Lockes Identitätskapitel könnte man als Reaktion auf die traditionelle Auffassung der Personalität werten, die zu seiner Zeit stillschweigend vorausgesetzt wurde,- die Konzeption der Personalität, die sich hinter der Cartesischen Definition des Ichs als res cogitans verbirgt. Diese postuliert, dass die menschliche Person in einer immateriellen Substanz besteht,dank derer Immaterialität sie keiner Veränderung unterliegt. Locke bestreitet jedoch mit seiner Erkenntnistheorie unsere Fähigkeit die reale Essenz der Dinge zu erkennen und stellt somit in Frage, ob wir tatsächlich berechtigt sind, das Denken als die wahre Beschaffenheit einer immateriellen Substanz anzuerkennen. Unter diesen Umständen erscheint die Frage nach der personalen Identität als eine, die dringend nach einer Beantwortung verlangt. Deshalb schreibt Locke das Identitätskapitel, in dem er die These formuliert, die personale Identität bestehe allein im Bewusstsein. Nur wenig Verständnis findet Lockes Theorie bei Vertretern der klassischen Konzeption. So entsteht eine, bis heute aktuelle, philosophische Disskusion, in der jedoch eine geschichtlich genaue Interpretation der Lockeschen Identitätstheorie ziemlich vernachlässigt wird.
In der vorliegenden Arbeit soll daher unter anderem der Frage nachgegangen werden, wie man das Identitätskapitel historisch genau interpretieren sollte. Ich möchte hier eine vollständige Lesart der Lockeschen Theorie der personalen Identität vorschlagen. Es gibt jedoch eine Menge an Sekundärliteratur, in welcher verschiedene Lesarten vorgeschlagen werden. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen zu versuchen, in Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur zu einer vollständigen Lesart der Lockeschen These zu gelangen. Dadurch soll gleichzeitig zum einen ein Überblick über die innerhalb der Sekundärliteratur vertretenden Positionen gegeben und zum anderen meine eigene Position verdeutlicht werden. Eine vollständige Interpretation der Lockeschen These liefern zu wollen, ist dadurch motiviert, dass ich mir vorgenommen habe, Lockes Theorie gegen die Frühkritik von Butler und Reid zu verteidigen. Butlers und Reids Ausführungen sind meiner Meinung nach einerseits repräsentativ für die Einwände des 18. und 19. Jahrhunderts gegen Lockes Theorie und stellen andererseits, wie ich finde, typische Vertreter der traditionellen Auffassung der Personalität dar.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Lockes Identitätskapitel (Essay II, 27)
- Die Frage nach der Individuation
- Die Frage nach der Identität über die Zeit hinweg
- Die Identität des Menschen und die personale Identität
- Joseph Butlers und Thomas Reids Kritik an der Lockeschen (TPI)
- Der Zirkularitätsvorwurf gegen (TPI)
- Die Notwendige Abhängigkeit der personalen Identität von der Seelensubstanz
- Das Problem der Sukzessivität des Bewusstseins
- Das Problem des Vergessens und Nicht-Transitivität der Identität nach (Tp)
- Präzisierung der Lesart von Lockescher (TP) in der neueren Sekundäliteratur
- Das Bewusstsein als unmittelbarer Selbstbezug und die Unterscheidung zwischen Mensch, Person und Seele (Udo Thiel)
- Kein faktisches Erinnern, sondern die Möglichkeit sich an eigene Handlungen zu erinnern (Paul Helm und Jens Kulenkampff)
- Die Person als normativer Ausdruck und die affektive Selbstsorge (Reinhard Brandt)
- Die Psychologie der Lockeschen Personalität und die Zueignung (Raymond Martin)
- Die Komplette Lesart der (TPI) und eine Verteidigung dieser gegen Butler und Reids Kritik
- Die komplette Lesart (Tpi) kompl
- Verteidigung Locke gegen Butler und Reid anhand von (Tpı) kompl
- Der Zirkularitätsvorwurf gegen (TPI) kompl
- Die Notwendige Abhängigkeit der personalen Identität von der Seelensubstanz
- Das Problem der Sukzessivität des Bewusstseins
- Das Problem des Vergessens und Nicht-Transitivität der Identität nach (TPI) kompl
- Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit untersucht Lockes Theorie der personalen Identität, wie sie in seinem „Essay Concerning Human Understanding“ dargelegt wird. Ziel ist es, eine vollständige Lesart von Lockes Theorie zu entwickeln und diese gegen die Kritik von Joseph Butler und Thomas Reid zu verteidigen.
- Die historische und philosophische Relevanz von Lockes Identitätskapitel
- Die Rolle des Bewusstseins in der personalen Identität nach Locke
- Die Kritik an Lockes Theorie durch Butler und Reid
- Die Präzisierung und Verteidigung von Lockes Theorie in der neueren Sekundärliteratur
- Die Entwicklung einer vollständigen Lesart von Lockes Theorie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in Lockes Identitätskapitel und dessen Bedeutung für die Philosophie der Personalität. Im ersten Kapitel wird Lockes Theorie der personalen Identität (TP) ausformuliert, die sich auf das Bewusstsein als Grundlage der Identität konzentriert. Das zweite Kapitel präsentiert die Kritik von Butler und Reid an Lockes Theorie, wobei vier Haupteinwände herausgestellt werden. Das dritte Kapitel analysiert die Präzisierungsvorschläge von (TP) in der neueren Sekundärliteratur, um Lockes Theorie zu verteidigen. Ausgehend von dieser Analyse wird im vierten Kapitel eine komplette Lesart der (T₁₁) vorgeschlagen und die Kritik von Butler und Reid mit dieser Lesart widerlegt.
Schlüsselwörter
Personale Identität, John Locke, Bewusstsein, Essay Concerning Human Understanding, Joseph Butler, Thomas Reid, Zirkularitätsvorwurf, Seelensubstanz, Sukzessivität des Bewusstseins, Vergessen, Nicht-Transitivität der Identität, Sekundärliteratur, Präzisierung, Verteidigung, komplette Lesart, Immaterialismus.
- Quote paper
- Radka Tomeckova (Author), 2009, Die personale Identität in Lockes 'An Essay Concerning Human Understanding', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144373
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