Bericht zu meinem 2-wöchigen Orientierungspraktikum als Lehramtsstudierender an einer Grundschule in Baden-Württemberg.
Der Bericht gliedert sich in drei Teile. Im ersten Abschnitt wird das Tätigkeitsfeld einer Lehrkraft beschrieben, der zweite Abschnitt handelt von Schülern, die hinsichtlich ihres Arbeits-, Lern- und Sozialverhaltens beobachtet wurden und der dritte Teil enthält eine Reflexion zur eigenen Berufsentscheidung.
Ich habe mich bewusst dafür entschieden, das Orientierungspraktikum an einer Grundschule abzuleisten, obwohl ich das Studium auf Realschullehramt absolviere. Zwei Gründe waren bei dieser Entscheidung von besonderer Relevanz. Zum einen die Tatsache, dass es als angehender Lehrer der Sekundarstufe durchaus hilfreich sein kann, zumindest für eine kurze Zeit lang den Alltag in der Primarstufe aus der Sicht eines Lehrkörpers miterlebt zu haben, da die Sekundarstufe bekanntlich auf der Primarstufe aufbaut und man daher gewisse Kenntnisse vom Lehren und Lernen in dieser haben sollte. Zum anderen aber auch, um gewisse Differenzen wahrzunehmen und Vergleiche zwischen Grundschule und Realschule anstellen zu können. Dies wäre ohne einen Einblick in den Schulalltag eines Grundschullehrers wohl nicht möglich.
Nun aber zum eigentlichen Bericht, welchen ich wie bereits oben erwähnt mit der ausführlichen Beschreibung des Tätigkeitsfeldes einer Lehrkraft beginnen möchte.
Diese sehr zahlreichen und auch äußerst unterschiedlichen Tätigkeiten lassen sich zunächst grob in drei Kategorien unterteilen. Dabei nimmt die Kategorie der eigentlichen Lehrtätigkeit mit 34 von 47 Arbeitsstunden wöchentlich[1] klar die meiste Zeit in Anspruch. In diese Kategorie fällt selbstverständlich das Unterrichten selbst. Ein voller Lehrauftrag an einer Grundschule beinhaltet 28 Schulstunden (jeweils 45 min), was 21 vollen Stunden entspricht. In diesen 28 Schulstunden hat der Klassenlehrer einer ersten Klasse im Rahmen des vernetzten Unterrichts (VU) zumeist die Fächer Deutsch (D) und Mathematik (M) sowie den montäglichen Morgenkreis (MK) zu unterrichten. Die Nebenfächer Bildende Kunst (BK), Musik, Religion und Sport werden gegebenenfalls von Fachlehrern unterrichtet.
Die Vor- und Nachbereitung der Unterrichtseinheiten nimmt mit gut einem Sechstel (acht Stunden) des gesamten Arbeitsaufwandes pro Woche (47 Stunden) einen nicht unerheblichen Stellenwert ein. Zu Beginn eines Schuljahres beansprucht gerade dieser Aspekt noch mehr Zeit. Die Vorbereitung der Unterrichtsstunden ist hierbei zeitaufwändiger.
Überdies hat die Lehrkraft ständig Korrekturen von Schülerleistungen vorzunehmen. Dabei ist nicht ausschließlich an das Korrigieren von Klassenarbeiten oder Tests zu denken, sondern auch an Hausaufgabenkorrekturen oder Ähnlichem, was vor allem in den unteren Klassenstufen immens wichtig ist, um etwaige Defizite frühzeitig zu erkennen.
Zu guter letzt sollte man bedenken, dass auch hin und wieder mal Lehrerkollegen zu vertreten sind, was bei schweren Krankheiten nicht selten mehrere Wochen an Mehraufwand bedeuten kann. Hierbei fällt wiederum nicht ausschließlich der Unterricht an, sondern eben auch erneut die damit verbundene Vor- sowie Nachbereitung der Einheiten. Zusammen mit oftmals existierenden Arbeitsgemeinschaften (AGs), welche häufig in den Fächern Musik und Sport angeboten werden, beläuft sich das auf durchschnittlich zwei Stunden pro Woche.
In die zweite Kategorie, welche circa acht Stunden an wöchentlichem Arbeitsaufwand enthält, fallen vor allem Gespräche mit den Eltern. Diese können telefonischer Art sein, sehr häufig ist es jedoch auch der Fall, dass Eltern persönlich mit dem Lehrer über ihr Kind zu reden suchen.
Des Weiteren stehen pro Schuljahr im Normalfall zwei Elternabende an. Hinzu kommt ein Elternsprechtag nach der Hälfte des Schuljahres, bei welchem die Lehrer den Eltern ein Feedback über das Lern- und Sozialverhalten ihres Kindes geben.
Nicht zu vergessen Gespräche mit den Hauptakteuren der Institution Schule, den Schülern. Diese kommen sehr oft auf die Lehrperson zu, meistens aufgrund von kleineren Auseinandersetzungen mit Mitschülern, in seltenen Fällen aber auch, um über Probleme schwerwiegenderer Art zu reden. In manchen Fällen ist gar eine gemeinsame Konversation mit Eltern und Schüler unabdingbar, vor allem bei Schülern mit schlechten Noten oder mangelhaftem Sozialverhalten.
Einen letzten Gesichtspunkt dieser zweiten Kategorie stellen die Lehrerkonferenzen dar, welche in regelmäßigem Abstand zu den unterschiedlichsten Anlässen vonnöten sind. Dabei kann es sich beispielsweise um die Abstimmung von Unterrichtsstoff, aber auch um Zeugniskonferenzen handeln.
Die dritte Kategorie der Tätigkeiten einer Lehrkraft, welche mit fünf Stunden wöchentlichem Arbeitsaufwand am wenigsten Zeit in Anspruch nimmt, beinhaltet relativ unregelmäßige, allgemeine Arbeiten. Hierunter fallen zum Beispiel Aufsichtspflichten, wie etwa die Bus- oder Pausenaufsicht und der Schließdienst.
Schlichte Verwaltungsarbeiten sind ebenso Teil eines Lehreralltags. Dazu zählen organisatorische Dinge wie die Vorbereitung eines Lernganges – besser bekannt unter dem Begriff Ausflug - oder das Schreiben von Zeugnissen, jedoch auch formale Angelegenheiten wie beispielsweise Genehmigungsanträge für die verschiedensten Anlässe.
Außerdem sind immer wieder Lerngänge mit den Schülern zu veranstalten. So muss das Verkehrsverhalten geübt und das Schulgelände erkundet werden. Ebenso kommt es zu themenbegleitenden Erkundungen, wie dies beispielsweise bei einem Besuch auf einem Obstbauernhof ist, wenn im Unterricht ausführlich der Apfel behandelt wird.
Letzten Endes sollte bedacht werden, dass einige Unterrichtsmaterialien vom Lehrkörper selbst zu besorgen sind. Aus diesem Grund fallen wöchentlich auch ungefähr 30 Minuten für diese Arbeiten an.
Der zweite Teil des Berichts befasst sich mit dem Arbeits-, Lern- und Sozialverhalten einer Schülerin und eines Schülers. Diese wurden im Unterricht explizit beobachtet.
Zunächst einmal zum Arbeitsverhalten der Schülerin V. In einer Zeitperiode von 30 Minuten wurde sie bei hauptsächlich selbständig durchzuführenden Arbeiten im Fach Deutsch genau unter die Lupe genommen. Die Beobachtung gliedert sich in acht Teile mit einer Dauer von jeweils circa drei bis fünf Minuten.
Zu Beginn befolgt V. die Anweisungen der Lehrerin (Holen der Wachsmalstifte aus dem Fach) unverzüglich und ist so schneller als die meisten ihrer Klassenkameraden startklar. Sie redet in der Zwischenzeit mit ihrer Nachbarin, läuft aufgrund ihres konzentrierten Gesamteindrucks aber nicht Gefahr, die folgende Aufgabenerklärung ihrer Lehrerin zu verpassen. Nachdem den Schülern erklärt wurde, was zu tun ist, legt V. auch sogleich los und wirkt weiterhin äußerst aufmerksam, was zur Folge hat, dass sie sehr zügig vorankommt und daher auch immer wieder Zeit findet, mit ihren Tischnachbarn eine kurze Unterhaltung zu führen. Infolgedessen lässt sie sich zunehmend von ihren gesprächigen Mitschülern ablenken, indem sie deren Konversation verfolgt. Dennoch arbeitet sie exakt und schnell und befolgt die Aufgabenstellung fast gänzlich korrekt. Sie tritt aber auch mehr und mehr aktiv ins Gesprächsgeschehen ihrer Tischgruppe ein und äußerst lautstark: „ Schau, so mach’ ich das!“ Nun wird ein unbekanntes Utensil des Wachsmalkastens zum Thema der Sitzrunde. V. nimmt sofort am Gerede teil: „In meinem isch au des Ding drin. Kuck, du hast’s nicht mehr drin!“ Sie wirkt unkonzentriert und ist sichtlich auf Anderes fokussiert. Schließlich bemerkt sie auch noch, dass ihre Nebensitzerin „ja schwitzt“. Dies führt zu einem kleinen Disput, da sich der quer gegenübersitzende Mitschüler einschaltet. Diesem haut V. auf ihren Wachsmalkasten, womit dieser Ruhe gibt. Daraufhin teilt die Lehrkraft ein neues Arbeitsblatt aus, welches sie in Richtung meiner Person kommentiert : „Das ist ja voll einfach!“ In der Tat schreitet sich beim Bearbeiten der Aufgabe erneut schnell und vor allem genau voran. Ihre Konzentration ist, obwohl sie nebenbei aufmerksam eine Auseinandersetzung der ihr gegenübersitzenden Mitschülern verfolgt, wieder wesentlich höher als noch kurz zuvor. Ihre vorbildliche Aufgabenbewältigung honoriert ihre Lehrerin, gibt ihr aber zugleich auch Tipps, wie sie noch besser arbeiten könnte. Dies nimmt sie unverzüglich und dankbar zur Kenntnis und nimmt die Arbeit wieder in ihrer stets schnellen, sauberen und konzentrierten Weise auf. Nachdem sie die Aufgabe beendet hat, beobachtet sie das Verhalten ihrer Mitschülerin, wird dabei aber von der Lehrkraft unterbrochen, da sie von dieser die nächste Arbeitsanweisung erhält. Ihren Kameraden macht sie klar: „Das ganze Blatt mach’ ich voll!“ Eigentlich wird nur etwas mehr als ein Viertel davon verlangt. Dies unterstreicht ihren Eifer und Fleiß, welcher durch ihre ruhige, konzentrierte Arbeitsweise ermöglicht wird. V. wird aber etwas unruhig, als ihre Tischnachbarn das Blatt abgeben, weil ja nur ein gutes Viertel zu erledigen ist. Sie bricht daraufhin ihre Mehrarbeit schnell ab und gibt ihr Blatt ebenfalls ab. Fortan läuft sie im Klassenzimmer herum und redet mit einigen Schülern, um sich dann zu setzen und irritiert ihrer Nachbarin beim Unfug machen zuzusehen.
[...]
[1] Die Arbeitszeit pro Woche variiert , hierbei handelt es sich um Durchschnittswerte
- Arbeit zitieren
- Johannes Vees (Autor:in), 2006, Orientierungspraktikum in einer 1. Klasse einer Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139870
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