Michail Lermontov zählt zu den größten russischen Poeten, geboren am 15. Oktober 1814 in Moskau, ist er am 27. Juli im Duell in Pjatigorsk gefallen.
An seine Mutter konnte er sich nicht erinnern: sie ist gestorben als er zwei Jahre alt war. Der verwitwete Vater lebte allein in seinem kleinen Anwesen in der Nähe von Tula. So ist Lermontov bei seiner Großmutter – einer wohlhabenden Frau adliger Herkunft – auf einem Gut in Tarchany nahe Penza aufgewachsen (Viskovatov 1987: 31).
Die Zeit, in der der Dichter lebte und wirkte, war von vielen politischen Ereignissen geprägt, welche die Geschichte Russlands entscheidend beeinflussten.
Der Aufstand von Dekabristen im Jahre 1825 hinterließ einen bleibenden Eindruck im Leben des jungen Poeten (Andronikov 1967: 548). Seine frühe Lyrik spiegelt dieses Thema häufig wider: vor allem die Zwiespalt, in der sich Lermontow befindet, durchdringt die ersten Gedichte – auf der einen Seite die große Liebe zu seiner Heimat und auf der anderen Seite die bittere Erkenntnis, dass dieses Land „kraj, gde stonet čеlovek ot rabstva i cepej“ ist (Andronikov 1967: 549). Er bewundert die Dekabristen, die den Mut aufbrachten, für ihre Ideale und Freiheit zu kämpfen, verehrt die Helden der damaligen Epoche und macht sich zur Aufgabe, die Gesellschaft wach zu rütteln und zum Handeln zu motivieren – aktiv kämpfen statt passiv dulden (Andronikov 1967: 565).
Lermontov verabscheute die Passivität und meinte, seine Plicht als Autor bestehe darin, die Gewissensstimme der Menschen zu werden, die kompromisslose Wahrheit zu sagen und somit „bolezn‘ togdašnego občšestva“ – „primirenie s dejstvitel’nost‘ju“ zu heilen (Andronikov 1967: 569).
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Gedicht „I skučno i grustno“ - „the one of Lermontov’s finest achievements“ (Vickery 2001: 191), das Michail Lermontov ein Jahr vor seinem Tod verfasste und in dem Band „Стихотворения“ veröffentlichte .
Abbruch seines Philologiestudiums an der Universität Moskau, Übersiedlung nach St. Petersburg, militärische Karriere bei der Kavallerie, Strafversetzungen in den Kaukasus, unglückliche Lieben – all das führte zu menschlichen Enttäuschungen und bestimmte die zentralen Themen seiner reifen Lyrik, die im hier behandelnden Gedicht besonders stark zum Ausdruck kommen. Das Dilemma eines Menschen, der sich einerseits aus der Gesellschaft ausgrenzt und andererseits auf sie angewiesen ist: „Nenužnyj člen v piru ljudskom“ (Viskovatov 1987: 85) – die daraus resultierende Ein
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Formanalyse
2.1. Übersetzung des Gedichts
2.2. Reimschema, Strophengliederung und Versart
2.3. Analyse weiterer sprachlicher Stilfiguren
3. Inhaltsanalyse
3.1. Wiedergabe des Inhalts
3.2. Thematik
4. Literaturgeschichtliche Zuordnung
5. Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis
Bestätigung
1. Einleitung
Michail Lermontov zählt zu den größten russischen Poeten, geboren am 15. Oktober 1814 in Moskau, ist er am 27. Juli im Duell in Pjatigorsk gefallen.
An seine Mutter konnte er sich nicht erinnern: sie ist gestorben als er zwei Jahre alt war. Der verwitwete Vater lebte allein in seinem kleinen Anwesen in der Nähe von Tula. So ist Lermontov bei seiner Großmutter – einer wohlhabenden Frau adliger Herkunft – auf einem Gut in Tarchany nahe Penza aufgewachsen (Viskovatov 1987: 31).
Die Zeit, in der der Dichter lebte und wirkte, war von vielen politischen Ereignissen geprägt, welche die Geschichte Russlands entscheidend beeinflussten.
Der Aufstand von Dekabristen im Jahre 1825 hinterließ einen bleibenden Eindruck im Leben des jungen Poeten (Andronikov 1967: 548). Seine frühe Lyrik spiegelt dieses Thema häufig wider: vor allem die Zwiespalt, in der sich Lermontow befindet, durchdringt die ersten Gedichte – auf der einen Seite die große Liebe zu seiner Heimat und auf der anderen Seite die bittere Erkenntnis, dass dieses Land „kraj, gde stonet čеlovek ot rabstva i cepej“ ist (Andronikov 1967: 549). Er bewundert die Dekabristen, die den Mut aufbrachten, für ihre Ideale und Freiheit zu kämpfen, verehrt die Helden der damaligen Epoche und macht sich zur Aufgabe, die Gesellschaft wach zu rütteln und zum Handeln zu motivieren – aktiv kämpfen statt passiv dulden (Andronikov 1967: 565).
Lermontov verabscheute die Passivität und meinte, seine Plicht als Autor bestehe darin, die Gewissensstimme der Menschen zu werden, die kompromisslose Wahrheit zu sagen und somit „bolezn‘ togdašnego občšestva“ – „primirenie s dejstvitel’nost‘ju“ zu heilen (Andronikov 1967: 569).
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Gedicht „I skučno i grustno“ - „the one of Lermontov’s finest achievements“ (Vickery 2001: 191), das Michail Lermontov ein Jahr vor seinem Tod verfasste und in dem Band „Стихотворения“ veröffentlichte[1].
Abbruch seines Philologiestudiums an der Universität Moskau, Übersiedlung nach St. Petersburg, militärische Karriere bei der Kavallerie, Strafversetzungen in den Kaukasus, unglückliche Lieben – all das führte zu menschlichen Enttäuschungen und bestimmte die zentralen Themen seiner reifen Lyrik, die im hier behandelnden Gedicht besonders stark zum Ausdruck kommen. Das Dilemma eines Menschen, der sich einerseits aus der Gesellschaft ausgrenzt und andererseits auf sie angewiesen ist: „Nenužnyj člen v piru ljudskom“ (Viskovatov 1987: 85) – die daraus resultierende Einsamkeit, die Leere, die Gleichgültigkeit, die Unfähigkeit zur Liebe und die Hoffnung stehen dabei im Vordergrund (Opitz 1989: 1).
Bevor die inhaltliche Seite des Gedichts näher betrachtet wird, wird die Formanalyse durchgeführt, wobei das Gedicht ins Deutsche übertragen, die Versart und der Reim bestimmt, sowie die Gliederung von Strophen und weitere sprachlich-formale Mittel untersucht werden.
Der zweite Teil der Ausführungen konzentriert sich auf die Aspekte des Inhalts, sowie die literaturgeschichtliche Zuordnung des Gedichts.
Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und kommentiert.
2. Formanalyse
2.1. Übersetzung des Gedichts
UND LANGWEILIG UND TRAURIG
Und langweilig und traurig, und niemandem kann man die Hand reichen
In einer seelisch schwierigen Minute…
Wünsche!.. was nützt es Einem, vergeblich und ewig zu wünschen?..
Und Jahre vergehen – die besten Jahre!
Lieben?.. doch wen?.. auf Zeit – ist der Mühe nicht wert,
Und ewig lieben ist unmöglich.
Kann man in sich schauen? – Von der Vergangenheit ist dort keine Spur:
Und Freude, und Qualen, und alles ist dort nichtig…
Leidenschaften? – beim Wort der Vernunft wird ihr süßliches Leiden
Früher oder später vergehen;
Und das Leben ist, bei kühler Betrachtung, -
Nur ein leerer und fauler Scherz…
2.2. Reimschema, Strophengliederung und Versart
Dem Genre nach ähnelt das Gedicht einer Elegie – einem Klagelied des lyrischen Ichs.
Die Reimstruktur des Gedichts setzt sich aus drei Strophen mit jeweils vier Zeilen zusammen. Alle Strophen haben einen aBaB – Kreuzreim, wobei a – Verse männlichen Reims und B – Verse weiblichen Reims sind.
Im Folgenden werden die Reimschema und die Alternation von betonten und unbetonten Silben präsentiert:
uB[2] uuBu ׀׀uBuuBuuB
uBuuBuuBu
uBu ׀׀uBuuBuuBuuB?
uBuuBu ׀׀uBuuBu!
uB ׀׀uuBu? ׀׀uBuuBuuB
uBuuBuuBu
uBuuBu ׀׀uBuuBuuB
uBuuBuuBuuBu
uBu? ׀׀uBuuBuuBuBu[3]
uBuuBuuBu
uBuuBuuBuuBuuB ׀׀
uBuuBuuBuuBu
Die ungewöhnliche Kombination des 5-4-3-hebigen Amphibrachys unterstreicht die metrische Mannigfaltigkeit des Gedichts und verleiht ihm „muzykal’nost‘“(Korovin 1973: 25), wobei in den ungeraden Versen das letzte Maß gekürzt ist (Rechtecke) – es fehlt die letzte unbetonte Silbe, d.h. das Vermaß ist katalektisch. In der Zeile 11 ist die fehlende unbetonte Silbe durch eine Zäsur ersetzt. Jeder ungerader Reim stellt eine Art These, eine rhetorische Frage oder eine rhetorische Behauptung dar, jeder gerader – eine Antithese, gedankliche Weiterführung oder ein Resümee (Višnevskij 1965: 36). Lange Verse des 5-hebigen Amphibrachys klingen behaglich, melancholisch und geben den Überlegungsprozess hervorragend wieder.
Der metrische Aufbau ist trügerisch: einerseits erweckt er eine Illusion frei zu sein, doch andererseits bildet die strenge, monotonisierte Ordnung der Zeilen eine feste Struktur, in der der Andrang der traurigen Gedanken eingeschlossen scheint.
Die Zäsuren (Einschnitte ׀׀) finden sich in den Zeilen 1; 3; 4; 5; 7; 9; und in der Zeile 11 am Versende.
[...]
[1] Die erste Publikation erfolgte in Литературная газета, 1840, No. 6 (20. Januar), 133.
[2] u – unbetont, B - betont
[3] eigentlich richtig ist nédug, aber der Autor benutzt falsche Betonung um Reim und Rhythmus gerecht zu werden : nedúg, also xX
- Quote paper
- Julia Bogdanova (Author), 2008, Michail Lermontov „I SKUČNO I GRUSTNO“ – eine Interpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143867
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