Friedrich Nietzsches Philosophie, welche besagt, dass die Kunst, aber auch die Welt an sich aus zwei polaren Grundmächten, dem Dionysischen und dem Apollinischen, besteht, mündet in einer besonders wichtigen Feststellung: Die zwei Mächte, obwohl so konträr, können nicht ohne einander sein. Der Mensch rettet sich aus der dionysisch grausamen und ungeheuren Wahrheit der Natur und seines Lebens in den heilsamen, schönen, illusorischen, apollinischen Traum, der ihn vor dem Untergang bewahrt. Doch nicht nur das wertende Verhältnis von Untergang und Heilung verbindet die beiden Kräfte miteinander – auch beispielsweise die Dominanz der Maß-Gebenden apollinischen Macht würde negative Auswirkungen haben.
Die Ordnung der Welt scheint von diesem Zweigespann abzuhängen.
Aber das bewusste Leben wird zwischen den beiden Möglichkeiten zerrissen: Einerseits wird es angezogen vom Dionysischen um nicht zu veröden, andererseits ist es auf die zivilisatorischen Schutzvorrichtungen angewiesen um dem Dionysischen nicht preisgegeben zu sein.
Die „dionysische Weisheit“ lässt den von der dionysischen Lust gelockten Menschen jene erkennen, sich aber gleichzeitig an den apollinischen Schutzvorrichtungen festhalten, welche die Kultur für ihn darstellt.
Davon ausgehend, dass sich das Heilsame und „Positive“ des Lebens aus der richtigen Mischung der zwei polaren nietzschen Mächte ergibt, habe ich ein gemeinsames Grundprinzip der drei Filmemacher entdeckt, welche das Ziel verfolgen, in ihren Filmen das „echte“ Leben zu zeigen und die man einstimmig als eher „schwerverdaulich“ oder sogar „negativ“ bezeichnen könnte: Michael Haneke, Lars von Trier und Ulrich Seidl. In den Filmen der drei Filmemacher besteht nämlich ein auffallendes Ungleichgewicht zischen dem Apollinischen und dem Dionysischen. Nicht nur das – oft ist speziell das Missverständnis, eine Über- oder Unterschätzung von, oder ein zu starkes Verlangen der Figuren nach einem der beiden Mächte im Zentrum der Filme. Sie kämpfen stets mit dem Dionysischen (lustvoll Triebhaften, oder Todesnahen), klammern sich zu sehr an das Apollinische (also Kulturellem, Zivilisatorischem...), oder umgekehrt.
Dieses herrschende „Problem“, der Kampf der Figuren mit den beiden Ur-Kräften, habe ich in folgenden Filmen untersucht: „Idioten“ von Lars von Trier, „Models“ von Ulrich Seidl und „Der siebte Kontinent“ von Michael Haneke...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- „Idioten“ von Lars von Trier
- Mit „falschem“ Dionysischen gegen das Apollinische
- Das apollinische Bild des Films
- „Models“ von Ulrich Seidl
- Erzwingen des Apollinischen, Abrutschen ins Dionysische – Der Kampf
- Der Frevel und die Widernatürlichkeit
- Die verstärkenden, formalen Aspekte und die Wechselwirkung der Mächte
- „Der Siebte Kontinent“ von Michael Haneke
- Die unklare Haltung der Protagonisten
- ...trotzdem Sinnesfreuden
- Hanekes kalter Blick
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Spannungsverhältnis zwischen den von Nietzsche postulierten polaren Mächten des Dionysischen und Apollinischen in drei Filmen: Lars von Triers „Idioten“, Ulrich Seidls „Models“ und Michael Hanekes „Der siebte Kontinent“. Das Hauptziel besteht darin, das in diesen Filmen vorherrschende Ungleichgewicht zwischen beiden Kräften zu analysieren und die daraus resultierenden Konflikte der Protagonisten zu beleuchten.
- Das Missverhältnis zwischen dem Dionysischen und Apollinischen als zentrales Konfliktfeld in den Filmen.
- Die unterschiedlichen Strategien der Protagonisten im Umgang mit diesen polaren Kräften.
- Die Rolle der filmischen Gestaltung (Kameraführung, Stilmittel etc.) bei der Darstellung des Konflikts.
- Die Bedeutung des „echten Lebens“ und dessen Darstellung in den Filmen der drei Regisseure.
- Die Frage nach der Möglichkeit eines harmonischen Zusammenspiels von Dionysischem und Apollinischem.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung legt die theoretische Grundlage der Arbeit dar, indem sie Nietzsches Konzept des Dionysischen und Apollinischen in der „Geburt der Tragödie“ beschreibt. Es wird hervorgehoben, dass ein Gleichgewicht zwischen beiden Kräften für ein erfülltes Leben essentiell ist, während ein Ungleichgewicht zu Konflikten führt. Die Arbeit fokussiert sich auf drei Filme, die ein auffälliges Ungleichgewicht zwischen diesen Kräften zeigen und analysiert, wie die Protagonisten mit diesem Konflikt umgehen. Die filmische Darstellung selbst wird ebenfalls als Ausdruck des Apollinischen betrachtet, welches den dionysischen Mythos sichtbar machen soll.
„Idioten“ von Lars von Trier: Dieser Kapitel analysiert Lars von Triers Film „Idioten“ im Kontext des Nietzscheanischen Denkens. Die Gruppe im Film versucht durch das bewusste Ausleben von „Idiotie“ – einer Form des Dionysischen – die gesellschaftlichen Zwänge (Apollinische Ordnung) zu überwinden. Der Versuch, einen künstlichen dionysischen Rauschzustand zu erzeugen, scheitert jedoch an der Unvereinbarkeit mit den bestehenden gesellschaftlichen Normen. Nur Karen gelingt es durch die Konfrontation mit ihrer Familie, einen authentischen dionysischen Moment zu erfahren, der sie von ihrer apollinischen Vergangenheit befreit. Die Dogma-95-Ästhetik des Films wird als Ausdruck des Apollinischen interpretiert, die den dionysischen Inhalt spiegelt.
„Models“ von Ulrich Seidl: Das Kapitel konzentriert sich auf Ulrich Seidls Film „Models“, der das Leben junger Frauen in der Modebranche beschreibt. Die Models versuchen mit allen Mitteln, ein apollinisch perfektes Äußeres zu erreichen, rutschen dabei aber immer wieder in dionysische Exzesse (Drogen, Alkohol, Sex). Der ständige Wechsel zwischen dem Versuch, das Apollinische zu erzwingen, und dem Abrutschen ins Dionysische charakterisiert ihren Lebenskampf. Der Film nutzt stilistische Mittel wie Spiegelbilder, um den Konflikt zwischen dem Idealbild und der Realität zu visualisieren. Der Wunsch nach Liebe wird ebenfalls als dionysisches Element interpretiert, dessen Erfüllung stets in Enttäuschung mündet. Die dargestellte Magersucht und die Schönheits-OPs werden als Ausdruck der verzweifelten Bemühungen um das Apollinische gesehen.
„Der Siebte Kontinent“ von Michael Haneke: Dieses Kapitel analysiert Hanekes „Der siebte Kontinent“, der die Geschichte einer Familie erzählt, die sich zum Suizid entschließt. Die Familie führt ein scheinbar perfektes, apollinisch geordnetes Leben. Der Entschluss zum Selbstmord wird als eine extreme Reaktion auf ein unerklärliches Gefühl der Sinnlosigkeit interpretiert. Der Film zeigt den systematischen Abriss des eigenen materiellen Besitzes als einen Akt der Zerstörung des Apollinischen. Der Tod wird als das extreme Ausleben des Dionysischen präsentiert, jedoch wirkt der Weg dorthin auffallend geordnet und planvoll. Die Familie scheint das Dionysische nicht aus Lust, sondern aus einer tiefgründigen Sehnsucht und Unzufriedenheit mit ihrem Leben zu suchen.
Schlüsselwörter
Dionysisch, Apollinisch, Friedrich Nietzsche, Michael Haneke, Lars von Trier, Ulrich Seidl, „Der siebte Kontinent“, „Idioten“, „Models“, Film, Kultur, Gesellschaft, Rausch, Tod, Identität, Zerstörung, Tragödie, Realismus, Dogma 95.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse des Dionysischen und Apollinischen in drei Filmen
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert das Spannungsverhältnis zwischen den von Nietzsche postulierten polaren Kräften des Dionysischen und Apollinischen in drei Filmen: Lars von Triers „Idioten“, Ulrich Seidls „Models“ und Michael Hanekes „Der siebte Kontinent“. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung des Ungleichgewichts zwischen diesen Kräften und der daraus resultierenden Konflikte der Protagonisten.
Welche Filme werden untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf drei spezifische Filme: „Idioten“ von Lars von Trier, „Models“ von Ulrich Seidl und „Der siebte Kontinent“ von Michael Haneke. Diese Filme wurden ausgewählt, da sie ein auffälliges Ungleichgewicht zwischen den dionysischen und apollinischen Kräften zeigen.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Zentrale Themen sind das Missverhältnis zwischen Dionysischem und Apollinischen als Konfliktfeld, die unterschiedlichen Strategien der Protagonisten im Umgang mit diesen Kräften, die Rolle der filmischen Gestaltung bei der Darstellung des Konflikts, die Bedeutung des „echten Lebens“ in den Filmen und die Frage nach der Möglichkeit eines harmonischen Zusammenspiels von Dionysischem und Apollinischem.
Wie wird Nietzsches Konzept des Dionysischen und Apollinischen angewendet?
Die Arbeit basiert auf Nietzsches Konzept des Dionysischen und Apollinischen aus der „Geburt der Tragödie“. Ein Gleichgewicht zwischen beiden Kräften wird als essentiell für ein erfülltes Leben dargestellt, während ein Ungleichgewicht zu Konflikten führt. Die filmische Darstellung wird als Ausdruck des Apollinischen interpretiert, das den dionysischen Mythos sichtbar machen soll.
Wie wird der Film „Idioten“ von Lars von Trier analysiert?
In der Analyse von „Idioten“ wird die Gruppe, die versucht, durch „Idiotie“ gesellschaftliche Zwänge zu überwinden, als Versuch, das Dionysische gegen das Apollinische zu setzen, interpretiert. Der Versuch scheitert jedoch. Nur Karen erreicht einen authentischen dionysischen Moment durch die Konfrontation mit ihrer Familie. Die Dogma-95-Ästhetik wird als apollinischer Ausdruck interpretiert, der den dionysischen Inhalt spiegelt.
Wie wird der Film „Models“ von Ulrich Seidl analysiert?
Die Analyse von „Models“ konzentriert sich auf den ständigen Wechsel zwischen dem Versuch, ein apollinisch perfektes Äußeres zu erreichen (durch die Models), und dem Abrutschen in dionysische Exzesse (Drogen, Alkohol, Sex). Stilmittel wie Spiegelbilder visualisieren den Konflikt zwischen Idealbild und Realität. Der Wunsch nach Liebe wird als dionysisches Element interpretiert, dessen Erfüllung in Enttäuschung mündet. Magersucht und Schönheits-OPs werden als verzweifelte Bemühungen um das Apollinische gesehen.
Wie wird der Film „Der siebte Kontinent“ von Michael Haneke analysiert?
Die Analyse von „Der siebte Kontinent“ interpretiert den Entschluss der Familie zum Selbstmord als extreme Reaktion auf ein Gefühl der Sinnlosigkeit. Der systematische Abriss des Besitzes wird als Zerstörung des Apollinischen gesehen, der Tod als extremes Ausleben des Dionysischen, jedoch geordnet und planvoll. Die Familie sucht das Dionysische nicht aus Lust, sondern aus Sehnsucht und Unzufriedenheit.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit zieht Schlussfolgerungen über das dargestellte Ungleichgewicht zwischen Dionysischem und Apollinischen in den drei Filmen und deren Auswirkungen auf die Protagonisten. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Strategien im Umgang mit diesem Konflikt und die Rolle der filmischen Gestaltung. Die Frage nach einem harmonischen Zusammenspiel beider Kräfte bleibt ein zentrales Thema.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Dionysisch, Apollinisch, Friedrich Nietzsche, Michael Haneke, Lars von Trier, Ulrich Seidl, „Der siebte Kontinent“, „Idioten“, „Models“, Film, Kultur, Gesellschaft, Rausch, Tod, Identität, Zerstörung, Tragödie, Realismus, Dogma 95.
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- Kaja Dymnicki (Author), 2007, Das Problem mit dem Dionysischen und dem Apollinischen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144663