Genau wie der Konjunkturverlauf befindet sich auch die Wertschätzung des Fair Values auf einer ständigen Berg- und Talfahrt. Fürsprecher schätzen seine Entscheidungsrelevanz, Zweifler bemängeln seine Anwendbarkeit und Auswirkungen. Der Fair Value soll einen zeitnahen und damit tatsächlich realisierbaren Wert widerspiegeln, welcher Schritt für Schritt Einzug in die IFRS-Bilanzierung findet. Doch stellt der Fair Value die Bilanzierung gerade wegen seiner Zeitnähe vor neuer Herausforderungen. Um eine verbesserte Entscheidungsrelvanz der Berichterstattung durch die Fair Value-Bilanzierung zu erreichen müssen basale Fragen zur Bewertung und Anwendung des Fair Values geklärt werden. Doch steht seinem Nutzen vor allem seine prozyklische Wirkung gegenüber, die gerade in Krisenzeiten von großer Bewandtnis ist. Die vorliegende Arbeit will den Leser an die Fair Value-Bilanzierung heranführen, ihm das Themenfeld aus Sicht des Bilanzerstellers erklären und ihm die Implikationen der Fair Value-Bilanzierung zur Analyse durch den Bilanzleser klar machen.
Zu diesem Zweck wird in Kapitel 2 zuallererst die konkrete Ermittlung des Fair Values innerhalb der IFRS veranschaulicht. Dann werden für Vermögenswerte der Sach- und Finanzanlagen spezifische Fair Value-Ermittlungsverfahren präzisiert.In Kapitel 3 wird auf die Möglichkeiten der Bilanzpolitik eingegangen und untersucht welche Anreize die Fair Value-Bilanzierung bietet. Eine theoretische Konkretisierung für eine zukünftige Ermittlung des Fair Values findet sich in Kapitel 4, welches durch neueste Erkenntnisse und die aktuellen Auswirkungen des Fair Values während der Finanzkrise abgerundet wird.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ermittlung des Fair Values
2.1 Allgemeines
2.2 Fair Value-Accounting im Gefüge der IFRS
2.3 Grundlagen der Bewertung in Einzelstandards
2.3.1 IAS 16 – Bewertung von Sachanlagen
2.3.2 IAS 39 – Bewertung von Finanzinstrumenten
3 Fair Value zwischen Objektivität und Bilanzpolitik.
3.1 Fair Value und Bilanzpolitik
3.2 Wahlrechte und Ermessensspielräume
3.3 Praxisrelevanz
4 Aktuelle Änderungen und Herausforderungen
4.1 Fair Value-Measurement-Projekt des IASB
4.1.1 Grundlagen.
4.1.2 Kritische Würdigung.
4.2 Der Fair Value im aktuellen Zeitgeschehen
4.2.1 Prozyklische Wirkung des Fair Values in Krisenzeiten
4.2.2 Neue Erkenntnisse und aktuelle Relevanz
5 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Genau wie der Konjunkturverlauf befindet sich auch die Wertschätzung des Fair Va- lues auf einer ständigen Berg- und Talfahrt. Fürsprecher schätzen seine Entschei- dungsrelevanz, Zweifler bemängeln seine Anwendbarkeit und Auswirkungen. Der Fair Value soll einen zeitnahen und damit tatsächlich realisierbaren Wert widerspie- geln, welcher Schritt für Schritt Einzug in die IFRS-Bilanzierung findet. Doch stellt der Fair Value die Bilanzierung gerade wegen seiner Zeitnähe vor neuer Herausfor- derungen. Um eine verbesserte Entscheidungsrelvanz der Berichterstattung durch die Fair Value-Bilanzierung zu erreichen müssen basale Fragen zur Bewertung und An- wendung des Fair Values geklärt werden. Doch steht seinem Nutzen vor allem seine prozyklische Wirkung gegenüber, die gerade in Krisenzeiten von großer Bewandtnis ist. Die vorliegende Arbeit will den Leser an die Fair Value-Bilanzierung heranfüh- ren, ihm das Themenfeld aus Sicht des Bilanzerstellers erklären und ihm die Implika- tionen der Fair Value-Bilanzierung zur Analyse durch den Bilanzleser klar machen.
Zu diesem Zweck wird in Kapitel 2 zuallererst die konkrete Ermittlung des Fair Va- lues innerhalb der IFRS veranschaulicht. Dann werden für Vermögenswerte der Sach- und Finanzanlagen spezifische Fair Value-Ermittlungsverfahren präzisiert.In Kapitel 3 wird auf die Möglichkeiten der Bilanzpolitik eingegangen und untersucht welche Anreize die Fair Value-Bilanzierung bietet. Eine theoretische Konkretisierung für eine zukünftige Ermittlung des Fair Values findet sich in Kapitel 4, welches durch neueste Erkenntnisse und die aktuellen Auswirkungen des Fair Values während der Finanzkrise abgerundet wird.
2 Ermittlung des Fair Values
2.1 Allgemeines
Am 19. Juli 2002 wurde durch Erlass, der sogenannten IAS-Verordnung, die Anwen- dung der internationalen Rechnungslegungstandards IFRS (International Financial Reporting Standards)1 verbindlich.2 Danach haben Unternehmen, deren Wertpapiere an einem geregelten Markt gehandelt werden, ihren konsolidierten Konzernab- schluss für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2005 beginnen, gemäß den IFRS aufzustellen.3 Die IFRS werden entwickelt und überarbeitet vom IASB (In- ternational Accounting Standards Board), welches ein internationales Gremium von unabhängigen Rechnungslegungsexperten ist.4 Das Ziel des Gesetzgebers ist es, auf- grund der über Staatsgrenzen hinaus wachsenden Märkte, Unternehmen die Möglich- keit zu geben nach Regeln zu bilanzieren, die international anerkannt werden.5 Die nationalen Regelungen, des HGBs (Handelsgesetzbuch) sind nunmehr nur noch für den Einzelabschluss anzuwenden.6 Die Bewertung gestaltet sich hier recht über- sichtlich, da Vermögensgegenstände höchsten mit ihren (fortgeführten) Anschaf- fungs- oder Herstellungskosten zu bewerten sind.7 Dagegen sind in den IFRS noch weitere Bewertungsmaßstäbe zu finden.8 Der hier behandelte ist der beizulegende Zeitwert (Fair Value9). Dieser stellt einen Zeitwert zum Bilanzierungsstichtag dar,10 der den tatsächlichen Wert bestimmter Vermögenswerte11 und Schulden12 wiederge- ben soll.13 Der Grund solch einen Wert anzusetzen liegt darin, dass die IFRS die Ziel- setzung der Entscheidungsnützlichkeit für den Adressaten14 verfolgen.15 Laut Frame- work16 (F.12) werden mit der Befriedigung der Informationsbedürfnisse der Investo- ren (Eigenkapitalgeber) auch die Informationsbedürfnisse aller übrigen Adressaten erfüllt.17 Die höhere Entscheidungsnützlichkeit des Fair Values verglichen mit den Anschaffungskosten wird indes vom IASB angenommen, da der Fair Value Auf- schluss geben kann über die Höhe, den zeitlichen Anfall und die Sicherheit der zu- künftig aus dem Unternehmen erwarteten Zahlungsüberschüsse.18 Um diesen entscheidungsnützlichen, tatsächlichen Zeitwert zu konkretisieren, wird der Fair Value (beispielsweise) in IAS 16.6 definiert als „Betrag, zu dem ein Vermö- genswert zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängi- gen Geschäftspartnern getauscht werden könnte“19.20 Gemäß dieser Definition stellt der Fair Value einen hypothetischen Marktpreis unter idealisierten Bedingung dar.21 Denn es wird eine fiktive Transaktion zugrundegelegt (sog. Markpreisbildungshypo- these), bei der beide Vertragspartner vollständig über die Marktsituation informiert, sowie motiviert aber nicht gezwungen sind zum Vertragsabschluss (sog. Informati- onsverarbeitungshypothese).22 Damit Abschlussinformationen entscheidungsnützlich sind haben sie die qualitativen Anforderungen der Verständlichkeit, Relevanz, Ver- lässlichkeit und Vergleichbarkeit zu erfüllen.23 Eine Information gilt dann als rele- vant, wenn sie die Entscheidung des Empfängers beeinflussen kann.24 Verlässlich sind Informationen, die frei von verzerrenden Einflüssen sind und somit tatsächlich das darstellen, was sie vorgeben zu sein.25 Sie müssen dementsprechend frei von Willkür und damit objektiv sein.26 Verlässlich bedeutet, dass Abschlüsse sowohl über die Zeit, als auch zwischen Unternehmen vergleichbar sind.27
Zusammenfassend lässt sich der Fair Value per Definition folglich als ein hypotheti- scher objektiver Wert unter idealisierten Bedingungen charakterisieren, auf den sich ein Investor bei seiner Entscheidungsfindung verlassen kann. Die Vorgaben zur kon- kreten Ermittlung dieses Wertes werden im folgenden Kapitel behandelt.
2.2 Fair Value-Accounting im Gefüge der IFRS
Der Fair Value ist zwar überaus bedeutend für einzelne Standards, doch stellt er nicht den einzigen Wertmaßstab der IFRS dar.28 So können bestimmte Bilanzpositionen z.
B. zu Anschaffunskosten, oder zum Fair Value bewertet werden.29 Beispielhaft sei hier IAS 16 genannt, der die Wahlmöglichkeit schafft, Sachanlagen zu (fortgeführ- ten) Anschaffungskosten oder zum Fair Value zu bewerten.30 Da das Konzept der Fair Value Bewertung bisher nicht durchgängig ist, ist insoweit die Rede von einem Mi- xed Fair Value-Model. 31 Ein Full Fair Value-Model könnte nur vorliegen, wenn für alle Vermögenswerte und Schulden ein Fair Value vorläge, der als wohldefinierter Marktpreis direkt ablesbar wäre.32 Somit ergibt sich eine einzelfallbezogene Anwen- dung der Fair Value Bewertung, die verteilt ist auf eine Vielzahl unterschiedlich aus- gestalteter IFRS.33 Dabei ist der Fair Value nicht einmal in dem als Deduktionsbasis künftiger Standards fungierenden Framework bekannt.34 Ebenso wenig liegt eine ver- einheitlichende Rahmenregelung vor (vgl. Kapitel 4.1).35 Um einen ersten Überblick zu gewinnen, werden an dieser Stelle die für die Fair Value-Ermittlung relevanten
Standards aufgelistet:
- IFRS 2 / IFRS 3 - Anteilsbasierte Vergütung / Unternehmenszusam- menschlüsse
- IAS 2 / IAS16 / IAS 36 / IAS 38 – Vorräte / Sachanlagen / Wertminderung von Vermögenswerten / Immaterielle Vermögenswerte
- IAS 19 / IAS 26 - Leistungen an Arbeitnehmer / Bilanzierung und Berichter- stattung von Altersversorgungsplänen
- IAS 32 / IAS 39 / IAS 40 - Finanzinstrumente: Darstellung /Finanzinstru- mente: Ansatz und Bewertung / Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien
- IAS 41 – Landwirtschaft36
Zur Ermittlung des Fair Values kann aus den IFRS ein dreigliedriges Stufenkonzept abgeleitet werden.37 Vorrangig sind marktnahe Daten heranzuziehen, die objektivier- bar sind.38 D.h. favorisiert wird ein Marktwert, soweit ein aktiver und funktionsfähi- ger Markt vorliegt.39 Ist dies nicht der Fall, so können aktuelle Marktwert von ver- gleichbaren Vermögensgegenständen herangezogen werden.40 Ist auch diese Nähe- rungslösung nicht möglich, so soll auf das Marktermittlungsverfahren der Barwerter- mittlung (der erwarteten Cashflows) zurückgegriffen (oder frei geschätzt)41 werden.42 In der Praxis steigen so bei geringerer Information die Probleme der regelkonformen Anwendung.43 D.h., das häufig keine Marktdaten zu beschaffen sind, womit sich die Wertermittlung in der Praxis problematisch gestaltet.44 Zugleich wird einem Markt- wert aber eine höhere Priorität zugesprochen.45 Die folgende Grafik verdeutlicht die- ses Gefälle:
[...]
1 Die IFRS werden im Folgenden als Oberbegriff für die Gesamtheit der IAS (Infternational Ac- counting Standards) und IFRS benutzt, wie sie die EU am 3.11.2008 verabschiedet hat, vgl. EU-Verordnung (EG) Nr. 1126/2008.
2 Vgl. EU-Verordnung (EG) Nr. 1606/2002, S. 1-3.
3 Vgl. ebenda, S.1.
4 Vgl. Wagenhofer 2005, S. 58.
5 Vgl. Europäische Kommission 1995, S.2.
6 Vgl. Lüdenbach 2001, S. 28. 7 Vgl. § 253 HGB.
8 Im Framework definierte Bewertungsmaßstäbe: Historische Anschaffungs- und Herstellungs- kosten (F.100a), Tageswert (F.100b), Veräußerungswert/Erfüllungsbetrag (F.100c), Barwert (F.100d). In Einzelstandards definierte Bewertungsmaßstäbe: Beizulgender Zeitwert (z.
B. IAS 16.6,IAS 32.11, IAS 38.8, IAS 39.9, IAS 40.5, IAS 41.8, IFRS 3 Anhang A, IFRS 4 Anhang A, IFRS 5 Anhang A), erzielbarer Betrag (z. B. IAS 36.6), beizulegende Zeitwert ab- züglich Veräußerungskosten (IAS 36.6), Nutzungswert (IAS 36.6) und Restwert (IAS16.6 und IAS 38.8). Somit kennt das Framework den Begriff der Fair Value nicht.
9 Die Begriffe beizulegender Zeitwert und Fair Value können synonym verwandt werden (Vgl. z.
B. IAS 16.6 in englischer und deutscher Sprache). Zu beachten ist, dass der beizulegende Zeit- wert namentlich sowohl im HGB Verwendung findet, als auch in den IFRS. Der englische Be- griff Fair Value ist weiterhin auch bekannt in den Rechnungslegungsstandard US-GAAP (United States-Generally Accepted Accounting Standards). Jedoch wird der Fair Value nach HGB, IFRS und US-GAPP jeweils anders definiert. Ist nichts anderes angemerkt, so wird in dieser Arbeit der Begriff Fair Value verwandt, wie er in den IFRS genormt ist.
10 Vgl. Kessler 2005, S. 60.
11 Ein Vermögenswert ist eine Ressource, die auf Grund von Ereignissen der Vergangenheit in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht, und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen aus ihr künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt (Definition gem. F.49a).
12 Eine Schuld ist eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens, die aus Ereignissen der Vergangenheit entsteht und deren Erfüllung für das Unternehmen erwartungsgemäß mit einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden ist (Definition gem. F.49b).
13 Vgl. Baetge/Thiele/Kirsch 2005, S. 262.
14 Adressaten gemäß Framework sind Investoren, Arbeitnehmer, Kreditgeber, Liferanten und an- dere Gläubiger, Kunden, Regierungen und ihre Institutionen und die Öffentlichkeit (vgl. F.9).
15 Vgl. F.12.
16 Das Framework des IASB ist selbst kein IFRS (vgl. F.2). 17 Vgl. F.10.
18 Vgl. Velte 2007a, S453.
19 Die neueren Standards IFRS 3, 4 und 5 enthalten im Anhang A den Zusatz „unter marktübli- chen Bedingungen“.
20 Vgl. Böcking/Lopotta/Rausch 2005, S. 97.
21 Vgl. Velte 2007a, S. 452f.
22 Vgl. ebenda, S. 453. 23 Vgl. F.24.
24 Vgl. F.26.
25 Vgl. F.31.
26 Vgl. Meth 2007, S. 106.
27 Vgl. F.39.
28 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2005, S. 262.
29 Vgl. Böcking/Lopotta/Rausch 2005, S. 99.
30 Vgl. ebenda, S. 99.
31 Vgl. ebenda, S. 99f.
32 Vgl. Baetge/Lienau 2005, S.71. 33 Vgl. Bieker 2006, S.134.
34 Vgl. ebenda, S. 134.
35 Vgl. ebenda, S. 134.
36 Vgl. IASB 2006, S.3.
37 Vgl. IAS 40.29-40; IAS 39.A69-A82.
38 Vgl. IAS.16.32.
39 Vgl. ebenda.
40 Vgl. IAS 39.A74; IAS 40.45.
41 Vgl. IAS 16.32; IAS 40.29
42 Vgl. IAS 16.33.
43 Vgl. Tanski/Zeretzke 2006, S. 55.
44 Vgl. ebenda, S. 54f.
45 Vgl. ebenda, S. 54f.
- Quote paper
- Reinhold Steinhardt (Author), 2009, Fair Value-Ermittlung nach IFRS und Implikationen für eine einheitliche Auslegung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139422
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