Sara ist vielen Menschen als die Frau Abrahams, dem „Vater vieler Völker“ ein Begriff. Abraham gilt, nicht nur im Christentum, sondern auch im Islam und Judentum als Glaubensvorbild. Sara ist somit die Frau eines „berühmten“ Mannes. Eines Mannes, der sich durch sein uneingeschränktes Vertrauen und seinem standhaften Glauben zu Gott auszeichnet.
Die Erzählung von Abraham und Sara ist in Gen 12- 23 überliefert.
In der Forschung werden Gen 12-50 in die folgenden vier Teile gegliedert: Den Abraham-Kreis, den Isaak-Kreis, den Jakob-Kreis und die Josefsgeschichte. Diese Terminologie zeige bereits auf, dass es sich um Männergeschichten handele. Betrachtet man die Kapitel jedoch genauer, so wird deutlich, dass in diesen Geschichten auch Frauen als tragende Figuren der Handlung auftauchen.
In dieser Arbeit soll zunächst unter Punkt 1 ein Überblick darüber gegeben werden, in welchen Kapiteln der Genesis Sara Erwähnung findet, um die Informationen, welche die biblischen Erzähler geben, zusammenzutragen. Es soll der Frage nachgegangen werden, wer Sara war.
Anschließend sollen im zweiten Block Gen 16, 18 und 21 genauer untersucht werden, um ihr Verhalten in diesen Kapiteln kritisch zu beleuchten und somit Rückschlüsse auf ihren Charakter zu ziehen.
Dieser Teil wurde dabei in zwei Abschnitte gegliedert: „Sara als kinderlose Frau“ und „Sara als Mutter“. Die Untersuchung von Gen 16 erfolgt im ersten Teil, die Analyse von Gen 18 und 21 finden sich im zweiten Teil.
Da es den Rahmen dieser Arbeit übersteigen würde, wurde die Untersuchung auf die genannten Kapitel beschränkt. Diese Kapitel eignen sich besonders zur Analyse der Person Saras, da sie in diesen Kapiteln als aktive Handlungsträgerin auftaucht.
Im Fazit werden die errungenen Erkenntnisse dargestellt, um ein abschließendes, zusammenfassendes Bild von Sara zu entwerfen.
Es ist anzumerken, dass in dieser Arbeit die Endgestalt der Abrahamerzählung interpretiert wird und nicht explizit auf die an manchen Stellen voneinander abweichenden Darstellungen Saras eingegangen wird, die sich daraus ergeben, dass es sich bei Gen 12-25 um eine literaturgeschichtlich komplizierten, über drei bis vier Jahrhunderte hin entstandene Komposition handelt. Das bedeutet, dass keine literarkritische oder entstehungsgeschichtliche Überlegungen gemacht werden, da dies den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen für die verwendeten Bibelübersetzungen
Einleitung
1 Wer war Sara?
2 Sara als kinderlose Frau
2.1 Warten auf den verheißenen Nachkommen
2.2 Ein Sohn von der Magd (Gen 16)
2.2.1 Übersetzung
2.2.2 Auslegung
2.2.2.1 Saras Eingreifen in den Plan Gottes?
2.2.2.2 Der Konflikt der Frauen
2.2.2.3 Kritische Betrachtung Saras Verhaltens und Abrahams Reaktion
3 Sara als Mutter
3.1 Das Lachen Saras (Gen 18,1- 15)
3.1.1 Übersetzung
3.1.2 Auslegung
3.2 Die Verstoßung Hagars und Ismaels durch Sara ( Gen 21,8-10)
3.2.1 Übersetzung
3.2.2 Auslegung
Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abkürzungen für die verwendeten Bibelübersetzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Sara ist vielen Menschen als die Frau Abrahams, dem „Vater vieler Völker“1 ein Begriff. Abraham gilt, nicht nur im Christentum, sondern auch im Islam und Judentum als Glaubensvorbild. Sara ist somit die Frau eines „berühmten“ Mannes. Eines Mannes, der sich durch sein uneingeschränktes Vertrauen und seinem standhaften Glauben zu Gott auszeichnet.
Die Erzählung von Abraham und Sara ist in Gen 12- 23 überliefert.
In der Forschung werden Gen 12-50 in die folgenden vier Teile gegliedert: Den Abraham- Kreis, den Isaak-Kreis, den Jakob-Kreis und die Josefsgeschichte. Diese Terminologie zeige bereits auf, dass es sich um Männergeschichten handele.2 Betrachtet man die Kapitel jedoch genauer, so wird deutlich, dass in diesen Geschichten auch Frauen als tragende Figuren der Handlung auftauchen.3 Dennoch werde der gesamte Textkomplex von Gen 12-36.38 in der Forschung unter der Bezeichnung „Väter“- oder „Patriarchen“-Erzählung geführt. Dies entspreche nicht dem Textbefund der Genesis, wohl aber den Vorstellungen jener, die die Bibel androzentrisch engführen und durch ihre Sprachwahl Leseleitlinien in die Texte eintragen, welche Frauen unsichtbar machen.4 Es wäre angemessener den angesprochenen Erzählkomplex als (Erz-)Eltern- Erzählungen zu bezeichnen.5
Vom Beginn der Abrahamserzählung bis Gen 17 gilt Gottes Verheißung, ein großes Volk aus Abraham zu machen, nur dem Erzvater. Es bleibt damit vorläufig offen, ob Sara an der Verheißung teilhaben wird. Doch in Gen 17,15 wird Sara in die Verheißung miteinbezogen. Sie soll den Sohn zur Welt bringen, der der Begründer eines großen Volkes sein werde.
In dieser Arbeit soll zunächst unter Punkt 1 ein Überblick darüber gegeben werden, in welchen Kapiteln der Genesis Sara Erwähnung findet, um die Informationen, welche die biblischen Erzähler geben, zusammenzutragen. Es soll der Frage nachgegangen werden, wer Sara war.
Anschließend sollen im zweiten Block Gen 16, 18 und 21 genauer untersucht werden, um ihr Verhalten in diesen Kapiteln kritisch zu beleuchten und somit Rückschlüsse auf ihren Charakter zu ziehen.
Dieser Teil wurde dabei in zwei Abschnitte gegliedert: „Sara als kinderlose Frau“ und „Sara als Mutter“. Die Untersuchung von Gen 16 erfolgt im ersten Teil, die Analyse von Gen 18 und 21 finden sich im zweiten Teil.
Da es den Rahmen dieser Arbeit übersteigen würde, wurde die Untersuchung auf die genannten Kapitel beschränkt. Diese Kapitel eignen sich besonders zur Analyse der Person Saras, da sie in diesen Kapiteln als aktive Handlungsträgerin auftaucht. Im Fazit werden die errungenen Erkenntnisse dargestellt, um ein abschließendes, zusammenfassendes Bild von Sara zu entwerfen.
Es ist anzumerken, dass in dieser Arbeit die Endgestalt6 der Abrahamerzählung interpretiert wird und nicht explizit auf die an manchen Stellen voneinander abweichenden Darstellungen Saras eingegangen wird, die sich daraus ergeben, dass es sich bei Gen 12-25 um eine literaturgeschichtlich komplizierten, über drei bis vier Jahrhunderte hin entstandene Komposition7 handelt. Das bedeutet, dass keine literarkritische oder entstehungsgeschichtliche Überlegungen gemacht werden, da dies den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. Es soll bei den behandelten Textstellen lediglich angemerkt werden, welche Verse sich der Schicht „P“8 zuordnen lassen, da nach neuere Forschung allein diese Schicht eindeutig zuzuweisen ist.
1 Wer war Sara?
Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, wer Sara im historisch christlichen Kontext war. Dafür wird dargestellt, wie und an welchen Stellen des Alten Testaments sie Erwähnung findet.
Der Name Sara bedeutet „Fürstin“ und kommt im Alten Testament 51mal vor, davon 50mal in Gen.9
In Gen 11,29 wird Sara (dort noch Sarai- die Namensänderung erfolgt in Gen 17,5 10 ) das erste Mal erwähnt: Sie ist die Frau Abrahams (dort noch Abram- seine Namensänderung erfolgt in Gen 17,5), der aus dem Geschlecht Terachs stammt und sie ist unfruchtbar, was direkt im nächsten Vers deutlich gemacht wird: „Aber Sarai war unfruchtbar und hatte kein Kind.“(Gen 11,30 L) Diese Erwähnung der Unfruchtbarkeit Saras wird durch die vorangegangene „Liste von Zeugungen“11 noch zusätzlich verstärkt. Auch die Zusatzinformation „sie hatte kein Kind“ soll die Unfruchtbarkeit noch weiter konkretisieren, bzw. darauf hinweisen, dass sie schon immer unfruchtbar war. Saras Unfruchtbarkeit ist ein Motiv, das die Erzählung bis zur Ankunft des verheißenen Sohnes wie ein roter Faden durchläuft. Man könnte dieses Leitmotiv demnach als ein vorbereitendes Motiv für das Hauptthema der Sohnesverheißung bezeichnen.12
Die Väter der Frauen von Abrahams Brüdern werden in Gen 11,29 namentlich genannt; über Saras Vater werden keine Informationen gegeben. Vermutlich geschieht diese Auslassung aus dramaturgischen Gründen, denn später wird Abraham von Sara sagen, dass sie seine Schwester vom gleichen Vater, jedoch nicht von der gleichen Mutter sei (Gen 20,12).13
Mit ihrem Mann zieht Sara zunächst von Ur bis Haran und dann nach der Berufung Abrahams in Gen 12,5 nach Kanaan. Sara ist zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt. Dieses Alter lässt sich anhand des Hinweises in Gen 12,4, dass Abraham 75 Jahre alt sei und aufgrund eines späteren Hinweises in Gen 17,17, dass Sara 10 Jahre jünger als Abraham sei, erschließen.
Die nächste Erwähnung findet Sara noch im selben Kapitel, als Sara und Abraham aufgrund einer Hungersnot im Land Kanaan nach Ägypten ziehen. In Vers 11 spricht Abraham zu Sara und fordert sie auf, sich vor den Ägyptern wegen ihrer Schönheit als Abrahams Schwester auszugeben.
Es ist möglich, dass Saras Bezeichnung als „Schwester“ von einem altorientalischen Rechtsbrauch hergeleitet werden kann. Dieser Rechtsbrauch gewährte einem Ehemann die Adoption seiner Frau als Schwester, um sie in den Status der Blutsverwandtschaft zu heben, um ihr einen bevorzugten Rechtsstatus zu verleihen. Man mutmaßt, dass dieser Brauch den Verfassern der Bibel nicht mehr geläufig gewesen sei, was zu der Erfindung, Sara sei seine Schwester vom gleichen Vater, aber nicht von der gleichen Mutter, geführt habe.14
Das Motiv der „Gefährdung der Ahnfrau“ tritt in Gen 12 zum ersten Mal auf. Sara scheint Abrahams Forderung nachzukommen, denn nach ihrer Ankunft wird Sara in das Haus des Pharao gebracht. Doch die Täuschung wird enthüllt: Das Haus des Pharao wird „um Sarais willen“ (Gen 12,17 E) von Gott durch Plagen heimgesucht. Der Pharao entlässt die Frau Abrahams daraufhin wieder. Abraham und Sara ziehen zurück in das Land Kanaan, das Gott15 ihnen gegeben hatte.
Gen 15 berichtet weiter von der Sohnesverheißung an Abraham durch Gott, womit Sara scheinbar indirekt Erwähnung findet. Doch der verheißene Sohn findet keine Erfüllung und so entscheidet sich Sara dafür, durch ihre Magd Hagar zu einem Sohn zu kommen. Saras Plan scheint zunächst zu funktionieren: Hagar wird von Abraham schwanger, doch ihr verändertes Verhalten16 gegenüber ihrer Herrin führt dazu, dass Sara ihre Magd wiederum schlecht behandelt, was Hagar in die Flucht treibt. In der Wüste spricht die Stimme Gottes zu dieser. Diese befiehlt ihr zurück zu ihrer Herrin zu kehren und ihre Demütigungen zu ertragen. Gott prophezeit ihr, dass er ihre Nachkommenschaft sehr zahlreich machen werde und fordert sie auf, den erwarteten Sohn, den sie bald gebären werde, Ismael zu nennen. Der Name Ismael bedeutet „Gott erhört dich“ und soll somit darauf hinweisen, dass Gott Hagars Elend erhörte und ihr in der Not half.
Das Kapitel 16 ist als retardierendes Moment17 zu bezeichnen: die Geburt Isaaks, der leiblicher Sohn der Erzeltern, wird noch einmal hinausgezögert, um die Spannung zu erhöhen.
Im weiteren Verlauf der Geschichte wird lediglich von der Geburt Ismaels berichtet. Der biblische Erzähler berichtet nicht weiter über Saras und Hagars Verhältnis. Die Frau Abrahams ist bei der Geburt Ismaels 76 Jahre alt. Seit Saras und Abrahams Ankunft in Kanaan sind demnach 11 Jahre vergangen, in denen Sara vergeblich auf einen leiblichen Sohn wartete.
Gen 17 handelt vom ewigen Bundesschluss zwischen Gott und Abraham, der Umbenennung der Erzeltern, der Verheißung Isaaks, der der leiblicher Sohn Abrahams und Saras sein wird, sowie der Aufforderung der Beschneidung, die als Zeichen des Bundes zwischen Gott und Abrahams Volk bei den Männern vollzogen werden soll.
Sara wird in Gen 17,15 direkt in die Verheißung miteinbezogen. Das äußere Symbol hierfür soll ihr neuer Name, der als „Völkerfürstin“ gedeutet wird18, sein. Obwohl die Völker schon eine Realität seien, so Spieckermann, werden sie nun allein mit Abraham und Sara in Verbindung gebracht. Jedes Volk dieser Welt habe seine Herkunft von diesen beiden.19
Zum Zeitpunkt der Verheißung des leiblichen Sohnes, der bereits in einem Jahr geboren werden soll, ist Sara bereits 90 Jahre alt.20
Genesis 18,1-15 berichtet dann vom Besuch Gottes in der Erscheinung dreier Männer im Haus Abrahams. Der Erzählabschnitt dient einerseits der Hervorhebung Abrahams Gastfreundschaft und Gutherzigkeit im Gegensatz zu den Bewohnern Sodoms (die Verse 16-33 handeln von Gottes Ankündigung des Untergangs von Sodom und Gomorra und Abrahams Fürbitte für das Volk) und andererseits um die Reaktion Saras auf die Verheißung Isaaks zu zeigen. Sara kann der Verheißung aufgrund ihres hohen Alter keinen, bzw. schwer Glauben schenken. Sie bekommt ihre Menstruation nicht mehr und Abraham und sie haben auch keinen Geschlechtsverkehr mehr. Deshalb lacht Sara als Reaktion auf die Verkündigung des leiblichen Sohnes. Als Gott das Lachen vernimmt, konfrontiert er Abraham mit Saras Reaktion und wirft ihr fehlendes Gottvertrauen vor.
Sara, die sich nun für ihre Einwände schämt, leugnet ihr Lachen. Doch Gott weiß um ihr Lachen und widerspricht Sara.
Das Motiv der „Gefährdung der Ahnfrau“ tritt in Gen 20 ein weiteres Mal auf, wodurch die Erfüllung der Verheißung erneut zur Disposition stehe21. Der Bericht scheint der Erzählung in Gen 12, als Sara und Abraham sich in Ägypten aufhalten, sehr ähnlich: ein weiteres Mal verweilen Sara und Abraham als Fremdlinge in einem anderen Land. Zum wiederholten Mal wird Sara als Schwester Abrahams ausgegeben (dieses Mal von Abraham selbst), wieder wird sie in das Haus einen Königs gebracht und erneut folgt eine Strafe Gottes22, die dazu führt, dass Sara abermals entlassen wird. Gott wird wieder als der Helfer dargestellt, der Abraham beisteht und somit der „Gefährdung der Ahnfrau“ entgegenwirkt23. Damit scheint die Funktion des Kapitels die Unterstreichung von Gottes Fürsorge für Abraham und Sara zu sein und nicht die, um den Unglauben Saras und Abrahams herauszustellen.24
Gen 21 berichtet von der langersehnten Geburt des leiblichen Sohnes der Erzeltern und bildet einen ersten Höhepunkt in der Gesamterzählung Abrahams und Saras. Als Isaak drei Jahre alt ist, wird ein sogenanntes Entwöhnungsfest gefeiert, bei welchem auch Abrahams erster Sohn Ismael teilnimmt. Scheinbar aus einem Affekt heraus fordert Sara von Abraham die Vertreibung Hagars und Ismaels. An dieser Stelle wird somit eine Parallele zu Gen 16 hergestellt: das Bild der „eifersüchtigen Ehefrau“ wird damit nochmals verdeutlicht.
In Kapitel 22, das die höchste Prüfung Abrahams, nämlich die Opferung seines Sohnes Isaaks, beinhaltet, findet Sara keine Erwähnung. Es wird nicht klar, ob Sara etwas von dieser Beinaheopferung wusste. Dieser Fall ist eher auszuschließen.25 Anschließend informiert Gen 23 über Saras Tod und ihr Begräbnis. Sara stirbt im Alter von 127 Jahren in Kirjat-Arba, also in Hebron, das im Land Kanaans ist. Dies wird ausdrücklich betont,26 um sie als Stammesmutter Israels und Ehefrau des Stammesvater Abrahams, der das Land Kanaan von Gott geschenkt bekam, auszuweisen. Die Altersangaben in der Genesis erscheinen ungewöhnlich, da sie für ein menschliches Leben unrealistisch sind und an einigen Stellen, wie z.B. bei Saras Begegnung mit dem Pharao27 und bei Isaaks Geburt, unglaubhaft. Küchler weist darauf hin, dass diese
Angaben nicht wörtlich verstanden werden dürfen.28 Einerseits soll mit den übertrieben Altersangaben der Wundercharakter der Erzählung betont werden. Zum anderen könnten sie auf eine in der Antike bekannte Zahlensymbolik, nach der jede Zahl philosophische oder kosmische Bedeutung hatten, zurückgehen.29
Es wird berichtet, dass Abraham ihren Tod beklagte und um sie weinte. Als er sich gefasst hat, bemüht er sich um eine ehrenvolle Grabstätte für sie: Abraham kauft dem Hetiter Efron die Höhle in Machpela, die in Kanaan ist, für 400 Lot Silber- was ein unangemessen hoher Preis ist- ab. Dies weist darauf hin, dass er die gegenüber seiner Frau empfundenen Liebe auch seinen Mitmenschen und der Nachwelt zeigen wollte. Es wird betont, dass Abraham kein Preis zu hoch ist, um seiner verstorbenen Frau eine gebührende Ruhestätte zu geben. Die Grabstätte, im Land Kanaan, soll auch symbolisch in die Zukunft weisen, dass sich die Verheißung auf Abrahams Besitz dieses Landes zu erfüllen scheint. Zumindest verwirklicht sie sich für den Moment für Abraham mit dem Besitz eines kleinen Grundstückes.30
Die Erzählung endet mit der Beisetzung Saras, wobei noch einmal der Ort des Begräbnisses betont wird: „Danach begrub Abraham Sara, seine Frau, in der Höhle des Ackers in Machpela östlich von Mamre, das ist Hebron, im Land Kanaan.“( Gen 23,19 L).
2 Sara als kinderlose Frau
Dieses Kapitel widmet sich Sara als kinderlose Frau. In einem ersten Teil soll kurz auf die Zeit vor Saras Entschluss durch ihre Magd zu einem Kind zu kommen, berichtet werden. Anschließend soll Gen 16 ausführlich analysiert werden.
2.1 Warten auf den verheißenen Nachkommen
In der Erzelternerzählung ist nichts davon geschrieben, inwiefern Sara ihre Kinderlosigkeit bedrückt. Dennoch kann man davon ausgehen, dass die Kinderlosigkeit eine schwerwiegende Belastung für Sara darstellte. Diesen Schluss kann man aus Saras verzweifeltem Versuch, durch ihre Magd Hagar zu Kindern zu kommen, ziehen.
Im Alten Testament gibt es zahlreiche Belege für die Bedrückungssituation, in der sich kinderlose Frauen befanden. Exemplarisch sollen kurz zwei aus der Genesis genannt werden: die Kinderlosigkeit Saras und die Kinderlosigkeit Rahels. Sara und Rahel versuchen sich aus ihrer auswegslosen und für sie nicht lebenswerten Situation selbst herauszuwinden, indem sie ihre Magd als Leihmutter heranziehen. Da man davon ausgehen kann, dass ein solcher Entschluss mit einer zusätzlichen Belastung für die unfruchtbaren Frauen einhergeht, ist zu vermuten, dass die Kinderlosigkeit eine noch schwerere emotionale Belastung darstellte. Es gilt zu untersuchen, warum die Frauen im Alten Israel ihre Identität derart von der Nachkommenschaft her bezogen, dass ein Leben ohne Kinder als nicht lebenswert angesehen werden konnte.31
Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich die Gesellschaft, in der die Frauen lebten, vergegenwärtigen: die Frauen des Alten Israels gehörten zur Gesellschaft des Alten Orients. Diese Kultur war eine patriarchalisch geprägte Gesellschaftsform, „deren Werte und Normen Männer festlegten [...]“32. Die Frauen im Alten Israel waren stark von ihren Männern abhängig, sie wurden über diese definiert. Bevor sie verheiratet waren, waren ihre Rechte über den Vater definiert, dann über den Mann und in dem Fall, das Vater und Mann verstorben waren, über ihren Bruder.
Trotzdem lässt sich im Ganzen kein unterschiedsloses Frauenbild festhalten, da sich z.B. Rechtstexte und Erzähltexte aus dem Alten Testament widersprechen.33 Abgesehen davon muss beachtet werden, dass die biblischen Texte lediglich von Männern verfasst worden sind, was wiederum bedeutet, dass diese auch nur aus deren Sicht beschrieben sind.34
Als Gott am sechsten Tag den Menschen schuf, segnete er sie und sagte zu ihnen: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde [...].“(Genesis 1,28 L). Schon im Schöpfungsbericht wird also deutlich, dass Fruchtbarkeit einen absolut positiven Wert darstellte.35 Sei es das fruchtbare Land, das fruchtbare Vieh oder der fruchtbare Mensch. Ein fruchtbarer Mensch trägt zum Erhalt seines Geschlechts bei und das fruchtbare Vieh und Land dienen dem Menschen zur Ernährung und gewährleisten damit die Mehrung der Menschen, so wie es Gott bei der Erschaffung der ersten Frau und des ersten Mannes gefordert hat. Nur durch die Fruchtbarkeit der Menschen konnte die Verheißung an die Erzeltern erfüllt werden, denn dadurch entstand das Volk Israel. Fruchtbarkeit von Vieh und Land ist in der Literatur Alt-Israels auch gleichbedeutend mit Reichtum36 und Wohlstand. Dies wiederum ermöglicht ein angenehmes Leben, was natürlich als positiv zu bewerten ist. Fruchtbarkeit war zur damaligen Zeit im Gegensatz zur heutigen Zeit durchweg positiv behaftet. Man versuchte sich nicht, wie heute, der Fruchtbarkeit zu entziehen. Eine fruchtbare Ehe stand unter dem Segen Gottes. Eine unfruchtbare Ehe wurde als Strafe Gottes verstanden.
Auch heute noch leiden Frauen und Männer darunter, wenn der Kinderwunsch lediglich ein Wunsch bleibt. Doch ist heute die Bedrückungssituation stark abgemildert, was sicherlich an den medizinischen Kenntnissen und Möglichkeiten liegt. Damals nahm man an, dass die Unfruchtbarkeit eher von der Frau ausging, was die Betroffenen in eine dramatische und kaum auszuhaltenden Situation brachte. Auch Sara und Rahel werden als Ursache der kinderlosen Ehe dargestellt. In der Literatur des Alten Testaments gibt es nur wenige Belege für die Unfruchtbarkeit von Männern.37 Unfruchtbarkeit wurde damals schon richtig als „Defekt“38 angesehen. Doch im Gegensatz zu heute verstand man den Defekt als Strafe Gottes, also als von Gott bewusst eingesetztes Mittel dem Menschen Leid zuzufügen.
Da der Glaube an ein Leben nach dem Tod in der Kultur Alt-Israels noch nicht vorhanden war, war es für die in der damaligen Zeit lebenden Menschen von noch größerer Wichtigkeit in ihren Nachkommen weiterzuleben. Außerdem sollte mit vielen Nachkommen das Fortleben des Stammes gesichert werden. Die Angst vor dem Aussterben des Geschlechts verschlimmerte die ohnehin diskriminierenden und emotional belastenden Umstände. Mit dieser Angst konfrontiert Abraham Gott in Genesis 15,2-3, wenn Abraham Gott prophezeit, dass er keine leiblichen Nachkommen haben wird und deswegen einer seiner Knechte sein Erbe sein wird. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet ist es logisch, dass Unfruchtbarkeit als negativ bewertet wird.
Fischer stellt fest, dass sich in der Literatur Alt-Israels ein sehr disparates Bild von der Stellung kinderloser Frauen ergebe. Unfruchtbare Frauen seien einerseits oft die besonders geliebten ihres Mannes, werden andererseits von der Männerwelt, sowie von patriarchalisch sozialisierten Frauen, diskriminiert und gedemütigt.39 Unfruchtbare Frauen standen unter einem so enormen gesellschaftlichen Druck, dass sie jegliche Mühe und jeden Versuch auf sich nahmen, zu Kindern zu kommen.40
Unfruchtbarkeit wird im Alten Testament als „erzählerisches Motiv“41 verwendet, was bei den Erzelternerzählungen der Fall ist. Die lange Phase des Ausbleibens der Nachkommen ist ein retardierendes Moment und dramatisiert so die Erzählung. Weiterhin dramatisiert wird die Situation dadurch, dass die zunächst unfruchtbaren Frauen Söhne gebären sollen, die zu etwas Besonderem und Wichtigem berufen sind.42 Der Sohn Saras und Abrahams gehört auch zu diesen berufenen Söhnen, denn er soll der Begründer des Volkes Israels werden.
[...]
1 Spieckermann, S. 8.
2 Fischer, Kompendium, S. 12.
3 Ebd.
4 Ebd.
5 Vgl. ebd.
6 Damit ist die uns heute vorliegende Fassung der Abrahamserzählung, die sich in der Bibel befindet, gemeint.
7 Spieckermann, S. 11.
8 Priesterschrift.
9 RGG, Spalte 836.
10 Im Folgenden werden der Einfachheit halber bereits die Namen „Sara“ und „Abraham“ verwendet.
11 Mieke Bal: Und Sara lachte, S. 33. Gemeint ist das Geschlechtsregister von Sem bis Abram und Terachs Geschlecht in Gen 11,10a-27.
12 RGG, Spalte 836.
13 Küchler, S. 15.
14 Küchler, S. 8.
15 In der Genesis tauchen verschiedene Gottesbezeichnungen auf, was sich darauf zurückführen lässt, dass der uns heutige vorliegende Textkomplex von verschiedenen Verfasser stammt. In dieser Arbeit wird trotz der verschiedenen Bezeichnungen im Urtext ausschließlich der Begriff „Gott“ verwendet.
16 Bei der Auslegung von Gen 16 wird näher darauf eingegangen.
17 Vgl. Küchler, S. 128.
18 Spieckermann, S. 18.
19 Ebd.
20 Zu Saras Alter siehe Seite 8.
21 Spieckermann, S. 19.
22 Jeder Mutterschoß im Haus Abimelech wird verschlossen.
23 Küchler, S. 78.
24 Ebd., S. 82.
25 Ebd., S. 106.
26 Ebd.
27 In Gen 12,14-15 wird Saras Schönheit betont. Es scheint, als werde sie wegen ihrer Schönheit von den Ägyptern begehrt. Dies ist aufgrund ihres Alters, sie müsste über 65 Jahre alt sein, unglaubhaft.
28 Ebd., S. 85.
29 Küchler, S. 85.
30 Ebd., S. 106.
31 Fischer, Kinder, S. 116.
32 Ebd.
33 Ebd.
34 Ebd.
35 Ebd., S. 117.
36 Fischer, Kinder, S 117.
37 Z.B. Gen 20,17.Hier ist Abimelek in die Unfruchtbarkeit miteinbezogen. Außerdem erfährt man an folgenden Stellen des Alten Testaments indirekt von der Sterilität von Männern: Gen 38 (Rut und Tamar werden als kinderlose Witwen von einem anderen Mann später doch noch schwanger.; ebenso eine Frau in 1Samuel 25 und die Frau aus Schunem in 2Könige 4,14. (vgl. Fischer, Kinder, S. 118.).
38 Fischer, Kinder, S. 120.
39 Ebd., S. 124.
40 Vgl. Fischer, Kinder, S. 124.
41 Ebd.
42 Ebd.
- Quote paper
- Shirin Tahmasebi (Author), 2009, Sara in der Väterüberlieferung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139953
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