Durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) wurde Art. 8a in den EWG-Vertrag (EWGV) eingefügt, der das Ziel einer schrittweisen Verwirklichung des Binnenmarktes bis zum 31. Dez. 1992 enthielt. Der Binnenmarkt wurde als Raum ohne Binnengrenzen beschrieben. Im Nachfolgenden soll eine rechtliche Betrachtung darüber erfolgen, weshalb das neue Ziel, der Bin-nenmarkt, formuliert wurde.
Gliederung:
Einleitung
a) Schaffung des Binnenmarktes
aa) erste Ansicht - Pescatore
aaa) Argument des Teilbereiches
bbb) Argument der Rechtssystematik
bb) zweite Ansicht - Grabitz
aaa) Argument der Zielwirkung
bbb) Argument des Weißbuches
ccc) Argument der Wortinterpretation
ddd) Zustimmende Literatur
cc) dritte Ansicht - Hauschka
aaa) Argument der Grenzen in sachlicher Hinsicht
bbb) Argument der Grenzen in personeller Hinsicht
dd) Abwägung der drei Ansichten
b) Ziel des Binnenmarktes
Literaturverzeichnis
Das europäische Ziel „Binnenmarkt“
Eine rechtshistorische Betrachtung im Europarecht
Einleitung:
Durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA)[1] wurde Art. 8a in den EWG-Vertrag (EWGV) eingefügt, der das Ziel einer schrittweisen Verwirklichung des Binnenmarktes bis zum 31. Dez. 1992 enthielt. Der Binnenmarkt wurde als Raum ohne Binnengrenzen beschrieben. Im Nachfolgenden soll eine rechtliche Betrachtung darüber erfolgen, weshalb das neue Ziel, der Bin-nenmarkt, formuliert wurde.
a) Schaffung des Binnenmarktes
Die damalige EG sollte durch die Begriffsbildung des Binnenmarktes aus ihrer damaligen Stagnationsphase herausgeholt werden. Der Grund für die Propagierung eines neuen Begriffszieles „Binnenmarkt“ gegenüber dem alten Begriffsziel „Gemeinsamer Markt“ war die Erkenntnis, dass die damalige EG immer mehr Boden und Märkte an ihre Hauptkonkurrenz in den USA und Japan verlor und weiterhin verlieren würde, wenn es der damaligen EG nicht gelingen würde, den potentiellen EG-Markt der Mitgliedstaaten voll zu nutzen.[2]
Es kam also zu einer Novellierung des damaligen EWGV durch die so genannte Einheitliche Europäische Akte (EEA). Durch Art. 13 EEA wurde Art. 8a EWGV eingeführt, der von der schrittweisen Verwirklichung des Bin-nenmarktes bis zum 31.12.1992 sprach.[3]
Was unter dem Begriff „Binnenmarktes“ zu verstehen war, erläuterte die Legaldefinition in Art. 8a Abs. II EWGV. Hiernach sollte der Binnenmarkt als ein Raum ohne Binnengrenzen zu verstehen sein, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestim-mungen des damaligen Vertrages gewährleistet werden sollte. Fraglich dürfte jedoch sein, ob diese Legaldefinition für den Begriff des „Binnen-marktes“ ausreichte, da damals zum Teil die Ansicht vertreten wurde, dass eine ausschließlich von der Legaldefinition ausgehende Begriffsbestimmung nicht ausreichte und somit dem formulierten Ziel des „Binnenmarktes“ nicht gerecht werden würde.[4]
Vor diesem Hintergrund ist daher zu erörtern, ob durch die Umschreibung des Ziels der Wirtschaftsintegration mit dem Begriff des Binnenmarktes etwas anderes gemeint war, als mit dem Begriff des Gemeinsamen Marktes. Insbesondere in der Literatur hatten sich zu dieser Frage damals drei Meinungen herausgebildet:
aa) Die erste Ansicht - Pescatore
Die erste Ansicht, die insbesondere durch Pescatore vertreten wurde, vertrat die Auffassung, dass der Binnenmarkt die Zielsetzung des EWGV nur teilweise aufnehme und der Binnenmarkt deshalb ein weniger gegenüber dem Gemeinsamen Markt darstellte.[5]
aaa) Argument des Teilbereiches
Pescatore begründete seine Ansicht damit, dass Ausnahmevorschriften zur Erreichung des Binnenmarktes zulässig waren, die jedoch nicht das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen dürften. Somit stellte der Binnenmarkt also nur einen Teilbereich des Gemeinsamen Mark-tes dar. Ferner wurde auch darauf verwiesen, dass in jeder Hinsicht ein Bezug auf die Niederlassungsfreiheit und u.a. auf das Erfordernis des un-verfälschten Wettbewerbs fehlte.[6]
Gestützt wurde dieses Argument durch die Tatsache, dass für Harmo-nisierungsmaßnahmen zur Verwirklichung der Ziele des damaligen Art. 8a in Abweichung von Art. 100 das Verfahren gem. Art. 100a galt. Durch die Erwähnung des Art. 100 in Art. 100a wurde deutlich, dass die Harmo-nisierungsmaßnahmen bei Nichtexistenz des Art. 100a dem Art. 100 unter-fallen würden, wenn der damalige EWGV keine spezielleren Vorschriften enthalten hätte.
Durch die Tatsache, dass Art. 100 nicht gestrichen wurde, sondern Art. 100a damals anwendbar blieb, war für diese Ansicht ein Argument, dass es über den Binnenmarkt hinaus Materien gab, die dem Gemeinsamen Markt unter-fielen.[7]
[...]
[1] Am 17. und 28. Februar 1986 wurde die Einheitliche Europäische Akte
(EEA) von den damals 12 Mitgliedstatten unterzeichnet. Die EEA trat
durch die Ratifikation aller Mitgliedstaaten 1987 in Kraft.
[2] Lord Cockfield, Die Gemeinschaft 1992, in Europäische Dokumentation
Nr. 4, 1987, S. 7; dahingehend darf auch Spinellis „Klub Krokodil“ verstan-
den werden, in Glaesner, Die EEA, Versuch einer Wertung, S. 10
[3] Text im BGBl 1986 II, S. 1104; Steindorff, S. 689
[4] Grabitz, Kommentar, Art. 8a Rdn3
[5] Pescatore, S. 157 Rz 1
[6] Pescatore a.a.O.
[7] Pescatore, a.a.O., S. 160; im Ergebnis so auch Meier, Porz-Lind,
in NJW 1987, S. 539
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- Dr. Matthias Maack (Author), 2009, Das historische Ziel "Binnenmarkt", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139028