Absichten, Ängste, Schmerzen, Vorstellungen oder Wünsche sind Beispiele für geistige Phänomene. Ein Problem, das sich in der Philosophie mit ihnen stellt, ist sie in ein wissenschaftliches Weltbild einzubauen. Wittgenstein meint dazu: „Wie kommt es nur zum philosophischen Problem der seelischen Vorgänge und Zustände und des Behaviourism? – Der erste Schritt ist der ganz unauffällige. Wir reden von Vorgängen und Zuständen, und lassen ihre Natur unentschieden! Wir werden vielleicht einmal mehr über sie wissen – meinen wir. Aber eben dadurch haben wir uns auf eine bestimmte Betrachtungsweise festgelegt. Denn wir haben einen bestimmten Begriff davon, was es heisst: einen Vorgang näher kennen zu lernen. (Der entscheidende Schritt im Taschenspielerkunststück ist getan, und gerade er schien uns unschuldig.)“ (PU § 308)
Gegenstand dieser Arbeit ist der „erste Schritt“. Es geht um die Deutung der Rede über geistige Phänomene und die Suche nach einer geeigneten Kategorie. Es geht um die Suche einer richtigen Betrachtungsweise. Es wird die Frage bearbeitet:" Welcher Kategorie können geistige Phänomene zugeordnet werden?" Sind geistige Phänomene etwa Vorgänge, oder Dispositionen oder Abbilder?
Die Untersuchung wird exemplarisch auf die geistigen Phänomene des Schmerzes und der Vorstellung konzentriert. Vorgegangen wird so, dass zum einen (a) die Rede über geistige Phänomene beobachtet und gedeutet wird, und ihre Form als Kriterium zur Beurteilung der richtigen Kategorie herangezogen wird. Zum anderen (b) wird mit Wittgenstein der Umgang mit geistigen Phänomenen analysiert.
Es wird zunächst gezeigt, dass die Rede über geistige Phänomene eine sinnvolle Rede sein kann und deutungsfähig ist. Weiter wird gezeigt, dass geistige Phänomene nicht nur als Verhaltensdispositionen aufgefasst werden können. Zudem wird gezeigt, dass Vorstellungen nicht als Bilder von Gegenständen verstanden werden können. Schließlich wird gezeigt,
dass geistige Phänomene nur aus der Perspektive der Dritten Person als Vorgänge begriffen werden können. Für die Perspektive der ersten Person ist eine Deutung der Rede über geistige
Phänomene als Rede über Vorgänge nicht möglich.
Werden geistige Phänomene als Vorgänge aufgefasst, so ist häufig auch von „inneren“ Vorgängen die Rede. Das ergibt sich daraus, dass auch aus der Perspektive der Dritten Person geistige Phänomene nicht direkt beobachtbar sind. Auf das Problem dieser „Innerlichkeit“ geistiger Phänomene wird in dieser Arbeit nicht eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Verfahren der Untersuchung
3 Der Sinn der Rede fi ber geistige Phänomene
4 Vorstellungen in Sprachspielen
4.1 Vorstellungen als Vorg a nge oder Zustände
4.2 Vorstellungen als Disnositionen
4.3 Zusammenfassung
5 Vorstellungen in mit Sprachspielen verwobenen Tätigkeiten
5.1 Vorstellungen als Vorg a nge und Bilder
5.2 Zusammenfassung
6 Schluss
7 Benutzte Literatur
1 Einleitung
Absichten, Angste, Schmerzen, Vorstellungen oder Wfinsche sind Beispiele ffir geistige Phänomene. Ein Problem, das sich in der Philosophie mit ihnen stellt, ist sie in ein wissenschaftliches Weltbild einzubauen. Wittgenstein meint dazu:
„Wie kommt es nur zum philosophischen Problem der seelischen Vorgänge und Zustände und des Behaviourism? — Der erste Schritt ist der ganz unauffällige. Wir reden von Vorgängen und Zuständen, und lassen ihre Natur unentschieden! Wir werden vielleicht einmal mehr fiber sie wissen — meinen wir. Aber eben dadurch haben wir uns auf eine bestimmte Betrachtungsweise festgelegt. Denn wir haben einen bestimmten Begriff davon, was es heiBt: einen Vorgang näher kennen zu lernen. (Der entscheidende Schritt im Taschenspielerkunststfick ist getan, und gerade er schien uns unschuldig.)"
(PU § 308)
Gegenstand dieser Arbeit ist der „erste Schritt". Es geht um die Deutung der Rede fiber geistige Phänomene und die Suche nach einer geeigneten Kategorie. Es geht um die Suche einer richtigen Betrachtungsweise. Dazu wird die Untersuchung exemplarisch auf die geistigen Phänomene des Schmerzes und der Vorstellung konzentriert.
Es wird zunächst gezeigt, dass die Rede fiber geistige Phänomene eine sinnvolle Rede sein kann und deutungsfähig ist. Weiter wird gezeigt, dass geistige Phänomene nicht nur als Verhaltensdispositionen auffasst werden können. Zudem wird gezeigt, dass Vorstellungen nicht als Bilder von Gegenständen verstanden werden können. Und schlieBlich wird gezeigt, dass geistige Phänomene nur aus der Perspektive der Dritten Person als Vorgänge begriffen werden können. Ffir die Perspektive der ersten Person ist eine Deutung der Rede fiber geistige Phänomene als Rede fiber Vorgänge nicht möglich. Werden geistige Phänomene als Vorgänge aufgefasst, so ist häufig auch von „inneren" Vorgängen die Rede. Das ergibt sich daraus, dass auch aus der Perspektive der Dritten Person geistige Phänomene nicht direkt beobachtbar sind. Auf das Problem dieser „Innerlichkeit" geistiger Phänomene wird in dieser Arbeit nicht eingegangen.
2 Das Verfahren der Untersuchung
Um die Frage: „Was sind geistige Phänomene?" zu beantworten, muss die Rede über diese Phänomene gedeutet werden. Allerdings muss zuvor gezeigt werden, dass die Rede überhaupt deutungsfähig ist. Es wird also zunächst (a) in Kapitel 3 aufgezeigt, class die Rede über den Geist sinnvoll sein kann. Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn die Existenz dessen, wovon die Rede über geistige Phänomene handelt, in Zweifel gezogen wird.
Um die Beantwortung der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Rede über geistige Phänomene leisten zu können, wird exemplarisch die Rede über Schmerzen untersucht. Hier wird anhand der Formulierungen aus der Perspektive der ersten Person — „ich habe Schmerzen" - und anhand der Formulierungen aus der dritten Person — „er hat Schmerzen" — gezeigt, dass die Rede über geistige Phänomene sinnvoll sein kann. Dies wird nachgewiesen, indem gezeigt wird, dass diese Sätze wahr sein können und dass ihr Gebrauch einen bestimmten Zweck innerhalb eines Sprachspiels verfolgt. Indikatoren - und Kriterien der Beurteilung - der Sinnhaftigkeit der Rede über Schmerzen sind also ihre Wahrheitsfähigkeit und ihre Zweckfähigkeit.
Sodann (b) ist zu untersuchen, welchen Sinn die Rede über den Geist hat. Sie ist nun zu deuten. Dies lässt sich auf zweierlei Art und Weise tun.
Zum einen (i) lässt sich die Frage beantworten, wovon wir überhaupt reden, wenn wir von geistigen Phänomenen reden. Dies geschieht in den Kapiteln 4.1. und 4.2. Wir suchen eine Kategorie, der die geistigen Phänomene angehören. Dazu wird der Gebrauch mentalistischen Vokabulars exemplarisch am Beispiel der Rede über Vorstellungen untersucht. Dieser Gebrauch des Begriffes „Vorstellung" muss dabei nicht der des Benennens von Einzeldingen sein, wie es (Vgl. PU §1) in der klassischen Augustinischen Bedeutungstheorie für Begriffe wie „Tisch", „ Stuhl" oder „Brot" der Fall ist. Ihr Gebrauch kann stattdessen auch der des Erklärens oder aber des Rechtfertigens von Verhalten bzw. Handlungen sein. Hier werden Sprachspiele konstruiert, die beispielsweise für das Erklären von Vorgängen typisch sind und es wird geprüft, ob die Rede über Vorstellungen dieselbe Sprachspielform annehmen kann.
Zum anderen (ii) lässt sich fragen, was wir tun, wenn wir über geistige Phänomene reden. Auch durch die Beantwortung dieser Frage soll die Eignung von Kategorien für geistige Phänomene untersucht werden. Als Gegenstand dieser Untersuchung wird exemplarisch unser Umgang mit Vorstellungen gewählt.
In klassischen Positionen wird die Vorstellung meist entweder der Kategorie des Zustands oder der Kategorie des Abbildes zugeordnet. Um nachzuweisen, ob und wenn, welcher Kategorie die Vorstellung zugeordnet werden kann, wird unsere Umgehensweise mit unseren 4
Vorstellungen untersucht. Auch diese ist neben dem Gebrauch des mentalistischen Vokabulars Teil von Sprachspielen und mit diesen verwoben. (Vgl. PU § 7) Hier wird untersucht, ob sich Vorstellungen beispielsweise miteinander vergleichen oder auf sich zeigen lassen.
Im Folgenden wird zunächst (a) im Kapitel 3 anhand der Rede über Schmerzen aufgezeigt, dass die Rede über geistige Phänomene sinnvoll sein kann. Dann (b) wird zum einen (i) anhand der Rede über Vorstellungen, in den Kapiteln 4.1 und 4.2., und zum anderen (ii) anhand der Umgehensweise mit Vorstellungen im Kapitel 5 untersucht, welche Bedeutung die Rede über geistige Phänomene — am Beispiel der Vorstellung - haben kann.
3 Der Sinn der Rede über geistige Phänomene
Zunächst soll anhand der Rede über Schmerzen1 geprüft werden, ob die Rede über geistige Phänomene als solche überhaupt eine sinnvolle Rede ist. Dazu werden zwei AuBerungen aus der Perspektive einer ersten und einer dritten Person exemplarisch untersucht.
Zur Beurteilung, ob Sätze, die mentalistisches Vokabular enthalten, sinnvoll sind oder nicht, kann das Kriterium der Wahrheitsfähigkeit herangezogen werden. Ein Satz ist sinnvoll, wenn er wahr sein kann. Wahr kann ein Satz sein, wenn sich an ihm zweifeln lässt.
(a) Exemplarisch für einen Satz, der mentalistisches Vokabular enthält, und dessen Sinn beurteilt werden soll, kann zunächst (a) der Satz „er hat Schmerzen" herangezogen werden. Dieser wird z.B. in folgendem Sprachspiel verwendet:
- A: "Warum geht C schon? Wir haben alle Hände voll zu tun."
- B "Er hat wieder Schmerzen, er geht zum Arzt."
- A: "Oh, das wusst' ich nicht. Ich hoffe, morgen geht's C wieder besser. Du weiBt ja, die Arbeit erledigt sich nicht von allein."
- B: "Ja, so sieht das aus."
Der Satz „er hat Schmerzen" wird hier behauptend gebraucht. Seine AuBerung durch B ist eine Behauptung, die als solche bezweifelbar ist, und die B durch Verweis auf von A nachvollziehbare Beobachtungen des Schmerzverhaltens von C, und auf sich daraus ergebende und ebenfalls von A nachvollziehbare Schlussfolgerungen, rechtfertigen kann.
Wenn B beispielsweise beobachtet, dass C Schmerzverhalten zeigt, dann ist die AuBerung, dass C Schmerzen hat, aus dieser Beobachtung ableitbar und damit wahrheitsfähig. Damit ist der Satz „er hat Schmerzen" auch ein sinnvoller Satz.
Gezeigt werden, dass ein Satz sinnvoll ist, kann auch dadurch, dass nachgewiesen wird, dass er zu einem bestimmten Zweck gebraucht werden kann.
Hier wird der Satz „er hat Schmerzen" als ein Grund gebraucht, den der Dialogpartner B dem Dialogpartner A auf sein Verlangen hin gibt, um zu rechtfertigen, warum C zum Arzt geht und nicht weiterhin an der gemeinsamen Arbeit teilnimmt. Dass der Satz „er hat Schmerzen" sinnvoll ist, ergibt sich auch aus seiner Rechtfertigungsfunktion. Als solcher ist er eine Eintrittskarte in das obige Sprachspiel, in dem von A ein Grund für eine Handlung verlangt und von B gegeben wird.
(b) Der exemplarisch untersuchte Beispielsatz „er hat Schmerzen" kann in einem Sprachspiel des obigen Typs jedoch nur aus der Perspektive einer dritten Person an die Adresse einer zweiten Person geäuBert werden. Wie steht es mit dem Satz „ich habe Schmerzen"?
Dieser kann aus der Perspektive der ersten Person geäuBert und an eine zweite Person adressiert sein. Der Gebrauch in so einem Sprachspiel könnte etwa so aussehen:
- B: "Warum gehst Du schon?"
- C: "Ich werde zum Arzt gehen, ich habe wieder Schmerzen."
- B: „Ich wünsch' Dir gute Besserung."
Kann die AuBerung „ich habe wieder Schmerzen" bezweifelt, beobachtet, aus Beobachtungen abgeleitet oder als Grund verlangt und gegeben werden? Ist also der geäuBerte Satz sinnvoll? Der Sprecher C kann selbst nicht daran zweifeln, dass er Schmerzen hat. Der Dialogpartner B dagegen kann schon an der AuBerung von C zweifeln, allerdings kann er nur Bs Aufrichtigkeit anzweifeln und vermuten, dass dieser eventuell lügt und ihn täuscht. C kann allerdings auch nicht auf von B nachvollziehbare Beobachtungen und Schlussfolgerungen verweisen, um den Wahrheitsanspruch seiner AuBerung zu rechtfertigen. Etwa zu sagen: „ Sieh', wie ich mich vor Schmerzen krümme" reicht zur Rechtfertigung der AuBerung „ich habe Schmerzen" nicht aus und kommt gewöhnlich auch nicht vor. B kann auch durch Beobachtung des Schmerzverhaltens von C nicht nachweisen, dass A sich irrt. Durch Beobachtung des Verhaltens von C kann B C höchstenfalls der Lüge überführen, nämlich dann, wenn C sich so verhält, dass es menschenunmöglich ist, ein Verhalten zu zeigen, das einem Schmerz oder Schmerzverhalten widerspricht - etwa zugleich zu lachen oder zu essen und starke Schmerzen zu haben.
[...]
1 Diese Prüfung lässt sich ebenso anhand der Rede über Vorstellungen durchführen. Auch hier lassen sich Sätze wie „er stellt sich (ich stelle mir) vor, dass es leicht sein wird, das Geld für die Reise aufzutreiben" konstruieren, die den Zweck der Rechtfertigung von Verhalten erfüllen, indem sie als Grund für diese angegeben werden, und die wahrheitsfähig sind.
- Arbeit zitieren
- Robert Vetter (Autor:in), 2007, Was sind geistige Phänomene?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144310
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