Die Studie befasst sich mit dem Leben und Wirken des Südtiroler Schriftstellers Josef Wenter, wobei sein Menschenbild und seine Bildungskonzeption hervorgehoben werden. Mit Hilfe ausgewählter Publikationen und Medienberichten wird untersucht, wie Josef Wenter von der Öffentlichkeit dargestellt wird. Es soll Antwort auf die Frage gegeben werden, ob man anhand der öffentlichen Darstellung von einer Aufarbeitung der Vergangenheit sprechen kann.
Inhaltsverzeichnis:
EINLEITUNG
I. TEIL
1. DAS KOLLEKTIVE GEDÄCHTNIS NACH MAURICE HALBWACHS
1.1 Das kollektive und das individuelle Gedächtnis
1.2 Vergessen und Erinnern
1.3 Erinnerungsbilder - Erinnerungsfiguren
1.4 Das kollektive und das historische Gedächtnis
1.5 Zusammenfassung
2. DER MECHANISMUS DER KOLLEKTIVEN VERDRÄNGUNG
2.1 Kommunikatives und kulturelles Gedächtnis
2.2 Kollektive Identität
2.3 Kollektive Verdrängung und ihre Folgen
3. VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG - ERINNERUNGSARBEIT
3.1 Der Begriff der Trauerarbeit
3.2 Ausgewählte Beispiele von Erinnerungsarbeit in Südtirol
3.2.1 Der Filmclub Bozen
3.2.2 Das Stadtarchiv der Gemeinde Bozen
3.2.3 Der Südtiroler Künstlerbund
3.2.4 Die Arbeitsgruppe Regionalgeschichte Bozen
II. TEIL
4. JOSEF WENTER UND SEINE ZEIT
4.1 Biographie im geschichtlichen Kontext
4.1.1 Die Kindheit
4.1.2 Die Zeit von der Jahrhundertwende bis 1919
4.1.3 Die Zwischenkriegszeit und der 2. Weltkrieg
4.1.4 Das Ende des Krieges und der Tod des Dichters
4.2 Wenters bedeutendste Werke
4.2.1 Der Begriff des „Tragischen“ in Wenters Dramen
4.2.2 Josef Wenters Tierdichtungen
4.2.3 Josef Wenters Reiseberichte
4.3 Josef Wenters Welt- und Menschenbild und seine Bildungskonzeption
III. TEIL
5. DIE ÖFFENTLICHE DARSTELLUNG JOSEF WENTERS
5.1 Ausgewählte Biographien über Josef Wenter
5.1.1 Beiträge über Josef Wenter in Dissertationen und Diplomarbeiten
5.1.2 Weitere Beiträge über Josef Wenter
5.2 Josef Wenters „Spiel um den Staat“
5.2.1 Inhalt und Form des Romans
5.2.2 Eigene Stellungnahme zum Roman „Spiel um den Staat“
5.2.3 Ausgewählte Stellungnahmen zum Roman „Spiel um den Staat“
5.3 Die Mittelschule „Josef Wenter“ in Meran
5.3.1 Geschichtlicher Hintergrund zur Namensgebung
5.3.1.1 Gesetzliche Bestimmungen
5.3.1.2 Der Ablauf der Namensgebung
5.3.2 Öffentliche Diskussionen über die Schulnamensgebung
5.3.2.1 Die Umbenennung des Realsymnasiums „Raimund von Klebelsberg“ in Bozen
5.3.2.2 Die Reaktion der Mittelschule „Josef Wenter“ auf die öffentliche Diskussion
5.3.3 Aktuelle Situation
6. SCHLUSSWORT
7. ANHANG
I. Josef Wenter - Dichtung und Wahrheit. Ein Film von David Runer
8. LITERATURVERZEICHNIS
Einleitung
Der braune Fleck. So lautete der Titel einer Südtiroler Wochenzeitschrift im August 2006, der unter der Rubrik „Zeitgeschichte“ gedruckt war. Neugierig geworden las ich den Artikel und erfuhr, dass der Südtiroler Schriftsteller Josef Wenter dem Vorwurf ausgesetzt wurde, ein „überzeugter und aktiver Nationalsozialist“[1] gewesen zu sein. Die Zeit des Nationalsozialismus, der Zweite Weltkrieg und die Geschichte Südtirols hatten mich seit jeher interessiert, sodass die Fragen, die ich mir durch diesen provokativen Artikel stellte, keineswegs neu waren: Sollte man die Vergangenheit nicht auch einmal ruhen lassen? Sind über 60 Jahre nicht genug, um vergangenes Unrecht auch einmal begraben zu können? Warum denke ich eigentlich nur an Deutschland, wenn es um den Nationalsozialismus geht? Was ist mit Österreich und vor allem - was ist mit Südtirol? Was hat der Nationalsozialismus mit mir zu tun? Geht mich das überhaupt etwas an? Wie geht Südtirols Gesellschaft, zu der ich ja zweifellos dazugehöre, mit „ihrer“ Vergangenheit um? Wird sie aufgearbeitet oder verdrängt? Sind die Anschuldigungen gegen Josef Wenter überhaupt wahr? Wenn ja, warum habe ich noch nie davon gehört? Aus diesen Fragen ist die Idee für die vorliegende Laureatsarbeit entstanden und ich habe daraus drei forschungsleitende Fragestellungen abgeleitet:
- Welches Welt- und Menschenbild und welche Bildungskonzeption vertrat Josef Wenter?
- Wie wurde/wird Josef Wenter von der Öffentlichkeit dargestellt?
- Kann man am Beispiel der öffentlichen Darstellung Josef Wenters von einer Aufarbeitung der Vergangenheit sprechen?
Im ersten Teil geht es mir vor allem darum, theoretische Überlegungen zum Thema „Vergangenheitsbewältigung“ anzuführen. Zunächst erscheint es mir wichtig, das Konzept der „mémoire collective“ des französischen Soziologen und Philosophen Maurice Halbwachs ausführlich vorzustellen, da es zugleich die theoretische Grundlage für die vorliegende Arbeit bildet. Besonders hinweisen möchte ich dabei auf die Wechselwirkung zwischen Erinnern und Vergessen, die als ein charakteristisches Merkmal des Gedächtnisses angesehen werden kann und gleichzeitig ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal zwischen dem kollektiven und dem historischen Gedächtnis bildet. Anschließend beschäftige ich mich mit dem Mechanismus der kollektiven Verdrängung, der sehr eng mit der Entstehungsweise des kulturellen Gedächtnisses und der Aufrechterhaltung kollektiver Identität zusammenhängt. Zum Abschluss des ersten Teils möchte ich die Begriffe „Vergangenheitsbewältigung“, „Erinnerungsarbeit“ und „Trauerarbeit“ klären und anhand von einigen Beispielen aufzeigen, wie Erinnerungsarbeit in Südtirol aussehen kann.
Im zweiten Teil befasse ich mich mit dem Leben und den Werken des Dichters Josef Wenter, wobei ich gleich zu Beginn den geschichtlichen Hintergrund, der das Weltbild Josef Wenters erheblich beeinflusst hat, hervorheben möchte. Bei der Darstellung seiner Werke beziehe ich mich aufgrund der Vielfalt auf ausgewählte Werke, die Auswahl erfolgt nach ausgewiesenen Kriterien. Mit Hilfe der Erkenntnisse, die ich aus seiner Biographie und seinen Werken gewinne, möchte ich abschließend die Fragen nach Wenters Menschenbild und seiner Bildungskonzeption beantworten.
Im ersten Abschnitt des dritten Teils beschäftige ich mich mit der öffentlichen Darstellung von Josef Wenter in verschiedenen, ausgewählten Publikationen. Die Analyse dieser Publikationen soll Aufschluss darüber geben, ob neben seinen Leistungen als Dichter und Dramatiker auch seine nationalsozialistische Vergangenheit angesprochen wird. Die Benennung einer Mittelschule in Meran nach Josef Wenter ist ebenfalls eine Form der öffentlichen Darstellung von Josef Wenter, sodass ich im zweiten Abschnitt aufzeigen möchte, wie es zu der Namengebung gekommen ist. Dabei beziehe ich mich auf die gesetzlichen Vorlagen der damaligen Zeit und auf ein Interview, das ich mit dem ehemaligen Direktor der Mittelschule, Dr. Oskar Kuntner geführt habe. Anschließend berichte ich über öffentliche Diskussionen hinsichtlich umstrittener Namensgebungen in Südtirol und ihre Wirkung, wobei mir verschiedene Zeitungsberichte, das Interview mit Dr. Kuntner und ein Gespräch mit Dr. Steurer hilfreich sind. Zum Abschluss wird der aktuelle Standpunkt der Mittelschule „Josef Wenter“ - vertreten durch die Direktorin Brigitte Öttl - dargestellt.
Das Schlusswort soll dazu dienen, die Ergebnisse aus meinen Untersuchungen zur Mittelschule „Josef Wenter“ zu kommentieren und eine zusammenfassende Antwort auf meine Fragen zu geben, wie Josef Wenter von der Öffentlichkeit dargestellt wird/ wurde und ob man am Beispiel der öffentlichen Darstellung von einer Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit sprechen kann.
„Alle Nationen sind voll von falsch überlieferten und auf den Kopf gestellten Erinnerungen, dem Vergessen von Verbrechen, dem Verleugnen von Niederlagen.“ Benjamin Korn[2]
I. TEIL
1. DAS KOLLEKTIVE GEDÄCHTNIS NACH MAURICE HALB WACHS
Mit dem oben angeführten Zitat von Benjamin Korn möchte ich auf die Existenz des kollektiven Gedächtnisses und auf die drohende Gefahr der kollektiven Verdrängung aufmerksam machen. Beide Begriffe werden in diesem ersten Teil ausführlich behandelt. Beginnen möchte ich mit der „mémoire collective“, dem kollektiven Gedächtnis.
Der Begriff der „mémoire collective“ wurde in den 20er Jahren vom französischen Philosophen und Soziologen Maurice Halbwachs geprägt. Dieses Thema hat er in drei Büchern ausführlich behandelt („Les cadres sociaux de la memoire“; „La topographie légendaire des évangiles en terre sainte. Etude de mémoire collective“ und „La mémoire collective“). Als Schüler Henri Bergsons, der dem Thema Gedächtnis in seinen Philosophien einen zentralen Platz einräumte, hat Halbwachs versucht, den Bergsonschen Subjektivismus zu überwinden, indem er das Gedächtnis als soziales Phänomen dargestellt hat. Die Grundlage für diese Sichtweise lieferte ihm der Begriff des Kollektivbewusstseins von Emile Durkheim, bei dem Halbwachs studierte.[3] Der Kulturwissenschaftler Jan Assmann und seine Frau Aleida führen die These des kollektiven Gedächtnisses weiter, indem sie das kollektive Gedächtnis in ein „kulturelles“ und „kommunikatives“ Gedächtnis unterteilen. Im Kapitel „Der Mechanismus der kollektiven Verdrängung“ werde ich auf diese Unterscheidung näher eingehen.
1.1 Das kollektive und das individuelle Gedächtnis
Wie bereits erwähnt, stellt Halbwachs das Gedächtnis als soziales Phänomen dar. Aber was muss man darunter verstehen? Wie kann Gedächtnis, das sich ja im Kopf jedes Einzelnen bildet, kollektiv sein? Im Gegensatz zum Bergsonschen Geist-Körper-Dualismus lässt Halbwachs in seiner Vorstellung von der Entstehung von Gedächtnis die körperlichen Grundlagen des Gedächtnisses außer Acht und bezieht sich allein auf die sozialen Bezugsrahmen. Sie bilden die Grundlage für seine These. In seinem Buch ,, Das Gedächtnis und seine sozialen Bindungen“ (Les cadres sociaux de la mémoire) schreibt Halbwachs dazu: „Es gibt kein mögliches Gedächtnis außerhalb derjenigen Bezugsrahmen, deren sich die in der Gesellschaft lebenden Menschen bedienen, um ihre Erinnerungen zu fixieren und wiederzufinden.“[4] Halbwachs schreibt weiter, dass zwar jeder Einzelne ein „eigenes“ Gedächtnis hat, dieses jedoch immer kollektiv geprägt ist. Aufgrund dieses „konkreten“ Einflusses auf den Einzelnen darf das kollektive Gedächtnis nicht im übertragenen Sinn verstanden werden. In Bezug auf die sozialen Bezugsrahmen schreibt Halbwachs weiter, dass die Erinnerungen kollektiv bleiben, selbst wenn wir uns an Ereignisse erinnern, die wir alleine erlebt haben oder uns an Dinge erinnern, die nur wir allein gesehen haben. Dazu ist es nicht notwendig, dass andere Menschen anwesend sind, denn „wir tragen stets eine Anzahl unverwechselbarer Personen mit und in uns“.[5] Mit dieser Aussage stellt Halbwachs neben der These der Notwendigkeit des sozialen Bezugsrahmens für die Entstehung des Gedächtnisses gleichzeitig die Behauptung auf, dass sich in einem Individuum ohne sozialen Bezugsrahmen kein Gedächtnis bilden kann. Assmann formuliert es folgendermaßen: „Ein in völliger Einsamkeit aufwachsendes Individuum - so seine (Halbwachs’; A. d. A.) allerdings nirgends in solcher Deutlichkeit formulierte These - hätte kein Gedächtnis. Gedächtnis wächst dem Menschen erst im Prozeß seiner Sozialisation zu.“[6]
Obwohl Halbwachs das individuelle Gedächtnis als soziales Phänomen darstellt, unterscheidet er klar zwischen individuellem und kollektivem Gedächtnis, indem er auf die Unabhängigkeit der beiden „Erinnerungssysteme“ hinweist. Assmann formuliert diese Aussage mit folgenden Worten: „Vom Individuum aus gesehen stellt sich das Gedächtnis als ein Agglomerat dar, das sich aus seiner Teilhabe an einer Mannigfaltigkeit von Gruppengedächtnissen ergibt; von der Gruppe aus gesehen stellt es sich als eine Frage der Distribution dar, als ein Wissen, das sie in ihrem Innern, d.h. unter ihren Mitgliedern verteilt. Die Erinnerungen bilden jeweils ein „unabhängiges System“, dessen Elemente sich gegenseitig stützen und bestimmen, sowohl im Individuum als auch im Rahmen der Gruppe.“[7] In diesem Zusammenhang möchte ich eine weitere Stelle von Halbwachs zitieren: „Das kollektive Gedächtnis andererseits umfaßt die individuellen Gedächtnisse, aber verschmilzt nicht mit ihnen. Es entwickelt sich seinen Gesetzen gemäß, und dringen auch zuweilen bestimmte individuelle Erinnerungen in es ein, so verändern sie sich, sobald sie in eine Gesamtheit eingefügt werden, die nicht mehr ein persönliches Bewusstsein ist.“[8]
Neben der Unterscheidung zwischen kollektivem und individuellem Gedächtnis wurde auf die Notwendigkeit der sozialen Bezugsrahmen für die Entstehung des individuellen Gedächtnisses hingewiesen. Im folgenden Kapitel möchte ich aufzeigen, dass die Wechselwirkung zwischen Vergessen und Erinnern von den Veränderungen der sozialen Bezugsrahmen abhängt.
1.2 Vergessen und Erinnern
Laut Halbwachs wird nur erinnert, was als Vergangenheit innerhalb der jeweils gegenwärtigen sozialen Bezugsrahmen vorhanden bzw. rekonstruierbar ist. Vergessen erfolgt dann, wenn die Vergangenheit nicht mehr in diesem Bezugsrahmen vorhanden ist, weil sich dieser verändert bzw. aufgelöst hat. Die Auflösung des sozialen Bezugsrahmens kann erfolgen, wenn keine gefühlsmäßige Übereinstimmung mehr vorhanden ist, die den Einzelnen an diese Gruppe weiterhin bindet. Die Dauer der Gruppenzugehörigkeit spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, wie Halbwachs in folgendem Beispiel aufzeigt: Ein Professors trifft nach vielen Jahren einen seiner früheren Schüler und erkennt ihn kaum wieder. Obwohl dieser Schüler bestimmte Ereignisse aus der damaligen Zeit wieder aufleben lässt, kann es geschehen, dass sich der Professor an nichts mehr oder nur sehr vage an einige Ereignisse erinnert. Die Ereignisse wurden von Lehrer und Schüler unterschiedlich wahrgenommen. Während für die Schüler der Unterricht des Lehrers, seine Gesten, die Sprechweise usw. neu sind, bedeuten sie für den Lehrer vielleicht nur eine Folge gewohnter Handlungen, die sein Beruf mitbringt. Es besteht also „keine dauerhafte Gruppe, der der Lehrer weiterhin angehören würde, an die zurückzudenken er Veranlassung hätte, um sich mit ihr der Vergangenheit zu erinnern. (...) Alle Erinnerungen, die innerhalb der Klasse entstehen konnten, stützten sich aufeinander und nicht auf außerhalb dieser Gruppe liegenden Erinnerungen. (...) Aber der Lehrer war von ihnen ausgeschlossen - oder zumindest wußte er selbst nichts davon, wenn diese Gesellschaften ihn mit in sich einbezogen.“[9] Die Ereignisse haben im Gedächtnis des Lehrers keine Spuren hinterlassen, und somit fehlt der „Samen der Erinnerung“, der man dieser Gesamtheit fremder Zeugnisse zuführen müsste, damit sich daraus eine konstante Masse aus Erinnerungen festigen kann.[10]
Bleibt hingegen die Verbindung zu den Bezugsrahmen bestehen, wird die Erinnerung im Gedächtnis verankert. Dazu Halbwachs: „Wenn wir behaupten, daß eine Zeugenaussage uns nichts ins Gedächtnis rufen wird, wenn nicht irgendeine Spur des vergangenen Geschehens, das zu beschwören es gilt, in unserem Geist haftet, so meinen wir im übrigen damit nicht, daß die Erinnerung oder ein Teil dieser Erinnerung unverändert in uns hat fortbestehen müssen, sondern nur, daß wir von dem Zeitpunkt an, zu dem wir und die Zeugen derselben Gruppe angehörten und in bestimmter Hinsicht gemeinschaftlich dachten, mit dieser Gruppe in Verbindung und fähig geblieben sind, uns mit ihr zu identifizieren und unsere Vergangenheit mit der ihren zu vereinen.“[11]
Halbwachs hat hier aufgezeigt, welche Voraussetzungen für die Festigung von Erinnerung erforderlich sind. Diese Voraussetzungen gelten nicht nur für das Individuum, sondern auch für das kollektive Gedächtnis. Im folgenden Kapitel wird darauf noch genauer eingegangen.
1,3 Erinnerungsbilder - Erinnerungsfiguren
Wie bereits angesprochen, muss eine Erinnerung konkretisiert werden, damit sie sich im Gedächtnis verankern kann. Dazu schreibt Assmann: „Ideen müssen versinnlicht werden, bevor sie als Gegenstände ins Gedächtnis Einlaß finden können. Dabei kommt es zu einer unauflöslichen Verschmelzung von Begriff und Bild.“ Weiter schreibt er:“ Eine Wahrheit muß sich, um sich in der Erinnerung der Gruppe festsetzen zu können, in der konkreten Form eines Ereignisses, einer Person, eines Ortes darstellen.“[12] Gleichzeitig betont er - auf Halbwachs hinweisend - dass sich umgekehrt auch ein Ereignis mit der Sinnfülle einer bedeutsamen Wahrheit anreichern muss, damit es im Gruppengedächtnis weiterleben kann. Aus diesem Zusammenspiel zwischen Begriffen und Erfahrungen entstehen - wie Halbwachs sie nennt - Erinnerungsbilder. Mit Hilfe dieser Erinnerungsbilder lassen sich die Erinnerungen lokalisieren. Halbwachs erklärt den Begriff „Lokalisierung“, indem er sich auf die Psychologie bezieht, die zwischen Wiedererkennen und Lokalisierung der Erinnerung unterscheidet: „Lokalisieren heißt, sich des Augenblicks bewußt sein, in dem man eine Erinnerung erworben hat. Wiedererkennen heißt, dass man das Gefühl hat, eine gesehene Person oder ein den Geist durchquerendes Bild hätten sich uns schon vordem einmal dargeboten, ohne daß wir angeben könnten, in welchem Zeitpunkt.“[13] Assmann zieht den Begriff „Erinnerungsfiguren“ den „Erinnerungsbildern“ vor, weil sich der Begriff der „Figur“ „(...) nicht nur auf ikonische, sondern z. B. auch auf narrative Formung bezieht.“[14]
„Jedes kollektive Gedächtnis hat eine zeitlich und räumlich begrenzte Gruppe zum Träger.“[15] Dieses Zitat von Halbwachs spricht zwei wichtige Merkmale an, anhand derer sich die Erinnerungsfiguren näher bestimmen lassen: der Raum- und Zeitbezug und der Gruppenbezug. Ein drittes zentrales Merkmal ist die Rekonstruktivität der Erinnerung. Bei der Erläuterung dieser Merkmale halte ich mich an die übersichtliche Darstellung von Assmann, der die Überlegungen von Halbwachs in einer zusammengefassten Form wiedergibt.[16]
Raum- und Zeitbezug: Das kollektive Gedächtnis ist auf eine räumliche und zeitliche Einbettung der Erinnerungsfiguren angewiesen, sie sind also immer „raum- und zeitkonkret“. Durch diese Angewiesenheit auf konkrete Orientierung werden Kristallisationspunkte geschaffen. Zeitliche Erinnerungsrahmen können z. B. wiederkehrende Gedenk- oder Festtage sein, aber auch urzeitliche oder hervorragende Ereignisse. Räumliche Erinnerungsrahmen können sein: Die dem Ich zugehörige „Dingwelt“ (z. B. Geräte, Räume, ihre besondere Anordnung u. ä.) und der „belebte Raum“. Für die Familie ist das Haus, was für die bürgerliche Gemeinschaft die Stadt, oder für die bäuerliche Gemeinschaft das Dorf ist. Assmann wörtlich: „Jede Gruppe, die sich als solche konsolidieren will, ist bestrebt, sich Orte zu schaffen und zu sichern, die nicht nur Schauplätze ihrer Interaktionsformen abgeben, sondern Symbole ihrer Identität und Anhaltspunkte ihrer Erinnerung.“[17]
Gruppenbezug: Das kollektive Gedächtnis ist streng mit seinen Trägern verbunden und ist daher nicht übertragbar. Es ist „identitätskonkret“, was bedeutet, dass es sich ausschließlich auf den Standpunkt einer wirklichen und lebendigen Gruppe bezieht. Die raum- und zeitbezogenen Erinnerungsfiguren werden von den gefühls- und wertebesetzten Kommunikationsformen der Gedächtnisgruppe geprägt. Sie verkörpern u. a. Heimat, Ziele, Sinn und Bedeutung für das Selbstbild der Gruppe; über diese Erinnerungsfiguren werden Eigenschaften, Stärken und Schwächen - kurz - die Wesensart der Gruppe definiert (Assmann und Halbwachs beziehen sich bei ihren Untersuchungen bevorzugt auf Familie, religiöse und soziale Klassen). Die Aufbewahrung der Vergangenheit erfolgt von der Gedächtnisgruppe vor allem unter zwei Gesichtspunkten: der Eigenart und Dauer der Gruppe. Jede Gruppe erstellt von sich ein Selbstbild und betont die Differenz nach außen, während die Differenz innerhalb der Gruppe heruntergespielt wird. Das Bewusstsein ihrer Identität bildet sie sich „durch die Zeit hindurch“ aus, indem sie die erinnerten Fakten nach Ähnlichkeiten und Kontinuität auswählt. Würde sich die Gruppe nämlich ihres Wandels bewusst, hörte sie auf zu existieren und müsste einer neuen Gruppe Platz machen. Jede Gruppe ist jedoch nach Dauer bestrebt, und daher neigt sie dazu, Wandlungen in der Geschichte auszuklammern, um sie als veränderungslose Dauer wahrnehmen zu können.
Rekonstruktivität: Durch dieses Streben der Gruppe nach Dauer wird die Vergangenheit nicht als solche in das Gedächtnis übernommen, sondern sie wird unter dem Einfluss der sich wandelnden Bezugsrahmen der fortschreitenden Gegenwart rekonstruiert. Das bedeutet, dass die Gemeinschaft nicht neue Ideen übernimmt und mit diesen ihre Vergangenheit ersetzt, sondern sie übernimmt die Vergangenheit neuer Gruppen. Dazu ein Zitat von Halbwachs: „Es gibt in diesem Sinne keine soziale Idee, die nicht zugleich die Erinnerung der Gesellschaft wäre.“[18] Somit organisiert das kollektive Gedächtnis gleichzeitig auch die Gegenwart und die Zukunft, was bedeutet, dass sich Zukunft und Vergangenheit gegenseitig voraussetzen - das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Um es mit Halbwachs’ Worten auszudrücken: „Es (das Gruppengedächtnis; A. d. A.) bewahrt nicht nur die Vergangenheit auf, sondern es rekonstruiert sie mit Hilfe materieller Spuren, Riten, Texte und Traditionen, die sie hinterlassen hat, aber auch mit Hilfe von neuerlichen psychologischen und sozialen Gegebenheiten, d.h. mit der Gegenwart.“[19]
1.4 Das kollektive und das historische Gedächtnis
Laut Halbwachs gibt es grundlegende Unterschiede zwischen dem kollektiven und dem historischen Gedächtnis. Ein wichtiger Unterschied liegt darin, dass das kollektive Gedächtnis eine kontinuierliche Denkströmung ist, die dazu tendiert, jede Veränderung auszublenden, während die Geschichte genau umgekehrt verfährt: Sie teilt die Vergangenheit in Zeitabschnitte ein, die auf Momenten der Veränderung, auf Prozessen basieren; ereignislose Perioden werden dabei ausgeblendet. Die Trennungslinien zwischen den Epochen werden anhand dieser Veränderungen klar dargestellt. Da für Gruppen, die vergangene Ereignisse als lebendiges Gut in sich tragen, kein zwingender Grund besteht, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen, beginnt die Geschichte „im allgemeinen an dem Punkt, an dem die Tradition aufhört - in einem Augenblick, in dem das soziale Gedächtnis erlischt und sich zersetzt. Solange eine Erinnerung fortbesteht, ist es unnötig, sie schriftlich festzulegen, sie überhaupt festzulegen.“[20] Assmann spricht in diesem Zusammenhang von einem „Verhältnis von Gedächtnis und Geschichte, das eines der Abfolge ist.“[21] Gleichzeitig distanziert sich Assmann von der Sichtweise Halbwachs’, nach dem „Tradition keine Form, sondern eine Verformung der Erinnerung ist“[22] und verweist auf die von ihm und Aleida Assmann gegründete Unterteilung in ein kommunikatives und ein kulturelles Gedächtnis.[23]
Ein weiterer Unterschied zwischen dem kollektiven und dem historischen Gedächtnis liegt darin, dass es mehrere kollektive, aber nur ein historisches Gedächtnis gibt. Halbwachs weist daraufhin, dass sich der Begriff „historisches Gedächtnis“ widerspricht und zieht daher den Begriff „Geschichte“ vor. Halbwachs spricht von einer „Ungeteiltheit“ der Geschichte. Zwar werden von den Historikern nur bestimmte Details aus der Vergangenheit untersucht (z.B. die Geschichte Deutschlands oder Italiens), fugt man diese jedoch zusammen, ergibt sich ein Ganzes, da kein Ereignis einem anderen untergeordnet ist, jede Begebenheit ist von gleicher Bedeutung, weil der Historiker um Objektivität bemüht ist.[24] Assmann weist daraufhin, dass Halbwachs in seiner Abhandlung einen positivistischen Ansatz von Geschichte vertritt, von dem sich die neuere Geschichtsforschung inzwischen distanziert hat, weil sie mittlerweile davon ausgeht, dass jede Geschichtsschreibung unter dem Einfluss bestimmter Faktoren steht.[25]
1.5 Zusammenfassung
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich das individuelle Gedächtnis im einzelnen Menschen durch Kommunikation und Interaktion mit sozialen Gruppen, die sich - je nach Lebenssituation - immer wieder auflösen bzw. neu entstehen. Was erinnert und was vergessen wird, hängt vom sozialen Bezugsrahmen ab. Jede soziale Gruppe besitzt ein kollektives Gedächtnis, das sich wiederum durch die Gedächtnisse der einzelnen Gruppenmitglieder zusammensetzt.
Das kollektive Gedächtnis benötigt Assoziationen in Form von konkreten Erinnerungsfiguren/ Erinnerungsbilder, damit es Bedeutendes in Erinnerung behalten kann. Diese Erinnerungsfiguren/ Erinnerungsbilder besitzen drei zentrale Merkmale: Der Raum- und Zeitbezug, an dem sich das kollektive Gedächtnis „orientieren“ kann. Dabei werden Raum und Zeit nicht objektiv gesehen, sondern mit Gefühlen und Empfindungen behaftet. Der Gruppenbezug weist auf die Träger hin, die diese Erinnerungsfiguren/Erinnerungsbilder prägen. Die Gedächtnisgruppe erinnert sich eines Ereignisses und macht es in der Gemeinschaft bewusst, damit dieses überdauern kann. Die Gesellschaft definiert sich über eine Vielzahl solcher Ereignisse. Dieses Bewusstsein, das Assmann „identitätskonkret“ nennt, kann man auch als „kollektive Identität“ bezeichnen. Jede Gruppe bringt bei der Betrachtung der Vergangenheit ihre gegenwärtigen Ansichten und Emotionen mit, sie kann somit nicht objektiv wiedergegeben werden. Aus diesem Grund spricht man von einer Rekonstruktion der Vergangenheit. Das Neue wird nicht durch Neues ersetzt, sondern wird durch die (rekonstruierte) Vergangenheit der neuen Gruppen ersetzt. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hängen voneinander ab; Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bedeutet daher, sich gleichzeitig mit der der Gegenwart und der Zukunft auseinanderzusetzen.
Diese Rekonstruktivität ist gleichzeitig ein Unterscheidungsmerkmal zwischen dem kollektiven und dem historischen Gedächtnis. Während der Historiker anhand von Eckdaten um eine „objektive“ Geschichtsschreibung bemüht ist, formt sich das kollektive Gedächtnis seine „eigene“ Vergangenheit, die sich vor allem in der Veränderungslosigkeit manifestiert. Geschichte kann als Ganzes gesehen werden, kollektive Gedächtnisse hingegen gibt es so viele wie es Gedächtnisgruppen gibt. Für Halbwachs beginnt die Geschichte dort, wo das kollektive Gedächtnis aufhört. Aleida und Jan Assmann bauen diese These weiter aus, indem sie die Begriffe „kommunikatives“ und „kulturelles“ Gedächtnis einführen.
Maurice Halbwachs wurde im Sommer 1943 von der Gestapo verhaftet und in das KZ Buchenwalde (bei Weimar) deportiert. Einige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, im März 1945, wurde er ermordet.
Zum Abschluss dieses ersten Teils möchte ich einen Aspekt der Halbwachschen Theorie besonders hervorheben. Dabei nehme ich Assmanns Worte zu Hilfe: „Was wir von Halbwachs übernehmen wollen, ist eine Konzeption der Vergangenheit, die man „sozial-konstruktivistisch“ nennen kann. (...) Vergangenheit steht nicht naturwüchsig an, sie ist eine kulturelle Schöpfung.“[26] Was Halbwachs für die Vergangenheit aufgezeigt hat, haben Berger und Luckmann auf die Wirklichkeit angewendet: Sie ist eine soziale Konstruktion, die intentional erfolgt und durch Gewöhnung, Routine gefestigt wird. „Die Wirklichkeit der Alltagswelt wird als Wirklichkeit hingenommen. (...) Obgleich ich in der Lage bin, ihre Wirklichkeit auch in Frage zu stellen, muß ich solche Zweifel doch abwehren, um in meiner Routinewelt existieren zu können.“[27] Jedlowski beschreibt die starke Tendenz zur Selektion bei der Rekonstruktion der Vergangenheit und die damit verbundene Problematik mit folgenden Worten: „La conservazione delle immagini del passato all’interno di ogni gruppo sociale è un’attività fortemente selettiva, che del passato trattiene e riformula soprattutto ciò che è funzionale agli interessi del presente. E, contemporaneamente, è un’attività fortemente conflittuale.”[28]
Anhand dieser Beispiele wollte ich noch einmal verdeutlichen, wie sehr die einzelnen sozialen Gruppen bemüht sind, sich ihre „eigene Wirklichkeit“ zu formen. Diese „Konstruktion der Vergangenheit“ findet zum Teil bewusst, teilweise aber auch unbewusst statt, wie ich im nächsten Kapitel aufzeigen werde. Abschließen möchte ich diesen ersten Abschnitt mit einem Zitat von Schlink:
„Wo die Biographie nicht stimmt, stimmen auch das Selbstbewußtstein und das Verhältnis zu den anderen nicht.“[29]
2. DER MECHANISMUS DER KOLLEKTIVEN VERDRÄNGUNG
Verdrängt wird, was unangenehm, peinlich, oder bedrohlich für die eigene Existenz wahrgenommen wird. Diese Form der Abwehr kann auf das Kollektiv übertragen werden und spielt in meiner Arbeit eine wichtige Rolle, darum werde ich mich eingehender damit befassen. Beginnen möchte ich mit Assmanns Begriff des kulturellen Gedächtnisses, daraus ableitend beschäftige ich mich ausführlicher mit dem Begriff der kollektiven Identität. Abschließend möchte ich mit Hilfe der Freudschen Verdrängungstheorie den Vorgang der (kollektiven) Verdrängung näher beschreiben.
2,1 Kommunikatives und kulturelles Gedächtnis
Das Konzept des kulturellen Gedächtnisses stammt von Aleida und Jan Assmann. Sie haben Halbwachs’ sozial-konstruktivistischen Ansatz erweitert und das kollektive Gedächtnis in ein kommunikatives und ein kulturelles Gedächtnis unterteilt:
Das kommunikative Gedächtnis besteht aus Erinnerungen, die sich auf die gegenwärtige Vergangenheit beziehen und die der Mensch mit seinen Zeitgenossen teilt. Die typische Form dafür ist das Generationengedächtnis. Dieses Gedächtnis entsteht innerhalb einer Gruppe und innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens. Sterben die Mitglieder der Gruppe, verschwindet auch das Gedächtnis und macht einem neuen Gedächtnis Platz. Es umfasst ca. 3 - 4 Generationen, was einem Zeitraum von ca. 80 Jahren entspricht. Dieser Zeitraum bildet die Grenze, bis zu der auch der letzte überlebende Angehörige einer Generation verstorben ist. Nach ca. 40 Jahren scheint ein kritischer Zeitpunkt erreicht zu sein; Die Zeitzeugen kommen in ein Alter, in dem der Wunsch nach Fixierung und Weitergabe eines wichtigen Ereignisses, an dem sie selbst beteiligt waren, wächst. Diese „biographischen“ Erinnerungen, basierend auf eigene Erfahrungen, beruhen auf sozialer Interaktion. Für diese Gedächtnisform gibt es - im Unterschied zum kulturellen Gedächtnis - keine Expertenjeder ist gleich kompetent[30]
Das kulturelle Gedächtnis hingegen bezieht sich auf Fixpunkte in der Vergangenheit, wobei auch hier die Vergangenheit nicht als solche erhalten bleibt. Anhand von symbolischen Figuren wird an die Vergangenheit erinnert. Diese können sprachlicher oder nicht sprachlicher Natur sein. Beispiele dafür sind Rituale, Mythen, Tänze, Kleidung, Tätowierungen, Schmuck, aber auch alle Zeichensysteme, die eine Gedächtnis stützende Funktion ausüben. Im kulturellen Gedächtnis wird faktische Geschichte in Mythos umgewandelt, was nicht bedeutet, dass sie unwirklich wird. Im Gegenteil, sie wird dadurch „erst Wirklichkeit im Sinne einer fortdauernden und formativen Kraft.“[31] Als Beispiel führt Assmann den Exodus als Gründungsmythos Israels an, der als solcher völlig unabhängig von der Frage nach der historischen Glaubwürdigkeit in das kulturelle Gedächtnis des Volkes gehört und im Pessach-Fest begangen wird. Die Vergegenständlichung dieser Erinnerungsfiguren hat häufig den Charakter eines Festes und dient der „Vergegenwärtigung fundierter Vergangenheit“.[32] Durch diese Fundierung wird die Identität der erinnernden Gruppe, die kollektive Identität gefestigt. Auf Südtirol bezogen kann man als typische Beispiele von Vergegenwärtigung fundierter Vergangenheit die alljährliche AndreasHofer-Gedenkfeier (Fest-Charakter) oder die Errichtung des Siegesdenkmals (Gedächtnisort) in Bozen anführen. Baur weist daraufhin, dass besonders ethnische Minderheiten und nationale Mehrheiten, die im Konflikt zueinander stehen, um eine Aufrechterhaltung vergangener Ereignisse bemüht sind, die die Interessen der jeweiligen Gruppe vertreten und die zur Bildung und Festigung der kollektiven Identität beitragen.[33]
Weiter unterscheidet sich das kulturelle Gedächtnis vom kommunikativen Gedächtnis durch die speziellen Träger, zu denen alle „Wissensbevollmächtige“ wie beispielsweise Künstler, Barden, Priester, Lehrer, Schreiber, Gelehrte, Schamanen usw. gehören. Durch die Auswahl spezieller Träger spricht man von einer differenzierten Teilhabe am kulturellen Gedächtnis. Somit wird die Verbreitung kontrolliert, um das kulturelle Gedächtnis sind mehr oder weniger klare Grenzen gezogen. Wie bereits angesprochen, wird das kulturelle Gedächtnis durch Medien fixiert, die Vergangenheit wird somit als absolut angesehen und kann - im Gegensatz zum kommunikativen Gedächtnis - sehr weit zurückreichen. Das wichtigste Medium zur Aufbewahrung des kulturellen Gedächtnisses in der abendländischen Kultur ist die Schrift.[34] Aus diesem Grund sind es vor allem die schriftlichen Zeugnisse und Berichte über Josef Wenter, die ich untersuchen möchte. Die Problematik der Instrumentalisierung von Erinnerung wird von Aleida Assmann mit folgender Aussage auf den Punkt gebracht: „Da es keine Selbstorganisation eines kulturellen Gedächtnisses gibt, ist es auf Medien und Politik angewiesen. Der Übergang vom lebendigen individuellen zum künstlichen kulturellen Gedächtnis ist allerdings problematisch, weil er die Gefahr der Verzerrung, der Reduktion, der Instrumentalisierung der Erinnerung mit sich bringt.“[35] Sie weist auf die Notwendigkeit von öffentlicher Kritik, Reflexion und Diskussion hin, um solche Verengungen von Erinnerung zu verhindern.[36]
[...]
[1] Dejaco 2006, S. 36
[2] Kettner 1998, S. 33
[3] Vgl. Assmann, J. 1997, S. 34 - 35
[4] Halbwachs 1966, S. 121
[5] Ebd., 1985, S. 2
[6] Assmann, J. 1997, S. 35
[7] Ebd., S. 37
[8] Halbwachs 1985, S. 35
[9] Ebd., S. 6-7
[10] Vgl. ebd., S. 5
[11] Halbwachs 1985, S. 5
[12] Assmann, J. 1997, S.38
[13] Halbwachs 1966, S. 163
[14] Assmann, J. 1997, S. 38
[15] Halbwachs 1985, S. 73
[16] Vgl. Assmann, J. 1997, S. 38-42
[17] Ebd., 1997, S. 39
[18] Halbwachs 1985, S. 389
[19] Ebd., 1966, S.296
[20] Ebd., S. 66
[21] Assmann, J. 1997, S. 44
[22] Ebd., S. 45
[23] Vgl. Assmann, J. 1997, S. 45
[24] Vgl. Halbwachs 1985, S. 66 ff
[25] Vgl. Assmann, J. 1997, S. 43
[26] Assmann, J. 1997, S. 47 - 48
[27] Berger, Luckmann 1987, S. 26
[28] Jedlowski 1991, S. 26
[29] Schlink 2002, S. 156
[30] Vgl. Assmann, J. 1997, S. 50 - 56
[31] Ebd., S. 52
[32] Ebd., S. 53
[33] Vgl. Baur 2000, S. 91
[34] Vgl. Assmann, J. 1997, S. 50 - 56
[35] Assmann, A. 1999, S. 15
[36] Vgl. ebd., S. 15
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