Diese Arbeit soll anhand einer Auswahl einiger Autoren, die Hobbes direkt oder indirekt rezipierten, zum Verständnis Hobbesscher Ideen beitragen und in einer historisch-kritischen Herangehensweise die Auseinandersetzung mit seinen Werken zu seinen Lebzeiten wie in der jüngeren Vergangenheit untersuchen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit versucht diese Arbeit durch die Beobachtung ebenjener Auseinandersetzung Relevantes zu Tage zu fördern. Das Augenmerk wird dabei auf den Rezeptionslinien liegen, die seine in „De Cive“ und „Leviathan“ erfassten Hauptthesen – das vernunftbasierte Zustandekommen eines gesellschaftsbildenden Moments durch einen violenten Kriegszustand und die Einsetzung eines unumschränkten Souveräns zur Lösung der virulenten Konflikte um Eigentum und Leben und zur Kanalisierung des individuellen Egoismus.
Thomas Hobbes wurde im Jahre 1588 als Sohn eines Geistlichen geboren. Nach dem Besuch der Privatschule, setzte Thomas Hobbes seinen Bildungsweg als Student am Magdalen College fort, welches er 1607 als Baccalaureus artium abschloss.
Ab 1608 arbeitete Thomas Hobbes als Hofmeister beim Hofe des Barons Cavendish, dabei kam es zur ausführlichen Beschäftigung mit der Geschichte der Peleponnesischen Krieges und der Idee, inspiriert von Euklid, die „Menschen wie Geometrie zueinander in Verbindung zu setzen“. Dies ist der Kern des Hobbesschen Gesellschaftsbildes. Das Individuum als Atom der Gesellschaft zu sehen, begründet das affektionskausale Modell des materialistischen Menschenbildes.
Hobbes beschäftigt sich eingehend mit der klassischen (Moral-) Philosophie und deren Kategorien Gerechtigkeit und Tugend, und versucht sie beständig zu widerlegen.
Er publiziert 1640 des Pamphlet “The Elements of Law”. Schon hier ergreift er die absolutistische Option als Lösung des Konflikts konkurriender Gesellschaftsgruppen. Er flieht aus Angst vor dem provozierten Parlament nach Frankreich.
Erst 1651, nachdem Cromwell die Macht ergriffen, das Parlament entmachtet und König Karl I hingerichtet hatte, kehrt Hobbes nach England zurück. Das Hauptwerk des Philosophen – der „Leviathan“ – und seine umfassende Abhandlung über den Bürger („De Cive“) erscheinen.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. 17. und 18. Jahrhundert – Kritik und verdeckte Rezeption
II.1. Benedict Baruch Spinoza – rationalistische Bibelkritik
II.2. John Locke – das naturrechtliche Eigentum
II.3. Jean-Jacques Rousseau – Kritik des negativen Menschenbildes
III. 20. Jahrhundert – Erstarken des Kontraktualismus und Entwicklung zweier Hauptinterpretationsstränge
III.1. James Buchanan, John Rawls und Robert Nozick – Sozialphilosophie nach Hobbes
III.2. Zwei Interpretationsansätze der Hobbes-Rezeption
IV. Schluss und Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur
I. Einleitung
Diese Arbeit soll anhand einer Auswahl einiger Autoren, die Hobbes direkt oder indirekt rezipierten, zum Verständnis Hobbesscher Ideen beitragen und in einer historisch-kritischen Herangehensweise die Auseinandersetzung mit seinen Werken zu seinen Lebzeiten wie in der jüngeren Vergangenheit untersuchen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit versucht diese Arbeit durch die Beobachtung ebenjener Auseinandersetzung Relevantes zu Tage zu fördern. Das Augenmerk wird dabei auf den Rezeptionslinien liegen, die seine in „De Cive“ und „Leviathan“ erfassten Hauptthesen – das vernunftbasierte Zustandekommen eines gesellschaftsbildenden Moments durch einen violenten Kriegszustand und die Einsetzung eines unumschränkten Souveräns zur Lösung der virulenten Konflikte um Eigentum und Leben und zur Kanalisierung des individuellen Egoismus. Thomas Hobbes wurde im Jahre 1588 als Sohn eines Geistlichen geboren. Nach dem Besuch der Privatschule, setzte Thomas Hobbes seinen Bildungsweg als Student am Magdalen College fort, welches er 1607 als Baccalaureus artium abschloss.
Ab 1608 arbeitete Thomas Hobbes als Hofmeister beim Hofe des Barons Cavendish, dabei kam es zur ausführlichen Beschäftigung mit der Geschichte der Peleponnesischen Krieges und der Idee, inspiriert von Euklid, die „Menschen wie Geometrie zueinander in Verbindung zu setzen“1. Dies ist der Kern des Hobbesschen Gesellschaftsbildes. Das Individuum als Atom der Gesellschaft zu sehen, begründet das affektionskausale Modell des materialistischen Menschenbildes.
Hobbes beschäftigt sich eingehend mit der klassischen (Moral-) Philosophie und deren Kategorien Gerechtigkeit und Tugend, und versucht sie beständig zu widerlegen.
Er publiziert 1640 des Pamphlet “The Elements of Law”. Schon hier ergreift er die absolutistische Option als Lösung des Konflikts konkurriender Gesellschaftsgruppen. Er flieht aus Angst vor dem provozierten Parlament nach Frankreich.
Erst 1651, nachdem Cromwell die Macht ergriffen, das Parlament entmachtet und König Karl I hingerichtet hatte, kehrt Hobbes nach England zurück. Das Hauptwerk des Philosophen – der „Leviathan“ – und seine umfassende Abhandlung über den Bürger („De Cive“) erscheinen.
Neun Jahre später kommt es durch Karl II zur Restauration der Monarchie in England. Hobbes steht während dieser Zeit unter heftiger Kritik, die in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegen den ‚Atheisten’ Hobbes gipfelt. Hobbes zeigt im Deckblatt des ‚Leviathan’ die Symbole der Kirche in der Hand des absoluten Herrschers. Die Vorstellung der Unterwerfung des kirchlichen Politikeinflusses musste unweigerlich auf erbitterte Widerstände treffen. Die uneingeschränkte Autorität des staatlichen Souveräns gehört zu den Grundgesetzen der politischen Philosophie Hobbes. Seinem neuerlichen Werk, dem ‚Behemoth’, wird die Druckerlaubnis verweigert.
Vier Jahre nach seinem Tod, 1683, werden sämtliche seiner Schriften von der Universität Oxford verurteilt und verbrannt.
II. 17. und 18. Jahrhundert – Kritik und verdeckte Rezeption
II.1. Benedict Baruch Spinoza – rationalistische Bibelkritik
Thomas Hobbes und Baruch de Spinoza (1632-1677) waren Zeitgenossen. Sie erlebten die blutigen, teils religiös motivierten Bürgerkriege und waren ähnlichen politischen und kulturell-philosophischen Einflüssen ausgesetzt. Sie studierten beide die antiken Philosophen. Auch die Faszination an den Ideen René Descartes’2 war beiden gemein.
Der wissenschaftliche Versuch, menschliches Handeln und insbesondere die Art und Weise der Gesellschaftsbildung aufgrund natürlicher Gesetze und der idealtypischen gedanklichen Entwicklung eines Naturzustands zu beschreiben, ist auch für Spinoza kennzeichnend.
Sein Naturzustand mündet jedoch nicht, wie für Hobbes, in einen „Krieg aller gegen alle“. Auch Spinoza wurde zu Lebzeiten Atheismus vorgeworfen, dies ist jedoch deutlich zu bestreiten, da die Existenz Gottes ein vitaler Bestandteil seines Monistischen Naturalismus ist.
Doch lag es Spinoza, wie auch Hobbes, nicht fern, das Grundübel der Kriege ihrer Zeit in den kirchlichen Machtansprüchen und deren Einfluss auf die Staaten zu sehen. Der gesinnungsneutrale Staat bildet daher eine Grundfeste beider.
Doch wo Thomas Hobbes die Notwendigkeit des überragenden, unumschränkten Herrschers der absolutistischen Monarchie erkennt, entwickelt Baruch de Spinoza nach dem humanistischen Grundsatz „tu niemanden etwas an, was du selber auch nicht wünschen würdest“ ein demokratisches Modell.
Spinoza waren Hobbes’ Schriften bekannt. Es wird angenommen, dass Spinoza Hobbes’ Staatsentwurf als Vorbild nahm, um ein Gegenmodell zu entwickeln, da er systematisch alle Zweifel zu zerstreuen sucht, die einem Monarchisten für gewöhnlich an der Demokratie erscheinen.3 Offen bezug auf Thomas Hobbes nimmt Baruch de Spinoza nicht. Er ist damit ein Beispiel der verdeckten Rezeption Hobbescher Gedanken im 17. und 18. Jahrhundert – trotz der Ächtung fand eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Hobbes statt.
Verkürzt und zusammenfassend erklärt sich Spinozas Absolutismuskritik wie folgt:
Der absolute Staat verstößt gegen die Natur des Menschen, wodurch er sich als nicht lebensfähig erweist und so keine reale Alternative zum Naturzustand darstellt. Daher ist der Absolutismus für die Menschen nicht opportun und der Gesellschaftsvertrag mündet also nicht in die Errichtung der absoluten Herrschaft.
Der demokratische Staat hingegen, in dem die Souveränität bei den Bürgern liegt, ist ein Garant für gesellschaftlichen Ausgleich und sichert den Frieden dauerhaft.
Er arbeitete bis ungefähr 1670 am ‚Theologisch-Politischen Traktat’. Es wurde schon früh als umstürzlerisches Werk von der noch immer mächtigen katholischen Kirche auf den Index gesetzt.
II.2. John Locke – das naturrechtliche Eigentum
Auch John Locke (1632-1704) war ein Zeitgenosse Hobbes’. Legte Hobbes die Grundlagen des Vertragsdenkens, so führte Locke sie bis zur Perfektion. Sein konsequentes
Vertragsdenken macht selbst vor der Ehe nicht Halt. Für ihn ist die Ehe wie ein gewöhnlicher Vertrag, für beliebige Zeiten zu schließen4.
Doch die hier hervorzuhebende, „erstaunliche Leistung“5 vollbringt Locke, indem er das Eigentumsrecht auf das Naturrecht gründet und doch keine naturrechtlichen Einschränkungen in sein Eigentumsrecht übernimmt. Die Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens hängt für ihn vital von der Regelung der Eigentumsverhältnisse ab.
Lockes Naturzustand zeichnet sich, analog zu Hobbes, durch die Abwesenheit eines anerkannten Gewaltmonopols aus. Dies sei sich vorzustellen wie die Beziehung zwischen
„Fürsten [Princes] und Herrschern unabhängiger Regierungen auf der ganzen Welt“6 oder
„zwischen einem Schweizer und einem Indianer in den Wäldern Amerikas.“7 Lockes Naturzustand ist, an diesem Punkt vergleichbar mit Hobbes, „ein Zustand vollkommener Freiheit [a state of perfect freedom]“ und „ein Zustand auch der Gleichheit [a State also of Equality]“.8 Locke unterscheidet jedoch – in Abgrenzung zu Hobbes – strikt zwischen dem Natur- und dem Kriegszustand. Aus ebendiesen Gründen sieht er auch nicht die Notwendigkeit, einen überstarken, unumschränkten Leviathan einzusetzen, sondern befindet einen kontrollierten Souverän als ausreichende Autorität. Fragen der Legitimität eines
Herrsschaftssystems bestimmen auch bei Locke die Staatskonzeption, und sein Plädoyer für die Gewaltenteilung hat es heute zu allgemeiner Anerkennung gebracht.
Er gilt als anerkannter Begründer des (philosophischen) Liberalismus, dessen bedeutendster Vertreter Immanuel Kant (1724-1804) ist, und sein Freiheitsgedanke taucht (außer bei der englischen, amerikanischen und französischen Revolution) auch bei dem Theoretiker wieder auf, „der wohl mit dem größten Freiheitspathos aufgetreten ist, bei Rousseau“9.
Locke meint, dass zwar „Gott [...] die Erde den Menschen insgesamt [Mankind in common] gab“, dass aber dennoch „die Menschen dahin kommen konnten, Eigentum zu besonderen Teilen von dem zu haben, was Gott der Menschheit insgesamt gab, und das ohne jede ausdrückliche Übereinkunft von seiten der Nutznießer des Gemeineigentums [and that without any express compact of all the Commoners].“10
Die Gleichheit der Menschen im Naturzustand ergibt sich bei Locke aus der Art, in der sie alle gleich unprivilegiert und mit den gleichen Fähigkeiten von der Natur ausgestattet wurden. Bei Hobbes ist diese Gleichheit eher ein Ausdruck der gleichen Fähigkeiten, anderen Individuen zu drohen.11 Das Hobbessche Argument, da alle Menschen gleich seien, hätten (bzw. nähmen sie sich) auch alle Recht auf gleiches Eigentum, wird bei Locke differenzierter dargestellt: Das Recht eines Jeden auf ein Eigentum beziehe sich auf seiner Hände Arbeit. Denn, was einem jeden unleugbar zugesteht, ist sein eigener Körper. Was er nun mit der Kraft seines (oder ihres) eigenen Körpers vollbringen kann, soll auch ihm (oder ihr) gehören. Darüber hinaus ist die Aneignung unter zwei weiteren Klauseln legitim: Erstens muss für andere genug und von gleicher Qualität übrig bleiben; und zweitens darf sich jeder nur soviel aneignen, wie er genießen oder verbrauchen kann
II.3. Jean-Jacques Rousseau – Kritik des negativen Menschenbildes
Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) gelten als Hauptvertreter der klassischen Vertragstheorie. Sie bedienen sich der Gedankenkonstruktion Naturzustand – Vertragsschluss – Staat als Grundfesten ihrer umfassenden Philosophie. Das philosophische Verhältnis zwischen Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau lässt sich kaum markanter offenbaren als in der Gegenüberstellung ihrer jeweiligen Menschenbilder:
Während Hobbes konstatiert: „Homo homini lupus est.“12 – versteht Rousseau den Menschen freundlicher: ”Es ist nichts zahmer als der Mensch in seinem ursprünglichen Zustande,...“13. Diese Feststellungen werden von beiden Autoren jeweils als das Ergebnis eines andauernden Naturzustandes gesehen. Wie kommen sie nun zu derart weit auseinanderliegenden Feststellungen ?
Im Gegensatz zu Hobbes schließt Rousseau die Gleichheit der Menschen im Naturzustand aus. Seiner Meinung nach unterscheiden sich die Menschen sowohl in ihren geistigen als auch in ihren körperlichen Fähigkeiten voneinander.14 Die natürliche Freiheit des Menschen istdurch seine physischen Möglichkeiten begrenzt.15 Doch dies ist hier nicht der entscheidende Unterschied. Folgt Rousseau Hobbes noch insoweit, als er den Naturzustand als den Ausgangspunkt jeglicher menschlicher Sozietät begreift, so unterscheiden sich die beiden Philosophen dennoch deutlich in der Ausarbeitung dieses vorgesellschaftlichen Zustands.
Während Hobbes den Menschen im Naturzustand als lediglich außerstaatlich auffasst, meint Rousseau damit die vollkommene Absenz menschlicher Interaktion. So kennt der vorgesellschaftliche Mensch bei ihm weder Sprache noch Verstand.16
Die Menschen sind daher für einander weder Freund noch Feind. Sie sind geleitet vom Selbsterhaltungstrieb, der sie jedoch nicht zum Äußersten treibt. Rousseaus Ur-Menschenbild beinhaltet eine dem Individuum immanente, psychologische Selbstbeschränkung, die den Ausbruch eines Krieges verhindert und die er als natürliches Mitleid beschreibt.
Die Menschen – und das ist der entscheidende Unterschied zu Hobbes – verharren in Passivität, anstatt einen ständigen „Krieg aller gegen alle“ um Eigentum und Besitz zu führen. Ist für Hobbes ebendieser Zustand virulenter Gewalt der Vernunftgrund zur Schließung des Gesellschaftsvertrags, so ist es für Rousseau das Eintreten eines Ereignisses von außen, zu dessen Überwindung die Bündelung der Kräfte notwendig ist.17
Der Naturzustand kann bei Rousseau dauerhaft erhalten bleiben, indem die Menschen ohne Fortschritt oder große Veränderung leben, während Hobbes den Mensch von Grund auf nicht in der Lage sieht, den Naturzustand zu erhalten, da ihr Egoismus einen Automatismus zum Krieg beinhaltet.
[...]
1 Münkler, S.11
2 Herausragend zu nennen sind die Arbeiten Descartes’ über erkenntnistheoretische Grundlagen, z.B. in „Grundlagen der Philosophie“, 1644
3 Vgl. Saner, Hans: Baruch de Spinoza, in: Fetscher und Münkler, S. 369 f.
4 Steinvorth, S. 68
5 nach Macpherson
6 zitiert nach: Steinvorth, S. 70
7 ebenda
8 ebenda, S. 70
9 zitiert nach: ebenda, S. 72
10 ebenda
11 Steinvorth, S. 72
12 „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“. Hobbes: Vom Menschen – Vom Bürger, S. 59
13 Rousseau: Schriften in zwei Bänden S. 237
14 ders.: Der Gesellschaftsvertrag, S. 56
15 Rousseau: Der Gesellschaftsvertrag, S. 38
16 ebenda, S. 52
17 ebenda, S. 46
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.