Der Ausgang der Bundestagswahl 2009 hat bestätigt, was unter anderem Oskar Niedermayer bereits im Jahr 2001 als „Trend“ und im Jahr 2005 als „Zustand“ beschrieben hat: Das deutsche Parteiensystem hat sich zu einem „fluiden Fünfparteiensystem“ entwickelt.
Daraus ergeben sich für die Koalitionsbildung neue Möglichkeiten und Einschränkungen. So werden in Zukunft womöglich Dreier- oder Große Koalitionen die einzigen Optionen nach einer Wahl, wie es 2005 der Fall gewesen war, sein. Dass sich nach der Wahl 2009 erneut die Möglichkeit einer Zweierkoalition zwischen CDU/CSU und FDP ergeben hat, liegt in der aktuellen Schwäche der SPD (-11.2 PP) und den großen Stimmge-winnen der FDP (+4.7 PP) begründet.
Auch DIE LINKE hat bei der Bundestagswahl ein zweistelliges Ergebnis (11.9%) erreichen und sich somit als fester Bestandteil des deutschen Parteiensystems etablieren können. Noch im Jahr 2002 war ihr der Einzug in den Bundestag nicht gelungen, so dass sich die Frage stellt, was diesen Zuwachs an Stimmen ausgelöst hat. Gleichzeitig bedeutet diese Etablierung auch die Stabilisierung des oben erwähnten fluiden Fünfparteiensystems.
Im Laufe dieser Arbeit werde ich erläutern, welche Bedeutung diese Entwicklung für das deutsche Parteiensystem hat. Dazu gebe ich zunächst eine Übersicht über die zentralen Eigenschaften, die ein Parteiensystem kennzeichnen, um anhand von diesen dann den Terminus des fluiden Fünfparteiensystems zu erklären. Zudem nutze ich diese Eigenschaften, um darzulegen, was eine Entwicklung bzw. Veränderung eines Parteiensystems ausmacht.
Des Weiteren gebe ich einen kurzen Abriss der Geschichte der Partei PDS und ihren Vorgänger- bzw. Nachfolgerparteien bis zur Bundestagswahl 2002, um daran anschließend die Entwicklung ab diesem Zeitpunkt und die Entstehung der heutigen Partei DIE LINKE zu beschreiben.
Abschließend verknüpfe ich die Erkenntnisse der beiden ersten Teile, um zu untersuchen, welche Bedeutung DIE LINKE für das Parteiensystem hat und ob man in Deutschland von einem Wandel des Parteiensystems sprechen kann.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theorien und Definitionen
2.1 Eigenschaften eines Parteiensystems
2.2 Das fluide Fünfparteiensystem
2.3 Entwicklung eines Parteiensystems
3 DIE LINKE
3.1 Ursprung und Geschichte bis 2002
3.2 Entwicklung seit 2002
4 Bedeutung der Partei DIE LINKE für das deutsche Parteiensystem
5 Fazit
6 Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Der Ausgang der Bundestagswahl 2009 hat bestätigt, was unter anderem Oskar Nie- dermayer bereits im Jahr 2001 als „Trend“ und im Jahr 2005 als „Zustand“ beschrieben hat: Das deutsche Parteiensystem hat sich zu einem „fluiden Fünfparteiensystem“ entwi- ckelt.[1]
Daraus ergeben sich für die Koalitionsbildung neue Möglichkeiten und Einschränkungen. So werden in Zukunft womöglich Dreier- oder Große Koalitionen die einzigen Optionen nach einer Wahl, wie es 2005 der Fall gewesen war, sein. Dass sich nach der Wahl 2009 erneut die Möglichkeit einer Zweierkoalition zwischen CDU/CSU und FDP ergeben hat, liegt in der aktuellen Schwäche der SPD (-11.2 PP) und den großen Stimmgewinnen der FDP (+4.7 PP) begründet.
Auch DIE LINKE hat bei der Bundestagswahl ein zweistelliges Ergebnis (11.9%) er- reichen und sich somit als fester Bestandteil des deutschen Parteiensystems etablieren kön- nen. Noch im Jahr 2002 war ihr der Einzug in den Bundestag nicht gelungen, so dass sich die Frage stellt, was diesen Zuwachs an Stimmen ausgelöst hat. Gleichzeitig bedeutet diese Etablierung auch die Stabilisierung des oben erwähnten fluiden Fünfparteiensystems.
Im Laufe dieser Arbeit werde ich erläutern, welche Bedeutung diese Entwicklung für das deutsche Parteiensystem hat. Dazu gebe ich zunächst eine Übersicht über die zentralen Eigenschaften, die ein Parteiensystem kennzeichnen, um anhand von diesen dann den Ter- minus des fluiden Fünfparteiensystems zu erklären. Zudem nutze ich diese Eigenschaften, um darzulegen, was eine Entwicklung bzw. Veränderung eines Parteiensystems ausmacht.
Des Weiteren gebe ich einen kurzen Abriss der Geschichte der Partei PDS und ihren Vorgänger- bzw. Nachfolgerparteien bis zur Bundestagswahl 2002, um daran anschließend die Entwicklung ab diesem Zeitpunkt und die Entstehung der heutigen Partei DIE LINKE zu beschreiben.
Abschließend verknüpfe ich die Erkenntnisse der beiden ersten Teile, um zu untersuchen, welche Bedeutung DIE LINKE für das Parteiensystem hat und ob man in Deutschland von einem Wandel des Parteiensystems sprechen kann.
2 Theorien und Definitionen
Wie bereits in der Einleitung erwähnt besteht ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit in der theoretischen Analyse von Parteiensystemen. Daher ist es unerlässlich, zunächst ein möglichst scharfes Bild des Untersuchungsgegenstandes zu zeichnen.
Ich beziehe mich im Folgenden auf das theoretische Konzept, welches Niedermayer 1996 entwickelt hat[2], da er darin die gängigen Ansätze vereint und sinnvoll weiterentwi- ckelt.
2.1 Eigenschaften eines Parteiensystems
Als Ausgangspunkt für sein Analyseraster nutzt Niedermayer die Minimaldefinition eines Systems, welches er als durch eine „Menge von Objekten und von Relationen zwi- schen den Objekten“ gekennzeichnet sieht, wobei „diese Relationen die Eigenschaften des Systems“ bilden.[3]
Davon ausgehend nennt er fünf Eigenschaften von Parteien, deren Relationen zu- einander insgesamt sieben Eigenschaften von Parteiensystemen ergeben. Ein Objekt ist nach Niedermayer an erster Stelle durch seine Existenz gekennzeich- net, woraus sich dann übertragen auf Parteiensysteme das Format ergibt, also die Anzahl der im System existierenden Parteien. Obgleich dies auf den ersten Blick als eine einfache Eigenschaft erscheint, ist die Operationalisierung der Anzahl ein nicht zu unterschätzendes Problem, da sich die Frage stellt, welche Parteien in die Analyse einzubeziehen sind. Der Ansatz von Sartori schlägt vor, nur diejenigen Parteien zu zählen, welche im Parlament vertreten sind und zusätzlich entweder Koalitions- oder aber Erpressungspoten- tial besitzen.[4] Niedermayer sieht hier jedoch Operationalisierungsprobleme, so dass er in einer Weiterentwicklung seines ersten Ansatzes eine an Sartori angelehnte Lösung vor- schlägt: Als relevant sieht er all die Parteien an, die im Parlament vertreten sind und zudem für eine Minimalkoalition, d.h. jede an der Koalition beteiligte Partei ist nötig, in Frage kommen.[5] Parteien werden ferner durch ihre Größe bestimmt, woraus Niedermayer drei Parteiensystemeigenschaften ableitet.
Zunächst wäre da die Fragmentierung, also die Relation der Größe der verschiede- nen Parteien, zu nennen. Um diese zu operationalisieren, nutzt er den von Laak- so/Taageperas weiterentwickelten Fraktionalisierungsindex von Rae. [6] Hierbei wird 1 durch die Summe der quadrierten Stimmenanteile jeder relevanten Partei geteilt. Das Ergebnis ist eine Zahl, die die Anzahl der relevanten Parteien widerspiegeln soll. So entspricht z.B. der Wert 1 einer Dominanz von einer Partei, der Wert 2.5 hingegen einem Zweieinhalbpartei- ensystem.
Ebenfalls aus der Größe der Parteien leitet Niedermayer die Eigenschaft der Asymmetrie, also der Chancen(un)gleichheit zum Machtgewinn zwischen den beiden größten Parteien, ab. Die Operationalisierung erfolgt über die Differenz der Stimmanteile der beiden größten Parteien, wobei sich ein Wert zwischen -100 und +100 ergibt.
Die dritte Eigenschaft, die laut Niedermayer aus der Größe der Parteien entspringt, ist die Volatilität, also die Veränderung des Wahlverhaltens der Wähler zwischen zwei Wahlen. Um diese zu operationalisieren, wird die absolute Veränderung der Stimmanteile jeder relevanten Partei zwischen zwei Wahlen aufsummiert und dann, um Doppelzählung von Verlust/Gewinn zu kompensieren, halbiert. Der daraus entstehende Wert liegt zwi- schen 0 und 100.
Eine nächste Eigenschaft von Parteien ist ihre Ideologie bzw. Programmatik, wel- che sich auf der Systemebene nach Niedermayer in Form der Polarisierung niederschlägt. Hierfür wird auf die Selbsteinstufung der Parteien auf einer Links-Rechts-Skala zurückge- griffen, wobei jede relevante Partei mit ihrem durch den Wahlerfolg bestimmten Gewicht einbezogen wird, die Operationalisierung erfolgt dann über eine Berechnung von Varianz und Standardabweichung.
Abhängig von der Ideologie ist auch die Koalitionsfähigkeit einer Partei, woraus Niedermayer auf der Systemebene die Eigenschaft der Segmentierung, also die inhaltliche Abschottung zu anderen Parteien und damit die Ablehnung von Koalitionen, bildet. Opera- tionalisiert wird dies über die Berechnung des Anteils der politisch möglichen (also für die einzelnen Parteien vorstellbaren) an den theoretisch möglichen Koalitionen, was dann von 1 abgezogen wird. Ein System beispielsweise, in dem alle theoretisch möglichen Koalitio- nen auch politisch denkbar wären, hätte also den Wert 0 und wäre damit nicht segmentiert. Eine letzte, aber entscheidende Eigenschaft von Parteien ist ihre Akzeptanz in der Bevölkerung, was nach Niedermayer der Legitimität des Parteiensystems entspricht. Hier greift er auf die Operationalisierung von Rattinger zurück, welcher den Mittelwert der je-weils besten Bewertung jeder relevanten Partei durch einen Befragten bildet.[7]
Dieser Katalog an Parteiensystemeigenschaften lässt sich in zwei Dimensionen teilen. Auf der einen Seite stehen die strukturellen Eigenschaften, also Format, Fragmentierung, Asymmetrie und Volatilität, auf der anderen die inhaltlichen, Polarisierung, Segmentierung und Legitimität.
Das nächste Kapitel wird anhand dieser Eigenschaften den Begriff des fluiden Fünfparteiensystems erläutern.
2.2 Das fluide Fünfparteiensystem
Wie bereits in der Einleitung erwähnt beschreibt Niedermayer das deutsche Partei- ensystem nach der Bundestagswahl 2005 als fluides Fünfparteiensystem. Dieser Begriff bezieht sich auf einige der oben erläuterten Systemeigenschaften und soll hier nun näher erklärt werden.
Das Format des deutschen Parteiensystems ist 2005 auf fünf nach der obigen Defi- nition relevante Parteien im Parlament gewachsen, es war nach der Bundestagswahl für jede vertretene Partei möglich, sich an einer minimalen Gewinnkoalition zu beteiligen. Nach der Bundestagswahl 2009 ist die Zahl der nach dieser Definition parlamentarisch relevanten Parteien zwar wieder auf drei gesunken - CDU/CSU und FDP können gemein- sam regieren, DIE LINKE könnte sich nur in einer politisch zurzeit nicht denkbaren Koali- tion aus SPD/FDP/DIE LINKE an einer Regierung beteiligen und die Grünen sind in keiner Hinsicht in der Lage, sich an einer Minimalkoalition zu beteiligen - dies ist jedoch auf die Schwäche der SPD zurückzuführen und damit aller Wahrscheinlichkeit nach kein dauerhafter Zustand, sodass bereits die nächste Wahl unter Umständen wieder fünf relevante Parteien hervorbringen könnte.
Die Fragmentierung des deutschen Parteiensystems war lange Zeit durch eine Zweiparteiendominanz gekennzeichnet. Niedermayer versteht darunter, dass die beiden größten Parteien im Parlament jeweils ein Viertel und zusammen mindestens zwei Drittel der Sitze innehaben. Die nächst kleinere Partei verfügt höchstens über die Hälfte der Sitze der kleineren der beiden größten Parteien.[8] Gerade die letzten Wahlen haben gezeigt, dass dies für Deutschland nicht mehr der Fall ist. Nutzt man den oben vorgestellten Index der relevanten Parteien für das Ergebnis der Bundestagswahl 2009, so kommt man auf einen relativ hohen Wert von 4,8.
Beide Eigenschaften zeigen also deutlich, dass wir es heute mit einem Fünfparteiensystem zu tun haben.
Betrachtet man die Asymmetrie des derzeitigen Systems, also das Maß an Chancengleichheit auf Machtgewinn der beiden größten Parteien, so ist klar zu erkennen, dass während der Wahlen von 1998 bis 2005 keine der beiden Parteien einen klaren Vorsprung vor der andere hatte. Zwar ist mit der Wahl 2009 die Asymmetrie wieder zugunsten der CDU/CSU gestiegen, doch kann man keine strukturellen Vorteile für diese Partei erkennen. Prinzipiell besteht sowohl zwischen CDU/CSU und SPD als auch zwischen den drei kleineren Parteien eine offene Wettbewerbssituation.
Somit ist das Parteiensystem in Deutschland nicht nur durch die Zahl fünf, sondern auch durch Offenheit gekennzeichnet, es ist also fluide.
Nach dieser kurzen Erläuterung widme ich mich nun im Folgenden der Entwicklung von Parteiensystemen, wobei ich dies nur knapp umreißen werde, da der Punkt in Kapitel 4 erneut aufgegriffen und ausführlicher anhand des konkreten Beispiels in Deutschland um- rissen werden soll.
[...]
[1] Niedermayer, Oskar: Das fluide Fünfparteiensystem nach der Bundestagswahl 2005, In: Niedermayer, Oskar (Hrsg.): Die Parteien nach der Bundestagswahl 2005, Wiesbaden 2008, S. 9.
[2] Niedermayer, Oskar: Zur systematischen Analyse der Entwicklung von Parteiensystemen, In: Gabriel, Oscar W. und Jürgen W. Steiner (Hrsg.): Wahlen und politische Einstellungen in westlichen Demokratien, Frankfurt a. M. 1996, S. 19ff.
[3] Ebd. S. 20.
[4] Sartori, Giovanni: Parties and party systems: a framework for analysis, Cambridge 1976, S. 122.
[5] Niedermayer, Oskar: Das fluide Fünfparteiensystem nach der Bundestagswahl 2005, In: Niedermayer, Oskar (Hrsg.): Die Parteien nach der Bundestagswahl 2005, Wiesbaden 2008, S. 10.
[6] Niedermayer, Oskar: Zur systematischen Analyse der Entwicklung von Parteiensystemen, In: Gabriel, Oscar W. und Jürgen W. Steiner (Hrsg.): Wahlen und politische Einstellungen in westlichen Demokratien, Frankfurt a. M. 1996, S. 24.
[7] Niedermayer, Oskar: Zur systematischen Analyse der Entwicklung von Parteiensystemen, In: Gabriel, Oscar W. und Jürgen W. Steiner (Hrsg.): Wahlen und politische Einstellungen in westlichen Demokratien, Frankfurt a. M. 1996, S. 30.
[8] Niedermayer, Oskar: Das fluide Fünfparteiensystem nach der Bundestagswahl 2005, In: Niedermayer, Oskar (Hrsg.): Die Parteien nach der Bundestagswahl 2005, Wiesbaden 2008, S. 13.
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