Sebastian Haffner überschreibt sein Werk über die Geschichte der deutsch-sowjetischen Beziehungen in der Zwischenkriegszeit als Teufelspakt. Eigentlich meinte er damit zwar der Hitler-Stalin-Pakt von 1939, jedoch charakterisiert diese Überschrift sehr treffend die Diskontinuität im Verhältnis der beiden Länder von 1917 bis 1941, mit all seinen Wandlungen und Widersprüchlichkeiten und der Ambivalenz, die einem Teufelspakt innewohnen muss. Nach dem Vertrag von Brest-Litowsk und nach Rapallo im Zweckbündnis vereint, als die Underdogs von Versailles. In den darauffolgenden Jahren in ideologisch gegensätzlicher Koexistenz benachbart. Dann wiederum einerseits misstrauisch andererseits opportun gegenüberstehend. Seit dem Antikomminternpakt ideologisch konfrontiert, dennoch gegen Polen wieder zwielichtig paktierend, um zuletzt mit unerbittlicher Härte gegeneinander Krieg zu führen.
Eine Ambivalenz, die sich auch in der unterschiedlichen Haltung zum seit der Wirtschaftskrise in den frühen 1930er-Jahren seinem Ende entgegensehenden Völkerbund ausdrückte. Die Geschichte der Beziehungen der beiden Diktaturen musste immer auch mit der Geschichte der internationalen Beziehungen aller großen, welt-weit agierenden Staaten, ob sie nun Völkerbundsmitglieder waren, werden wollten oder diesen Status abzustreifen ersuchten, unlösbar verknüpft sein.
Eine in die Zeit der Abrüstungsverhandlungen fallende und für die Entwicklung des Völkerbundes ebenso wie für den Weg zum Antikomminternpakt entscheidende Episode deutsch-sowjetischer Beziehungen war die internationale Krise in Fernost. Die japanische Okkupation einer chinesischen Provinz namens Mandschurei, war eine zwar indirekte, deswegen aber keineswegs unwichtige Episode deutsch-sowjetischer Beziehungen. Diese Krise offenbarte zum einen die Schwäche der Sowjetunion und zum anderen die Schwäche des Völkerbundes. In der Folge eröffnete sie eine neue Phase der japanischen und der deutschen Außenpolitik. Angesichts der Unentschlossenheit gerade jener Völkerbund-Mitglieder, die an der Aufrechterhaltung des Versailler Vertrages interessiert sein mussten, trauten sich japanischen Strategen und die Regierung des Deutschen Reiches, mit zunehmender Unverhohlenheit, außenpolitisch immer machtvoller zu agieren.
Neben der Darstellung der Mandschurei-Krise und dessen internationalen Kontextes, sind die Vorboten eines zunehmend angespannten Verhältnisses zwischen den beiden Diktaturen Gegendstand dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Mandschurei-Krise im Geflecht der internationalen Beziehungen
- Die Mandschurei zwischen Japan und China
- Die Mandschurei
- Der Überfall
- Manchukuo
- Die Mandschurei zwischen der U.d.S.S.R. und Japan
- Anhaltendes Mistrauen
- Die Gefahr der Eskalation
- Die Mandschurei-Krise im Völkerbund
- Die deutsche Haltung zur Krise
- in der Tradition des auswärtigen Amtes
- unter Hitler
- Die Mandschurei zwischen Japan und China
- Die Konsequenzen aus der Mandschurei-Krise
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, die Mandschurei-Krise im Kontext der internationalen Beziehungen zu analysieren. Dabei steht insbesondere das Verhältnis zwischen Japan und China sowie die Rolle des Völkerbundes im Vordergrund.
- Der Einfluss Japans auf die Mandschurei und die Entstehung des Marionettenstaates Manchukuo
- Die Reaktion der Sowjetunion auf die japanische Expansion in der Mandschurei
- Die Rolle des Völkerbundes in der Krise und die Schwäche der internationalen Ordnung
- Die deutsche Haltung zur Mandschurei-Krise und deren Bedeutung für die deutsche Außenpolitik
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit beleuchtet die Mandschurei-Krise als ein wichtiges Ereignis in der deutsch-sowjetischen Beziehung, das die Schwäche des Völkerbundes und die Ambitionen Japans und Deutschlands in der internationalen Politik offenbarte.
- Die Mandschurei zwischen Japan und China: Das Kapitel beschreibt die lange Geschichte der japanischen Interessen in der Mandschurei, die militärische Expansion Japans und die Gründung des Marionettenstaates Manchukuo.
- Die Mandschurei zwischen der U.d.S.S.R. und Japan: Dieses Kapitel untersucht die Spannungen zwischen der Sowjetunion und Japan im Kontext der Mandschurei-Krise, die durch das wachsende Misstrauen und die Gefahr der Eskalation geprägt waren.
- Die Mandschurei-Krise im Völkerbund: Das Kapitel beleuchtet die Reaktion des Völkerbundes auf die japanische Intervention in der Mandschurei und die Schwäche der internationalen Organisation im Umgang mit der Krise.
- Die deutsche Haltung zur Krise: Das Kapitel zeigt die Entwicklung der deutschen Außenpolitik im Kontext der Mandschurei-Krise, von der traditionellen Haltung des Auswärtigen Amtes zur aggressiven Politik des nationalsozialistischen Regimes unter Hitler.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselbegriffe dieser Arbeit sind: Mandschurei-Krise, Japan, China, Sowjetunion, Völkerbund, Deutsches Reich, Außenpolitik, Expansion, Militär, Nationalismus, Internationales Recht, Internationale Beziehungen.
- Quote paper
- Stefan Reiß (Author), 2009, Die internationale Krise um die Mandschurei und die deutsch-sowjetischen Beziehungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143406