Die „Touristcity“ hat sich nicht nur im Fall von Las Vegas sehr stark verändert. Tourismus ist und bleibt auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil für die Einnahmequellen einer Stadt. Besonders in den letzten Jahren boomt der Städtetourismus und damit auch die Vermarktung einer Stadt. Ein Beispiel hierfür innerhalb Deutschlands ist Berlin. Hier ist ein Leben ohne Tourismusbranche als wichtiger Wirtschaftszweig undenkbar. Veränderungen bezüglich der Vermarktung und der Stadt lassen sich auf der ganzen Welt wahrnehmen. In den 90er Jahren bewährte sich der Begriff „Stadtmarketing“ als eine neue Strategie des Städtetourismus. Stadtmarketing setzt sich zum Ziel die Stadt wie ein Produkt zu vermarkten, um damit im internationalen Städtewettbewerb mithalten zu können. Hiermit sind vor allem Werbekampagnen verbunden, um die Attraktivität der Stadt zu steigern. Zielgruppen sind neben Bewohnern und Unternehmen eben auch jene zahlungskräftige Touristen, die einer Stadt als ein starkes Standbein dienen können.
Ganze Stadtviertel werden zu reinen „Touristeninseln“ umstrukturiert und verändern damit das komplette Stadtbild. Manche Einwohner beginnen bestimmte Bezirke, die allein durch Touristen zum Leben erweckt werden, zu meiden.
Entertainment will gut geplant und gut vermarktet werden.
Auch Las Vegas hat sich diesen Veränderungen gefügt: Nicht mehr das sich selbst ordnende Chaos der Mafia bestimmt den Lauf der Dinge, sondern ein wirtschaftlich rentables Stadtmarketing. Die Touristcity funktioniert als ein wirtschaftliches System, das Profit und Verlust genau gegeneinander aufwiegt. Als eine Folge der neuen Marketingstrategien kann das Verschwinden des alten Images der Stadt Las Vegas gesehen werden. Ob und wie dieses alte Image weiterhin überlebt ist sicherlich ein ausschlaggebender Faktor für gewisse Marketingstrategien. Auch die Entertainment-Hauptstadt muss sich dem Weltmarkt anpassen. Dabei muss sie vielleicht den Verlust eines glorreichen Images in Kauf nehmen. Der Filmindustrie wird das Las Vegas Image allerdings weiterhin als beliebtes Filmmotiv erhalten bleiben.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung. Eine Stadt und ihre Identität
II. Historische Entwicklung der Entertainmentcity Las Vegas
II.1. Entwicklungsphase 1829-1960. Von der einfachen Siedlung zur Entertainmentcity
II.2. Entwicklungsphase 1960-1980. Hotelketten und autoorientierte Wucherung
II.3. Entwicklungsphase 1980-Heute. Kommerzialisierung und die Suche nach Identität
II.3.1 Neue Marketingstrategien der Tourismusbranche
II.3.2 Ein neues Bild der Stadt und eine neue Art von Touristen
II.3.3 Alltag in Las Vegas. Eine Stadt wie jede andere?
III. Resümee. Touristcity Las Vegas Tourismus als prägender Bestandteil einer Stadt
I. Einleitung. Eine Stadt und ihre Identität
Die Headline der Internetseite www.visitlasvegas.de wirbt mit „Visit fabulous Las Vegas“ und spricht damit fast 40.000.000 Touristen jährlich an. „Fabulös“ können sich allerdings nur wenige Städte nennen und es ist eben dieses eine kleine Wort, das der Stadt ihren ganz eigenen, speziellen Charakter verleiht. Las Vegas hat sich im Laufe der Jahre ein „Image“ geschaffen, und zwar ein Image, von dem es noch heute profitieren und leben kann. Die Stadt hat sicherlich viele verschiedene Entwicklungen durchgemacht, die alle mehr oder weniger zum heutigen Bild der Stadt beitragen. In der nachfolgenden Ausarbeitung möchte ich die verschiedenen Entwicklungsphasen der Stadt mithilfe von der Einteilung in drei grobe Zeitabschnitte erläutern. Die Zeiteinteilung gestaltet sich wie folgt:
1. Entwicklungsphase 1829-1960: Von der einfachen Siedlung zur Entertainmentcity
2. Entwicklungsphase 1960-1980: Hotelketten und autoorientierte Wucherung
3. Entwicklungsphase 1980-Heute: Kommerzialisierung und die Suche nach Identität
Eines ist allen drei Entwicklungsphasen gemein: Eine Orientierung am Entertainment- Geschäft, an jenem Wirtschaftszweig, der der Stadt inmitten der Wüste ein Überleben bis heute garantiert hat, das ohne das Glücksspiel und die Tourismusbranche nie möglich gewesen wäre. Und noch mehr: ein unentwegtes Wachstum der Stadt, das Las Vegas heute zur Stadt mit dem größten Bevölkerungswachstum der Vereinigten Staaten macht. Die Stadt hat starke Veränderungen durchgemacht: Während Las Vegas in seinen frühen Jahren immer wieder aufgrund der Mafia in die Schlagzeilen geriet, ist es heute vielmehr für seine Familienfreundlichkeit und auch sein Familien-Entertainment bekannt. Trotz dieser positiven Entwicklung der Tourismusbranche scheint die Stadt ebenso mit jenem Wandel der Zeit zu kämpfen: Es sind eben dieser „Hauch von Mafia“, „der Ruf des Verbotenen“, dieser „einzigartige verruchte Beigeschmack“, die der Stadt ihre besondere Ausstrahlung und Identität verliehen haben. Dieses Image hat die Stadt jahrzehntelang begleitet und muss nun revidiert werden. In der Stadt herrscht heute Ordnung und Alltag, sie lebt von der Tourismusbranche, wie Millionen andere Städte eben auch. Wird der Ruf des „alten Las Vegas“ nur noch in Hollywoodstreifen aus verstaubten Kisten ausgegraben oder spielt das verruchte Image der Stadt in der Tourismusbranche tatsächlich noch eine Rolle? Wie funktionierte die Entertainmentcity damals und wie funktioniert sie heute? Welchen Wandel hat sie durchgemacht und wie sieht ihre Zukunft aus?
Im Folgenden möchte ich die verschiedenen städtischen Entwicklungsphasen Las Vegas' erläutern und somit den Weg einer klassischen „Touristcity“ aufzeigen. Anschließend möchte ich die Thesen zusammenfassen und kritisch erörtern.
II. Historische Entwicklung der Entertainmentcity Las Vegas
II.1. Entwicklungsphase 1829-1960
Von der einfachen Siedlung zur Entertainmentcity
Die Siedlung zwischen Salt Lake City und Los Angeles wird 1829 zum ersten Mal in Dokumenten erwähnt. Zu einer ersten festen Niederlassung in diesem Gebiet kommt es allerdings erst durch die Mormonen im Jahre 1857, die jedoch nach nur fünf Jahren wieder weiter ziehen. Wasserquellen machen die Stelle, die eigentlich inmitten der Wüste Nevadas liegt, zu einem fruchtbaren Gebiet. In der nachfolgenden Zeit versuchen Goldsucher hier ihr Glück und lassen sich, wenn auch nur temporär, an diesem Ort nieder. Auch die Farm Helen Stewarts, die heute noch als „Urmutter“ Las Vegas' gilt, wird von einem Goldsucher an das damalige Rinderzüchterehepaar verpfändet.1
Die Geschichte der Stadt Las Vegas beginnt im Jahr 1902, als Helen Stewart das Land letztendlich an die Eisenbahngesellschaft verkauft, die schon lange großes Interesse an dem Grundstück zeigte.
Die Stadt entwickelt sich zunächst einmal zu einer „Railroad Town", da das Grundstück als eine „Zwischenstation“ auf der Eisenbahnstrecke von Los Angeles nach Salt Lake City dient. Bald werden durch den Verkauf der Parzellen Siedler, Spekulanten und Investoren angezogen und die Einwohnerzahl verdoppelt sich folglich in den Jahren zwischen 1910 und 1920.2 Die Stadt wächst und wird besonders durch den Bau des Hoover Staudamms in den 30er Jahren zu einem beliebten „Ausflugsziel“ für die Arbeiter des Staudamms, die hier vor allem auf der Suche nach Abwechslung vom Arbeitsalltag sind. Jene Abwechslung sollen sie in der jungen Stadt Las Vegas zu Genüge finden, denn der Staat Nevada legalisiert innerhalb seiner Grenzen das Glücksspiel und die Prostitution. Bereits in diesen frühen Jahren soll Las Vegas in die Fänge der Mafia geraten: das Geschäft boomt, die Stadt wächst kontinuierlich.3
Die 50er Jahre zeichnen sich vor allem durch die Zeit des organisierten Verbrechens aus.
Außerdem gewinnt die Stadt erneut an Attraktivität durch die südlich der Stadt stattfindenden Atomwaffentests. Mit den gefährlichen Tests wird ein neues Produkt vermarktet, und zwar das „Atom Bomb Watching“, welches dazu beitragen wird, dass sich der Wirtschaftszweig Tourismus zu einer Haupteinnahmequelle der Stadt entwickeln wird. Zu jener Zeit bricht man nach Las Vegas auf, um das Vibrieren unter den Füßen zu spüren, um zu erleben, wie die Druckwelle Scheiben eindrückt und um den Pilz zu sehen, der sich in unweiter Entfernung in den Himmel wölbt. Die Hotels entwickeln neue Konzepte, um noch mehr Touristen anzuziehen. Um dies zu erreichen, bieten sie Pauschalreisen an und nennen ihre Preise- an das Atomwaffen- Vokabular angepasst- zum Beispiel „nuked“, „vaporized“, „smashed“ oder „detonated“. Der „Atom-Burger“ wird zu einer neuen Attraktion und die „Miss Atomic“ soll fortan jedes Jahr gewählt werden.4
Des Weiteren kommen die ersten großen „Stars“ in die Stadt, wie zum Beispiel Bugsy Siegel, der mit seinem „Edel Kasino“ noch Geschichte machen wird, oder Elvis Presley, der in den darauf folgenden Jahren zu einem großen Förderer und Idol der glitzernden Stadt wird. Las Vegas erhält in dieser Zeit eine neue Attraktion, nämlich das Showbusiness, das zusätzlich zu einarmigen Banditen und Spielkarten das zukünftige Bild der Stadt prägen wird. Der Weg, den die städtische Entwicklung Las Vegas' einschlagen wird, steht nun fest: Inmitten des Staates Nevada kristallisiert sich eine Stadt heraus, die sich voll und ganz dem Entertainment widmen wird, eine Stadt, die für und von der Tourismusbranche leben wird.
Die Zukunft sieht rosig aus und die (vor allem „schmutzigen“) Geschäfte gehen weiter, nichts scheint die Erfolgswelle der Stadt aufhalten zu können. Das Bild der Stadt wird zu dieser Zeit vor allem durch eben diese sich hinter blinkenden Fassaden befindlichen dubiosen Machenschaften geprägt. Die Stadt schafft in jenen Jahren einen Mythos, der bis in die heutige Zeit hineinreicht und aus dessen positiven Auswirkungen sogar noch die heutige Tourismusbranche ihren Nutzen zu ziehen scheint.
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1 Moehring, Eugene P./Green, Michael S. (Hrsg.): Las Vegas- A Centennial History (2005). Nevada, USA: University of Nevada Press, S.1-8.
2 Ebenda, S.9-79.
3 Ebenda, S.80-100.
4 siehe http://www.spiegel.de/reise/staedte/0,1518,346836,00.html, letzter Zugriff am 08.09.2008.
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