Die vorliegende Arbeit hat sich eines zum Ziel gesetzt: Sie möchte anhand zentraler Schlüsselbegriffe wie „Vernunft“ und „Mythos“ systematisch an das komplexe und schwierige Denken Horkheimers und Adornos heranführen, um anschließend mit der Beschreibung der „Dialektik der Aufklärung“ und der „kritischen Theorie“ in das Denken und zugleich in die essentiellen Arbeiten der beiden einzuführen. Hier werden zentrale Begriffe und Sachverhalte in einen sinnvollen, systemischen Zusammenhang gestellt und Interdependenzen, Reziprozitäten, Paradoxien etc. verhandelt. In Bezug auf die soziologisch-philosophischen Anteile der hier verhandelten Arbeiten von Horkheimer und Adorno ist diese Arbeit protreptisch als auch propädeutischen Charakters und soll in der die Arbeit schließenden Reflexion das Denken der beiden retrospektiv kritisch beleuchten.
Inhaltsverzeichnis
1. Der Begriff der Vernunft bei Horkheimer und Adorno
1.1. Vernunftauffassung bei Horkheimer und Adorno
1.2. Instrumentelle Vernunft
1.3. Sympathetische Vernunft
1.4. Die Funktion der Vernunft
1.4.1. Bestimmte Negation
1.5. Nachteile fortschreitender Rationalisierung
2. Begriff des Mythos bei Horkheimer und Adorno
3. Dialektik der Aufklärung
3.1. Der Begriff der Aufklärung
3.2. Die Forderung der Dialektik der Aufklärung
3.3. Ziel der Dialektik der Aufklärung
4. Kritische Theorie
4.1. Gegenstand der kritischen Theorie
4.2. These der kritischen Theorie
4.3. Methode der kritischen Theorie
4.4. Erkenntnis der kritischen Theorie
4.5. Kritik an der kritischen Theorie
5. Reflexion
6. Literaturverzeichnis:
Die vorliegende Arbeit hat sich eines zum Ziel gesetzt: Sie möchte anhand zentraler Schlüsselbegriffe wie „Vernunft“ und „Mythos“ systematisch an das komplexe und schwierige Denken Horkheimers und Adornos heranführen, um anschließend mit der Beschreibung der „Dialektik der Aufklärung“ und der „kritischen Theorie“ in das Denken und zugleich in die essentiellen Arbeiten der beiden einzuführen. Hier werden zentrale Begriffe und Sachverhalte in einen sinnvollen, systemischen Zusammenhang gestellt und Interdependenzen, Reziprozitäten, Paradoxien etc. verhandelt. In Bezug auf die soziologisch-philosophischen Anteile der hier verhandelten Arbeiten von Horkheimer und Adorno ist diese Arbeit protreptisch als auch propädeutischen Charakters und soll in der die Arbeit schließenden Reflexion das Denken der beiden retrospektiv kritisch beleuchten.
1. Der Begriff der Vernunft bei Horkheimer und Adorno
Folgt man der landläufigen Auffassung von Vernunft, so versteht man unter dieser ein Vermögen, das Menschen dazu ermächtigt, Gründe anzugeben. Kraft der Vernunft unterscheiden wir richtig und falsch. Das „Geschäft“ der Vernunft ist somit die Kritik[1], da diese konträr zum Verstand den Zweifel voraussetzt[2]. Vernunft löst keine Instinkte ab, kann diese aber steuern. Die Funktion der Vernunft ist die Anleitung des Verstandes dazu, aus seinen Erkenntnissen ein System zu machen.[3]
Setzt man sich mit Horkheimers und Adornos Denken auseinander, so ist es unumgänglich, deren Begriff von Vernunft zu verstehen, weil dies einer der zentralen Begrifflichkeiten in den Arbeiten von Horkheimer und Adorno ist und somit als konstituierendes Element im Denken der beiden von diesen vorausgesetzt wird.
1.1. Vernunftauffassung bei Horkheimer und Adorno
Horkheimer und Adorno kritisieren an der gängigen Auffassung von Vernunft den auf das positiv Erfassbare, reduzierten Begriff von Vernunft. Das vernunftkritische Konzept untersucht grundsätzlich das Naturverhältnis der Menschen, d.h. deren Verhältnis zur äußeren wie zur inneren Natur, also zu sich selbst.
Das gängige Vernunftverständnis impliziert, dass wesentliche Bereiche der inneren und äußeren Natur ausgeklammert werden. Diese werden dann in utilitaristischer Tradition in einen funktionellen Zusammenhang gestellt. Dem dies alles unterworfenen Nützlichkeitsgedanken eröffnen sich auf diese Art sehr gute Chancen, einen hohen – wenn nicht sogar obersten – Platz im Wertegeflecht einer Gesellschaft einzunehmen. Diese funktionalistische, beherrschende Vernunft läuft Gefahr, sich letztlich in einer umfassenden Machtstrategie auflösen, da die zum instrumentellen degradierten Anteile der Vernunft die moralisch-imperativen dominieren und verdrängen.
Horkheimers und Adornos Vernunftkritik versucht die emanzipatorischen Anteile der Vernunft und die der Aufklärung wieder freizulegen. Sie sehen verschiedene Facetten der Vernunft, sowohl die auf das Formale reduzierten als auch die moralischen, ästhetischen und sozialen (hier liegen die Ansätze zur Konzeption einer sympathetischen Vernunft).
Horkheimer und Adorno betrachten das Physiologische als einen Aspekt innerer und äußerer Natur und die Phänomene, die mit ihm zusammenhängen (z.B. Sinne, Emotionen, Affekte), als eine Komponente im dialektischen Kontext mit einem zweiten – der Vernunft.[4]
1.2. Instrumentelle Vernunft
Horkheimer und Adorno kritisieren eine bestimmte, partielle Form von Vernunft, nämlich die auf ihre instrumentellen Gehalte verkürzte Vernunft, da diese sich als kalkulierender Verstand zur generellen, alle möglichen anderen Vernunftgehalte „unterjochenden“[5] Instanz präsentiert.[6]
Der Auffassung von Horkheimer und Adorno nach, stellt die instrumentelle Vernunft die innere und äußere Natur sich selbst als Ursache von Angst und Verunsicherung gegenüber, die aufgrund dessen unterworfen und kontrolliert werden muss. Diese instrumentelle (subjektive) Vernunft regrediert zu einem Werkzeug für Zwecke, über die sie selbst nicht mehr autonom urteilen kann.
Das Bedürfnis der (rationalen) instrumentellen Vernunft, die (irrationale) Natur zu beherrschen, verdrängt schließlich dasjenige, sie zu erkennen. Jedoch ist die instrumentelle Vernunft seit jeher untrennbar mit dem Bedürfnis nach Erkenntnis verbunden und somit diskreditiert sie sich mit der Verdrängung ihres Bedürfnisses nach Naturerkenntnis selbst.
Instrumentelle Vernunft ist weiter das probate Mittel, um Herrschaft über Menschen und die Natur auszuüben. An dieser Stelle wird deutlich, dass die instrumentelle Vernunft historisch exklusiven (gruppen-)egoistischen Zwecken zugeführt wurde. Das Wohl Aller hat sie dabei aus den Augen verloren und daher auch Horkheimers und Adornos These, dass bei allen speziellen technischen Novitäten und aller wissenschaftlicher Rationalität unsere Gesellschaft als Ganze irrational zu qualifizieren ist.
1.3. Sympathetische Vernunft
Das Konzept der von Horkheimer und Adorno postulierten, sympathetischen Vernunft charakterisiert sich durch drei zentrale Begriffe: Mimesis, Philosophie des Objekts und Nichtidentisches. Durch das Mimetische sollen die Fehlentwicklungen der instrumentellen Vernunft korrigiert und aufgehoben werden. Horkheimer und Adorno sehen das Mimetische ursprüngliche in der Magie angelegt, die der bereits aufklärerisch-vernünftigen Welterfassung durch den Mythos vorangegangen war. In der Magie wurde eine umgekehrte Anpassung zu derjenigen vollzogen, die der Geist der Aufklärung praktiziert: Es werden keine Phänomene und die Vielzahl ihrer Qualitäten per Vereinheitlichung dem Geist angeglichen, sondern der Geist ahmt deren Vielzahl nach.[7] Mit der Angleichung des Geistes an die Objekte ist der zweite Schlüsselbegriff der sympathetischen Vernunft beschrieben, namentlich die Philosophie des Objekts. Als vorteilhaft an diesem Aspekt hervorzuheben ist das Moment der Reaktion der Vernunft auf die Natur – konträr zur Aktion gegen die Natur -, also die Mimesis. Im Denken von Horkheimer und Adorno bedeutet dies eine Rückführung zum Naturzustand, ergo des Menschen zu sich selbst.
Der letzte zentrale Begriff ist der des Nichtidentischen, welcher die Eigenheiten, die Autonomie und die Unversehrtheit des Objekts gerade im begrifflichen Erfassen bewahrt, wohingegen das herkömmliche instrumentelle Denken im subsumierenden Identifizieren des Objekts besteht. Die „Konstellation der Begriffe[…]“ um den zu erkennenden Gegenstand herum bildet einen weiteren zentralen Begriff der sympathetischen Vernunft, in dem sich keine Deckungsgleichheit, wohl aber die „[…]Annäherung von cogitatio und cogitatum[…]“ vollzieht.[8] Konstellation der Begriffe bedeutet, dass die in Konstellation um die Sache versammelten Begriffe ihren Stellenwert nicht von sich aus besitzen, sondern nur über die Formation, die sie gemeinsam bilden, wodurch das beherrschende Ausufern der Begrifflichkeit und somit der Subjektivität auf das Objekt gebrochen wird.[9]
1.4. Die Funktion der Vernunft
Schnädelbach hat in Anlehnung an Kant eine treffende Beschreibung der Funktion von Vernunft gegeben und sei deswegen hier angeführt:
„[…]ist der Selbstbezug der Vernunft nicht nur die Grundlage der Systematisierung der Verstandesleistungen, sondern auch die ihrer Kritik. Kritik des Verstandes, d.h. Bestimmung der Grenzen seiner Leistungsfähigkeit, ist in Wahrheit Selbstkritik der Vernunft, wie sie der berühmte Doppelsinn des Titels >Kritik der reinen Vernunft< anzeigt: So ist […] bei Kant Kritikfähigkeit ein Wesensmerkmal der sich selbst begreifenden Vernunft[…].“[10] Kritik ist somit auch Aufgabe der Gesellschaft, wenn diese Aufklärung als Projekt versteht, also als Zielvorstellung eines sowohl individuellen wie gesellschaftlichen Vorhabens, den „[…]Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit[…]“[11] zu befreien. Dies erfordert weiter die Freiheit „[…]von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen.“[12]. Kritisches Denken in diesem Sinne zielt darauf ab, die Verflechtungszusammenhänge von Vernunft und gesamtgesellschaftlichem Reproduktionsprozess zu begreifen. Der methodische und der inhaltliche Aspekt gehen ineinander über. Horkheimer und Adorno kritisierten an der Gesellschaft nicht nur die verdinglichten Menschen, sondern auch, dass die Dinge (Objekte) ihres genuinen Daseinsrechts – für ein Anderes zu sein – beraubt wurden. Der objektive Anspruch des Subjekts auf ein vernünftig eingerichtetes Ganzes von Gesellschaft und Natur wird von der Unvernunft der Gesellschaft ad absurdum geführt. Hier stößt man auf ein zentrales Motiv im Denken Horkheimers und Adornos: Wenn überhaupt, dann ist das Bessere nur als Negation des bestehenden Negativen zu haben. Die theoretische und praktische Disposition, die man als Negativismus bezeichnen darf, hat ihre Funktion darin, sich in der Negation des Negativen dem Gegenstand begrifflich besser nähern zu können.
1.4.1. Bestimmte Negation
Die bestimmte Negation ist eine Grundkategorie Hegelscher Philosophie[13], deren Anspruch gerecht zu werden sich das Denken Horkheimers und Adornos verpflichtet hat.
Knapp sei der Gedankengang skizziert: Ein Gedanke soll immer bei sich selbst sein, d.h. der Gedanke sieht von seinem Gegenstand ab und ist somit allerdings zugleich negativ auf ihn bezogen. Die immanente Deduktion des Gegenstandes ist die bestimmte Negation. Der einzelne Begriff konstituiert sich durch die Negation, weil er sich als Einzelnes von der Totalität absetzt, der er als Moment angehört.[14] Er bezieht sich also negativ auf die Totalität und wird selbst wiederum negiert, wenn er sich als Teil des Ganzen begreift oder begriffen wird. Die Negation der Negation wird zur Dynamik des Ganges eines Gedanken, also zu etwas Positivem. Weil in der Negation der Negation sich die bestimmte Negation selbst aufhebt, ist „[…]diese […] an sich auf sich selbst, die Affirmation.“[15]
Die Vermittlung von Allgemeinen und Besonderem ist eine spezifische Gestalt der bestimmten Negation. Jedoch wird dabei vorausgesetzt, dass das, was Prinzip des Denkens ist, auch Prinzip des Seins sei.[16]
1.5. Nachteile fortschreitender Rationalisierung
Wie in 1.1. dargelegt, wird sich eine fortschreitende Rationalisierung durch utilitaristische Devianzen in einer Machtstrategie auflösen. Horkheimer und Adorno wiesen unerbittlich auf die Konsequenzen hin, die sich aus der von Kant begründeten, fortschreitenden Formalisierung von Vernunft ergaben, die zu ziehen Kant und andere Moralphilosophen nicht bereit waren. Durch ihre Formalisierung wurde Vernunft zu einem Werkzeug, das prinzipiell jedem Interesse und jedem Herrschaftsverhältnis zur Verfügung steht, das sich seiner bemächtigen kann, da die Reflexion der Gesamtverhältnisse, in denen die Formalisierung der Vernunft sich vollzieht, explizit ausgeklammert wird. Der Progress des Wissens realisiert sich methodisch in der unnachgiebigen Verfolgung des Prinzips der Rationalität in Form des mathematischen Formalismus als aller Vernunft zugrundeliegender Wissenschaft und seines Mediums, der Zahl, die „[…]zum Kanon der Aufklärung[…]“ wurde.[17] Zahlen suggerieren Objektivität und diese vermittelt wiederum Sicherheit. Diese, scheinbar auf Objektivität gründende Sicherheit ist in den Augen der meisten Menschen praktische Rationalität – Horkheimer und Adorno betrachten dies jedoch als Teil des Verblendungszusammenhangs. Zahlen wurden so zu einem pragmatischen Bewertungskriterium der Gültigkeit von Aussagen und theoretischen Ansichten.
[...]
[1] Vgl. Steinvorth, 2002, S. 21.
[2] Vgl. ebd. S. 33.
[3] Vgl. Kant, KdrV B 692 – B 694.
[4] Vgl. Horkheimer / Adorno, 2008, S. 89.
[5] Vgl. Horkheimer / Adorno, 2008, S. 113.
[6] Vgl. Horkheimer / Adorno, 2008, S. 31 ff.
[7] Vgl. Horkheimer / Adorno, 2008, S. 16 f.
[8] Vgl. Würger-Donitza, 1996, S. 437.
[9] Vgl. Gripp, 1986, S. 129 f.
[10] Schnädelbach, 1985, S. 82.
[11] Vgl. Kant, 1784, A481.
[12] Vgl. Kant, 1784, A484.
[13] Kern von Hegels Negativitätstheorie ist der Gedanke, dass Krisen und Konflikte selbst die Fähigkeit provozieren, den ihnen zu Grunde liegenden Widerspruch zu erkennen. (Vgl. Wesche, 2009, S. 370)
[14] Vgl. Horkheimer / Adorno, 2008, S. 30.
[15] Vgl. Hegel, 1969, S. 160 f.
[16] Diese idealistische Erschleichung ist die Grundlage der unbegründeten These, dass das Denken das Sein bestimme.
[17] Horkheimer / Adorno, 2008, S. 13.
- Quote paper
- Marcus Gießmann (Author), 2009, Begrifflich-theoretische Protreptik und systemische Einführung in das Denken Horkheimers und Adornos anhand der Dialektik der Aufklärung sowie der kritischen Theorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140413
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