Dem Investiturstreit kommt bei der Betrachtung der Geschichte des Mittelalters unumstritten eine überaus weitreichende bzw. epochale Bedeutung zu, kaum ein anderer Konflikt hat die religiösen und politischen Machtverhältnisse der europäischen Welt derart erschüttert und verändert. In Anbetracht der Ausmaße, die die Auseinandersetzung vor allem im deutschen und italienischen Raum erlangte, liegt hier (sicher zu Recht) das Hauptaugenmerk der Forschung. In der Literatur eher stiefmütterlich behandelt wird hingegen der französische Raum, der von Kirchenreform und Investiturstreit natürlich auch erfasst wurde, dennoch aber eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Die Gründe dafür gilt es zu klären und so ist es Ziel dieser Arbeit, anhand der Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Investiturproblematik speziell in Frankreich vorfielen, Besonderheiten herauszustellen, und so ein charakteristisches Bild des französischen Investiturstreits zu erarbeiten. Natürlich impliziert die eher marginale wissenschaftliche Betrachtung, dass Frankreich im Verlauf des Investiturstreits eine eher unbedeutende Stellung einnimmt. Inwiefern dies berechtigt ist wird sich zeigen.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei wesentliche Teile. Während der Hauptteil einen ausführlichen und eher ereignishistorischen Überblick des Zeitraums von 1049 bis 1119 in Frankreich bietet, bemühe ich mich daran anknüpfend im zweiten Teil hintergründig und abstrahierend zu erläutern, was die Sonderstellung Frankreichs im Investiturstreit ausmachte.
Die Literaturlage zum Thema gestaltet sich insofern schwierig, als dass ausführliche und spezifische Publikationen zum einen sehr rar und noch dazu sehr alt sind. Als wichtige Werke in diesem Themenbereich sind der Aufsatz von W. Schwarz (1923) sowie die Studie A. Beckers (1955) zu nennen, die – so ungewöhnlich es auch klingt – im Prinzip den aktuellen Stand der Forschung wiederspiegelt. Beckers Hauptthese, für Frankreich könne man keineswegs von einem Investiturstreit, höchstens von einem Investiturproblem reden, hat Eingang in fast alle Werke der einschlägigen Überblicksliteratur gefunden, und so werde auch ich mich in weiten Teilen auf die sehr ausführliche und richtungsweisende Darstellung Beckers beziehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historischer Überblick
2.1. Notwendigkeit und Anfänge der Kirchenreform – Vom Reimser Konzil 1049 bis zum Pontifikat Gregors VII
2.2. Das Pontifikat Gregors VII
2.3. Königliche Eheprobleme und andere Lappalien
2.4. Ivo von Chartres und die Lösung des Investiturproblems
3. „Investiturstreit“ in Frankreich?
3.1. Zur kirchenpolitischen Struktur Frankreichs
3.2. Das Königshaus der Kapetinger und die päpstliche Frankreichpolitik
3.3. Schlussfolgerungen: Die Bedeutung Frankreichs im Investiturstreit
4. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Dem Investiturstreit kommt bei der Betrachtung der Geschichte des Mittelalters unumstritten eine überaus weitreichende bzw. epochale Bedeutung zu, kaum ein anderer Konflikt hat die religiösen und politischen Machtverhältnisse der europäischen Welt derart erschüttert und verändert. In Anbetracht der Ausmaße, die die Auseinandersetzung vor allem im deutschen und italienischen Raum erlangte, liegt hier (sicher zu Recht) das Hauptaugenmerk der Forschung. In der Literatur eher stiefmütterlich behandelt wird hingegen der französische Raum, der von Kirchenreform und Investiturstreit natürlich auch erfasst wurde, dennoch aber eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Die Gründe dafür gilt es zu klären und so ist es Ziel dieser Arbeit, anhand der Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Investiturproblematik speziell in Frankreich vorfielen, Besonderheiten herauszustellen, und so ein charakteristisches Bild des französischen Investiturstreits zu erarbeiten. Natürlich impliziert die eher marginale wissenschaftliche Betrachtung, dass Frankreich im Verlauf des Investiturstreits eine eher unbedeutende Stellung einnimmt. Inwiefern dies berechtigt ist wird sich zeigen.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei wesentliche Teile. Während der Hauptteil einen ausführlichen und eher ereignishistorischen Überblick des Zeitraums von 1049 bis 1119 in Frankreich bietet, bemühe ich mich daran anknüpfend im zweiten Teil hintergründig und abstrahierend zu erläutern, was die Sonderstellung Frankreichs im Investiturstreit ausmachte.
Die Literaturlage zum Thema gestaltet sich insofern schwierig, als dass ausführliche und spezifische Publikationen zum einen sehr rar und noch dazu sehr alt sind. Als wichtige Werke in diesem Themenbereich sind der Aufsatz von W. Schwarz (1923) sowie die Studie A. Beckers (1955) zu nennen, die – so ungewöhnlich es auch klingt – im Prinzip den aktuellen Stand der Forschung wiederspiegelt. Beckers Hauptthese, für Frankreich könne man keineswegs von einem Investiturstreit, höchstens von einem Investiturproblem reden, hat Eingang in fast alle Werke der einschlägigen Überblicksliteratur gefunden, und so werde auch ich mich in weiten Teilen auf die sehr ausführliche und richtungsweisende Darstellung Beckers beziehen.
2. Historischer Überblick
Der zu betrachtende zeitliche Rahmen lässt sich in etwa mit zwei Reimser Konzilen eingrenzen. Auf dem großen Reimser Konzil des Jahres 1049, welches gemeinhin als Ausgangspunkt der von Papst Leo IX. initiierten großen Kirchenreform des 11. Jahrhunderts gilt, wurden die bestehenden Verhältnisse zwischen Königtum und Episkopat erstmals ernsthaft diskutiert.[1] Ein definitives Ende des Investiturstreits in Frankreich lässt sich – sofern es ihn überhaupt gab – nicht klar bestimmen. Während z.B. in Deutschland das Wormser Konkordat im Jahre 1122 einen eindeutigen Schlusspunkt des Investiturstreits definiert, geht man davon aus, dass sich die Situation in Frankreich schon ab Anfang des 12. Jh. merklich entspannte. Spätestens auf dem Reimser Konzil von 1119 wurde die Problematik zum letzten Mal diskutiert.
2.1. Notwendigkeit und Anfänge der Kirchenreform – Vom Reimser Konzil 1049 bis zum Pontifikat Gregors VII.
Blickt man Mitte des 11. Jahrhunderts auf die klerikalen Verhältnisse im Frankreich, so besteht an der dringenden Reformbedürftigkeit des gesamten Klerus keinerlei Zweifel. Es waren zunächst weniger die Sorgen um das in Frankreich ganz besonders eng verstrickte Verhältnis zwischen Kirche und Staat und die daraus erwachsende Investiturproblematik, sondern vielmehr der moralische Niedergang des religiösen Lebens ganz allgemein, weswegen Papst Leo IX. gleich bei seinem Pontifikatsantritt den Blick nach Frankreich lenkte. Das Reimser Konzil im Jahre 1049 fand wohl nicht zuletzt deshalb im französischen Grenzgebiet statt. Leo IX., welcher bereits auf seinem ersten Konzil Ostern 1049 in Rom ein konsequentes Reformprogramm angekündigt hatte, begann die von ihm stets als sein persönliches Werk angesehene Kirchenreform nämlich dort, wo die zunehmende Verweltlichung aller Schichten der Geistlichkeit am weitesten vorangeschritten war. Nicht zufällig hatte sich Frankreich bereits früher (hier ist in erster Linie das Kloster Cluny zu nennen) zu einem ersten großen monastischen Reformzentrum entwickelt, und Leo sah die Zeit gekommen, die weitverbreitete Praxis der Simonie und Priesterehe in einem sehr energisch und systematisch geführten Kampf endgültig zu beseitigen.[2]
Becker, der die Entwicklung des Investiturproblems in drei Problemkreise und daraus entstehende Verlaufsphasen einteilt, sieht hier den Beginn der moralischen Phase des Investiturproblems, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der spätere Hauptstreitpunkt Investitur zunächst nur indirekt, nämlich in Form der Symptome bzw. Folgen thematisiert wird. Die Tatsache, dass Leo IX. bei der Durchsetzung seiner Reform anfangs z.B. eng mit Kaiser Heinrich III. zusammenarbeitete, zeigt, dass ihm und seinen Zeitgenossen die starke weltliche Beeinflussung des Episkopats als wahre Grundlage des geistlichen Würdeverfalls wohl noch nicht bewusst war.[3]
Als Leo auch den französischen König Heinrich I. als Unterstützer für seine Reformbewegung gewinnen wollte, wird zum ersten Mal deutlich, dass in Frankreich einiges anders war. Heinrich I. und mit ihm der Großteil des Kronepiskopats blieb dem Reimser Konzil fern, da der französische König zur gleichen Zeit einen Feldzug gegen den Grafen von Anjou unternahm. Dieses politische Manöver war für die Sicherung von Heinrichs Macht in der Tat von großer Wichtigkeit, und keineswegs nur ein Alibi für sein Nichterscheinen, und doch lässt sich nicht leugnen, dass die Kirchenreform, das Konzil und die Sympathie des Papstes für den König von nur geringer Bedeutung waren. Nur etwa ein Dutzend Bischöfe waren letztlich zum Konzil erschienen, und das Strafgericht des Papstes fiel entsprechend streng aus. Im Rahmen weitreichender Simoniebeschuldigungen durch den Papst kam es zu Exkommunikationen,[4] Rücktritten und Absetzungen,[5] vor allem aber das Verhältnis zwischen Papst und König war hier erstmals gründlich verstimmt. Es ist wohl dem in punkto Kirchenreform auch weiterhin überaus passivem Verhalten Heinrichs I. zuzuschreiben, dass diese erste ernstere Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat schließlich verebbte.
Dass es Leo mit der Kirchenreform nichtsdestotrotz sehr ernst war, und dass das eigentlich ja enttäuschende Reimser Konzil dennoch etwas ins Rollen gebracht hatte, zeigen die französischen Bistumsbesetzungen der folgenden Jahre.
Nach der Exkommunikation des als Günstling des Königs bekannten, und seinerzeit nur auf massives Drängen Heinrichs hin eingesetzten Erzbischofs Gelduin von Sens, wurde hier nun der eigentlich schon 1032 kanonisch gewählte Mainard vom Papst zum neuen Bischof von Sens erhoben. Ebenso in den Diözesen Troyes und Langres wurden Nicht-Simonisten als neue Bischöfe eingesetzt und vom Papst selbst geweiht, ohne dass der König – so war es in der Vergangenheit oft gewesen – Schwierigkeiten machte, und die Durchsetzung eigener, königstreuer Kandidaten versuchte. Eine solche etwas ernstere aber für die Verhältnisse im Frankreich des 11. Jahrhundert durchaus charakteristische Situation ergab sich bei der Neubesetzung des Bistums Le Puy im Jahre 1053. Heinrich I. wollte den ordnungsgemäß kanonisch gewählten und vom Papst persönlich geweihten Pierre de Mercoeur nicht bestätigen und versuchte gegen massiven Protest von Klerus und Volk den königlichen Kandidaten Bertrand von Mende als Bischof einzusetzen, den er wohl auch tatsächlich investierte. So stand die Weihe durch den Papst gegen die Investitur durch den König, was so gesehen ja als klassischer Fall von „Investiturstreit“ bezeichnet werden kann. Dass es zu einem wirklichen Streit in diesem Fall dann doch nicht kam, ist, wie auch in den anderen Fällen, in erster Linie auf die Nachgiebigkeit des Königs zurückzuführen, der sich und seinen Kandidaten recht schnell aus der Angelegenheit zurückzog. Die ungeheure Entschlossenheit und das große persönliche Engagement mit denen Papst Leo IX. „sein“ Kirchenreformprogramm durchzusetzen versuchte, ließen Heinrich zurückschrecken, so scheint es.[6]
Auf Leo IX. folgten die Pontifikate Victors II. (1055), Stephans IX. (1057), Nikolaus II. (1059) und Alexanders II. (1061-1073), unter denen die Kirchenreform auch in Frankreich – zwar etwas weniger energisch als unter Leo, aber doch in dessen Sinne – fortgesetzt wurde. Zur Sicherung der päpstlichen Einflussnahme wurden in Frankreich zwei päpstliche Legaten ernannt, die Erzbischöfe Reimbald von Arles und Pons von Aix, welche in Zukunft die Beschlüsse der Reformkonzile durchsetzen sollten, oder von Rom aus mit Sonderaufträgen, meist der Schlichtung kirchlicher Streitfälle, beauftragt wurden.
Im Sinne des anhaltenden aber in seiner Intention immer noch etwas naiven Kampfes gegen Simonie und Nikolaitismus kam es zu einigen Bischofsabsetzungen, und nach wie vor stieß die Reformtätigkeit der Päpste und Legaten auf Ablehnung durch den französischen König. Dennoch lässt sich ein ausgeprägter Konflikt zwischen geistlicher und weltlicher Macht in dieser Zeit nicht ausmachen. Beide Seiten waren immer wieder bereit nachzugeben, und im Rahmen eines sich seit dem Pontifikat Stephans IX. mehr und mehr entwickelnden Gegensatzes zwischen der römischen Kurie und dem Kaisertum waren die Päpste sogar bemüht, mit dem französischen Königtum gute Beziehungen zu pflegen.[7]
Eine neue Tendenz, vor allem in Hinblick auf die Definition des Simoniebegriffs und damit die Zielrichtung der Kirchenreform, brachte die 1058 erschienene und sich besonders stark gegen die Zustände in Frankreich richtende Programmschrift des Humbert von Silva Candida mit sich. Simonistische Bischöfe werden darin von Humbert als ‚Pseudo-Geistliche‘ bezeichnet, und die Simonie ganz allgemein als Häresie verurteilt. Die nicht seltene Forschungsmeinung, dass Humbert den Begriff Simonie auch ganz bewusst auf die Laieninvestitur ausdehnte und so quasi das erste Verbot der Laieninvestitur verkündete, muss allerdings dringend relativiert werden. Der von Rudolf Schieffer etablierten These, dass die Investiturfrage Mitte des 11. Jahrhunderts in den Spannungen zwischen Papst und Königen noch keine vordergründige Bedeutung hatte, muss insofern zugestimmt werden, als dass die Ereignisse gerade in Frankreich zeigen, dass die Reformbestrebungen dieser Zeit eine eher symptomatische denn wirklich tiefgreifende Ausrichtung hatten.[8]
[...]
[1] vgl. Becker, Alfons: Studien zum Investiturproblem in Frankreich. Papsttum, Königtum und Episkopat im Zeitalter der gregorianischen Kirchenreform (1049-1119), (= Schriften der Universität des Saarlandes), Dissertation, Saarbrücken 1955, S. 33
[2] vgl. Becker, Alfons: Studien zum Investiturproblem in Frankreich, S. 29ff
[3] vgl. ebenda, S. 35
[4] Namentlich exkommuniziert wurden der Erzbischof von Sens und die Bischöfe von Amiens und Beauvais.
[5] vgl. Ehlers, Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter, Stuttgart [u.a.], 1987, S. 75
[6] vgl. Becker, Alfons: Studien zum Investiturproblem in Frankreich, S. 40ff
[7] vgl. Becker, Alfons: Studien zum Investiturproblem in Frankreich, S. 42f
[8] vgl. Tellenbach, Gerd: Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert (= Die Kirche in ihrer Geschichte, hrsg. von Kurt Dietrich Schmidt und Ernst Wolf, Bd. 2), Göttingen, 1988, S. 147
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