Hauptanliegen dieser Diplomarbeit ist die Verknüpfung des State of the Art der Auto-ID mit den Aufgaben innerhalb der Lagerorganisation in der Intralogistik. Im Ergebnis soll der Leser einen eingängigen Überblick über relevante Identifikations-Technologien erhalten und an der Diskussion um die effektivste und effizienteste Technik, die in den einzelnen Grundfunktionen der Lagerorganisation zum Einsatz kommen kann, teilhaben.
Diese Arbeit soll einen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, wann der Einsatz einer bestimmten Auto-ID-Technologie am effizientesten ist und den größten Wettbewerbsvorteil erschließt.
Aufbau der Arbeit:
Zunächst bereitet der Autor das in der aktuellen Literatur (Erscheinungsjahr ab 2003) verfügbare Wissen auf, was die Basis für die Abbildung des State of the Art der Auto-ID auf die Lagerorganisation bildet. Dieses steht im Mittelpunkt der beiden ersten Abschnitte, in denen sowohl die Grundfunktionen der Lagerorganisation als auch ausgewählte Technologien der automatischen Identifikation in einem theoretischen Teil erklärt werden.
Im hieran anschließenden Passus stellt der Verfasser grundsätzliche – auch logistikferne – Anwendungsszenarien der einzelnen Auto-ID-Technologien vor, welche für den Einsatz in der Unternehmenslogistik dem Grunde nach geeignet sind. Bevor im weiteren Verlauf untersucht wird, ob jene Modelle auf die einzel-nen Grundfunktionen der Lagerorganisation übertragbar und aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu beurteilen sind, werden die bis zu diesem Zeitpunkt gewonnenen Erkenntnisse in einem Zwischenergebnis zusammengefasst.
Die Verknüpfung der zuvor erlangten theoretischen Erkenntnisse und der hieraus resultierenden Ableitung von Potenzialen für die Praxis, stellt den Kern dieser Arbeit dar. Das anvisierte Ziel bildet hierbei die Erarbeitung einer allgemeingültigen Aussage über die effizienteste Form der Auto-ID in der Lagerorganisation der Intralogistik.
Nach der Aufbereitung des verfügbaren Wissens und des Transfers auf die Lagerorganisation wird dem Leser im 7. Abschnitt anhand von mehreren anschaulichen Beispielen gezeigt, wie Auto-ID in der Praxis angewendet wird. Dieses soll den Praxisbezug zu den theoretisch erklärten Anwendungsmodellen herstellen.
Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Erkenntnisse und einer Ableitung von Forschungsbedarf.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anlagenverzeichnis
1 EINFÜHRUNG
1.1 Ziel der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
2 GRUNDFUNKTIONEN DER LAGERORGANISATION
2.1 Funktionen eines Lagers
2.2 VDI 3629
2.2.1 Wareneingang
2.2.2 Verteilung auf Lagerbereiche
2.2.3 Identifikations-Punkt (I-Punkt)
2.2.4 Einlagerung
2.2.5 Lagerverwaltung
2.2.6 Auslagerung
2.2.7 Umlagern
2.2.8 Kontrolle (K-Punkt)
2.2.9 Verteilung auf Warenausgangszonen
2.2.10 Warenausgang (WA)
2.2.11 Inventur und Berichtswesen
3 TECHNOLOGIEN AUTOMATISCHER IDENTIFIKATION
3.1 Natürliche Identifikationsmerkmale
3.2 Künstliche Identifikationsmerkmale
3.2.1 1D-Code
3.2.2 2D-Code
3.2.3 3D-, 4D- und 5D-Code
3.2.4 Radio Frequency Identification
3.2.5 Klarschrifterkennung
4 EINSATZBEREICHE VON AUTO-ID
4.1 Identifikationsaufgaben
4.2 Ortung, Status- und Standortbestimmung
4.3 Internet der Dinge
4.4 Anwendungsbereiche im Handel
4.5 Anwendungsbereiche im Gesundheitswesen
5 ZWISCHENERGEBNIS
5.1 RFID versus Barcode
5.2 Wirtschaftliche Aspekte
6 POTENZIALE DER AUTO-ID IN DER LAGERORGANISATION
6.1 Transfer bisheriger Erkenntnisse auf die Grundfunktionen der Lagerorganisation .
6.1.1 Wareneingang
6.1.2 Verteilung auf Lagerbereiche, Einlagern, Umlagern
6.1.3 Identifikations-Punkt (I-Punkt) und K-Punkt-Funktion
6.1.4 Auslagerung, Verteilung auf Warenausgangszonen
6.1.5 Warenausgang
6.1.6 Inventur
6.1.7 Berichtswesen
6.2 Resümee
7 PRAXISBEISPIELE
7.1 Hiestand AG: effiziente Logistik mit Barcode
7.2 Optimierung der Warenauslieferung bei BLG
7.3 Hewlett-Packard (HP): RFID löst Barcode ab
7.4 gardeur: kombinierter Einsatz von Barcode und RFID
7.5 Gerolsteiner: Waren-Rückverfolgbarkeit mit RFID
7.6 Optimierung des Ladeverkehrs bei BMW in München
8 SCHLUSSBETRACHTUNG UND ABLEITUNG VON FORSCHUNGSBEDARF
Literaturverzeichnis
Anlage
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Grundfunktionen der Lagerorganisation nach VDI 3629
Abb. 2 Barcode auf Produktverpackung aufgedruckt
Abb. 3 Aufbau eines 1D-Codes
Abb. 4 Verschiedene Strichcode-Typen
Abb. 5 2D-Barcode, hier: RSS14 expanded stacked
Abb. 6 RM4SCC
Abb. 7 Aztec-Code
Abb. 8 Dot Code A
Abb. 9 Transpondersystem
Abb. 10 Smart Label
Abb. 11 Schriftproben OCR-A und OCR-B
Abb. 12 Warenidentifikation per RFID im automatisierten Lager
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anlagenverzeichnis
Anlage 1 Analysierte Internetauftritte Hersteller FFZ
1 EINFÜHRUNG
RFID (Radio Frequency Identification) - diese Abkürzung ist derzeit in sehr vielen Publikationen im Bereich der Unternehmenslogistik zu finden. Zumeist mit dem Fokus auf die Optimierung von Supply Chains, wird diesem Teilgebiet der automatischen Identifikation (Auto-ID) derzeit großes Entwicklungspotenzial zugeschrieben. Nicht selten fällt im Zusammenhang mit RFID auch der Begriff „Intralogistik“, sodass sich sogleich eine Reihe von Fragen ergeben: Was ist RFID und was macht diese Technologie zukunftsweisend? Gibt es zielführende Alterna- tiven? Was grenzt die Intralogistik ab und warum wird sie mit RFID in Verbindung gebracht?
Mithilfe von RFID-Technik ist es möglich, Objekte ohne Sichtkontakt und eigene Stromversorgung via Funk zu identifizieren. In der Vergangenheit wurde diese Technologie überwiegend zur Tiererkennung und für die bargeldlose Bezahlung, Skipässe oder elektronische Wegfahrsperren genutzt. Eine Reihe von Innovationen auf diesem Gebiet hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass durch den Einsatz der RFID-Technologie bei der Identifikation von logistischen Objekten sowohl Material- als auch Informationsflüsse beschleunigt und effizienter gestaltet werden konnten. (vgl. Müller et al. 2007: S. 22)
Zweifellos ist die Radio Frequency Identification derzeit die populärste Technologie auf dem Gebiet der Auto-ID, welche das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wie folgt beschreibt: „ Aufgabe der automatischen Identifikation ist es, Informationen zu Personen, Tieren, G ü tern oder Waren klar definiert und strukturiert so bereitzustellen, dass diese Daten maschinell erfasst und weiter verarbeitet (sic!) werden k ö nnen. “ (BSI 2004: S. 22)
An anderer Stelle wird wesentlich kürzer definiert: „ Automated identification involves the automated extraction of the identity of an object. “
(McFarlane, Sheffi 2003: S. 7) - und im Auto-ID Lexikon findet sich folgende Erklärung: „Selbst ä ndiges (sic!) Erfassen von Datentr ä gern mittels dazu geeigneter Leseger ä te, um Prozesse zu automatisieren. “ (Lenk 2008: S. 15)
Eine technisch orientierte Definition steht in der wissenschaftlichen Schriftenreihe der Technischen Universität Chemnitz geschrieben: „ Automatische Identifikation (Auto-ID) ist die automatisierte, d.h. mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln und ohne die unmittelbare menschliche Intelligenz realisierte, Zuordnung von Objekten zu einer Klasse durch ein Identifikationssystem. “ (Müller et al. 2004: S. 34)
Neben RFID gibt es weitere Möglichkeiten zur automatischen Identifizierung von Objekten, wie beispielsweise der Einsatz von Magnetstreifen, Barcodes, Klar- schrifterkennung oder die Identifikation mittels biometrischer Merkmale. Inwieweit - und in welchem Zusammenhang - diese Technologien ebenso ziel- führend sind wie der Einsatz von RFID-Technik, wird in der vorliegenden Arbeit diskutiert.
Zunächst soll jedoch dem umfangreichen Thema „automatische Identifikation“ ein Betrachtungswinkel zugewiesen werden, welcher den Rahmen dieser Arbeit abgrenzt: Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Anwendung von Auto-ID inner halb der Lagerorganisation in der Intralogistik.
Der Begriff Intralogistik wurde 2003 vom VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.) eingeführt, um einer eigenen, interdisziplinären Branche einen Namen zu geben. Der Verband selbst definiert den Begriff wie folgt: „ Die Intralogistik umfasst die Organisation, Steuerung, Durchf ü hrung und Optimierung des innerbetrieblichen Materialflusses, der Informationsstr ö me sowie des Warenumschlags in Industrie, Handel und ö ffentlichen Einrichtungen. “ (VDMA, zit. n. Arnold 2006: S. 1)
Inzwischen wird der Begriff Intralogistik in der einschlägigen Literatur jedoch nicht mehr nur als Branchenname definiert, sondern als Synonym für eine Querschnittstechnologie betriebswirtschaftlicher und technischer Teildisziplinen verwendet; diese hat zum Ziel, Waren- und Informationsflüsse so miteinander zu verknüpfen, dass allgemeine Logistikziele wie das Senken von Logistikkosten und die Steigerung der Kundenzufriedenheit durch Qualität und Liefertreue erreicht werden. (vgl. Günther 2006: S. 5, 7, 16)
Die Herren Miebach, Vorsitzender des VDI-FML, und Müller beschäftigen sich in der Diskussion um den Begriff Intralogistik mit der Frage, welche Rolle er in Bezug auf das Supply Chain Management (SCM) spielt. Sie konstatieren, dass die Intralogistik äußerst anspruchsvoll ist, da sie Aspekte der Betriebswirtschaft, der Materialflusstechnik und der Informatik miteinander kombiniert, um die Performance der einzelnen Glieder einer Logistikkette zu steigern - wovon die Leistungsfähigkeit der Supply Chain als Ganzes abhängt. Aufgrund steigender Komplexität durch wachsende Varianten- und Produktvielfalt, kleiner werdender Sendungsgrößen und steigender Anforderungen an die Warenverfügbarkeit, sehen Miebach und Müller in der Intralogistik den Schlüssel für eine erfolgreiche Supply Chain, da jene die Steuerungsleistung innerhalb der Kette übernimmt. (vgl. Miebach, Müller 2006: S. 20-22)
Auf der Internetpräsenz der Branchenleitmesse CeMAT werden all jene bereits genannten Aspekte zusammengefasst: Intralogistik als Branchenname, als Steue- rung im Supply Chain Management sowie als Teildisziplin der Logistik, welche den innerbetrieblichen Materialfluss zwischen den unterschiedlichsten Logistik- knoten abbildet. Wenngleich in dieser Definition der begleitende Informationsfluss bis hier hin außer Acht gelassen wurde, so findet sich an jener Stelle eine so prägnante wie auch umstrittene Definition: Intralogistik als die Summe der Logistikknoten zuz ü glich der Summe interner Informationsfl ü sse, ohne die Summe der au ß erbetrieblichen Transportlogistik. (vgl. Deutsche Messe AG o. J.)
Arnold, Leiter des Instituts für Fördertechnik und Logistiksysteme an der Universität Karlsruhe, stellt fest, dass die zuletzt genannte Definition Mängel aufweist, bedeute sie im Umkehrschluss doch, dass die allgemeine Logistik dann als Intralogistik zuzüglich der außerbetrieblichen Transport- und Informationsflüsse zu definieren wäre. Die VDMA-Definition sieht er hingegen als verständlicher und nachvollziehbar an, empfiehlt jedoch eine stärkere Berücksichtigung betrieblicher Aspekte. (vgl. Arnold 2006: S. 47-51)
Wenngleich in den Jahren 2003 bis 2008 die absoluten Umsatzzahlen deutscher Unternehmen in der Intralogistik kontinuierlich von 12,6 auf 19,4 Mrd. Euro gestiegen sind (vgl. VDMA 2009: S. 9), nimmt der Verfasser in Hinblick auf die ungewisse Entwicklung aufgrund der Wirtschaftskrise Abstand von der Prognose für das Jahr 2009.
Um dennoch der wirtschaftlichen Bedeutung für den Standort Deutschland Aus- druck zu verleihen, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Deutschland nach China und den USA in den Jahren 2004 bis 2007 weltweit den drittgrößten Umsatz im Bereich der Intralogistik erwirtschaftet hat. (vgl. VDMA 2009: S. 5)
1.1 Ziel der Arbeit
Bei der Recherche einschlägiger Literatur fällt zunächst auf, dass die einzelnen Technologien der automatischen Identifikation meist einzeln und nicht im Kontext betrachtet werden. Weiterhin legt die große Zahl aktueller Publikationen zum Thema RFID die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um die zukunftsweisendste Technologie auf diesem Gebiet handelt.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird auch die zuvor getätigte Annahme auf ihre Richtigkeit überprüft. Hauptanliegen dieser Diplomarbeit ist jedoch die Ver- knüpfung des State of the Art der Auto-ID mit den Aufgaben innerhalb der Lagerorganisation in der Intralogistik. Im Ergebnis soll der Leser einen eingängi- gen Überblick über relevante Identifikations-Technologien erhalten und an der Diskussion um die effektivste und effizienteste Technik, die in den einzelnen Grundfunktionen der Lagerorganisation zum Einsatz kommen kann, teilhaben. Diese Arbeit soll einen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, wann der Einsatz einer bestimmten Auto-ID-Technologie am effizientesten ist und den größten Wettbewerbsvorteil erschließt.
Aufgrund des interdisziplinären Zusammenspiels von Betriebswirtschaft, Infor- matik, Materialflusstechnik und Anlagenbau in der Intralogistik sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Betrachtungsebene dieser Arbeit primär auf betriebswirtschaftliche Belange ausgerichtet ist - technische Aspekte jedoch berücksichtigt und erläutert werden, soweit sie für das Verständnis dieser Arbeit erforderlich sind.
1.2 Aufbau der Arbeit
Zunächst bereitet der Autor das in der aktuellen Literatur (Erscheinungsjahr ab 2003) verfügbare Wissen auf, was die Basis für die Abbildung des State of the Art der Auto-ID auf die Lagerorganisation bildet. Dieses steht im Mittelpunkt der beiden folgenden Abschnitte, in denen sowohl die Grundfunktionen der Lageror- ganisation (Kapitel 2) als auch ausgewählte Technologien der automatischen Identifikation (Abschnitt 3) in einem theoretischen Teil erklärt werden.
Im hieran anschließenden Passus stellt der Verfasser grundsätzliche - auch logistikferne - Anwendungsszenarien der einzelnen Auto-ID-Technologien vor, welche für den Einsatz in der Unternehmenslogistik dem Grunde nach geeignet sind. Bevor im weiteren Verlauf untersucht wird, ob jene Modelle auf die einzel- nen Grundfunktionen der Lagerorganisation übertragbar und aus betriebs- wirtschaftlicher Sicht zu beurteilen sind (Kapitel 6), werden die bis zu diesem Zeitpunkt gewonnenen Erkenntnisse in einem Zwischenergebnis zusammenge- fasst (Abschnitt 5).
Die Verknüpfung der zuvor erlangten theoretischen Erkenntnisse und der hieraus resultierenden Ableitung von Potenzialen für die Praxis, stellt den Kern dieser Arbeit dar. Das anvisierte Ziel bildet hierbei die Erarbeitung einer allgemeingülti- gen Aussage über die effizienteste Form der Auto-ID in der Lagerorganisation der Intralogistik.
Nach der Aufbereitung des verfügbaren Wissens und des Transfers auf die Lager- organisation wird dem Leser im 7. Abschnitt anhand von mehreren anschaulichen Beispielen gezeigt, wie Auto-ID in der Praxis angewendet wird. Dieses soll den Praxisbezug zu den theoretisch erklärten Anwendungsmodellen herstellen.
Letztlich schließt der Verfasser seine Arbeit mit einer Zusammenfassung der erarbeiteten Erkenntnisse und gibt einen Ausblick, in dem er die derzeitigen Grenzen des Einsatzes der Auto-ID in der Lagerorganisation der Intralogistik aufzeigt und hieraus Forschungsbedarf für die Zukunft ableitet.
2 GRUNDFUNKTIONEN DER LAGERORGANISATION
2.1 Funktionen eines Lagers
Zunächst soll die Frage beantwortet werden, welche Funktionen ein Lager generell übernimmt. Arnold und Furmans, Institut für Fördertechnik und Logistik- systeme an der Universität Karlsruhe, sehen die Notwendigkeit für Lagerhaltung in einem Materialflusssystem immer dann gegeben, wenn zwischen verschiedenen Bereichen unterschiedliches Quell- und Senkenverhalten besteht, das sich unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange sowohl technisch als auch organisato- risch nicht abgleichen lässt (vgl. Arnold, Furmans 2007: S. 173). Generell werden in Logistik-Standardwerken der Lagerhaltung folgende Funktionen zugeschrie- ben:
- Ausgleichsfunktion:
Durch die Lagerhaltung wird mengen- und / oder zeitmäßiges Auseinanderfallen von Materialbedarf und -zufluss überbrückt.
- Sicherungsfunktion:
Da zukünftiger Bedarf, Lieferzeitpunkte, -mengen und Schwund oftmals nicht exakt prognostiziert werden können, führen Sicherheitsbestände zur Lagerhaltung.
- Sortierungs- / Bereitstellungsfunktion:
Hierzu zählen Sortiment bildende Tätigkeiten und die Bereitstellung der angeforderten Mengen zum richtigen Zeitpunkt in der gewünschten Menge und Qualität am richtigen Bereitstellort.
- Spekulationsfunktion:
Anstehende Preiserhöhungen, günstige Angebote oder befürchtete Qualitätsverschlechterung führt zum Einkauf ohne direkten Bedarf und somit zu einer Lagerbestandserhöhung.
- Veredelungs- oder Produktionsfunktion:
Die Lagerung führt zur Qualitätsverbesserung (z. B. Reifeprozess bei Käse).
(vgl. Ehrmann 2008: S. 137; Arnold 2008: S. 374)
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bedeutet Lagerhaltung jedoch auch Kapitalbin- dung und Lagerhaltungskosten in Form von belegter Fläche und beanspruchter Betriebsmittel. Der Logistik-Verantwortliche steht folglich vor einem Dilemma:
Einerseits muss er einen kontinuierlichen, störungsfreien Durchsatz gewährleisten und eine exakte Terminplanung umsetzen, damit ein wirtschaftlicher Materialund Informationsfluss bei hoher Auslastung erreicht wird; eine angestrebte Unabhängigkeit vom Beschaffungsmarkt und die Möglichkeit des preisgünstigen Einkaufs bei Abnahme großer Mengen führt zu hohen Beständen.
Andererseits sind mit zunehmenden Lagerbeständen steigende Kapitalbindungsund Lagerkosten, Herausforderungen an Organisation und Disposition sowie ein höheres Risiko von Diebstahl, Schwund und Qualitätsverschlechterung des Lagerguts zu erwarten.
Folglich liegt die Herausforderung darin, trotz niedriger Bestände eine bestmögli- che Flexibilität und Terminzuverlässigkeit, Liefertreue und Produktivität, sowie kurze Durchlaufzeiten bei gleichzeitig niedrigen Einkaufspreisen zu erreichen.
Der aus unterschiedlich gesetzten Prioritäten resultierende individuelle Charakter dieses Optimierungsproblems führt dazu, dass es hierfür kein allgemeingültiges Lösungsschema geben kann; in der Vergangenheit führte dies zu einer Reihe von maßgeschneiderten technischen und organisatorischen Lösungsansätzen, welche der individuellen Zielsetzung jeweils am nächsten kamen. (vgl. Martin 2009: S. 328-329)
2.2 VDI 3629
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ist eine gemeinnützige, unabhängige Organisation und der größte technische Verein Deutschlands. Sein Bestreben ist es, den Stand der Technik wissenschaftlich zu dokumentieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Durch das Veröffentlichen von VDI-Richtlinien, welche von Experten aus Industrie und Wissenschaft in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Mitarbeitern des Vereins erarbeitet werden, gibt der VDI Hilfestellungen, die den Stand der Technik wiedergeben und Maßstäbe für technisch einwandfreies Vorgehen bilden.
Obwohl die Anwendung von VDI-Richtlinien nicht vorgeschrieben ist, wird im Streitfall davon ausgegangen, dass deren Inhalt dem State of the Art entspricht, weshalb sie oftmals als Entscheidungsgrundlage bei Streitigkeiten dienen. (vgl. VDI o. J.)
Nach wie vor verweist die aktuelle Fachliteratur zur Transport- und Lagerlogistik auf die VDI 3629 „Organisatorische Grundfunktionen im Lager“ (vgl. Martin 2009: S. 414). Dies zeigt, dass die im März 2005 veröffentlichte Richtlinie noch immer von Bedeutung für die Praxis ist. Auch in den Studienunterlagen der Hamburger Fern-Hochschule wird diese in größerem Umfang beschrieben (vgl. Müller 2006, S. 20-26). Aufgrund der Bedeutung für die Praxis orientiert sich die folgende Übersicht der Lagersystembestandteile und deren Grundfunktionen ebenfalls streng an der VDI 3629 und bildet die Basis für die weitere Untersuchung.
Am Ende des Kapitels findet sich eine schematische Darstellung der einzelnen Grundfunktionen (s. Abb. 1).
An dieser Stelle sei erwähnt, dass hier nicht näher auf das Wesen des Kommissio- niervorgangs, welcher der empfängerorientierten Bildung von Versandeinheiten dient, eingegangen wird. Dies begründet sich zunächst darin, dass es hierfür eine eigene VDI-Richtlinie gibt (VDI 3590 Blatt 1 bis 3); auch in Bezug auf die Themenstellung der vorliegenden Arbeit ist der Kommissioniervorgang insofern nicht relevant, da dieser nicht die grundlegende Lagerorganisation im Kern betrifft.
2.2.1 Wareneingang
Der Wareneingang bezeichnet jenen Bereich des Lagers, in dem die Bereitstellung des Lagerguts vor dem Einlagerungsvorgang erfolgt. Zunächst wird im Wareneingang überprüft, ob die Ware dem Grunde nach zur Einlagerung geeignet ist. Kriterien hierfür sind der Zustand der Lieferung, die Eignung des Transporthilfsmittels, Vollständigkeit der Daten und die Zulässigkeit der Einlagerung aufgrund von Gefahrenbestimmungen, Abmessungen oder Gewichten.
Sodann wird eine Lagereinheit (LE) gebildet. Hierunter versteht man die Gruppierung von Ladungsträger (Behälter, Palette o. ä.) und Lagergut.
Von diesem Zeitpunkt an soll die Lagereinheit eindeutig identifizierbar sein, beispielsweise über eine LE-Nummer (auch „NVE“: Nummer der Versand- einheit).
Die Richtlinie fordert einen Abgleich der Mengen auf den Begleitpapieren mit der tatsächlich gelieferten Ware sowie eine Qualit ä tskontrolle durchzuführen. Die Überprüfung der Qualität wird mit einer Statusmeldung beendet (Ware freigegeben oder Ware verworfen).
(vgl. VDI 2005: S. 3-4)
2.2.2 Verteilung auf Lagerbereiche
Dieser Prozess liegt sowohl zeitlich als auch räumlich zwischen dem Wareneingang und dem Identifikations-Punkt.
Nachdem das Transportziel festgelegt wurde, werden die Lagereinheiten für den Transport sortiert; dieses kann nach Transportmittel, Fahrkurs oder Ziel erfolgen.
Kann kein sofortiger Transport erfolgen, da Transportmittel nicht verfügbar sind, ein Sammeltransport stattfinden soll, Belege erstellt werden müssen oder die Auslastung des Transportmittels optimiert wird, werden die LE zwischengepuffert.
Die Freigabe zum Abtransport erfolgt, wenn das Transportmittel und der zweckmäßigste Weg zum Transportziel feststehen. Die Freigabe kann manuell oder automatisch erfolgen.
Hinsichtlich der Abwicklung und der fehlerfreien Ausführung sollte der Transport überwacht werden. Wichtigste Information hierfür ist der Standort der LE.
(vgl. VDI 2005: S. 4-5)
2.2.3 Identifikations-Punkt (I-Punkt)
Am I-Punkt wird die Lagereinheit letztmalig kontrolliert, was eine störungsfreie Einlagerung garantieren soll. Der Mitarbeiter gleicht die über die LE vorliegenden Daten mit der tatsächlichen Beladung des Ladungsträgers ab.
Weiterhin wird überprüft, ob die Einlagerung organisatorisch zugelassen ist (z. B. ob Stammdaten vorhanden sind). Dies bezeichnet der VDI als Identitäts- kontrolle.
Bei der Kontrolle der Lagerf ä higkeit wird die Lagereinheit nochmals auf die Einhaltung zulässiger Toleranzgrenzen für Lagerung und Transport untersucht (z. B. Zustand des Transporthilfsmittels).
(vgl. VDI 2005: S. 5)
2.2.4 Einlagerung
Der Einlagerungsvorgang beginnt mit der Festlegung des Transportziels. Hierfür empfiehlt der VDI, einen Transportauftrag zu erstellen. Bei der Reservierung des Lagerortes sind verschiedene Lagerzonen, mögliche Brandbelastung und die Fahrwegoptimierung zu berücksichtigen.
Weiterhin sind Effizienz und Effektivität bei der Wahl des Transportmittels und des -weges zu berücksichtigen.
Die korrekte Ausführung des Vorgangs sollte mit einer Statusmeldung, welche Lagerort und Einlagerungszeit beinhaltet, quittiert werden. Letzteres ermöglicht eine lückenlose Ü berwachung der Einlagerung, damit das Lagergut jederzeit aufgefunden werden kann.
(vgl. VDI 2005: S. 5-6)
2.2.5 Lagerverwaltung
Während die LE im Lager verweilen, wird dieses nach verschiedenen Aspekten verwaltet und überwacht. So werden ortsspezifische Daten wie die Größe und Belastbarkeit des Lagerfachs und die Lagerbelegung verwaltet; auch Informationen bezüglich der eingelagerten Güter (Artikel-Nr., Chargen-Nr., Menge, Gefahrenklasse, Einlagerdatum usw.) werden geführt.
Des Weiteren werden hier Bestand sänderungen registriert, sodass der Status (disponible / reservierte Menge) des Lagerguts jederzeit eingesehen werden kann.
Eine Überwachung des Lagerguts findet insofern statt, als dass Lagerdauer, Verfallsdaten, die Lagerbedingungen (wie beispielsweise das Klima) sowie Sicherheitsaspekte kontrolliert werden.
(vgl. VDI 2005: S. 6)
2.2.6 Auslagerung
Auslagerauftr ä ge werden hinsichtlich Auslagertermin und -umfang verwaltet.
Bei der Vorbereitung der Auslagerung werden folgende Informationen überprüft: Auftrags- und Artikelnummer, Menge, Ziel, Priorität, Erfüllbarkeit sowie artikelspezifische Unterscheidungsmerkmale. Es erfolgt ebenfalls die Reservierung der auszulagernden Mengen bzw. Lagereinheiten.
Anschließend findet die Disposition (sofort oder zu einem bestimmten Zeitpunkt), und die Ermittlung des Lagerplatzes statt. Hierbei werden Lagerhaltungsstrategien wie z. B. „First in / First out“ und die Verfügbarkeit der Transportmittel berücksichtigt. Hieran schließt sich die Veranlassung der Auslagerung an.
Über die korrekte Auslagerung hat eine Statusmeldung zu erfolgen. Eine Bestandsfortschreibung bewirkt, dass bei der Auslagerung der Lagerbestand korrigiert wird, vorhandene Reservierungen gelöscht und die ausgelagerten Güter dem nachfolgenden Arbeitsbereich zugebucht werden.
Abschließend wird der Lagerplatz wieder für die Einlagerung freigegeben. (vgl. VDI 2005: S. 6-7)
2.2.7 Umlagern
Ein Umlagern kann erforderlich werden, wenn:
in Zeiten niedriger Auslastung das Umlagern ein schnelleres Auslagern in Hochlastzeiten ermöglicht, Reparaturen erforderlich sind oder Störungen auftreten, Transporteinheiten oder Lagereinheiten zusammengeführt werden sollen.
(vgl. VDI 2005: S. 7)
2.2.8 Kontrolle (K-Punkt)
Analog zum I-Punkt bei der Einlagerung, wird am K-Punkt die ausgelagerte Einheit identifiziert und der vollzogene Auslagerungsvorgang quittiert. Somit erfolgt ein Abgleich von Materialfluss und Datenfluss (Identitätskontrolle). Am K-Punkt erhält der Mitarbeiter weiterhin das Transportziel und Anweisungen für die weitere Bearbeitung der Lagereinheit. Dies kann anhand der Auftragsnummer ermittelt werden.
(vgl. VDI 2005: 7-8)
2.2.9 Verteilung auf Warenausgangszonen
Vom K-Punkt wird die Lagereinheit zum festgelegten Ziel transportiert; dieser Vorgang beinhaltet die Auftragsannahme (Transportauftrag erteilen und Durchführbarkeit überprüfen), die Auswahl des zweckmäßigsten Weg es und Transportmittels sowie die Ü berwachung hinsichtlich der korrekten Ausführung der Beförderung. Letzteres wird mit einer Statusmeldung quittiert.
(vgl. VDI 2005: S. 8)
2.2.10 Warenausgang (WA)
Im Warenausgang werden aus den bereitgestellten Lagereinheiten Versand- bzw. Transporteinheiten gebildet und für die Beförderung vorbereitet, respektive bereitgestellt. Dies beinhaltet die transport- und / oder empfängerorientierte Zusammenfassung von Artikeln; bei diesem Vorgang entstehende Restmengen werden dem I-Punkt erneut zugeführt, um wieder eingelagert zu werden.
Sodann wird der Auftragsstatus aktualisiert.
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