Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, warum die deutsche Friedensbewegung in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg so erfolglos war. Um diese Frage beantworten zu können, bedarf es allerdings vorerst einer übergreifenden Definition des Gegenstandes, um dann die Bestandteile und eventuellen Besonderheiten der Bewegung in Deutschland beschreiben zu können. Wie das dieses Kapitel einleitende Zitat des amerikanischen Psychologen David P. Barash andeutet, gibt es verschiedene Auslegungen des Begriffes, was dazu führt, dass je nachdem welche Deutung vorliegt, bestimmte Bestandteile des Friedens in- oder ausgeschlossen werden können.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung:
II. Gründung und Entwicklung der DFG
III. Scheitern der DFG
III.I Nationale Faktoren
III.II Interne Faktoren
IV. Fazit
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
„When peace is defined narrowly it can imply passivity and the acceptence of injustice.”[1]
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, warum die deutsche Friedensbewegung in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg so erfolglos war. Um diese Frage beantworten zu können, bedarf es allerdings vorerst einer übergreifenden Definition des Gegenstandes, um dann die Bestandteile und eventuellen Besonderheiten der Bewegung in Deutschland beschreiben zu können. Wie das dieses Kapitel einleitende Zitat des amerikanischen Psychologen David P. Barash andeutet, gibt es verschiedene Auslegungen des Begriffes, was dazu führt, dass je nachdem welche Deutung vorliegt, bestimmte Bestandteile des Friedens in- oder ausgeschlossen werden können.
Einer der Hauptstreitpunkte in Bezug auf die Auffassung von Frieden, Friedensbewegung und aktivem Engagement für den Frieden (im Folgenden wird auch der zwar ungenaue, aber gängige Terminus „Pazifismus“ benutzt werden), ist die im Zitat implizit erwähnte Frage, ob man von einer engen, puristischen Definition, oder von einer weiteren, liberaleren Definition auszugehen hat. Zur Zeit des großen amerikanischen Pazifisten Andrew Carnegies, war der Streit über die Deutung des 1901 aufgekommenen Terminus „Frieden“ sogar so groß, dass er ihn schlichtweg aus seinem Programm streichen wollte.[2]
Um heute den Versuch einer Definition zu wagen, muss, wie sich auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit zeigen wird, immer auf den geographischen, sozialen und politischen Kontext der den Pazifismus auslegenden Person(en) geachtet werden. Es erscheint also zunächst notwendig, die Friedensbestrebungen unter globalen Gesichtspunkten kurz zu vergleichen:
Es bietet sich an, bei dem Beispiel Carnegies zu bleiben, welcher der amerikanischen Oberschicht angehörte. Obwohl der klassische Friedensgedanke aus dem religiösen Kontext stammt, war seine Pazifismustheorie eher säkularer Natur. Trotz starker kirchlicher und theologisch-philosphischer Einflüsse in der besagten Zeit, hatten Wirtschaftsliberalismus und wachsendes demokratisches Denken in Großbritannien und den USA einen großen Einfluss auf deren Friedensbewegungen.
Umso mehr galt das natürlich für einen der größten Stahl-Tycoone der USA. Auf dem europäischen Festland dagegen, herrschte mit einigen Ausnahmen eine eher humanistisch-philosophische, auf den Gedanken der Völkerverbrüderung und Vernunft basierende Auslegung. Je nach ihrer Herkunft, und das erschwert eine einheitliche Definition erheblich, konnten sich die einzelnen Friedensbewegungen zusätzlich aus sehr verschiedenen Gruppierungen zusammensetzten: So gab es zum Beispiel den Internationalismus[3], dessen Mitglieder wiederum entweder progressiv, also für mehr internationale Freiheit und Gleichheit, oder konservativ-imperialistisch waren. Die Sozialisten stellten sich weltweit gegen den Imperialismus, unterstützten aber teilweise den Klassenkampf. Demokratische Liberale akzeptierten gelegentlich Gewalt, wenn sie zur „nationalen Befreiung“ diente. In jeder dieser Gruppierungen gab es eine gewisse Anzahl von Anhängern, die sich den Pazifismusgedanken auf die Flagge schrieben.
Eine gewisse philosophische, religiöse und soziologische Heterogenität ist bei einer zunehmend internationalen Massenbewegung jedoch nichts Ungewöhnliches. Es lohnt sich aber auch, die, laut David Cortright[4], gemeinsamen „ defining terms “ der pazifistischen Gruppen zu beleuchten: Pazifismus bedeutet für jeden seiner Akteure seit jeher eine aktive Rolle zu spielen. Denn „Frieden“ bezeichnet kein endgültiges Produkt, das feststeht. Sondern es impliziert einen dynamischen Prozess, der wiederum nicht frei von Konflikten sein kann. Es gibt und gab natürlich unleugbare Differenzen in Gesellschaften. Diese gilt es im Pazifismus aber ohne physische Gewalt zu überwinden. Welche Rolle diese theoretischen Vorstellungen in der Vorkriegsrealität spielten, ist ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit.
Es wurde nun ein kollektiver ideologischer Kontext der internationalen Friedensbewegungen aufgezeigt. Dass dieser einen gewissen Faktor auch für den deutschen Pazifismus darstellte, steht außer Frage. Der Burenkrieg und die erste internationale Haager Friedenskonferenz 1899 zum Beispiel, wirkten sich, wenn auch unterschiedlich, ganz vehement auf die Motivation der deutschen Pazifisten aus. Während der weltweite imperialistische Vormarsch die deutsche Motivation minderte[5], sorgte die Ankündigung einer weltweiten Konferenz zur Beilegung der aufkommenden Streitigkeiten für ein gutes Stück mehr Pragmatismus in der Bewegung. Darüber hinaus herrschten in Deutschland jedoch ganz eigene Umstände, die noch viel mehr als die internationalen Zusammenhänge auf die dortige Friedensbewegung Einfluss ausübten.
Wenn das Ziel dieser Arbeit allerdings ist, die Faktoren und Besonderheiten herauszuarbeiten, welche den Pazifismus in Deutschland lähmten, so kann die internationale Betrachtungsebene nur einen permanenten Kontext der eigentlichen Beobachtung bilden. Neben dieser kontextuellen Ebene und einer sogleich folgenden kurzen Betrachtung der Gründung und Entwicklung der deutschen Friedensgesellschaft (DFG), sollen zwei weitere untersucht werden: Zum Einen, wird auf der nationalen Ebene nach gesellschafts- und staatsimmanenten Strukturen gesucht werden, welche sich teilweise aus dem historischen Kontext ergeben und den Pazifismus beeinflussten. Zum Anderen, wird man noch einen Schritt weiter auf eine interne Ebene fokussieren müssen, um Strukturen und Gegebenheiten, die innerhalb der DFG eine Rolle für seine Hemmung gespielt haben, untersuchen zu können. Am Ende sollen dann ein Gros der Fragen zum Zusammenspiel dieser drei Ebenen beantwortet worden sein und darüber hinaus ein kleiner Ausblick in die zeitgenössische Zukunft der Pazifismusbewegung gegeben werden.
Laut David Cortright, gab es natürlich schon früh grundlegende Werke und Untersuchungen zum Thema Frieden. Doch erst in den letzten Jahrzehnten hätte man es geschafft, sich einer wirklichen Wissenschaft des Friedens mithilfe empirischer Untersuchungen zu nähern[6]. Wenn der Umfang der „ recent decades “, wie sie der amerikanische Wissenschaftlers bezeichnet, die letzten 40 Jahre meint, dann kann man ihm zustimmen. Die dieser Arbeit zugrunde liegende Literatur rekrutiert sich sowohl aus aktuellen Werken, wie auch aus einigen grundlegenden Untersuchungen aus den 70er und 80er Jahren. Dass es zu einem noch früheren Zeitpunkt schwierig gewesen sein dürfte, mit einem so kurzen zeitlichen Abstand zu den zwei Weltkriegen objektive Einschätzungen zu entwerfen, kann, entgegen der Argumentation der Zeitgeschichte,[7] der Grund für diese ausschließlich moderne Wissenschaft sein. Nichtsdestotrotz wird seit jeher in der Geschichtswissenschaft über die Definition von Frieden und Pazifismus gestritten. Konzepte, wie positiver und negativer Frieden werden weiterentwickelt und natürlich den modernen Gegebenheiten angepasst. Das macht es umso wichtiger, dieses Phänomen am Beispiel Deutschlands mit der aktuellen Bandbreite historischen Wissens zu untersuchen. Zunächst wird auf die Gründung und die Entwicklung der DFG eingegangen werden.
II. Gründung und Entwicklung der DFG
Eine organisierte, für ganz Deutschland zuständige Friedensorganisation wurde, im Gegensatz zu seinen internationalen Pendants, erst relativ spät gegründet. Auf dem amerikanischen Kontinent fanden sich bereits 1815 die New York Peace Society, auf dem Europäischen in den folgenden 15 Jahren in Frankreich und Genua die ersten Friedensgesellschaften zusammen. Da es zunächst zu transkontinentalen, wenig später zu intrakontinentalen „Missionierungsversuchen“ kam, ähnelten sich die verschieden Gruppen in ihrer Ausprägung. Es gab zunächst einige religiös, später zunehmend auch wirtschaftlich und demokratisch begründete Friedensorganisationen. Innerhalb Europas hatten später vor allem die englischen Bemühungen, die anderen Länder vom Pazifismus zu überzeugen, Erfolg.[8] Da sich im Allgemeinen die europäischen Bewegungen aus den oberen Gesellschaftsschichten rekrutierten, welche dort durch das Ziel, eine wirtschaftliche Kontinuität herzustellen, motiviert wurden, wundert es nicht, dass die Bewegung einen eher konservativen Charakterzug bekam. Es ging auch explizit wenig um Politik, es wurden keine radikalen Reformen angesteuert, Frauen waren in den Bewegungen meist nicht gleichgestellt. Diese Zielsetzung führte allerdings u. a. dazu, dass sich der Klerus nicht mehr mit der Friedensbewegung identifizieren konnte, und fortan eher extern agierte. Eine Konsequenz hieraus ist auch, dass eine puristische Definition von Frieden, wie sie die Kirche vertrat, keinen Widerhall in Kontinentaleuropa fand. Man sah den Frieden eher als eine pragmatische Voraussetzung für die Weltwirtschaft, als eine moralische Verpflichtung und akzeptierte die liberale Auffassung, ein Krieg sei für eine nationale Befreiung grundsätzlich legitim.[9]
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[1] David P. Barash, Introduction to Peace Studies, Belmont 1991, S.6.
[2] Chatfield, Charles: The American Peace Movement. Ideals and Activism, New York 1992, S. 23.
[3] Gesellschaftliche Grundbegriffe, hg. v. R. Koselleck, O. Brunner, Stuttgart 1982, Band 3, S. 392.
[4] Cortright, David: Peace. A History of Movements and Ideas, Cambridge 2008, S. 6 ff.
[5] Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Band 3, München 1995, S. 1106.
[6] Cortright: Peace, S. 2.
[7] Rothfels, Hans: Zeitgeschichte als Aufgabe; in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 1/ 1958, S. 1–8.
[8] Cooper, Sandi: Patriotic Pacifism. Waging War On Europe 1815 - 1914, S. 15.
[9] Cortright, Peace, S. 31.
- Quote paper
- Patrick Jost (Author), 2009, Die Marginalität der deutschen Friedensbewegung vor dem Ersten Weltkrieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144573
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