„Nur nebenbei sei angemerkt, daß es fürs Denken gar keinen besseren Start gibt als das Lachen. Und insbesondere bietet die Erschütterung des Zwerchfells dem Gedanken gewöhnlich bessere Chancen dar als die der Seele.“ Walter Benjamin, 19341
Was kann es befreienderes geben als ein Lachen, das uns auch noch einen gedanklichen Prozess erleichtert? Wo doch kaum ein Mensch von sich behaupten würde, nicht gerne zu lachen. Doch ist uns auch bewusst, dass ein Witz nicht jeder Thematik angemessen erscheint.
Kommt beispielsweise 2006 der deutsch-jüdische Regisseur Dani Levy auf die Idee, eine Komödie über Hitler („Mein Führer“) zu machen, so stößt er schnell auf Entrüstung:
"Eine Komödie über Hitler können Amerikaner machen oder sogar Engländer. Aber Deutsche oder Juden in Deutschland? Das ist ein Mangel an Respekt vor Millionen Opfern". So empört zeigt sich ein Leser der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“.
Bei der Frage nach komödiantischen Darstellungen Hitlers im Film sollen in dieser Arbeit zwei Werke untersucht werden: Zum einen der 1940 von Charlie Chaplin veröffentlichte „The Great Dictator“, zum anderen der eben erwähnte Film „Mein Führer“ von Dani Levy.
Auf inhaltlicher Ebene soll versucht werden, die Handlungen aus
geschichtswissenschaftlicher Sicht zu verorten und zu deuten.
Im Blickfeld steht dabei in erster Linie die Darstellung Hitlers, 1940 und 2006. Wie wird er in den Filmen erinnert, wie dem Publikum vermittelt?
Anschließend spielt natürlich die Rezeption der Filme eine bedeutende Rolle. Welches Potential wird dabei dem Film als Medium, insbesondere dem Genre Komödie eingeräumt, welche Mittel werden eingesetzt? Wer lacht über was? Wie wird gelacht im Kontext eines der größten Verbrechen der Menschheit?
Des Weiteren soll die Entstehungsgeschichte der Filme untersucht werden. Welche Motivationen stehen hinter den Filmen, welche Absichten? Ist Lachen über Hitler ein Tabu, weil es gleichzusetzen ist mit einem Lachen über die Schrecken des Holocausts? Was bedeutet es über die komödiantische Darstellung Hitlers zu lachen? Werden dabei Normen durchbrochen? Müssen
wir beim Verlassen des Kinos ein schlechtes Gewissen haben, gelacht zu haben?
Es geht in dieser Arbeit um die Untersuchung der Frage, was passiert, wenn wir über einen historischen Akteur wie Hitler lachen, warum, worüber und wie wir lachen, wer lacht und wer nicht, und welche Auswirkungen dies auf unser
Geschichtsbild hat.
Inhalt
1. Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Forschungsstand/Quellenlage
2. Hauptteil
2.1 Inhaltsangaben
2.1.1 „Der große Diktator“
2.1.2 „Mein Führer“
2.2 Lachen über Hitler?
2.2.1 Vermittlungspotential des Genres „Komödie“
2.2.2 Das Komische und das Lachen
2.2.3 Die Wirkung des Witzes
2.3 Entstehungsgeschichte der Filme
2.3.1 1940- zu Hitlers Lebzeiten
2.3.2 2006 –mehr als 60 Jahre nach dem Holocaust
2.4 Vermittlungsinhalte und -mittel
2.4.1 „Der große Diktator“
2.4.2 „Mein Führer“
2.5 Rezeption
2.5.1 „Der große Diktator“
2.5.2 „Mein Führer“
3. Schlussteil
3.1 Entwicklung der „Holocaust-Komödie“
3.2 Stellungnahme zur Debatte um „Mein Führer“
3.3 Abschlussbetrachtungen
LiteraturverzeichnisS
1. Einleitung
1.1 Fragestellung
„Nur nebenbei sei angemerkt, daß es fürs Denken gar keinen besseren Start gibt als das Lachen. Und insbesondere bietet die Erschütterung des Zwerchfells dem Gedanken gewöhnlich bessere Chancen dar als die der Seele.“ Walter Benjamin, 1934 [1] Was kann es befreienderes geben als ein Lachen, das uns auch noch einen gedanklichen Prozess erleichtert? Wo doch kaum ein Mensch von sich behaupten würde, nicht gerne zu lachen. Doch ist uns auch bewusst, dass ein Witz nicht jeder Thematik angemessen erscheint.
Kommt beispielsweise 2006 der deutsch-jüdische- Regisseur Dani Levy auf die Idee, eine Komödie über Hitler („Mein Führer“) zu machen, so stößt er schnell auf Entrüstung:
"Eine Komödie über Hitler können Amerikaner machen oder sogar Engländer. Aber Deutsche oder Juden in Deutschland? Das ist ein Mangel an Respekt vor Millionen Opfern"[2]. So empört zeigt sich ein Leser der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“.
Bei der Frage nach komödiantischen Darstellungen Hitlers im Film sollen in dieser Arbeit zwei Werke untersucht werden: Zum einen der 1940 von Charlie Chaplin veröffentlichte „The Great Dictator“[3], zum anderen der eben erwähnte Film „Mein Führer“[4] von Dani Levy.
Auf inhaltlicher Ebene soll versucht werden, die Handlungen aus geschichtswissenschaftlicher Sicht zu verorten und zu deuten.
Im Blickfeld steht dabei in erster Linie die Darstellung Hitlers, 1940 und 2006. Wie wird er in den Filmen erinnert, wie dem Publikum vermittelt? Anschließend spielt natürlich die Rezeption der Filme eine bedeutende Rolle. Welches Potential wird dabei dem Film als Medium, insbesondere dem Genre Komödie eingeräumt, welche Mittel werden eingesetzt?
Wer lacht über was? Wie wird gelacht im Kontext eines der größten Verbrechen der Menschheit?
Des Weiteren soll die Entstehungsgeschichte der Filme untersucht werden. Welche Motivationen stehen hinter den Filmen, welche Absichten?
Ist Lachen über Hitler ein Tabu, weil es gleichzusetzen ist mit einem Lachen über die Schrecken des Holocausts? Was bedeutet es über die komödiantische Darstellung Hitlers zu lachen? Werden dabei Normen durchbrochen? Müssen wir beim Verlassen des Kinos ein schlechtes Gewissen haben, gelacht zu haben?
Es geht in dieser Arbeit um die Untersuchung der Frage, was passiert, wenn wir über einen historischen Akteur wie Hitler lachen, warum, worüber und wie wir lachen, wer lacht und wer nicht, und welche Auswirkungen dies auf unser Geschichtsbild hat.[5]
1.2 Forschungsstand/Quellenlage
Der Film als Medium findet bei Historikern wenig Beachtung. Günter Riederer versucht in seinem Aufsatz „Film und Geschichtswissenschaft“[6] den Ursachen dafür auf den Grund zu gehen. Zum einen besteht kein Konsens darüber, wie man als Historiker bei einer Filmanalyse vorgeht. Die Filmwissenschaft hat (noch) nicht den Status einer eigenen Teildisziplin erlangt, die Zuständigkeit wird oftmals anderen Wissenschaftszweigen zugeschrieben, wie zum Beispiel dem der Kunstgeschichte.[7]
Ferner herrscht eine gewisse Skepsis der Historiker gegenüber diesem neuen Medium und seiner Emotionalität.[8]
Auch der Historiker kann sich dieser Wirkung nicht entziehen. Allerdings bezweifelt Marnie Hughes- Warrington in ihrer Ausarbeitung „History Goes to the Movies“, dass dies ein spezielles Phänomen des Mediums Films sei.[9]
Zum Lachen als psychologischem Phänomen, gibt es einige grundlegende Ausarbeitungen, wie die von Freud[10]. Plessner[11] stellt aus soziologischer und philosophischer Sicht Überlegungen zum Lachen an. Auf diese beiden Untersuchungen möchte ich mich stützen, wenn es um die Funktion des Genres „Komödie“ geht.
Zu Chaplins „Der große Diktator“ liegen zahlreiche Aufsätze und Rezensionen aus aller Welt vor.
Zudem sind mehrfach Biografien sowie Monografien zum Werk Charlie Chaplins erschienen, wie die von McCabe[12] oder Schnelle[13]. Auch seine Autobiografie[14] gibt Aufschluss über die Entstehungsgeschichte des Filmes.
Im Falle des neueren Werkes „Mein Führer“ wird man in der Tagespresse schnell fündig. Der Film löste eine Debatte über den heutigen Umgang mit der deutschen Vergangenheit aus. Lachen über Hitler, ist es nun erlaubt oder nicht, war die zentrale Frage.
Die Feuilletons bieten Interviews mit dem Regisseur, den Schauspielern und natürlich Rezensionen, das Filmportal zu „Mein Führer“ auf den Seiten des Internetportals Zeitgeschichte-online verschafft einen Überblick über die Pressestimmen.[15]
Als Leitfaden zur Filmanalyse orientiere ich mich an den Ausarbeitungen Werner Faulstichs.[16]
Bedauerlicherweise lagen mir für keinen der beiden ausgewählten Filme aktuelle Zuschauerbefragungen vor, die direkte Reaktionen auf das Gesehene hätten einfangen können.
Als hilfreich erwies sich jedoch der von Margit Fröhlich herausgegebene Band „Lachen über Auschwitz“, der sich mit verschiedenen Holocaust-Komödien und Trends beschäftigt und im Schlussteil die Generationenfrage aufwirft.[17]
2. Hauptteil
2.1 Inhaltsangaben
2.1.1 „Der große Diktator“
Entstanden ist der schwarz- weiß Film von und mit Charly Caplin (Hynkel/ der Friseur), Paulette Goddard (Hannah) und Jack Oakie (Napoloni) in den USA im Jahre 1940.[18]
Angaben zu den Besucherzahlen sind nur begrenzt zu geben: Für die USA können keine Angaben gemacht werden, allerdings rangiert der Film laut der Liste der 100 witzigsten amerikanischen Filme des „American Film Institute“ aus dem Jahr 2000 auf Rang 37, scheint sich also nach wie vor der Beliebtheit der Amerikaner zu erfreuen. In Frankreich und England sahen den Streifen bis 1945 8,27 beziehungsweise 9 Millionen Zuschauer.[19]
Auf den Sonderfall Deutschland soll zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen werden.
Es ist der erste Dialogfilm von Charly Chaplin, der hier eine Doppelrolle spielt: Neben dem jüdischen Friseur, dessen Name ungenannt bleibt, verkörpert er den Diktator Hynkel, der über das fiktive Territorium Tomania herrscht.
Zu Beginn des Filmes sehen wir den jüdischen Friseur 1918 im Kampf für Tomania, wobei er sein Gedächtnis verliert.
Einige Jahre nach Kriegsende hat Hynkel dann mit seiner antisemitischen Partei das Land unter Kontrolle.
Der Friseur, mittlerweile zurück in seinem Salon im jüdischen Ghetto ahnt nichts von den politischen Veränderungen in Tomania.
Doch das antisemitische Klima verschärft sich und der Friseur, der sich in der Zwischenzeit in das Mädchen Hannah verguckt hat, wird in ein Konzentrationslager deportiert.
Hynkel und der Herrscher von Bacteria, Napoloni, schmieden derweil beide Pläne, das gemeinsame Nachbarland Austerlich unter ihre Kontrolle zu bringen.
Dann kommt es zu einer diffusen Verwechslung: Der geflohene Friseur wird für Hynkel gehalten, letzterer wird von seinen eigenen Leuten festgenommen. Am Ende des Films hält der Friseur an Hynkels Platz eine bewegende Rede.[20]
2.1.2 „Mein Führer“
Im Jahr 2006, also 66 Jahre später dreht auch der jüdische Regisseur Dani Levy eine Komödie über Hitler. In den Hauptrollen agieren Helge Schneider (Hitler), Ulrich Mühe (Adolf Grünbaum), in einer Nebenrolle Katja Riemann (Eva Braun).[21] Er läuft seit dem 11. Januar 2007 in den deutschen Kinos, bis 31.März 2007 sahen ihn dort 789.521 Kinobesucher.[22]
Die Geschichte spielt im zerstörten Berlin Ende des Jahres 1944. Der Sieg ist in weite Ferne gerückt, der Führer depressiv und handlungsunfähig. Da kommt Goebbels auf eine wahnwitzige Idee: Er lässt den jüdischen Schauspiellehrer Adolf Grünbaum, später auch den Rest seiner Familie aus dem KZ Sachsenhausen holen. Er soll den Führer f]ür dessen bedeutende Neujahrsansprache wieder zu alter Form führen.
Seine Hoffnung ist es, Hitlers Hass auf Juden damit zu schüren, und ihm zu neuer Stärke zu verhelfen. Hitler bemerkt schnell: „Der Jud’ tut gut!“
Goebbels plant außerdem eine Attentat auf den gebrochenen Führer, dass Grünbaum angehängt werden soll.
Derweil kämpft dieser mit einer schwerwiegenden Entscheidung: Ist es seine Pflicht den Führer umzubringen? Was wird dann aus seiner Familie und den inhaftierten Juden in Sachsenhausen?
Er glaubt, seine Rolle ausnutzen zu können, und Goebbels dazu zu bringen, das Lager Sachsenhausen zu befreien. In dem Glauben so etwas bewirkt zu haben, lässt er Hitler am Leben. Als der Führer wegen Heiserkeit seine Rede nicht halten kann, spricht Grünbaum an dessen Stelle unter seinem Rednerpult. Dass er dessen Worte abwandelt, kostet ihn am Ende das Leben.[23]
2.2 Lachen über Hitler?
2.2.1 Vermittlungspotential des Genres „Komödie“
Geschichte, insbesondere die jüngste Geschichte, erlebt schon seit einigen Jahren einen regelrechten Boom in den audiovisuellen Medien. Sven Felix Kellerhoff verweist in diesem Zusammenhang auf diverse, jüngste Fernsehverfilmungen, wie zum Beispiel „Dresden“. Mit übermäßig hohen Einschaltquoten (bis zu 12 Millionen Zuschauer) erreichen sie ein großes Publikum.[24]
Auch Dokumentationen, wie die des umstrittenen Publizisten Guido Knopp sind beliebt.[25]
Hans Günter Hockerts bemerkt in Anlehnung an eine ZDF-Medienforschungsstudie jedoch, dass der Historiker selbst nur selten einen direkten Zugang zur Öffentlichkeit erhält. In Wissenschaftssendungen sei er ein eher ungern gesehener Gast. Der Zuschauer will scheinbar keine reinen Forschungsergebnisse, er verlangt emotionalisierte, personifizierte Geschichten, und dann auch mit historischem Hintergrund. Und Filme sollen in erster Linie unterhalten, nicht reine Information vermitteln.[26]
Und hier setzten die Vorbehalte von Seiten der Historiker an: Das bewegte Bild neigt oft zu einer starken Emotionalisierung des Zuschauers. Damit steigt auch das Täuschungspotential, eine falsche Authentizität kann geschaffen, das Gefühl des Dabei- Seins vermittelt werden. Hinzu kommt der Effekt der Personalisierung. Von Personen unabhängige Strukturen und Prozesse bleiben so verborgen.[27]
Doch die Wirkung von Filmen auf das kollektive Gedächtnis ist aufgrund ihrer Beliebtheit nicht zu unterschätzen. Der Begriff Gedächtnis wird hier im Sinne von Aleida Assmann verwendet: Das Gedächtnis vereint das Erlernte mit den persönlichen Erinnerungen.[28]
2.2.2 Das Komische und das Lachen
Die Komödie verfolgt ein klar definiertes Ziel: Das Publikum zum Lachen zu bringen.
Helmuth Plessner schreibt über „das Komische“: „In den abwandlungsreichen Formen der komischen Erscheinung, des komischen Aussehens und Benehmens, komischer Dinge und Bewegungen, der Situations-, Wort- und Charakterkomik, im täglichen Leben und in der Kunst begegnet es und übt, je nach unser Empfänglichkeit dafür, seinen Zwang auf uns aus.“[29]
Mit Zwang ist hier das Lachen gemeint. Entscheidend sind jedoch die Worte, „je nach Empfänglichkeit“. Denn Lachen ist nicht bloß ein Reflex, es ist durchaus kontrollierbar, -es ist zudem im Gegensatz zur Komik von den sozialen Normen einer Gesellschaft gesteuert. Es kann eine „Reaktion gegen das Bedrängende des komischen Konflikts“ [30] darstellen.
So steht der Mensch laut Plessner in einem Widerspruch zwischen Lachen und Ernsthaftigkeit, den er nicht überwinden kann.[31]
Dieser Widerspruch sieht wie folgt aus: Plessner unterscheidet zwischen dem Lebendigen (der Norm entsprechend) und dem Mechanischen (der Störung entsprechend). Der Verstoß gegen die Norm („das Geschmacklose, Falsche, Häßliche, Schlechte“) kann nur dann erheitern, wenn er gelähmt wird. Überzeugen muss am Ende die Norm.[32] Diese normative Regulierung, 1950 von Plessner diagnostiziert, ist nach wie vor aktuell. Wir finden sie 2004 bei Uwe Schimank wieder.[33]
Doch welche Formen des Lachens gibt es? Und wer lacht wann?
Es sollen zunächst zwei unterschiedliche Formen von Lachen als Reaktion auf eine komische Situation, zum Beispiel eine Filmszene vorgestellt werden. Stellen wir uns zum Beispiel Helge Schneider als Hitler in „Mein Führer“ vor, wie er feststellt „Der Jud’ tut gut!“, so kann man im Kinosaal beobachten, dass diese Aussage beim Publikum ein bitteres Lachen auslöst, ein Lachen, dass auf ihrem Wissen über den historischen Hintergrund basiert und vielmehr noch auf ihrem Bild vom Schicksal der Juden im Dritten Reich. Herzhaft ist das Lachen nicht, der Satz wird als makabre Aussage wahrgenommen.
Die Szene kann aber auch aus einem zweiten Grund zum Lachen bringen, meist bei einer anderen Gruppe von Zuschauern, nämlich der jüngeren, die in ihrer Lebensgeschichte keinen persönlichen Bezug mehr zum Zweiten Weltkrieg haben. Es handelt sich dann um Situationskomik, gelacht wird über die Parodie Hitlers, bekannt als comedy.[34]
Es gibt laut Christian Schneider also systematische Auslöser für ein Lachen, unter anderem „historische Bedingungen“.[35]
Für Freud ermöglicht der Witz die „Befriedigung eines Triebes (des lüsternen und feindseligen) gegen ein im Wege stehendes Hindernis und schöpft somit Lust aus einer durch das Hindernis unzugänglich gewordenen Lustquelle.“ [36] Wir lachen also, so Freud, weil uns ein Hemmnis erspart wird.
2.2.3 Die Wirkung des Witzes
Plessner bezeichnet den Witz in seiner Arbeit als einen „Ausweg in die Freiheit“, da er in seiner Ungehemmtheit Barrieren umgeht. Er macht „das Objekt unseres Hasses lächerlich.“[37]
Das ist die Art von Witz, mit der in Komödien über das Nazi-Regime gearbeitet wird. Ein bisher ungehemmter Trieb kann so befriedigt, Aggressionen abgebaut werden, so Plessner. Doch ist es in diesem Fall auch tatsächlich das Verlangen der Zuschauer zu lachen?[38]
Ein weiterer Faktor, der bei der Beantwortung eine Rolle spielt ist das Vorhandensein eines „unsichtbaren Dritten“(bei Freud ist dies der Vater, der über das Kind wacht), der jeden Witz zensiert. So wird der Witz gesellschaftsfähig: Ohne seine Akzeptanz können wir nicht lachen, denn Lachen bedeutet in der Folge immer auch Zustimmung. Und diese Zustimmung bedeutet Schuldgefühle hinter sich zu lassen.[39]
So werden wir beim Lachen spontan in unsere infantile Welt zurückgeschickt, und wir verweigern uns für einen Moment der Realität.[40]
Diese Form von Vergangenheitsbewältigung ist in den Augen von Christian Schneider in erster Linie ein Privileg der dritten Nachkriegsgeneration.
Diese Entwicklung ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer Verharmlosung der Geschehnisse: Schneider spricht vielmehr von der Ablegung einer „Kontaktschuld“.[41]
Für die beiden Beispielfilme soll kurz auf das Konzept des „Schwarzen Humors“ eingegangen werden, das in beiden Werken Verwendung findet:
Er ist charakterisiert durch seine groteske, makabre und vor allem paradoxe Erscheinung, die als normal dargeboten und damit oft als verharmlosend empfunden wird. Die Komik liegt hier häufig in der subtilen Kritik des Gezeigten, und wird daher auch als „satirische Entlarvung“ bezeichnet.[42]
2.3 Entstehungsgeschichte der Filme
2.3.1 1940- zu Hitlers Lebzeiten
Der Regisseur Alexander Korda wies Chaplin bereits 1937 auf die Ähnlichkeit von Hitlers Bart und dem des Tramps, den Chaplin in seinen Filmen verkörperte, hin.[43]
Zunächst lehnte Chaplin, der im gleichen Jahr geboren wurde wie Adolf Hitler, die Idee, den deutschen Diktator zu verkörpern, aber ab. [44]
[...]
[1] Benjamin, Walter, zit. nach Braese, Stephan: Das teure Experiment: Satire und NS-Faschismus. Opladen 1996, sh. Vorblatt.
[2] Korte, Sybille: Wenig Zustimmung, in: Berliner Zeitung vom 16.01.2007, S. 2.
[3] Mein Führer- Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler, Deutschland 2006, Regie: Dani Levy, Länge 95 min.
[4] The Great Dictator, USA 1940, Regie: Charlie Chaplin, Länge 124 min.
[5] Vgl. Fröhlich, Margit (u.a.) [Hrsg.]: Lachen über Hitler- Auschwitz Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, München 2005, S. 1.
[6] Riederer, Günter: Film und Geschichtswissenschaft- Zum aktuellen Verhältnis einer schwierigen Beziehung, in: Paul, Gerhard (Hrsg.): Visual History. Die Historiker und die Bilder. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S.97-113.
[7] Vgl. Riederer, Günter: Film und Geschichtswissenschaft-Zum aktuellen Verhältnis einer schwierigen Beziehung, in: Paul, Gerhard (Hrsg.): Visual History. Die Historiker und die Bilder. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 97f.
[8] Vgl. Riederer, in: Paul, 2006, S. 102.
[9] Vgl. Hughes- Warrington, Marnie: History Goes to the Movies. Studying history on film, London/New York 2007, S. 20.
[10] Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unterbewussten. . Leipzig (u.a.) 1989.
[11] Plessner, Helmuth: Lachen und Weinen. München 1950.
[12] McCabe, John: Charlie Chaplin, London 1992.
[13] Schnelle, Frank: Der große Diktator, Stuttgart 1994.
[14] Chaplin, Charles: Die Geschichte meines Lebens (1964), Frankfurt a. M. 1980.
[15] http://www.zeitgeschichte-online.de/site/40208616/default.aspx, Zugriff vom 11.06.07.
[16] Faulstich, Werner: Grundkurs Filmanalyse, München 2002.
[17] Vgl. Fröhlich, Margit (u.a.) [Hrsg.]: Lachen über Hitler- Auschwitz Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, München 2005.
[18] Vgl. http://www.cine-holocaust.de, Zugriff vom 13.06.07.
[19] Vgl. http://www.insidekino.de/DJahr/FAlltime100.htm), Zugriff vom 22.05.07.
[20] Vgl. Glasenapp, Jörn: Der große Diktator, in: Koebner, Thomas: Filmgenres: Komödie, Stuttgart 2005, S. 187f.
[21] Vgl. http://www.x-filme.de/html/neu_meinfuehrer.htm, Zugriff vom 22.05.07.
[22] Vgl. http://www.ffa.de/index.php?page=filmhitlisten, Zugriff vom 22.05.07.
[23] Vgl. http://www.meinfuehrer-derfilm.de/, Zugriff vom 10.06.07.
[24] Vgl. Kellerhoff, Sven Felix: Zwischen Vermittlung und Vereinfachung: Der Zeithistoriker und die Medien, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG) 54 (2006), 12, S. 1083.
[25] Vgl. ebenda, S. 1085.
[26] Vgl. Fröhlich/Loewy/Steinert: Lachen darf man nicht, Lachen muss man. Zur Einleitung, in: Fröhlich, Margit (u.a.) [Hrsg.]: Lachen über Hitler- Auschwitz Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, München 2005, S. 16.
[27] Vgl. Hockerts, Hans Günter: Zugänge zur Zeitgeschichte: Primärerfahrung, Erinnerungskultur, Geschichtswissenschaft, http://www.bpb.de/publikationen/JSE0YE,5,0,Zug%E4nge_zur_Zeitgeschichte%3A_Prim%E4 rerfahrung_Erinnerungskultur_Geschichtswissenschaft.html#art5, Zugriff vom 11.06.07.
[28] Vgl. Assmann, Aleida: Gedächtnis, Erinnerung, in: Bergmann, Klaus (u. a.) [Hrsg.]: Handbuch der Geschichtsdidaktik, Seelze-Velber 1997, S. 33.
[29] Plessner, Helmuth: Lachen und Weinen. München 1950, S. 106.
[30] Plessner, 1950, S. 117.
[31] Vgl. ebenda, S. 117.
[32] Vgl. ebenda, S. 118.
[33] Vgl. Schimank, Uwe: Handeln und Strukturen. Einführung in die akteurtheoretische Soziologie, Müchen und Weinheim 2000, S. 43f.
[34] Vgl. Schneider, Christian: Wer lacht wann?, in: Fröhlich, Margit (u.a.) [Hrsg.]: Lachen über Hitler- Auschwitz Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, München 2005, S. 135.
[35] Vgl. ebenda, S. 136.
[36] Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten., in: ders.: Psychologische Schriften, Frankfurt a. M. (1997) 1970 (Studienausgabe Bd. IV), S. 96. 1989.
[37] Zit. nach Schneider, in: Fröhlich, 2005, S. 137.
[38] Vgl. ebenda, S. 137.
[39] Vgl. ebenda, S. 139.
[40] Vgl. Lindner, Burkhardt: Die Spuren von Auschwitz in der Maske des Komischen. Chaplins The Great Dictator und Monsieur Verdoux heute, in: Fröhlich, Margit (u.a.) [Hrsg.]: Lachen über Hitler- Auschwitz Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, München 2005, S. 85.
[41] Vgl. Schneider, Christian: Wer lacht wann?, in: Fröhlich, Margit (u.a.) [Hrsg.]: Lachen über Hitler- Auschwitz Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, München 2005, S. 145.
[42] Vgl. Schweikle, Günther (u.a.) [Hrsg.]: Metzler- Literatur- Lexikon. Begriffe und Definitionen, Artikel „Schwarzer Humor“, Stuttgart 1990, S. 420.
[43] Vgl. Strobel, Ricarda: Filme gegen Hitler: Der große Diktator, in: Faulstich/Korte (Hrsg.): Fischer Filmgeschichte Bd. 2, Frankfurt a. M. 1991, S. 246.
[44] Vgl. Chaplin, Charles: Die Geschichte meines Lebens (1964), Frankfurt a. M. 1980, S. 365.
- Quote paper
- Julia Ossenbruegge (Author), 2007, Hitler als Witzfigur - Komödiantische Darstellungen von Nationalsozialismus und Holocaust im Film, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140429
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