Konstruktivistische Perspektiven sind fester Bestandteil aller Führungs- und Kommunikationstrainings. Für ein Konfliktgespräch am Arbeitsplatz ist mit der Erkenntnis, dass andere Menschen ein anderes Denken und Fühlen haben und die eigene Perspektive nicht die einzig Wahre ist, eine gute Voraussetzung geschaffen. Durch konstruktivistisches Gedankengut ist es möglich, Lösungen gemeinsam schneller zu erarbeiten, da die Frage nach Schuld und Recht, die sich oftmals als nerven- und zeitaufwendig darstellt, entfällt. Auch Missverständnisse können behoben werden, da keiner mehr in dem Verhalten des anderen eine böse Absicht unterstellt. Des Weiteren kann dieses Gedankengut zur Konfliktlösung sowie zur Konfliktvermeidung beitragen. Begründet ist dies dadurch, dass Beteiligte die Erkenntnis darüber haben, dass jeder ein anderes Verständnis für Probleme hat. Dies vermeidet ein Zuspitzen von Auseinandersetzungen oder Streitigkeiten.
Mit dieser Arbeit wird der Versuch angestrebt, die Grundlagen des Konstruktivismus und in diesem Zusammenhang eine aus dem Konstruktivismus entstandene Coaching Tool "Verhaltensverschreibung" darzustellen.
Inhalt
Einführung
1. Definition
2. Methode im Überblick
2.1 Annahmen des Konstruktivismus
2.2 Interventionsmöglichkeit: „Verhaltensverschreibung“ als Coaching-Tool
2.2.1 Beschreibung
2.2.2 Arten der Verhaltensverschreibung
2.2.3 Analyse des Klientensystems aus theoretischer Sicht
2.2.3.1 Ebene der individuellen und kollektiven Wirklichkeitskonstruktionen
2.2.3.2 Die Verhaltens- und Interaktionsebene
2.2.3.3 Die Verknüpfung der Verhaltens- und Bedeutungsebene
2.2.4 Anwendung
2.2.4.1 Anwendung in den Rhetorik Seminaren
2.2.4.2 Anwendungen in der Angsttherapie
2.2.4.3 Anwendungen für die Sportler
2.2.4.4 Zusammenfassungen der Interventionsmöglichkeiten
Zusammenfassung
Quellenverzeichnis
Einführung
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben…[1]
Epiktet
In der vorliegender Arbeit wird ein Coaching- Tool „Verhaltensverschreibung“ beschrieben.
Zuerst werden die Begrifflichkeiten des Konstruktivismus festgelegt. Da diese Philosophie eine Grundlage für Verhaltensverschreibung darstellt. Weiter werden die Annahmen des Konstriktivismus beschrieben.
In dem letzen Kapitel werden Arten des Verhaltensverschreibungstools unter der Berücksichtigung der Interventionsebenen dargestellt. Außerdem werden die Anwendungsfelder mit den Beispielen ergänzt.
1. Definition
Was heute gemeinhin als systemisches Denken bezeichnet wird, ist ein Konglomerat aus Erkenntnissen unterschiedlichster Bezugswissenschaften, vor allem der Systemtheorie und des erkenntnistheoretischen Ansatzes des Radikalen Konstruktivismus.[2]
Die Fragen des radikalen Konstruktivismus lauten: Was ist Erkenntnis? Wie erwerben wir Wissen über die Wirklichkeit?
Susanne Klein definiert Konstruktivismus als Theorie der Erkenntnis, die ein anderes Verständnis von „Wirklichkeit“ als das übliche kultivierte und tradierte vertritt.[3] Im radikalen Konstruktivismus wird diese Wirklichkeit als „subjektives Erleben“ bezeichnet.[4] Die objektiven Kenntnisse über die eigene Umgebung können nur durch den Austausch mit anderen Menschen entstehen.[5] Falls die Chance verpasst wird, sich mit anderen auszutauschen, führt das, laut von Foerster, zu einer Blindheit der eigener Blindheit. Was wiederum zu der Reduzierung der Lebenschancen führt.
Der Konstruktivismus steht im Gegensatz zum naiven Realismus. Der Letzte ist der Auffassung, dass das Gehirn ein Instrument ist, das aus der externen Welt kommende Information sinnvoll verarbeitet.[6]
Werden die oben beschrieben Postulaten des Konstruktivismus auf die Humanprozesse und organisationale Prozesse übertragen, wird es ersichtlich, dass sie nicht in einem Eins-zu Eins-Verhältnis determinierbar sind, was für ein Management eine Trennung von Vorstellungen der Machbarkeit und exakten Planbarkeit bedeutet. Die Prognosefähigkeit, exakte Planung sowie Beherrschbarkeit und festgelegte Reaktionsmuster sind heutzutage nicht mehr brauchbar. Deshalb besteht die Aufgabe des Managements darin, entsprechende Rahmen und Kontextbedingungen zu schaffen, die es den einzelnen Mitgliedern unseres inneren Ensembles ermöglichen ihre unterschiedlichen Potentiale in einen Prozess zu integrieren.
Backhausen und Thommen vergleichen tägliche Erfahrungen einer begrenzten Vorhersehbarkeit und Planbarkeit menschlichen Handelns, mit Wettergeschehen: werden die Bedienungen innerhalb des überschaubaren Horizontes betrachtet, besteht eine große Wahrscheinlichkeit überrascht zu werden. Eine Stabile Wetterlage und eine Erweiterung des Horizonts erwecken den Anschein, dass auf weitere Informationen verzichtet werden könnte; Sollte die Lage jedoch instabil werden, wächst der Informationsbedarf.[7]
Es ist unter Berücksichtigung der Konstruktivismusidee zu beachten, dass die Probleme nicht objektiv gegeben sind, sonder sie werden durch die Systemmitglieder konstruiert. Die Folge dafür ist die Tatsache, dass es keine richtige oder falsche Lösungsstrategie gibt, sondern der Nützlichkeitsgrad sich unterscheiden kann.[8] In diesem Fall ist die Selbstakzeptant die wichtigste Voraussetzung um mehr Problemaspekte zu erfassen und eine nützlichere Lösung zu finden.[9]
Im radikalen Konstruktivismus wird die Wirklichkeit als rein subjektiver Begriff dargestellt. Im besten Fall stimmt die subjektive Wirklichkeit mit der Realität überein, im schlechtesten Fall ist diese Wirklichkeit reine Erfindung. Daraus lässt sich die Unzuverlässigkeit unserer Wahrnehmung schließen.
2. Methode im Überblick
2.1 Annahmen des Konstruktivismus
Im Konstruktivismus wird postuliert, dass es keine Wirklichkeit an sich gibt, sondern sie entsteht durch die aktive Konstruktion des Individuums.[10] Jedes Erkenntnis und jede Klärung wird als eine von vielen Möglichkeiten angesehen. Jedes menschliche System und jede Kultur trifft Vereinbarungen darüber, wie intersubjektive Phänomene verstanden werden können.[11] Bestätigung dieser Aussage kann im Vergleich der Literatur verschiedener Länder gefunden werden. Werden beispielsweise jüdische und ukrainische Autoren, die fast gleichzeitig, in der gleiche Epoche, mit einem gleichen Sujet ihre Werke geschrieben haben, wird diese Behauptung klarer. Handelt es sich bei den beiden Autoren und eine Jugendliebe zweier Teenager: „ sie sind zusammen aufgewachsen und dann haben sie sich ineinander verliebt. Doch Eltern des Mädchens suchten für sie einen anderen wohlhabenderen Mann…. Und Wege der Verliebten trennten sich. Doch der Unterschied wird in der Finalszene oder -dialog in der Regel noch deutlicher. In der Variante des israelischen Autors wird damals ein verliebter Junge, inzwischen mit einer anderen Frau verheiratet, wenn er die Liebe seines Lebens trifft, sich freuen und ihr sagen, dass die Erinnerung an ihre Liebe ihn wie eine Sonne den Weg durchs Leben beleuchtet und dass er ihr dankbar sei, so etwas unvergessliches erlebt zu haben. Im Gegensatz zum jüdischen stirbt der ukrainische Charakter vom seinem Unglück und verflucht nochmal die Liebe und Eltern seiner Geliebten.
[...]
[1] Vgl. Watzlawick (1997), S. 23
[2] Vgl. Migge (2005), S. 163
[3] Vgl. Klein (2001), S. 139
[4] Vgl. Klein (2001), S. 140
[5] Vgl. Klein (2001), S. 140
[6] Vgl. Migge (2005), S. 163
[7] Vgl. Backhausen et al (2006), S. 52
[8] Vgl. Eichhorn (2001), S. 109
[9] Vgl. Klimacki (1994), S. 133
[10] Vgl. Klein(2005), S. 146
[11] Vgl. Klein (2005), S. 146
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