„ ,Ich brauche jetzt ein Jackett.‘ Moritz versetzte seine Eltern nach ein paar Tagen Montessori-Schule in Staunen. [...] Wozu brauchen dort Erstklässler ein Jackett? ,Ich muss einen Vortrag halten‘, antwortete Moritz.
Schon die Kleinsten halten Vorträge. Noten gibt es bis zur 8. Klasse nicht – wie im Schulmusterland Schweden. Aber was für eine Prüfung ist so ein Vortrag! Welche Vorfreude und Aufregung, welche Scham, welcher Stolz und was für eine Leistung! Moritz’ erster Auftritt handelte von Pferden. Inzwischen ist er im fünften Jahrgang und referiert souverän über Experimente mit Lichtstrahlen. [...] Unterricht, wie man ihn kennt, gibt es hier ohnehin meist nicht. Tagesanfang in einer der drei parallelen Klassen mit dem ersten, zweiten und dritten Jahrgang. Die Schüler sitzen im Halbkreis und lauschen dem achtjährigen Jacob, der über Apfelsorten doziert. Früher gab es mal 32, jetzt mehr als 2000 Sorten. Neben Jacobs gut geordneten Notizzetteln stehen sechs Schalen voller Apfelscheiben. In jeder eine andere Sorte. Die reicht er nun herum. Auch schmecken ist eine Übung im Unterscheiden. Und lernen heißt hier eher, Unterschiede zu erkennen, als etwas zu kopieren. [...] In der zweiten Stunde wird dem Besucher eine Augenbinde gereicht. Das gehört mit zum Ritual, das im vergangenen Jahr mehr als 800 Gäste dieser Schule gern ertragen haben. Warum denn eine Augenbinde? ,Jetzt ist Freiarbeit‘, erklärt [...] die Schulleiterin. ,Hören Sie doch einfach mal nur zu.‘ [...] Am beeindruckendsten sind in dieser Schule die Gesichter der Schüler. Diese Schönheit beim Erwachen und allmählichen Erwachsenwerden von Intelligenz ist ein unschlagbares Argument.“
Einleitende Worte, die womöglich bei vielen Lesern das Bild einer nahezu perfekten Schule liefern. Worte, die einem eine Zeit lang im Gedächtnis bleiben und in manchen Köpfen die Frage hervorrufen: „Wie ist so etwas möglich: Junge Schülerinnen und Schüler, die bereits vorbildhaft referieren? Eine intakte Gemeinschaft und (unbekannte) Schlüsselwörter wie beispielsweise Montessori oder Freiarbeit sind nur minimale Ausschnitte des weitreichenden Resultats einer der bedeutendsten Bewegungen und Reformen - der Reformpädagogik. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Die Lernwerkstatt und ihre frühkindliche Entwicklung
- Ein hinführendes Wort vorweg
- Die Epoche der Reformpädagogik
- Die Wegbegleiter des Werkstattunterrichts
- G. Kerschensteiner
- J. Dewey
- M. Montessori
- E. Key
- C. Freinet
- Ein Überblick über die methodische Vielfalt des Lehrens und Lernens
- Die Unterrichtsmethoden
- Eine Einführung zu den Unterrichtsmethoden nach H. Meyer
- Allgemeine Zielorientierung didaktisch-methodischen Handelns
- Die Sozialformen
- Eine Hinführung
- Der „Offene Unterricht“ und seine Differenzierungsformen
- Einzelarbeit
- Partner- / Kleingruppenarbeit
- Gruppenarbeit
- Der lehrerzentrierte Frontal- / Klassenunterricht
- Die Unterrichtsmethoden
- Eine Einführung in den Werkstattunterricht
- Ein hinführendes Wort vorweg
- Die Begriffsvielfalt
- Die Definitionsvielfalt
- Eigenschaften und Intentionen des Werkstattunterrichts
- Die unterschiedlichen Formen des Werkstattunterrichts (nach A. Weber, Was ist Werkstatt-Unterricht, S.10 f.)
- Das Lehren und Lernen in einer „Lernförderlichen Umgebung“ am Beispiel des Werkstattunterrichts
- Die Planung, Organisation und Vorbereitung von Werkstattunterricht
- Die Umsetzung des Werkstattunterrichts im schulischen Alltag - „Die sieben Bedingungen für einen erfolgreichen Werkstattunterricht“ nach J. Reichen
- Die Akteure im Werkstattunterricht (Lehrer/innen und Schüler/innen) und deren Interaktionen
- Mögliche kritische Ansätze am „Werkstattunterricht“
- Rückschluss und Ausblick
- Unsere kleine Lernwerkstatt der Mathematik: „Der Zahlenraum bis 20 - Interaktives Lernen mit allen Sinnen“
- Der Leitgedanke - Die Entstehungsgeschichte unserer kleinen Werkstatt der Mathematik
- Analyse I
- Die Auswahl der Lernangebote
- Der Bildungsplanbezug (nach dem Bildungsplan 2004 für die Grundschule des Bundeslandes Baden-Württemberg)
- Die Niveaukonkretisierungen
- Kompetenzen
- Analyse II
- Die nähere Betrachtung unserer kleinen Lernwerkstatt der Mathematik mit Hilfe der „didaktischen Analyse“
- Allgemeine Informationen zur didaktischen Analyse (nach W. Klafki)
- Die didaktische Analyse unserer kleinen Lernwerkstatt der Mathematik
- Die nähere Betrachtung ausgewählter Beispiele aus dem Lernangebot unserer kleinen Lernwerkstatt der Mathematik
- Die Einzelarbeit am Beispiel: „Fühlbuchstaben“
- Die Partner- und Gruppenarbeit am Beispiel: „Trimm dich fit“
- Die nähere Betrachtung unserer kleinen Lernwerkstatt der Mathematik mit Hilfe der „didaktischen Analyse“
- Reflexion unser kleinen Lernwerkstatt der Mathematik
- Videoanalyse
- Abschließende Gedanken
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Gestaltung einer lernförderlichen Umgebung im Fach Mathematik. Im Speziellen wird die Umsetzung einer kleinen Lernwerkstatt für den Zahlenraum bis 20 unter dem Motto „Interaktives Lernen mit allen Sinnen“ analysiert.
- Historische Entwicklung und Reformpädagogische Einflüsse auf den Werkstattunterricht
- Didaktische Prinzipien und methodische Vielfalt des Lehrens und Lernens
- Planung, Organisation und Umsetzung einer Lernwerkstatt in der Praxis
- Analyse der Lernangebote unter Einbezug des Bildungsplans und didaktischer Analyse
- Reflexion und Videoanalyse des Werkstatteinsatzes in einer Grundschule
Zusammenfassung der Kapitel
Die Hausarbeit beginnt mit einer kurzen Einführung in die Geschichte der Lernwerkstatt und den Einfluss reformpädagogischer Ansätze wie der Montessori-Pädagogik und der Arbeitsschulbewegung. Es wird die Bedeutung von Eigenaktivität, Selbstständigkeit und dem Lernen durch Erfahrung hervorgehoben. Anschließend werden die verschiedenen Unterrichtsmethoden und Sozialformen, insbesondere der offene Unterricht und seine Differenzierungsformen, vorgestellt.
Im Hauptteil der Arbeit wird der Werkstattunterricht als eine Form des offenen Unterrichts definiert und anhand verschiedener Ansätze verschiedener Pädagogen näher beleuchtet. Es werden die Eigenschaften und Intentionen des Werkstattunterrichts, wie z.B. fächerübergreifende Aufgaben, flexible Unterrichtsgestaltung und individuelle Lernwege, beschrieben. Außerdem werden verschiedene Formen und Typen des Werkstattunterrichts, wie z.B. die Fach- und fächerübergreifende Werkstatt sowie die Erfahrungs- und Fertigkeits-Werkstatt, vorgestellt.
Die Planung, Organisation und Vorbereitung von Werkstattunterricht werden im nächsten Kapitel detailliert erklärt. Dabei werden verschiedene Kriterien wie Thema, Arbeitsaufträge, Lernangebote, Kontrollmöglichkeiten und Klassenraumeinrichtung berücksichtigt. Des Weiteren werden die sieben Bedingungen für einen erfolgreichen Werkstattunterricht nach J. Reichen, wie z.B. Verhaltensregeln, Sozialformen, Kompetenzdelegation, Transparenz, Richtig Starten, Gemeinsame Tätigkeiten und Richtig Aufhören, aufgezeigt.
Der Fokus liegt anschließend auf der Rolle der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schülerinnen und Schüler im Werkstattunterricht. Es wird deutlich, dass der Lehrer eine unterstützende Rolle einnimmt und den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gibt, selbstständig zu arbeiten und zu lernen. Das Chefprinzip, welches die Schülerinnen und Schüler als Verantwortliche für bestimmte Aufgaben auszeichnet, wird als ein Instrument zur Förderung der Selbstständigkeit und Eigeninitiative hervorgehoben.
Schließlich werden kritische Ansätze am Werkstattunterricht diskutiert und die Vorteile und Nachteile dieser Unterrichtsform gegenübergestellt. Die Arbeit schließt mit einer eigenen kleinen Lernwerkstatt der Mathematik, die der Zahlenraum bis 20 zum Thema hat. Die Lernangebote und Materialien werden vorgestellt, die didaktische Analyse und der Bildungsplanbezug werden beleuchtet. Die Videoanalyse des Werkstatteinsatzes in der Praxis zeigt die Freude und Motivation der Schülerinnen und Schüler während des Lernens. Schließlich wird die gesamte Hausarbeit reflektiert und ein Ausblick auf die Bedeutung der Lernwerkstatt für die Zukunft gegeben.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema „Lernförderliche Umgebungen gestalten“ und untersucht den Werkstattunterricht als eine Form des offenen Unterrichts. Zentrale Themen sind dabei die Reformpädagogik, Unterrichtsmethoden, Sozialformen, Planung, Organisation und Umsetzung von Lernwerkstätten, die Rolle der Lehrer und Schüler, die didaktische Analyse und die Förderung von Kompetenzen im Mathematikunterricht.
- Quote paper
- Fabian Zilliken (Author), Sandy Gatzka (Author), 2009, Unsere kleine Lernwerkstatt der Mathematik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143355