und einer anschließenden hilfswissenschaftlichen Tätigkeit am Institut für Rehabilitationspädagogik und der „Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation“ der Martin- Luther- Universität, lernte ich einen meiner späteren Interviewpartner kennen. So bekam ich Informationen zum Rollstuhl-Rugby „aus erster Hand“.
Dieser Aspekt führt schon hin zur Thematik der Arbeit, nämlich der Frage nach zugehen, inwieweit sich ein Interviewleitfaden zur Sammlung von Informationen zu einem bestimmten Sachverhalt, einer Problematik oder eines Ereignisses in der Sportpsychologie eignet. Ist die Interviewmethode als Form verbaler Kommunikation hinsichtlich der Fragestellung zweckmäßig und ist die Qualität und die Quantität der gesammelten Daten befriedigend?
Einführung
Die Methoden qualitativer Forschung zur Erhebung untersuchungsrelevanter Daten erfreuen sich auch innerhalb der Sportwissenschaft immer größerer Beliebtheit. Mit dem gesteigerten Interesse am Subjekt Mensch, seinem Handeln und Erleben in seinem natürlichen Lebensumfeld, wuchs auch die Zahl derer, die sich mittels unstrukturierten und offenen Erhebungsmethoden dem sozialen Umfeld des Menschen nähern wollen.
Spätestens seit Erkenntnis über die einflussreiche Bedeutung psychischer Prozesse im sportlichen Handeln, werden Methoden der qualitativen Erkenntnisgewinnung nun auch vermehrt in Forschungsprozesse innerhalb der Sportwissenschaft eingebunden und deren Ergebnisse in der Praxis umgesetzt.
Dabei geht es also nun nicht mehr primär um die Erfassung physiologischer Parameter im Sport, sondern auch um die Erfassung von Faktoren auf psychischer Ebene, wie Motive, Einstellungen, Emotionen und den Prozessen kognitiver Informationsaufnahme, deren Verarbeitung und Umsetzung. Um deren Geltung im Bezug zur Leistung und Leistungsfähigkeit eines Sportlers zu beschreiben und zu erklären, und in den verschiedenen Arbeitsbereichen des Sports praktisch umzusetzen. Vor allem im Leistungs- und Hochleistungssport finden diese Erkenntnisse seit einigen Jahren ihre Anwendung. Versuche diese Erkenntnisse für den Bereich des Behindertensports zu modifizieren gibt es bisher nur wenige. Scheinbar schließen sich eine hohe sportliche Leistungsfähigkeit und Behinderung nach wie vor in vielen Köpfen von Wissenschaftlern, Trainern und Übungsleitern aus.
Die psychologische Betrachtungsweise spezifischer Anforderungen im Behindertensport wurde bisher nur vereinzelt beleuchtet, es mangelt an einem umfassenden Konzept zur Thematik.
In dieser Arbeit soll erläutert werden, welchen Nutzen ein Interviewleitfaden zur Sammlung von Informationen, bezüglich des psychischen Anforderungsprofils, unter dem Aspekt der Belastung und Beanspruchung, behinderter Rugbyspieler hat. Wie hat sich die Methode der Datensammlung unter dieser Fragestellung bewährt und sind meine Erwartungen erfüllt worden? Und weiterhin, lassen sich die entwickelten und erprobten Fragen auch auf andere Rollstuhlsportler einer Mannschaftssportart übertragen? Wie lässt sich das Leitfaden- Interview in der forschungsmethodischen Praxis der Sportpsychologie einordnen? Welchen Stellenwert nimmt das Leitfaden- Interview innerhalb des Forschungsprozesses ein? Dient er lediglich der Vorbereitung auf weiterführende quantitative oder qualitative Verfahren der Datengewinnung?
Diese Arbeit leistet einen Beitrag dazu, mittels Befragung, Einblicke in die psychischen Anforderungen von Behinderung betroffener Rugbyspieler zu erhalten. Dazu wurde von mir ein Leitfaden- Interview entwickelt, welcher an einer Probandengruppe erprobt wurde.
Zu Beginn widme ich mich dem theoretischen Teil der Arbeit. Er dient vor allem der Einführung in die Thematik. Hier erfolgt die Einbettung und Erläuterung der Begriffe Behinderung und Sport in den thematischen Kontext. Im folgenden werde ich die Aspekte von Belastung und Beanspruchung in der Sportwissenschaft und im Besonderen der Sportpsychologie erläutern. Anschließend folgt eine Übersicht und theoretische Einführung in die Grundlagen empirischer Forschung und in die Methoden der qualitativen und quantitativen Datengewinnung in der Sportwissenschaft. Im Anschluss daran wird die Methode der Befragung zur Erhebung forschungsrelevanter Daten in der Wissenschaft näher betrachtet. Daran schließt sich eine Darstellung der Aspekte der Entwicklung und praktischen Umsetzung des Leitfadens zur Erfassung psychischer Anforderungen im Rollstuhl- Rugby an. Abschließend folgt ein Fazit und die gewonnenen Schlussfolgerungen werden noch einmal kritisch betrachtet.
Ich möchte zum allgemeinen Verständnis darauf hinweisen, dass es sich bei den Begriffen Leitfaden- Interview und Interviewleitfaden um ein und dieselbe Methode der Datengewinnung handelt, da ich aber auf fortlaufende Wortwiederholungen verzichten möchte, werden die beiden Begriffe synonym verwendet.
1 Theoretische Grundlagen und Vorüberlegungen
1.1 Behindertensport
1.1.1 Behinderung - Begriffbestimmung und aktuelle Zahlen
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes leben in Deutschland ca. 6, 5 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung1 (vgl. Kuckuck & Worms, 2002, S. 197). In der Bundesrepublik Deutschland besteht keine „Meldepflicht“ bezüglich Behinderung, daher beziehen sich die Zahlen auf Schätzungen und der Anzahl der Personen, welche einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis gestellt haben und diesen auch bewilligt bekamen2 (vgl. Kuckuck & Worms, 2002, S. 197). Dabei ist, bezogen auf die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, jeder zwölfte Einwohner schwerbehindert, das sind ca. 8,2 %. Häufigste Form der Behinderung ist die körperliche Behinderung. Ihr prozentualer Anteil beläuft sich auf ca. 66 % aller von Behinderung betroffenen Menschen. Sowohl auf nationaler und internationaler Ebene sind die Definitionen des Begriffs Behinderung sehr unterschiedlich, deshalb können auch die Zahlen, welche Menschen mit Behinderung erfassen sollen, stark variieren. An dieser Stelle wird Bezug zur Definition der WHO genommen, sie entwickelte mit dem ICIDH3 (1980) eine Klassifizierung und Bestimmung des Begriffs Behinderung. Dieser wurde 1999 überarbeitet und schließt nun Aspekte der sozialen Teilhabe mit ein. Damit wird die Dimension des Begriffs Behinderung in einer neuen Fassung, der ICF4, auf seine Auswirkungen auf die Person im Kontext seiner Umwelt, und daraus resultierenden Folgen, erweitert. In der neuen Fassung werden Kompetenzen und Defizite gegenübergestellt (Bergeest, 2006, S. 17). Die ursprüngliche Fassung von 1980 war vor allem an den Defiziten einer Person mit Behinderung orientiert (vgl. Bergeest, 2006, S.56-57).
Der Mensch lebt in einem sozialen System, welches mittels Rollenzuweisungen, Normen und Werten definiert wird. Ein soziales System wird getragen durch die Interaktion der Menschen untereinander. Der Umgang mit von einer Behinderung betroffenen Menschen ist häufig negativ geprägt und wird auf die Einschränkungen und Defizite reduziert.
Körperliche Schädigungen, beziehungsweise chronische Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates und des zentralen und peripheren Nervensystems sind mit Einschränkungen oder Beeinträchtigungen des Körpers, beziehungsweise funktionellen Einheiten verbunden. Infolge dieser funktionellen Einschränkungen kommt es zur eigentlichen Behinderung, nämlich den Beeinträchtigungen des sozialen Lebens des Betroffenen. Diese sind Benachteiligungen und Herabwürdigung der betroffenen Person bis hin zur Stigmatisierung, Etikettierung und Ausgrenzung aus verschiedenen Lebensbereichen des Menschen. Aufgrund einer körperlichen Schädigung kann es demzufolge zu Beeinträchtigungen auf emotionaler und motivationaler Ebene kommen. Bestehende Barrieren des Umfeldes erschweren die soziale Teilhabe am Leben und führen zu eingeschränkter Interaktion bis hin zur Isolation. Der Behinderungsbegriff ist immer im Bezug zum sozialen Kontext zu sehen. Nicht allein die Schädigung, ihr Schweregrad, beziehungsweise ihr Ausmaß, ist entscheidend für soziale Beeinträchtigung, beziehungsweise Behinderung. Entscheidend sind die Möglichkeiten und Chancen, die das soziale Umfeld der betroffenen Person einräumt.
Nicht selten wird das Ausmaß einer Behinderung dadurch mitbestimmt, wie umfangreich der Grad der Abhängigkeit der betroffenen Person von seinen Mitmenschen und der Umwelt ist (vgl. Kuckuck & Worms, 2002, S. 193). Von Kuckuck & Worms (2002) wird dazu formuliert: „[...] Abhängigkeit führt gleichzeitig zur Abnahme der Unabhängigkeit, d.h. der Raum für die individuelle Handlungsfähigkeit und Entscheidungsfähigkeit schrumpft oftmals in Abhängigkeit zum Schweregrad der Behinderung“ (S. 193). Des weiteren sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Person entscheidend für die individuelle Dimension der Behinderung. Das heißt, welche Ressourcen und welche Qualifikationen stehen der betroffenen Person zur Verfügung, um Aufgaben und Probleme zu bewältigen (vgl. Innenmoser, 2002, S. 15). Ressourcen beziehen sich hier auf soziale Aspekte der familiären Einbindung und Unterstützung und der Integration in Schule oder Beruf (vgl. Bergeest, 2006, S. 57). Weniger deutlich ist im Modell der Bezug zu den individuellen personalen Ressourcen, wie Aspekte der Selbstregulation auf motorischer, kognitiver und emotionaler Ebene und den Aspekten der Identitätsfindung herausgestellt (vgl. Bergeest, 2006,S. 57). Das Modell hebt die Wechselwirkung von Schädigung, beziehungsweise chronischer Erkrankung und dem sozialen Kontext hervor und kann damit als dynamisches Prozessmodell verstanden werden (Bergeest, 2006, S. 57).
In der schematischen Darstellung (Abb.1) nach Innenmoser (2002), in Anlehnung an die Definition der WHO, ist noch einmal der Zusammenhang einer körperlichen Schädigung, funktionellen Einschränkung, beziehungsweise Störung mit den Auswirkungen auf das soziale Leben des Betroffenen dargestellt (S. 13).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Übersicht über die Zusammenhänge körperlicher Schädigung/chronischer Erkrankung, funktionellen Einschränkungen und sozialer Beeinträchtigung
1.1.2 Aspekte des Behindertensports
„Behindertensport versucht Sport, Spiel und Bewegung in der ganzen Bandbreite ihrer möglichen körperlichen, psychischen, sozialen und kognitiven Auswirkungen zum Abbau von Behinderungen, bzw. der Wirkungen von Behinderungen zu nutzen“ (Rieder, 1992, S. 40). Das heißt aber nicht, dass sportliche Tätigkeit ausschließlich der medizinischen und sozialen Rehabilitation dient, vielmehr bietet der Sport auch Athleten mit einer Behinderung die Möglichkeit, sich auf hohem sportlichen Niveau den Herausforderungen der jeweiligen Sportart zu stellen und sich mit einem sportlichen Gegner zu messen.
Prinzipiell ist festzustellen, dass sportliche Tätigkeit im Behindertensport der Erfüllung derselben Ziele und Erwartungen der Sportler dient, wie für nichtbehinderte Sportler. Das gilt sowohl für den Leistungs- als auch für den Freizeitsport. Damit eröffnete sich innerhalb des Behindertensports eine neue Dimension. So ist Sport und Bewegung nicht mehr nur zu therapeutischen Zwecken einzusetzen, sondern auch, um Freizeit sinnvoll zu gestalten. Darüber hinaus bietet der Sport im Leistungs- und Freizeitbereich eine neue Chance, Lebensqualität zu erreichen und zu erhalten. Ein weiterer Gesichtspunkt sportlicher Betätigung von Menschen mit Behinderung ergibt sich, wenn man bedenkt, dass die Akzeptanz und Anerkennung behinderter Leistungssportler in den letzten Jahren enorm gestiegen ist (vgl. Kuckuck & Worms, 2002, S. 201).
Nach Kuckuck & Worms (2002) hat sich das „System Behindertensport“ erheblich verändert und auch schwer behinderte Menschen können „[...] ihre persönlichen Ziele auf das Niveau des Leistungssports ausrichten“ (S. 201).
Somit dient Sport für Menschen mit Behinderung nicht mehr allein rehabilitativen Zwecken. „Sportliche Angebote, die nur schädigungs- oder funktionsspezifisch ausgerichtet sind, können nicht befriedigen“ (Innenmoser, 2002, S. 15)! Während es innerhalb der Sportspiele für Menschen mir einer Behinderung aus rehabilitativer Sichtweise um die Frage ging, wie die jeweilige Behinderung und die daraus resultierenden Folgen gemindert, beziehungsweise kompensiert werden können, steht im Behindertenleistungssport, auch bei den Sportspielen, der Gedanke im Vordergrund, welche motorischen, kognitiven und psychischen Fähigkeiten und Fertigkeiten vorhanden sind und welchen Sport die betreffende Person mit den vorhandenen Qualifikationen erfolgreich ausüben kann. Für die Sportspiele ist von Bedeutung, dass die Spielidee und die spezifischen Anforderungen die jedes Sportspiel mitbringt, unter Beachtung des Regelwerkes, gelöst und bewältigt werden können. Die Bestimmungen und Anforderungen der Sportarten sollen nicht gänzlich verändert werden.
Bei der Auswahl der geeigneten Sportart sollte natürlich die Art und der Schweregrad der Behinderung Berücksichtigung finden, ebenso die persönlichen Interessen und die Gegebenheiten des Umfeldes (vgl. Innenmoser, 2002, S. 15). Eigenständig entwickelte Sportarten für Menschen mit einer Behinderung haben den Vorteil, dass sie speziell auf die jeweiligen Personen, ihren Einschränkungen und ihren Fähigkeiten zugeschnitten sind. In der Regel haben diese dann ein eigenes konzipiertes Regelwerk.
In den traditionellen Sportarten wuchs der Gedanke, diese auch für Sportler mit einer Behinderung zugänglich zu machen. Daraus entwickelten sich abgeänderte Regelwerke. Mit Hilfe spezieller Sportgeräte wird die Ausübung der Sportart erleichtert, mit dem Vorsatz, die Idee und Zielsetzung der Sportartarten beizubehalten und sie auch für behinderte Sportler zugänglich zu machen (vgl. Innenmoser, 2002, S. 56). Ein solches Hilfsmittel ist zum Beispiel ein speziell angefertigter Rollstuhl, mit dem es möglich ist, sich schnell, sicher und wendig auf einem Spielfeld fortzubewegen. Als Beispiel soll an dieser Stelle Rollstuhl- Basketball angeführt werden. Bei dieser Sportart für Rollstuhlsportler lehnt sich das Regelwerk an das Basketballspiel für nichtbehinderte Sportler an. Der Rollstuhl ermöglicht den behinderten Spielern die schnelle und effektive Fortbewegung und sichert die Umsetzung der Spielidee.
Behindertensport kann in vielen Sportarten ausgeübt werden, die auch für nichtbehinderte Sportler angeboten werden, dabei unterscheidet sich der Leistungssport hinsichtlich seiner Zielsetzung für Menschen mit einer Behinderung nicht von dem der nichtbehinderten Sportler (vgl. Kuckuck & Worms, 2002, S. 209). Grundsätzlich sollte die ausgeübte Sportart den individuellen Voraussetzungen der Person angepasst sein. Dieser Grundsatz gilt auch für die Sportspiele. Aus diesem Grund wurden klassische Sportspiele wie Basketball, auf die Bedürfnisse und die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Sportler mit einer Behinderung adaptiert (vgl. Innenmoser, 2002, S. 56).
„Die im Spiel gestellten Bewegungsaufgaben sollten mit den zur Verfügung stehenden Funktionen und Fähigkeiten gelöst werden können“ (Innenmoser & Kolb, 2005, S. 270).
Besonderes Interesse an sportlicher Aktivität von Menschen mit Behinderung liegt sicher auch im integrativen Charakter des Sports begründet. Er vereint Sportler, Trainer und Zuschauer unterschiedlichster Herkunft und sozialer Stellung gleichermaßen. In vielen Fällen bietet der Sport Menschen mit Behinderung die einzige Möglichkeit ihre Kompetenzen zum Ausdruck zu bringen. Das Wissen um die vielseitigen positiven Einflüsse sportlicher Tätigkeit auf den Menschen, ließen auch die Zahlen der Mitglieder in den Behindertensportverbänden steigen. Derzeit beläuft sich die aktuelle Anzahl der Mitglieder des Landesverbandes für Behinderten- und Rehabilitationssport Sachsen- Anhalt auf 12.392 Mitglieder. Allein in Sachsen- Anhalt unterstehen 87 eingetragene Vereine dem Deutschen Behinderten- Sportverband e.V. (Stand 1.1. 2006)5.
Abgesehen von Disziplinen wie Leichtathletik, Tischtennis und Schwimmen, sind es insbesondere die Angebote in den Sportspielen wie Basketball, Volleyball und Rugby, welche von Menschen mit Behinderung in Anspruch genommen werden. Welche Form der sportlichen Betätigung für den Einzelnen in Anspruch genommen werden kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab und wird über leistungsdiagnostische Parameter ermittelt. Neben der individuellen Zielsetzung der Person, die an die Ausübung einer Sportart gekoppelt ist, sind es die koordinativen und konditionellen Leistungsvoraussetzungen, die jede Person mitbringt, die es zu überprüfen gilt. Diese müssen dann mit dem Anforderungsprofil der sportlichen Bewegungsaufgabe und dem sportartspezifischen Profil verglichen werden (vgl. Innenmoser, 2002, S. 63f). Neben Parametern wie Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer müssen aber auch die psychischen Anforderungen und Leistungsvoraussetzungen beleuchtet werden. Innenmoser (2002) hält dazu fest, „[...] dass die Ermittlung des Anforderungsprofils unbedingt auch die psychischen Belastungen und Leistungen einschließen muss“ (S. 66). Die Erfassung eines individuellen Anforderungsprofils erfordert weitreichende Kenntnisse über die jeweilige sportliche Aufgabe und ständige Kontrolle der physischen und psychischen Anforderungen, beziehungsweise Belastungen der Person, hinsichtlich seines subjektiven Belastungsempfindens. Im Sinne einer optimalen Trainingsgestaltung und der damit verbundenen Zielsetzung einer Leistungssteigerung, beziehungsweise einem Leistungserhalt, muss geprüft werden, welche Belastungen für die jeweilige sportliche Aufgabe typisch sind und wie sie sich im Sportler auswirken. Belastung und Beanspruchung sind individuelle, situationsspezifische Komponenten. Es ist also wichtig, nicht nur den sportartspezifischen Belastungsumfang zu berücksichtigen, sondern auch die person- und situationsspezifischen Bedingungen zu betrachten und stets zu überprüfen.
1.2 Entwicklung des Rollstuhl- Rugby in der Bundesrepublik Deutschland
Die Mannschaftsportart Rollstuhl-Rugby stammt ursprünglich aus Kanada und wurde dort vor etwa 30 Jahren von Tetraplegikern6 gegründet (vgl. Strohkendl, 2002, S.1). Bis vor einigen Jahren wurde versucht, Personen mit einer Behinderung an allen vier Gliedmaßen in Vereine für Rollstuhl- Basketball zu integrieren (vgl. Innenmoser, Kolb, 2005, S. 269). Da sie die schwersten körperlichen Beeinträchtigungen innerhalb der Mannschaft hatten, entsprach ihr Status innerhalb der Mannschaft häufig nicht den eigenen persönlichen Erwartungen. Nicht zuletzt aus einem Mangel an Angeboten heraus, ist es vor allem den Betroffenen selbst zu verdanken, dass sie sich dafür einsetzten, Rollstuhl- Rugby in Deutschland zu etablieren. Rollstuhl- Rugby ist in Deutschland ein anerkannter Rehabilitationssport (vgl. Strohkendl, 2002, S.1). Es gibt sowohl homogene Mannschaften, bei denen jedes aktiv teilnehmende Mitglied von einer Behinderung betroffen ist, als auch heterogene Teams. Das heißt, dass eine Rollstuhl-Rugbymannschaft sowohl aus ausschließlich behinderten Mitgliedern bestehen kann, aber auch aus behinderten und nichtbehinderten Mitspielern. Im Wettkampfbetrieb sind allerdings ausschließlich Sportler mit einer Behinderung zugelassen. Rollstuhl- Rugby ist seit 2002 eine anerkannte Sportart im paralympischen Programm. Der internationale Verband für Rollstuhl- Rugby verzeichnet insgesamt 19 Mitgliedsländer, davon sind 13 aus Europa. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es rund 250 aktive Rollstuhl- Rugbyspieler (vgl. Strohkendl, 2002, S. 1).
1.3. Methodik des Sportspiels Rollstuhl- Rugby und kurzer Abriss des Regelwerkes
Rollstuhl- Rugby ist geeignet für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen an mindesten drei Gliedmaßen. Damit ist Rollstuhl-Rugby die zur Zeit einzige Sportart, welche auch für Menschen ausüben können, die an allen vier Gliedmaßen gehandicapt (Tetraplegie) sind. Auf diese Weise wird Menschen mit einer Querschnittslähmung die Möglichkeit gegeben, sich sportlich zu betätigen. Gespielt wird Rollstuhl-Rugby mit Volleybällen. Ziel des Spiels ist es, einen Ball über die Torlinie der gegnerischen Mannschaft zu bringen. Der Ball muss sich im Besitz des Spielers befinden. Bringt er ihn über die Ziellinie, erzielt er einen Punkt für seine Mannschaft. Das heißt, der Ball darf nicht über die Ziellinie geworfen oder gerollt werden. Für den Rollstuhl-Rugbyspieler bedeutet dies, dass er den Ball zumeist auf seinem Schoß befördert, damit beide Arme frei sind und er sich mit dem Rollstuhl möglichst schnell und effektiv fortbewegen kann. Ein Tor ist nur dann erzielt, wenn der den Ball tragende Spieler eindeutig mit zwei Rädern seines Rollstuhls die Torlinie zumindest berührt hat. Der Ball kann zum Mitspieler gereicht, geworfen, gerollt oder auch gedribbelt werden.
Ziel der gegnerischen Mannschaft ist es zu verhindern, dass ein Spieler des anderen Teams mit dem Ball über die Ziellinie gelangt und damit für seine Mannschaft einen Punkt erlangt.
Den Spielern ist jeglicher Körperkontakt untereinender untersagt. Zulässig dagegen ist der Kontakt der Rollstühle. Die Berührung des Rollstuhls hinter der Hinterachse ist nicht erlaubt, da der Rollstuhl sonst für seinen Fahrer kaum noch zu manövrieren ist und damit eine erhöhte Unfallgefahr besteht.
Angriff und Verteidigung sind die zwei Hauptspielaufgaben der Mannschaften im Rollstuhl- Rugby.
Rollstuhl-Rugby wird in der Regel auf einem Basketballfeld gespielt. Die effektive Spielzeit beträgt vier mal acht Minuten. Kurze Pausen zwischen den einzelnen Spielabschnitten unterbrechen das Spiel. Keine der Pausen darf aber länger als fünf Minuten betragen. Jede Mannschaft hat vier Spieler auf dem Feld. Jeder Spieler darf maximal 10 Sekunden Ballkontakt haben, dann muss die Abgabe des Balls an einen anderen Spieler seiner Mannschaft erfolgen oder der Ball muss gedribbelt werden.
Greift eine Mannschaft an, muss diese innerhalb von 15 Sekunden im gegnerischen Spielfeld sein. Ein Zurückspielen des Balls in die eigene Spielfeldhälfte ist nicht erlaubt. Gewonnen hat die Mannschaft, welche zum Ende des Spiels die meisten Punkte erzielt hat. Der kurze Abriss des Regelwerkes des Sportspiels Rollstuhl- Rugby lässt vermuten, dass es sich um eine Sportart handelt, bei der hohe, sowohl physische, als auch psychische Anforderungen an jeden einzelnen Spieler gestellt werden. Hier ist Teamgeist, Taktik und Schnelligkeit von großer Bedeutung.
1.4 Versuch einer Einordnung der Sportart Rollstuhl- Rugby in die Systematik der Sportspiele von Döbler und Scheidereit
Nach Döbler & Scheidereit (1988) lassen sich alle Sportspiele nach ihrem Spielgedanken systematisieren7 (S. 17-19). Der Spielgedanke selbst und die Regeln bei der Umsetzung sind für jedes Sportspiel charakteristisch und fordern von den Spielern bestimmte Voraussetzungen, welche je nach Sportspiel stark variieren können. Die Vielfalt der sportlichen Auseinandersetzung im Sportspiel zwingt zu einer Systematisierung. Im folgenden wird der Versuch unternommen, das Sportspiel Rollstuhl- Rugby systematisch, das heißt nach seiner spielerischen Zielsetzung und den Bedingungen einzuordnen. Daraus lassen sich mögliche Schlussfolgerungen im Bezug zu psychischen und physischen Anforderungen ableiten.
Rollstuhl- Rugby gliedert sich in die Gruppe der Tor-, Korb- und Malspiele ein. Nach Döbler und Scheidereit (1988) sind folgende Aspekte charakteristisch für diese sportspielerische Form der Auseinandersetzung.
Das Spielobjekt Ball soll über die gegnerische Linie gebracht werden, beziehungsweise ist es die Aufgabe der Abwehrspieler dies zu verhindern. Die sportspielerische Aufgabe ist daher Angriff und Verteidigung. Die Umsetzung des Spielgedankens erfolgt nach festgelegten Regeln. Rollstuhl- Rugby gehört zur Gruppe der Mannschaftsspiele. Kennzeichnend für diesen Sport ist die gleichzeitige Anwesenheit beider Mannschaften auf einem Spielfeld. Der Ballbesitz ist stets umstritten und wechselt folglich ständig. Charakteristisch für das Sportspiel Rollstuhl- Rugby ist die direkte Auseinandersetzung mit dem sportlichen Gegner.
Rollstuhl- Rugby gehört zu den Kontaktsportarten, erlaubt ist aber nur der Kontakt der Rollstühle, körperlicher Kontakt ist verboten. Da stets ist mit der Einflussnahme des Gegners auf eine Spielhandlung oder einer Kette von Spielzügen zu rechnen ist, muss jeder Spieler mit einer permanent wechselnden Spielsituation rechnen. Er muss sich aber auch darüber bewusst sein, dass er jederzeit die Spielsituation verändern kann und damit das Spiel zu seinen, beziehungsweise zu Gunsten der Mannschaft beeinflussen kann.
2 Belastung und Beanspruchung als Grundbegriffe in der Sportpsychologie
Unter Einfluss des aktuellen physischen und psychischen Zustandes eines Sportlers, der zu bewältigenden Aufgabe und den Realisierungsbedingungen werden Anforderungen, welche die sportliche Tätigkeit an einen Sportler stellt, subjektiv unterschiedlich erlebt. Die Erwartungshaltung des Sportlers und die zur Verfügung stehenden Fähigkeiten und Fertigkeiten sind entscheidend für das Ausmaß der Belastungen, beziehungsweise der Beanspruchungen eines Sportlers (vgl. Thieß & Schnabel, 1986, S. 16). Jede sportliche Tätigkeit stellt spezifische Anforderungen an einen Sportler. Dabei ist nicht allein die sportliche Aufgabe und die damit verbundenen spezifischen Ansprüche an den Sportler entscheidend für das Ausmaß von Belastung und Beanspruchung eines Sportlers, beziehungsweise seiner Teilsysteme, sondern das subjektive Empfinden des Athleten, unter Einfluss umgebender personaler und materieller Bedingungen unter denen die sportliche Aufgabe gelöst werden soll. Dabei ist nicht nur der aktuelle physische und psychische Zustand von Bedeutung, sondern auch überdauernde psychische Aspekte wie verinnerlichte, beständige Einstellungen und Motive.
2.1 Belastung und Beanspruchung in der Sportwissenschaft
In fast allen Bereichen des täglichen Lebens wird der Mensch mit der Bewältigung von Aufgaben konfrontiert. Nicht selten empfindet er diese als schwer zu erfüllen oder gar nicht zu meistern. Der Mensch ist also in vielen Bereichen des täglichen Lebens Belastungen ausgesetzt. So zum Beispiel in der Schule, der Arbeitswelt, aber auch in Bereichen, welche die Freizeit betreffen. So sieht sich der Mensch auch im Leistungs- und Freizeitsport immer wieder mit Anforderungen konfrontiert, deren Bewältigung der Mensch als belastend empfindet und ihn physisch aber auch psychisch an seine Grenzen bringt. Die Ursprünge heutiger Diskussionen zum Thema Belastung und Beanspruchung im Sport finden sich in der Arbeitwissenschaft. Hier wird auf die Arbeiten von Rohmert und Hacker verwiesen, wonach die Begriffe Belastung und Beanspruch scharf von einander getrennt betrachtet werden sollten (vgl. Schnabel, 1997, S. 55).
Die Begriffe Belastung und Beanspruchung werden in der sportwissenschaftlichen Literatur höchst unterschiedlich interpretiert. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle bemerkt werden, dass es bis zum jetzigen Zeitpunkt kein allgemeingültiges und allumfassendes Konzept zur psychischen Belastung und Beanspruchung in der Sportwissenschaft gibt. Dies erklärt sich zum einen, aus der unterschiedlichen Setzung von Prioritäten, welche sich aus dem Verständnis der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen innerhalb der Sportwissenschaft ergeben und zum anderen der uneinheitlichen Verwendung wichtiger Termini, welche die Begriffe Belastung und Beanspruchung beschreiben und erklären. Aus diesem Grund finden sich in der sportwissenschaftlichen Literatur gegensätzliche Auffassungen dazu, welche Aspekte Belastung im Sport einschließt und damit verbunden, welche Beanspruchungsfolgen sich für den Sportler ergeben. Während in der Trainingswissenschaft und Sportmedizin vor allem physiologische Parameter in der Belastungs- Beanspruchungs- Konzeption berücksichtigt werden, finden in sportpsychologischen Betrachtungsweisen vor allem die individuellen personalen Bedingungen von Belastung und Beanspruchung Beachtung. So stellt Kunath (1975) dazu fest: „Der Begriff der psychischen Belastung ist demzufolge umfassender als der in der Trainingslehre verwandte. Er umfasst nicht nur die objektiv- äußeren Anforderungen bzw. Reize, sondern auch deren Widerspiegelung im Sportler“ (S. 119f).
Nicht selten werden Fachbegriffe wie Überforderung, Stress und Ermüdung, mit den Begriffen Belastung und Beanspruchung in der Literatur sinnverwandt gebraucht. Die inhaltliche Gewichtung und theoretische Einordnung einzelner Parameter, wie Belastungsdauer, Belastungsintensität, Belastungsfaktoren, Prozesse der Regulation und die Belastungswirkungen auf den Menschen, ist in den einzelnen Bereichen sportwissenschaftlicher Lehre höchst unterschiedlich. Deshalb findet sich in der Literatur eine so große Vielfalt an Definitionen der Begriffe Belastung und Beanspruchung und deren konzeptionelle Einordnung. Unumstritten ist, dass Belastung und Beanspruchung in nahezu allen Bereichen des Sports, sei es in der Trainingswissenschaft, der Biomechanik, der Sportmedizin, der Sportpädagogik, aber auch der Sportpsychologie, eine zentrale Stellung einnehmen (vgl. Kratzer, 1991, S. 235). Die Begriffe Belastung, Beanspruchung und Belastbarkeit begegnen uns hinsichtlich ihrer theoretischen Einordnung im Fachgebiet Sportwissenschaft auf vielfältige Weise und sind dabei aber immer als individuelle und subjektiv einzuschätzende Komponente im Prozess einer zu lösenden sportlichen Aufgabe zu betrachten.
2.1.1 Psychische Belastung im Sport
Unabhängig davon, ob eine sportliche Aufgabe im Training, Wettkampf, Schulsport oder in der Therapie gelöst werden soll, der Sportler greift immer sowohl auf physische als auch auf psychische Leistungsvoraussetzungen zurück (vgl. Schellenberger, 1983, S. 288). Der Rückgriff auf individuelle Leistungsvoraus- setzungen ist abhängig von der jeweiligen Leistungsbereitschaft. Unter Einbeziehung der individuellen Leistungsvoraussetzungen und der Bereitschaft sportliche Leistung zu erbringen, ergeben sich auch im Sport unterschiedliche individuelle Formen der Beanspruchung. Unter psychischer Belastung verstehen wir die durch subjektive Wiederspiegelung und Verarbeitung von gestellten Anforderungen bedingte Störung des psychophysischen Gleichgewichts des Sportlers“ (Schellenberger, 1983, S. 288).
Die Störung des Gleichgewichts erfolgt aufgrund des subjektiven Erlebens einer Diskrepanz, zwischen der gestellten Anforderung und den Möglichkeiten die Aufgabe zu bewältigen (vgl. Schellenberger, 1983, S. 289). Im Bezug zum Sport ist davon auszugehen, dass die Anforderung in der Regel zu bewältigen ist. Es besteht also kein objektives Missverhältnis zwischen der Anforderung und den vorhandenen Regulationsmöglichkeiten der Person, sondern nur die subjektive Einschätzung dazu (vgl. Schellenberger, 1983, S. 289). Diese innere Belastungsempfindung ist Resultat äußerer Belastungsreize, aber auch innerer Bedingungen. „Das heißt also, daß die psychische Belastung im Sport abhängig ist von: der gestellten Aufgabe, den jeweiligen Ausführungsbedingungen, den personellen Voraussetzungen bzw. inneren Bedingungen des Sportlers (Persönlichkeitseigenschaften, Bedürfnissen, Interessen, Einstellungen, Stimmungen usw.)“ (Ludwig, 1981, S. 129).
Des weiteren wird Belastung und Beanspruchung als Prozess gesehen. Dabei stellt sich Belastung als individuelle Komponente dar, die aus der jeweiligen sportlichen Tätigkeit, den Bedingungen unter denen diese ausgeführt wird und der individuellen Handlungsfähigkeit der Person entsteht (vgl. Kratzer, 1991,S. 235). Damit ist nicht allein die sportliche Aufgabe an sich als Belastung anzusehen. Vielmehr fließen Aspekte der subjektiven Wahrnehmung der Belastung und äußere Bedingungen unter denen die Aufgabe ausgeführt wird, in die Überlegungen bezüglich sportlicher Belastung ein. Vor allem im Leistungssport werden im Training gezielt Belastungssituationen herbeigeführt. Diese kontrollierte Reizsetzung ist notwendiger Bestandteil trainingsmethodischer Überlegungen. Ziel dieser überwachten Belastungsgestaltung ist der Erhalt und die Verbesserung der Leistungsfähigkeit, eine gesteigerte Toleranz gegenüber Belastungen und Förderung von Prozessen der Kompensation von Belastungen (vgl. Nitsch & Hackfort, 1992, S. 34). Weiterhin soll die Qualität der Handlungsregulation verbessert werden (vgl. Kratzer, 1991, S. 235). „Ob und wie etwas als Belastung wirkt, hängt von der subjektiven Wahrnehmung objektiver Gegebenheiten ab, so daß objektiv gleiche Belastungen bei verschiedenen Personen zu ganz unterschiedlichen Beanspruchungszuständen führen können, bestehende Belastungen verstärken oder zu neuen Belastungen werden“ (Nitsch & Hackfort, 1992, S. 34). Infolgedessen ist es für jeden Trainer unerlässlich, das Training individuell zu gestalten und damit verbunden, die Leistungsentwicklung des Sportlers stets zu überprüfen.
Belastungen können demnach als einzelne Reize oder als Summe vieler äußerer Reize verstanden werden, welche auf den Menschen einwirken (vgl. Ludwig, 1981, S. 128). Diese werden individuell erfasst und verarbeitet. Sie führen zu Veränderungen von kognitiven, emotionalen und motivationalen Aspekten und beeinflussen die koordinativen Fähigkeiten der Person (vgl. Kratzer, 1991, S. 235). Die aufgeführten Definitionen verweisen noch einmal darauf, dass es von großer Bedeutung ist die Individualität, also die spezifischen physischen und psychischen Voraussetzungen, welche jeder Mensch mitbringt, zu berücksichtigen. Wie eine Belastung auf einen Sportler wirkt, ist Resultat von Art und Weise der Auseinandersetzung mit der gestellten Aufgabe (vgl. Kratzer, 1991, S. 238). An dieser Stelle soll hinzu gefügt werden, dass eine dauerhafte und zu hohe Belastung auf den menschlichen Organismus weder zweckmäßig im Sinne einer Leistungssteigerung, noch gesundheitsfördernd ist. Die Dauer und Intensität der Belastungen sollte immer nur kurzzeitig und für den Sportler, wenn auch nur unter Anstrengung, zu bewältigen sein. Sportliches Handeln kann generell als eine Anforderung an eine Person verstanden werden. Zur Bewältigung der Aufgabe greift jedes Individuum mehr oder weniger auf seine psychischen und physischen Ressourcen zurück. Dabei bewertet die Person die zu lösende Aufgabe individuell und schätzt subjektiv die eigenen Voraussetzungen ein.
2.1.2 Psychische Beanspruchung im Sport
Unter Beanspruchung versteht man im allgemeinen eine Störung des internen Gleichgewichts (psychophysische Destabilisierung) im Zusammenhang mit der Optimierung des Person- Umwelt- Bezugs, das heißt, der Aufrechterhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung von Anpassungen. Art und Grad der Beanspruchung ergeben sich aus dem jeweiligen Verhältnis von Belastung und Belastbarkeit. (Nitsch & Hackfort, 1992, S. 33)
Aus der angeführten Begriffsbestimmung geht hervor, dass es sich bei der Beanspruchung des Menschen im Kontext einer zu bewältigenden Aufgabe, ebenfalls um eine individuelle Komponente handelt. Dies gilt sowohl für die physische, als auch für die psychische Beanspruchung. Nicht nur die jeweilige Aufgabe, welche es zu bewältigen gilt und die Intensität der Belastung sind von Bedeutung, sondern auch die individuellen Voraussetzungen, die eine Person mitbringt, sind entscheidend für das Ausmaß der Beanspruchung einer Person. „Die während und nach Belastung zu beobachtenden Beanspruchungsreaktionen hängen dabei nicht allein von der Dauer und Intensität der Belastungsreize ab, sondern auch von den individuellen Voraussetzungen und persönlichkeits- spezifischen Gegebenheiten“ (Kemmler, 1982, S. 205). Beanspruchung ist also ein Spiegel individueller Reizaufnahme und -verarbeitung. Aus trainingsmethodischer Sicht wird Belastung und die daraus resultierende Beanspruchung vor allem bewusst, aber auch unbewusst, herbeigeführt. Dabei werden die sportspezifischen Anforderungen so gesetzt, dass sie den individuellen Leistungsgrenzen des Sportlers so nah wie möglich kommen. Dies geschieht unter Berücksichtigung des Ausschöpfens zur Verfügung stehender Reserven. Das schließt psychische und physische Parameter gleichermaßen ein. Ziel ist es, durch Erhöhung der Anforderungen, sowohl im Bezug zur Intensität als auch zum Umfang der Aufgaben, die persönlichen Leistungsgrenzen, sowohl auf psychischer als auch auf physischer Ebene zu steigern. Dies geschieht aufgrund der funktionellen Anpassung des Körpers an die gestellten Anforderungen im Training, also der Trainingsbelastung (vgl. Schnabel, 1997, S. 55). Dabei kann es zu einer kurzfristigen Leistungsminderung kommen, welche sich aber keinesfalls dauerhaft manifestieren sollte. Für die Realisierung der trainingsmethodischen Ziele, nämlich der Leistungssteigerung, beziehungsweise dem Leistungserhalt, ist daher eine individuelle Trainingsplanung unumgänglich.
2.1.3 Zum Verhältnis psychischer Belastung und Beanspruchung zur psychischen und physischen Belastbarkeit
„Belastbarkeit bezeichnet das individuelle Bewältigungspotential und bezieht sich darauf, inwieweit definierte Belastungen ertragen (toleriert) bzw.
Belastungswirkungen ausgeglichen (kompensiert) werden können“ (Nitsch & Hackfort, 1992, S. 34). Vor allem im Bezug zur sportlichen Leistungsfähigkeit wird festgehalten, dass eine hohe psychische Belastbarkeit Voraussetzung für eine hohe sportliche Leistungsfähigkeit ist (vgl. Kratzer, 1991, S. 259). Im Sport darf eine zunächst hemmende Belastungswirkung nicht als grundlegend negativ eingeschätzt werden, vielmehr ist sie notwendiger Bestandteil jeden sportlichen Trainings. Ohne Setzung steigender Intensität und Dauer von Reizen im Sport, ist ein Leistungszuwachs nicht möglich (vgl. Kratzer, 1991, S. 259).
Wir sprechen dann von der Belastbarkeit einer Person, wenn ein Maximum von Umfang und Intensität einer sportlichen Handlung, nicht zu Schädigungen oder Verletzungen führt und damit weder kognitive, noch motorische oder emotionale Parameter dauerhaft beeinträchtigt werden. Demnach ist auch die Belastbarkeit eines Menschen eine subjektive Einschätzung und je nach persönlichen Voraussetzungen höchst unterschiedlich zu bewerten.
„Wie der Mensch auf bestimmte äußere Beanspruchungen reagiert, hängt letztlich von der subjektiven Verarbeitung der gestellten Anforderungen und der allgemeinen physischen und psychischen Belastbarkeit der Persönlichkeit ab“ (Ludwig, 1981, S. 129). Das Maß der Belastbarkeit einer Person bezieht sich also nicht nur auf physische Parameter, sondern auch auf Aspekte der Psyche. Die Toleranz gegenüber belastenden Ereignissen, wie Konflikte innerhalb der Mannschaft oder mit dem Trainer, motivationsmindernde Begebenheiten wie der persönliche Leistungsabfall oder ein verlorener Wettkampf, sind nur einige Beispiele.
Zusammenfassend lässt sich folgendes festhalten, zwischen Belastung, Beanspruchung und Belastbarkeit besteht ein kausaler Zusammenhang. Alle drei Faktoren bedingen sich einander und sind in gewisser Weise voneinander abhängig. Ziel der kontrollierten Belastungsgestaltung im Sport ist eine Steigerung der Leistung und der damit verbundenen Leistungsfähigkeit, sowie einer Steigerung der Resistenz gegenüber belastenden Ereignissen bzw. Verbesserung des effizienten Einsatzes vorhandener Strategien und Ressourcen zur Bewältigung belastender Aufgaben. Eine hohe psychische Belastbarkeit bildet die Grundlage für die Bewältigung steigender Trainings- und Wettkampfbelastungen (vgl. Schellenberger, 1983, S. 299).
Physische und psychische Belastbarkeit sind untrennbar miteinander verbunden. Ohne die eine Leistungsvoraussetzung ist die andere nicht gegeben und umgekehrt.
2.2 Ausblick auf mögliche Aspekte psychischer Belastung und Beanspruchung im Sportspiel
Im Bezug zum thematischen Schwerpunkt soll an dieser Stelle auf die Besonderheiten psychischer Belastung im Sportspiel eingegangen werden. Die Höhe der psychophysischen Beanspruchung ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Nach Ludwig (1981, S. 132) lassen diese sich wie folgt zusammenfassen. Zum einen ist die Höhe der Beanspruchung von der sportspielerischen Zielsetzung abhängig. Diese kann unter Umständen besonders kompliziert und komplex sein. Danach richtet sich auch die jeweilige Aufgabenstellung jedes Mitglieds in der Mannschaft, welche es zu erfüllen gilt. Des weiteren ist die Beanspruchung abhängig von den jeweiligen äußeren Bedingungen des Trainings oder Wettkampfes. Das schließt Faktoren wie die Beschaffenheit der Trainings- und/ oder Wettkampfstätte und andere materielle Voraussetzungen mit ein. Darüber hinaus sind die Beziehungen der Spieler untereinander von Bedeutung. Die jeweilige gesellschaftliche und soziale Stellung eines Spielers innerhalb seiner Mannschaft können ausschlaggebend für das individuelle Beanspruchungserleben eines Sportlers sein. Ebenso die Beziehung der Spieler zu anderen, am Training oder Wettkampf beteiligten Personen wie Trainer oder Übungsleiter.
Des weiteren müssen die individuellen psychischen und physischen Leistungs- voraussetzungen der einzelnen Spieler mit in die Überlegungen einbezogen werden.
„Aus psychologischer Sicht ist die sportliche Spieltätigkeit als Einheit motivationaler, emotionaler und kognitiver Prozesse zu sehen, die sich im situativen Handeln und spieltypischen Verhalten wiederspiegelt“ ( Lau, Stoll & Wahnelt, 2002, S. 12). Aufgrund der Charakteristik dieser Sportart und unter Einbeziehung der angeführten Kenntnisse über die relevanten psychischen Prozesse im Sportspiel lässt sich für die Umsetzung des Spielgedankens folgendes ableiten. Sie setzt ein hohes Maß an koordinativen Fertigkeiten voraus, sie stellt hohe Anforderungen an die motorischen Fähigkeiten und die Kooperation der Mitglieder untereinander. Ferner werden Emotionen geweckt, die es zu kontrollieren und zu beherrschen gilt. Überdies werden die kognitiven Fähigkeiten, wie Konzentration, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Wahrnehmung während der Ausübung der sportlichen Aufgabe, ob im Training oder Wettkampf, gefordert. Dabei gilt es nicht nur die Aktionen der Mitglieder der eigenen Mannschaft zu erfassen, sondern auch die der gegnerischen Mannschaft. Spielzüge müssen antizipiert werden, um adäquat Handeln zu können. Dafür ist die ständige Aufmerksamkeit jedes Spielers grundlegende Voraussetzung. Aufgrund der recht komplexen Methodik und hohen Dynamik des Spiels, lässt sich schlussfolgern, es werden sehr hohe Anforderungen an die Spieler gestellt, sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene. Jeder Spieler muss zu jeder Zeit hoch konzentriert sein und sich auf die fortwährend ändernden Spielsituationen einstellen. Der hohe Zeitdruck unter dem Entscheidungen über die nächste spielerische Aktion getroffen werden, wirken ebenfalls auf die Spieler ein.
Jeder Spieler als Mitglied einer Mannschaft hat innerhalb des Kollektivs eine Aufgabe zu erfüllen und ist damit Teil eines Ganzen. Dabei verbindet die einzelnen Spieler vor allem der Gedanke an die gemeinsame Umsetzung der jeweiligen Zielstellung des Sportspiels. Somit verstehen sich die Mitglieder einer sportspielerischen Mannschaft nicht als Einzelkämpfer, sondern als gleichwertiger Partner.
Jede sportliche Handlung ist im Zusammenhang von Person, Umwelt und Aufgabe zu betrachten. Jedoch ist noch einmal zu betonen, dass der sportliche Erfolg nicht ausschließlich auf die Summe einzelner individueller Teilleistungen zurückzuführen ist, sondern dass das effektive aufeinander Abstimmen und Zusammenwirken dieser Einzelteilleistungen, unter dem Einfluss äußerer und innerer Bedingungen, bestimmend ist, für den Erfolg oder Misserfolg einer Mannschaft. Jedem Spieler muss bewusst sein, dass nur mit einem eingespielten Team Erfolge möglich sind. Nicht zuletzt deshalb ist es notwendig, seine Mannschaftskollegen genau zu kennen und einschätzen zu können. Jeder Spieler muss sich auf den anderen, zu jeder Zeit verlassen können und Vertrauen in sein Handeln haben. Der Gedanke, dass man als Mannschaft gewinnt und auch als Mannschaft verliert ist allgegenwärtig und muss jedem Spieler bewusst sein. Bei der Verarbeitung von Misserfolgen ist der Mannschaftszusammenhalt besonders wichtig.
Die unterschiedlichen Persönlichkeiten eines jeden Spielers müssen Berücksichtigung finden, das setzt voraus, dass jeder Spieler sich nicht nur im höchsten Maße einbringt, sondern auch in der Lage ist, sich zum richtigen Zeitpunkt zurückzunehmen.
Im thematischen Bezug zu dieser Arbeit, stellt eine körperliche Behinderung der einzelnen Mitglieder einer Mannschaft eine Besonderheit dar. Die Behinderung als beeinflussender Faktor an sich und die daraus resultierenden psychischen und physischen Anforderungen jeder einzelner Spieler müssen individuell gesichtet werden. Dabei steht die Art und die Schwere der Behinderung im zentralen Blickpunkt. Bisher gibt es noch keine umfassenden Erkenntnisse dazu, welche spezifischen inneren und äußeren Bedingungen die Belastung und Beanspruchung von Behinderung betroffener Sportspieler charakterisiert. Der derzeitige Kenntnisstand lässt daher noch keine konkreten Aussagen über mögliche Interventionsmaßnahmen hinsichtlich der Vermeidung und des Abbaus leistungsmindernder Belastungsfaktoren zu.
3 Empirische Forschung im Sport
3.1 Grundlagen sportwissenschaftlicher Forschung
„Unter Forschung werden alle systematischen Bemühungen verstanden, die im Rahmen der Wissenschaft unternommen werden um zu gesicherten Erkenntnissen über bestimmte Sachverhalte zu kommen“ (Rockmann & Bömermann, 2006, S. 20). Um zu spezifischen Erkenntnissen zu kommen, werden ausgewählte Methoden der Datenerhebung herangezogen, welche nur dann brauchbare wissenschaftliche Ergebnisse liefern, wenn sie speziellen Gütekriterien entsprechen. Sie müssen objektiv, reliabel und valide sein (vgl. Eberspächer,1990, S. 234).
Ein Forschungsablauf ist systematisch, er ist strukturiert und unterliegt der ständigen Kontrolle des Untersuchers (vgl. Heinemann, 1998, S. 13f). Damit unterscheidet sich die wissenschaftliche Untersuchung von alltäglichen Formen der Problem- und Aufgabenanalyse und der Suche nach entsprechenden Lösungsstrategien.
In der Literatur wird zwischen Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung differenziert, auch wenn diese Unterscheidung nicht generell für jede wissenschaftliche Untersuchung vorgenommen werden kann (vgl. Rockmann & Bömermann, 2006, S. 23).
Grundlagenforschung und daraus resultierende Ergebnisse werden in vielen Fällen nicht der praktischen Verwertung unterzogen. Anwendungsorientierte Forschung sucht den praktischen Bezug und die unmittelbare Umsetzung der Ergebnisse in der Praxis und deren Anwendung. Sie wird somit auch als ziel-, beziehungsweise zweckorientiert charakterisiert (vgl. Rockmann & Bömermann, 2006, S. 23). Dabei ist aber festzustellen, dass Grundlagenforschung auch praktisch verwertbare Ergebnisse liefern kann und anwendungsorientierte Forschung grundlegende Erkenntnisse liefert, welche nicht zwingend der unmittelbaren praktischen Umsetzung dienen müssen (vgl. Rockmann & Bömermann, 2006, S. 23).
Im Bezug zur sportwissenschaftlichen Forschung trifft Willimczik (2002) folgende Aussage: „Grundlagenwissenschaft und Angewandte Wissenschaft sollen allerdings in Erfahrungswissenschaften nur als zwei unterschiedliche Zugangsweisen angesehen werden. Erstere geht von Theorien aus, um über sie Probleme des Gegenstandes Sport zu analysieren und zu erklären, die Angewandte Wissenschaft geht von der Sportpraxis aus“ (Willimczik, 2002, S. 26). Die zum Teil strikte Trennung anwendungsorientierter Forschung von der Grundlagenforschung in der Literatur ist in der praktischen, wissenschaftlichen Arbeit weit weniger von Bedeutung.
Weitere Differenzierungen wissenschaftlicher Forschung finden sich bei Haag (1994), der den genannten Varianten die allgemeine und spezielle Forschung, die Wissenschafts- Folgenforschung (Evaluationsforschung), die Hochschulforschung - Industrieforschung und die Auftragsforschung hinzufügt und damit die Varianten wissenschaftlicher Forschung weiter ausdifferenziert (vgl. Haag, 1994, S. 23).
Im Zuge steigender Individualisierung des menschlichen Daseins ergeben sich stets neue Lebensmuster mit eigenen Problemen und der daraus resultierenden Suche nach neuen Lösungswegen. An diese fortschreitende Entwicklung hat sich auch die Wissenschaft angepasst und sich in vielen Bereichen neu strukturiert. Neue Zweige der Lehre und Forschung wurden gegründet und bestehende differenzierten sich aus. Nicht selten sind die Übergänge zwischen einzelnen wissenschaftlichen Zweigen fließend und nicht jeder Bereich lässt sich klar vom anderen abgrenzen.
Die Sportwissenschaft ist unter anderem aus den Mutterwissenschaften Medizin, Pädagogik, Soziologie und Psychologie hervorgegangen. Darum greift sie auch heute noch auf grundlegende Erkenntnisse ihrer Mutterwissenschaften zurück (vgl. Singer & Willimczik, 2002, S. 9).
Sie summiert sich aus Teildisziplinen, wie Sportgeschichte, Sportmedizin, Sportpädagogik, Biomechanik und Sportpsychologie. Daraus eröffnen sich höchst vielfältige Problem- und Aufgabenstellungen innerhalb der Sportwissenschaft. Des weiteren bedient sie sich im Rahmen sportbezogener Forschung unterschiedlicher sportlicher Forschungsfelder und verschiedener Forschungsmethoden. Über die Anwendung verschiedener Forschungsmethoden liegen von Seiten der Sportwissenschaftler verschiedene Ansichten vor. Zu den Gründen für die Auseinandersetzung über verschiedenartige Forschungsmethoden hält Kolb (1994) folgendes fest:
Die Ursache liegt in der inneren Struktur der Sportwissenschaften selbst, die, zu verschiedenen Mutterwissenschaften in Bezug stehend, ein breites Spektrum von Disziplinen mit unterschiedlichen Methoden umfassen. Diese vielschichtige Ausdifferen- zierung ist ein Ausdruck der Tatsache, dass das mit dem Begriff Sport so scheinbar einheitlich gefasste Phänomen in Wirklichkeit schon lange nicht mehr präzise definierbar und noch weniger mit einer einzigen Methode wissenschaftlich erforschbar ist. (S.21)
„Die Sportwissenschaft verwendet die Forschungsmethoden ihrer Teildisziplinen und der involvierten Mutterdisziplinen.“ (Rockmann & Bömermann, 2006, S. 18) Die in den Mutterwissenschaften angewandten Methoden wissenschaftlicher Forschung wurden zum Teil erheblich abgewandelt und für die einzelnen Theoriefelder zugänglich und nutzbar gemacht (vgl. Singer & Willimczik, 2002, S. 9). „[...] Der Grad der Modifizierung ist um so stärker, je sportspezifischer die Problemstellung ist“ (Singer & Willimczik, 2002, S. 9).
Forschungsmethoden werden als Vorgehensweisen verstanden, derer sich wissenschaftliche Disziplinen bedienen, um zu Feststellungen zu gelangen. Sie sollen helfen, zu Erkenntnissen hinsichtlich einer Fragestellung oder eines Phänomens zu gelangen (vgl. Rockmann & Bömermann, 2006, S. 17).
[...]
1 Die Angaben sind der Pressemitteilung vom 11.6.2006 des Statistischen Bundesamtes entnommen.
2 Als schwerbehindert gilt, wer einen Behinderungsgrad von mehr als 50% aufweist
3 International Classification of Impairment, Disability and Handicap
4 International Classification of Functioning, Disability and Health
5 Angaben aus der Mitgliederbestandserhebung des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) e.V. 2005
6 Plegie: komplette Lähmung, völlige Unterbrechung der Leitfähigkeit der Nervenbahnen, das Ausmaß der Lähmung ist Abhängig vom Ort der Schädigung im Verlauf des Rückenmarks; Tetraplegie bezeichnet die Betroffenheit aller vier Gliedmaßen (vgl. Bergeest, 2006, S. 121)
7 Für eine detaillierte Beschreibung der Systematik der Sportspiele verweise ich auf Döbler & Scheidereit (1988)
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