Der Zeitzeuge Haffner bezeichnet die Zeit der beiden Kabinette von Papens (1. Juni bis 2. Dezember 1932) und von Schleichers (3. Dezember 1932 bis 28 Januar 1933) als „seltsames Zwischenspiel“, als „eine Regierung von adeligen Herren, von denen eigentlich niemand wusste, wer sie waren, und sechs Monate eines wilden politischen Husarenritts“. Dieses Urteil ist wohl bis heute gültig. Was Haffner „Liquidierung der Republik“ nennt, bezeichnet Kolb als „Desintegration des politischen Systems“ , Mommsen als „Auflösung des parlamentarischen Systems“ und Carlebach noch pointierter als „Todesweg der Republik“. In einer anderen Hinsicht divergieren die Wertungen allerdings beträchtlich.
Wie bedeutsam die NSDAP geworden war, trat spätestens nach der Reichstagswahl im September 1930 ins öffentliche Bewusstsein und ins Bewusstsein der Machthaber in der Weimarer Republik. Wie den Nationalsozialisten zu begegnen war, dafür gab es verschiedene konkurrierende Konzepte. Für die Zeit der Kabinette von Papens und von Schleichers sind es im wesentlichen zwei, das sog. Zähmungskonzept und der Staatsstreichplan.
Darüber besteht kein Zweifel, umstritten ist allerdings, wie die beiden Konzepte den beiden Präsidialkanzlern zuzuordnen sind. Während Kolb von Papen sehr auf den Staatsnotstandsplan festlegt, schreibt Winkler, dass auch Papen eine Kanzlerschaft, d. h. Zähmung, Hitlers nicht ausschloss und Schleicher prinzipiell durchaus auch Staatsnotstandspläne befürwortete. Mommsen sagt hingegen ähnlich wie Kolb, Schleicher habe den Notstandsplänen von vornherein distanziert gegenüber gestanden. Für die Regierung von Papens sei die Staatsstreichdrohung hingegen konstitutiv gewesen, wie es schon Mommsen Kapitelüberschrift „Die Regierung der Staatsstreichdrohung“ bekundet. Schulz formuliert bewusst recht vage, dass die von von Papen postulierte Verfassungsreform „nicht ganz zu recht als Pläne Schleichers deklariert“ worden seien.
Diese Kontroverse soll zum Anlass genommen werden, im folgenden die Zeit der Kabinette von Papens und von Schleichers unter der Fragestellung in Augenschein zu nehmen, wo sich jeweils das eine oder das andere Konzept bekundet, d. h., wo Papen und Schleicher Hitler zu zähmen beabsichtigen und wo sie ihn per Staatsstreich von der Macht glauben fernhalten zu müssen.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Die Regierungszeit von Papens
- 1.1. Die Auflösung des Reichstages
- 1.2. Die Aufhebung des SA-Verbots
- 1.3. Der „,Preußenschlag”
- 1.4. Das Treffen auf Gut Neudeck
- 2. Die Regierungszeit von Schleichers
- 2.1. Die Fühlungnahme mit Straßer
- 2.2. Das Treffen im Haus Schröders
- 3. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit der Zeit der beiden Kabinette von Franz von Papen und Kurt von Schleicher in der Weimarer Republik. Im Vordergrund stehen die unterschiedlichen Strategien, die zur Zähmung oder zur Bekämpfung der NSDAP eingesetzt wurden. Der Text analysiert die beiden Konzepte "Zähmungskonzept" und "Staatsstreichplan" und beleuchtet die jeweiligen Rollen von Papen und Schleicher in diesem Kontext.
- Die Desintegration des politischen Systems in der Weimarer Republik
- Die Rolle der NSDAP als dominierende Kraft in der Weimarer Republik
- Das Zähmungskonzept als Strategie zur Einbindung der NSDAP
- Der Staatsstreichplan als alternative Strategie zur Abwehr der NSDAP
- Die Verantwortung von Papen und Schleicher für den Aufstieg Hitlers
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Situation in der Weimarer Republik vor dem Hintergrund der beiden Kanzlerschaften von Papen und Schleicher dar. Sie beleuchtet die Bedeutung dieser Zeit als Übergangsphase, in der die Republik zunehmend destabilisiert wurde. Der Text diskutiert die unterschiedlichen Einschätzungen der Historiker hinsichtlich der Rolle der NSDAP und der beiden Präsidialkanzler. Anschließend werden die beiden Konzepte „Zähmungskonzept“ und „Staatsstreichplan“ vorgestellt, die im Mittelpunkt der Untersuchung stehen.
Das erste Kapitel befasst sich mit der Regierungszeit von Papen und den verschiedenen Maßnahmen, die von ihm ergriffen wurden. Es analysiert die Auflösung des Reichstages, die Aufhebung des SA-Verbots, den „Preußenschlag“ sowie das Treffen auf Gut Neudeck.
Das zweite Kapitel untersucht die Regierungszeit von Schleicher und seine Strategien im Umgang mit der NSDAP. Es beleuchtet die Fühlungnahme mit Straßer und das Treffen im Haus Schröders.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen des Textes sind die Weimarer Republik, die NSDAP, Zähmungskonzept, Staatsstreichplan, Franz von Papen, Kurt von Schleicher, politische Desintegration, autoritärer Wandel und Verantwortung für den Aufstieg Hitlers.
- Quote paper
- Marcel Haldenwang (Author), 2002, Zähmungskonzept und Staatsstreichplan im Widerstreit von Papen und Schleicher damals und der Forschung heute, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14289