Nach klassischem Völkerrecht ist kein Staat verpflichtet ausländische Entscheidungen anzuerkennen. Um die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen der Mitgliedsstaaten der europäischen Union uneingeschränkt zu gewährleisten, wurden entsprechende Regeln hiefür zuerst im EuGVÜ und nunmehr in der EuGVVO normiert.
Nach Art 33 Abs 1 EuGVVO werden die in einem Mitgleidstaat ergagenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hiefür eines besonderen Verfahrens bedarf. Nur in bestimmten Fällen wird eine Entscheidung, die von ihrer Art her anerkennungsfähig wäre, nicht anerkannt, weil sie an einem Mangel leidet; dies Mängel sind in Art 34 und Art 35 Abs 1 EuGVVO abschließend aufgezählt.
Ziel des gegenständlichen Buches ist die Darstellung der Anerkennungsversagung einer Entscheidung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs des Verfahrensgegeners aufgrund mangelhafter Zustellung an diesen.
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Die Grundlagen
1. Allgemeines
2. Die historische Entwicklung der Versagung der Anerkennung ausländischer Entscheidungen
2.1. Die Anfänge
2.2. Die Entwicklung des Art 27 Nr 2 EuGVÜ
2.2.1. Der Wortlaut
2.2.2. Die Normwerdung
2.2.3. Der Zweck des Art 27 Nr 2 EuGVÜ
2.3. Die Entwicklung des Art 34 Nr 2 EuGVÜ
2.3.1. Der Wortlaut
2.3.2. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Novellierung des Art 27 Nr 2 EuGVÜ
2.3.2.1. Der Wortlaut des Vorschlages der EU-Kommission
2.3.2.2. Stellungnahme zur Variante der Versagung der Vollstreckbarerklärung bei nicht ordnungsgemäßer Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes
2.3.2.3. Stellungnahme zur Variante der Versagung der Vollstreckbarerklärung bei Nichtausschöpfung von Rechtsbehelfen im Erststaat
2.3.2.4. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe
2.3.2.4.1. Der Wortlaut des Vorschlages der Arbeitsgruppe
2.3.2.4.2. Stellungnahme zum Vorschlag der Arbeitsgruppe
3. Der Anwendungsbereich des Art 34 Nr 2
4. Der Umfang des Schutzes
5. Das Verhältnis von Art 34 Nr 2 zu Art 34 Nr 1
Zweite Kapitel: Die einzelnen Prüfungsschritte
1. Der Umfang der Prüfungspflicht des Zweitrichters
2. Das Prüfungsschema im Detail 2.1. Erster Prüfungsschritt: Vorprüfung
2.1.1. Prüfung der Wirksamkeit der anzuerkennenden Entscheidung nach dem Recht des Erststaates
2.1.2.Prüfung im Hinblick auf eine mögliche Kollision
2.1.3. Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit des Erststaates
2.2. Beschränkte Prüfung der Sachentscheidung
2.3. Zweiter Prüfungsschritt: Die Prüfung der Tatbestandsmerkmale
Drittes Kapitel: Die Einlassung
Viertes Kapitel: Das verfahrenseinleitende Schriftstück
1. Allgemeines
2. Schriftstücke am Beginn des Verfahrens
3. Schriftstücke in Verfahren ohne Beteiligung des Verfahrensgegners
3.1. Die Rechtssache Klomps/Michel
3.1.1. Der Sachverhalt
3.1.2. Die Rechtsfrage
3.1.3. Der Spruch und die Begründung des EuGH
3.2. Regelungen in den nationalen Rechtsordnungen
4. Schriftstücke während des laufenden Verfahrens
4.1. Begriff
4.2. Zulässigkeit
4.3. Zusammenfassung
Fünftes Kapitel: Die Zustellung
1. Die alte Rechtslage
1.1. Das Kriterium der Rechtzeitigkeit
1.1.1. Allgemeines
1.1.2. Die Rechtssache Debaecker/Plouvier
1.1.2.1. Der Sachverhalt
1.1.2.2. Die Rechtsfrage
1.1.2.3. Der Spruch und die Begründung des EuGH
1.1.3. Die Länge der Verteidigungsfrist
1.2. Das Kriterium der Ordnungsmäßigkeit
1.3. Das Verhältnis der Rechtzeitigkeit und der Ordnungsmäßigkeit
1.3.1. Die Rechtssache Lancray/Peters
1.3.1.1. Der Sachverhalt
1.3.1.2. Die Rechtsfrage
1.3.1.3. Der Spruch und die Begründung des EuGH
1.3.2. Der Wortlaut des Art 27 Nr 2 EuGVÜ
1.3.3. Der Wille des „Gesetzgebers“
1.3.4. Zusammenfassung
2. Die neue Rechtslage
2.1. Das Kriterium der Rechtzeitigkeit
2.2. Das Kriterium der Art und Weise
Sechstes Kapitel: Die Versäumnis von Rechtsbehelfen im Erststaat
1. Die alte Rechtslage
2. Die neue Rechtslage
Siebentes Kapitel: Zusammenfassung der Ergebnisse
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Literaturverzeichnis
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Erstes Kapitel Die Grundlagen
1.Allgemeines
Nach klassischem Völkerecht ist kein Staat verpflichtet ausländische Entscheidungen anzuerkennen. Vielmehr bestimmt jeder Staat selbst unter welchen Voraussetzungen und inwieweit er ausländische Entscheidungen anerkennt. Um die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union uneingeschränkt zu gewährleisten wurden entsprechende Regeln hiefür zuerst im EuGVÜ[1] ’[2] und nunmehr in der EuGVVO[3] ’[4] normiert. Nach Art 33 Abs 1 EuGVVO[5] werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen[6] in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Nur in bestimmten Fällen wird eine Entscheidung, die von ihrer Art her anerkennungsfähig wäre, nicht anerkannt, weil sie an in Art 34 und Art 35 Abs 1[7] abschließend aufgezählten Mängeln leidet.
Ziel der nachstehenden Untersuchung ist die Darstellung der Anerkennungsversagung einer Entscheidung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs des Verfahrensgegners nach der alten Rechtslage (Art 27 Nr 2 EuGVÜ) im Vergleich zur neuen Rechtslage (Art 34 Nr 2 EuGVVO), wobei vorweg ein historischer Abriss erfolgt und in der Folge die einzelnen Problemstellungen bei der Anerkennungsversagung einer Entscheidung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs des Verfahrensgegners dargestellt werden[8].
2. Die historische Entwicklung der Versagung der Anerkennung ausländischer Entscheidungen
2.1. Die Anfänge
Vor Inkrafttreten des EuGVÜ beruhte die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in der EG einerseits auf acht bilateralen Abkommen der EG-Gründungsstaaten untereinander[9]. Andererseits richtete sich die Anerkennung ausländischer Entscheidungen daneben und insbesondere im Verhältnis der EG-Staaten, zwischen denen kein bilaterales Anerkennungsübereinkommen bestand, nach dem innerstaatlichen Internationalen Zivilprozessrechts des ersuchten Staates[10]. Jedoch stellten bereits die Rechtsordnungen der sechs EG-Gründungsstaaten[11] abweichende Anerkennungsvoraussetzungen auf. So wurde beispielsweise die „Zuständigkeit des ausländischen Gerichts“ im französischen System bis hin zur örtlichen Zuständigkeit überprüft[12], während Art 791 Nr 1 cpc und § 328 Nr 1 dZPO[13] nur die internationale Zuständigkeit ansprachen; Rechtsvereinheitlichung war demnach durchaus geboten.
Neben der unterschiedlichen Interpretation der Anerkennungsvoraussetzungen behinderten auch die nicht vereinheitlichten Normen über die internationalen Entscheidungszuständigkeit (competence directe)[14], die zudem nicht mit den Normen der internationalen Anerkennungszuständigkeit (competence indirecte) abgestimmt waren[15], die Freizügigkeit der Entscheidungen[16]: Da der Anerkennungsrichter nämlich die Zuständigkeit des Erstrichters nach anderen Normen als dieser beurteilte, war die Ablehnung der Anerkennung der ausländischen Entscheidungen oft vorprogrammiert.[17] Die innereuropäische Rechtslage vor Inkrafttreten des EuGVÜ bot also ein verwirrendes Bild; die Schaffung des EuGVÜ war demnach für die Förderung des grenzüberschreitenden Handels sowie der Integration der EG-Staaten mehr als geboten.
2.2. Die Entwicklung des Art 27 Nr 2 EuGVÜ
2.2.1. Der Wortlaut
Der vorliegenden Untersuchung liegt nachstehender, seit 1978[18] geltender Wortlaut des Art 27 Nr 2 EuGVÜ zu Grunde:
„Artikel 27
Eine Entscheidung wird nicht anerkannt:
...
2. wenn dem Beklagten[19], der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, dass dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück[20] nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte;
... „
2.2.2. Die Normwerdung
Grundlage für das gesamte EuGVÜ und sohin auch für den Art 27 Nr 2 EuGVÜ[21] war Art 220 4. Spiegelstrich EWG-Vertrag[22] (nunmehr Art 293 EGV), in dem sich damals die 6 Mitgliedstaaten verpflichteten, „die Vereinfachung der Förmlichkeit für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen und Schiedssprüchen“ sicherzustellen.
Das EuGVÜ ist am 1.2.1973 unter den sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der EG mit folgendem Wortlaut in Kraft getreten:
„Artikel 27
Eine Entscheidung wird nicht anerkannt:
...
2. wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, dass dieses Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte;
... „
Dieser Wortlaut wurde jedoch bereits 1978 mit dem Beitritt Dänemarks, Irlands und Großbritanniens (1. Beitrittsübereinkommen) auf die oben unter Punkt 2.2.1. angeführte Fassung abgeändert und um die Wortfolge: „ ... oder ein gleichwertiges Schriftstück ... „ ergänzt. Diese Ergänzung diente lediglich der Klarstellung, dass auch eine Mitteilung darüber genügte, dass eine Klagsladung („writ“) ausgestellt worden war[23] ; der „neuen“ Wortfolge kam jedoch keine eigenständige Bedeutung zu.
2.2.3. Der Zweck des Art 27 Nr 2 EuGVÜ
Nr 2 diente – wie auch die anderen im EuGVÜ normierten Anerkennungs-versagungsgründe – dazu das internationale Anerkennungsregulativ auf eine multilaterale Grundlage zu stellen. Nicht nur der Richter des Erkenntnisverfahrens, sondern auch der Anerkennungsrichter im Zweitstaat musste forthin das EuGVÜ vor seinem innerstaatlichen Internationalen Zivilprozessrecht beachten. Als die wesentlichsten Auswirkungen des EuGVÜ und seiner Protokolle[24] auf die Anerkennung von Entscheidungen sind die Rechtsvereinfachung durch Vereinheitlichung[25], die einheitliche Interpretation der Anerkennungsversagungsgründe[26], dem Gleichklang von competence directe und indirecte[27] sowie Verringerung der Anerkennungsversagungsgründe[28] zu nennen.
2.3. Die Entwicklung des Art 34 Nr 2 EuGVVO
2.3.1. Der Wortlaut
Der vorliegenden Untersuchung liegt nachstehender Wortlaut des Art 34 Nr 2 zu Grunde:
„Artikel 34
Eine Entscheidung wird nicht anerkannt:
...
2. wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte;
... „
2.3.2. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Novellierung des Art 27 Nr 2 EuGVÜ
2.3.2.1. Der Wortlaut des Vorschlags der EU-Kommission
„ Artikel 37a
1. Dem Rechtsbehelf gemäß Artikel 36 Absatz 1[30] wird stattgegeben, wenn der Schuldner nachweist, dass[29]
...
2. bei einer im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidung,
- das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist und dass ihm aus diesem Mangel ein Nachteil erwachsen ist, oder
- ihm die Entscheidung nicht so rechtzeitig zugestellt wurde, dass er sich verteidigen konnte.
Dem Rechtsbehelf wird nicht stattgegeben, wenn er Schuldner, ungeachtet der nicht ordnungsgemäßen Zustellung, rechtzeitig in die Lage versetzt wurde, sich zu verteidigen oder wenn er keine Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt hat, obwohl er ordnungsgemäß und rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt wurde; ...“
2.3.2.2. Stellungnahme zur Variante der Versagung der Vollstreckbarerklärung bei nicht ordnungsgemäßer Zustellung des verfahrensein-leitenden Schriftstückes
Die EU-Kommission gab die nach der alten Rechtlage bestehende Kumulation selbständig nebeneinander stehender Versagungsgründe des Art 27 Nr 2 EuGVÜ in Form nicht ordnungsgemäßer und nicht rechtzeitiger Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes auf. Nach dem Vorschlag der Kommission war dem Rechtsbehelf gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung stattzugeben, wenn der Schuldner nachwies, dass bei einer im Versäumnisverfahren ergangene Entscheidung, dass den Rechtsstreit einleitende Schriftstück oder gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden und dass ihm aus diesem Mangel ein Nachteil erwachsen war.
Der Vorschlag der Kommission war mit ihrem Regel-Ausnahme-Prinzip aber nicht weniger interpretationsbedürftig als die Formulierung des Art 27 Nr 2 EuGVÜ. Grundsätzlich musste das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück weiterhin ordnungsgemäß zugestellt sein, die Vollstreckung war aber nur dann versagt, wenn der Verfahrensgegner nachwies, dass ihm aus einer mangelhaften Zustellung ein Nachteil erwachsen war[31]. Zumindest ergab sich damit aber eine wesentliche und sinnvolle Einschränkung, da technische Zustellungsfehler eine Versagung der Vollstreckung nicht mehr gerechtfertigen hätten, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück trotz eines Zustellungsfehlers in die Hand der Prozesspartei gelangt wäre. Die Frage, ob dem Verfahrensgegner ein Nachteil entstanden ist oder nicht, wäre vom Zweitrichter zu entscheiden gewesen. Die Formulierung bot hier genügend Spielraum, dem Einzelfall gerecht zu werden. Gleichwohl leistete sie natürlich der Versuchung Vorschub, im Erststaat von unbequemen Zustellungsvorschriften abzuweichen und an sich unzulässige Formen der Direktzustellung zu wählen, in der Hoffnung damit durchzudringen, weil dem Verfahrensgegner kein wesentlicher Nachteil entstand.
Eine ähnliche ausdrückliche Einschränkung ergab sich aus dem 2 Unterabsatz des Art 37a Abs 1 Nr 2. Ausnahmsweise – also trotz Vorliegens der Voraussetzung nach Spiegelstrich 1 oder 2 – wäre die Vollstreckbarerklärung aufrechterhalten geblieben, wenn der Verfahrensgegner ungeachtet einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung rechtzeitig in die Lage versetzt worden wäre, sich zu verteidigen. Zu versagen war die Anerkennung nach der Systematik dieses Vorschlages nur noch, wenn die Zustellung weder ordnungsgemäß noch rechtmäßig war. Hingegen war bei fehlerhaften, gleichwohl rechtzeitiger Zustellung die Vollstreckung zuzulassen. Gleiches galt wohl auch für den Fall, dass ordnungsgemäß, aber nicht rechtzeitig zugestellt wurde. Der Unterabsatz 2 des Art 37a Abs 1 Nr 2 war nach Stellung und Wortlaut als Ausnahme zu den Versagungsgründen der Spiegelstriche 1 und 2 zu verstehen. Fehlte es schon an den dort bezeichneten Mängeln, sollte es auf die Rechtzeitigkeit offenbar nicht mehr ankommen. Legte man dieses Verständnis der Neuregelung zugrunde, so ergab sich eine ganz entscheidende Abweichung von der alten Rechtslage des Art 27 Nr 2 EuGVÜ zu Lasten des Verfahrensgegners.
Im Vergleich dazu konnte - wie unten noch eingehend zu erörtern sein wird - nach der alten Rechtslage des Art 27 Nr 2 EuGVÜ die Anerkennung nach der beklagtenfreundlichen Rechtsprechung des EuGH versagt werden, wenn zwar eine nach den Vorschriften des Erststaates ordnungsgemäß vorgenommene Zustellung (wie beispielsweise die remise au parquet) vorlag[32], die aber dem Verfahrensgegner erst so spät vom Inhalt des Schriftstückes Kenntnis verschaffte, dass eine effektive Verteidigung nicht mehr möglich war. Inhalt und Reichweite der Rechtzeitigkeit bestimmten sich dabei unabhängig vom Recht des Erststaates aus Sicht des Zweitrichters nach den Umständen des Einzelfalls[33].
[...]
[1] Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl L 299 vom 31.12. 1972, 32 idgF. Neben dem EuGVÜ besteht noch ein Parallelabkommen, nämlich das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtliche Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 1988 (LGVÜ), BGBl 1996/448. Zum räumlichen Anwendungsbereich des LGVÜ und für die Abgrenzung zwischen dem LGVÜ und der EuGVVO siehe im Detail Klauser, Vor Art 1 EuGVÜ, Rz 9 und 10. Zu den außerhalb des räumlichen Anwendungsbereiches des EuGVÜ und des LGVÜ für Österreich geltenden bilateralen und multilateralen Abkommen siehe Duchek/Schütz/Tarko 2, 1 ff.
[2] „EuGVÜ“ ist keine offizielle Abkürzung; sie hat sich jedoch neben der Kurzbezeichnung „Brüsseler Übereinkommen“ weitgehend durchgesetzt und wird daher auch in dieser Untersuchung verwendet.
[3] Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl L 12 vom 16.1.2001, 1 idgF. Die EuGVVO trat gem Art 76 lc am 1.3.2002 in Kraft. Die EuGVVO ist auf Grundlage des EG-Vertrages erlassenes Sekundärrecht. Der räumliche Anwendungsbereich richtet sich daher grundsätzlich nach Art 299 EGV. Nach Art 299 EGV gilt das EuGVVO demnach für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark. Zur Position Dänemarks siehe im Detail Klauser, Vor Art 1 EuGVVO, Rz 4.
[4] „EuGVÜ“ ist ebenfalls keine offizielle Abkürzung; sie hat sich jedoch neben der Kurzbezeichnung „Brüsseler I-VO“ ebenfalls weitgehend durchgesetzt und wird daher auch in dieser Untersuchung verwendet.
[5] Art 33 EuGVVO entspricht abgesehen von redaktionellen Anpassungen Art 26 EuGVÜ/LGVÜ.
[6] Unter „Entscheidungen“ iSd der EuGVVO ist nach Art 32 EuGVVO jede von einem Gericht eines Mitgliedstaates erlassene Entscheidung zu verstehen, ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtesbediensteten. Art 32 EuGVVO entspricht abgesehen von redaktionellen Anpassungen mit den Unterschieden: „Zahlungsbefehl“ und „Urkundenbeamter“ Art 25 EuGVÜ/LGVÜ. Im Detail siehe beispielsweise Klauser, Art 32 EuGVVO, Rz 1 -10 und die dort zit Jud.
[7] Art 35 EuGVVO entspricht abgesehen von redaktionellen Anpassungen und kleineren Änderungen dem Art 28 EuGVÜ/LGVÜ. Zu den kleineren Änderungen im Detail Klauser, Art 35 EuGVVO, Anmerkungen (**, ***, ****, *****).
[8] Normen ohne Quellenangabe sind solche der EuGVVO.
[9] Vergleiche Weser, Convention communautaire, 615 ff; aber auch Besse, 21.
[10] Dieser Grundsatz galt auch in der Folge trotz EuGVÜ für die in Art 1 S 2 EuGVÜ aufgezählten Bereiche.
[11] Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und Niederlande.
[12] Mercier, Effets internationaux des jugements, 108.
[13] (Deutsche) Zivilprozessordnung vom 30.1.1877 idF vom 12.9.1950, dBGBl 1950, I 533 idgF.
[14] Vergleiche § 12 ff dZPO, Art 42 ff ncpc, aber Art 4 cpc oder Art 624, 635 cjb.
[15] Nur bei den sogenannten „Doppelabkommen“, die auf dem Prinzip der „direkten Zuständigkeit“ beruhen, war dies der Fall, so beim französisch-belgischen Abkommen vom 8.7.1899.
[16] GeimerSchütze, I/1, 34.
[17] Jenard, Bericht zum EuGVÜ, ABl EG 1979 C 59, 7.
[18] 1. Beitrittsübereinkommen, ABl 1978, L 304, 1 ff vom 9.10.1978
[19] In der Folge wird statt dem Begriff „Beklagter“ der Begriff „Verfahrensgegner“ verwendet, da der Begriff „Beklagter“ nur auf das streitige Erkenntnisverfahren hinweist, aber von Art 27 Nr 2 EuGVÜ - wie auch Art 34 Nr 2 – auch bei der Anerkennung von Entscheidungen, welche in außerstreitigen Erkenntnisverfahren ergangen sind, Anwendung findet.
[20] Die Wortfolge: „… oder ein gleichwertiges Schriftstück“ wurde im Rahmen der Neufassung des EuGVÜ im Jahre 1978 eingefügt; dieser Wortfolge kommt jedoch keine eingeständige Bedeutung zu.
[21] Zu seiner Entstehungsgeschichte vergleiche Jenard, Bericht zum EuGVÜ, ABl EG 1979 C 59, 3.
[22] Nach ex Art 220 4 Spiegelstrich des Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften vom 25.3.1957 (EGV) idF von ABl 1992 C 224, 6 hatten die Mitgliedstaaten, soweit erforderlich, untereinander Verhandlungen einzuleiten, um zu Gunsten ihrer Staatsangehörigen die Vereinfachung der Förmlichkeit für die gegenseitige Anerkennung und Vollstrechung richterlicher Entscheidungen und Schiedssprüche sicherzustellen. Der nunmehr geltende Art 293 4 Spiegelstrich EGV idF von ABl 1997 C 340 ist textgleich mit ex Art 220 4 Spiegelstrich EGV idF von ABl 1992 C 224. Siehe auch Lenz 2 (Hrsg), Art 293 EGV, Rz 4; aber auch Besse, 27.
[23] Schlosser, EuGVÜ, Art 27 – 29 EuGVÜ, Rz 9.
[24] Auslegungsprotokoll zum EuGVÜ, Luxemburger Protokoll vom 2.6.1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof, dBGBl 1972, II 845 und Protokoll vom 27.9.1968 um EuGVÜ, dBGBl 1972, II 808.
[25] Durch das EuGVÜ konnten die zwischen den EG-Staaten bestehenden bilateralen Übereinkommen im Rahmen des Geltungsbereiches des EuGVÜ ersetzt werden.
[26] Das Auslegungsprotokoll zum EuGVÜ überträgt dem EuGH die einheitliche Auslegung des EuGVÜ.
[27] Durch die Regelung auch der direkten Zuständigkeit im Titel II des EuGVÜ gelangte die Vereinheitlichung der Beurteilungskriterien von Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit, sodass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen eingedämmt wurde.
[28] Indem die Normen der Entscheidungszuständigkeit bereits im Erkenntnisverfahren zu beachten waren, konnte die Anerkennungsversagungsgründe verringert werden, da eine einheitliche Zuständigkeitsordnung eine größeres Vertrauen in die ordnungsgemäße Durchführung des ausländischen Verfahrens mit sich brachte.
[29] Vorschlag für einen Rechtsakt des Rechts über die Ausarbeitung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 22.12.1997, 98 C 33/05 KOM (97) 609 endg – 97/0339 (CNS).
[30] Gem Art 36 Abs 1 des Vorschlages der EU-Kommission wird die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung dem Vollstreckungsschuldner zugestellt. Dieser kann innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung einen Rechtsbehelf einlegen.
[31] Die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes wäre wie nach der alten Rechtslage nach Art 27 Nr 2 EuGVÜ nach dem Recht des Erststaates zu beurteilen gewesen.
[32] Der Zweitrichter prüfte dies ohne Bindung an die Feststellung des Erstrichters.
[33] So schon beispielsweise EuGH 15.7.1982, Rs C-227/81, Pendy Plastic/Pluspunkt, Slg 1982, 2773.
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