In der Arbeit wird ein Überblick über die Geschichte von Euthanasie und Eugenik von der Antike bis zum NS-Staat gegeben. Es werden Keys eugenische Ansichten beleuchtet und differenziert dargestellt, ob sie mit ihren eugenischen Gedanken, die sich oft bis zur Euthanasie ausweiteten, rassistische Gedanken verfolgte oder ob sie der Verbesserung der menschlichen Rasse dienen sollten. Im zweiten Teil wird der Einfluss Keys auf die deutsche Eugenik und die Euthanasie des Nationalsozialismus dargestellt. Es werden ihre Verbindungen zur deutschen Frauenbewegung verdeutlicht, sowie Parallelen zwischen ihren Gedanken/Theorien und einiger NS-Erziehungwissenschaftler, wie z.B. Nohl, Petersen u.a. gezogen.
Die Arbeit vermittelt einen Überblick über die Entwicklung der Eugenik/Euthanasie auch schon vor dem 2. Weltkrieg und zeigt, dass es nicht nur in Deutschland bzw. im Dritten Reich eugenische Gedanken gab sondern in ganz Europa und weltweit.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Wodurch wurden Keys eugenische Ansichten geprägt, und verfolgte sie mit ihren eugenischen Gedanken rassistische Ziele oder die Verbesserung der menschlichen Rasse?
Ellen Keys Einfluss auf die deutsche Eugenik und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus
Literatur
Einleitung
Schon in der Antike gab es eugenische Gedanken, wie z.B. in Platons „Politeia“ oder Aristoteles´ „Politik“1.
Der Begriff Euthanasie bedeutet lediglich eine Erleichterung des Todeskampfes2, wurde aber in der Zeit des Nationalsozialismus anders interpretiert und umgesetzt. Der Begriff Eugenik, mit dem die Euthanasie im Zusammenhang steht, stammt aus dem altgriechischen und bedeutet soviel wie ,,gut“ (eu) und Geschlecht (genos)3.
1883 gewann der Begriff Eugenik langsam an Bedeutung, da er in erheblichem Zusammenhang mit den humangenetischen Erkenntnissen und der Anwendung auf die Gesundheits- und Bevölkerungspolitik4 stand. Ziel war es, den Anteil von „guten“ Erbanlagen zu fördern und den weniger guten Erbmaterials zu minimieren.
Der deutsche Mediziner Alfred Ploetz prägte in Deutschland um 1895 den Begriff der Rassenhygiene5. Dieser Begriff wurde weder im, noch nach dem 1. Weltkrieg oder in der Weimarer Republik6 verworfen, sondern wurde sogar zu einem gebräuchlichen Begriff, der dann in der Zeit des NS-Staates , unter Anwendung von z.B. des „Gesetzes zum Schutz des Blutes“ seinen grausamen Höhepunkt fand.
Eugenik als Wissenschaft hatte ihren Ursprung vor allem in Großbritannien, z.B. durch Robert Malthus, Francis Galton oder Herbert Spencer und beruhte vor allem auf den Thesen Darwins. Aber auch in Frankreich (Arthur de Gobineau), den USA (Alexander Graham Bell), und Deutschland (Nietzsche, Haeckel, Binding, Hoche, Lenz und Ploetz) gab es Vertreter oder Befürworter der Eugenik.
Es gab also um die Jahrhundertwende in vielen Ländern der westlichen Welt und Nordamerika viele Ansätze und Überlegungen der Eugenik, die oft auf Grund der hohen Säuglingssterblichkeit oder des Geburtenrückgangs und letztlich auch mit der Verbesserung der Gesellschaft begründet wird.
Auch in Schweden fand sich eine Vertretein bzw. Vorreiterin der Eugenik, die heute als Klassikerin der Reformpädagogik bzw. der Erziehungswissenschaft gilt, Ellen Key.
Die Eugenik oder Euthanasie hatte ihre Ursprungsgedanken also schon in der Antike, wurde dann um 1880 wieder entdeckt und fand ihren grausamen und schrecklichen Höhepunkt in der Zeit des Nationalsozialismus. Euthanasie ist also keine „Erfindung“ der NS-Zeit. Sie wird nur mit dieser Zeit aufgrund des auch heute noch hoch interessanten Themas in besondere Verbindung gebracht.
Wodurch wurden Keys eugenische Ansichten geprägt, und verfolgte sie mit ihren eugenischen Gedanken rassistische Ziele oder die Verbesserung der menschlichen Rasse?
Ellen Key gilt als Vorreiterin der Eugenik und schrieb ihre eugenischen Gedanken vor allem in ihrem 1900 in Schweden und 1902 in Deutschland veröffentlichten Buch ,,Das Jahrhundert des Kindes“. Gerade im ersten Kapitel Ihres Buches ,,Das Recht des Kindes, seine Eltern zu wählen“, beschrieb sie die Ziele und Gründe der Eugenik und deren Notwendigkeit. Der Mensch solle seine Entwicklung so beeinflussen, dass ein höherer Menschentypus hervorgebracht wird8.
,,Man findet schon den menschlichen Willen entscheidend bei der Züchtung neuer
und höherer Arten in der Tier- und Pflanzenwelt. In bezug auf unser eigenes
Geschlecht, auf die Erhöhung des Menschentypus, die Veredelung der
menschlichen Rassen herrscht hingegen noch der Zufall in schöner oder hässlicher
Gestalt.“9
Hier zeigt sich ganz deutlich, dass Key zwar verschiedene Rassen in den Menschen sieht, sie aber keinen dieser Rassen in irgendeiner Form den Vorrang gibt oder eine über die andere stellt. Viel mehr ist es ihr Ziel oder auch ihr Wunsch, dass sich ein höherer Menschentypus entwickelt, egal welcher Rasse er angehört. Key wollte ähnlich wie Nietzsche eine Art ,,Übermenschen“10, aber eben nicht auf eine bestimmte Rasse bezogen, sondern auf die gesamte Menschheit. Trotz oder gerade weil sie nicht die Verbesserung einer oder einzelner Rassen als Ziel hat, unterscheidet sie die Menschen in ,,höherwertige“ und „minderwertige“11 Menschen, da sie irgend einen Ausgangspunkt für die spätere Verbesserung des Menschentypus wählen muss. Die Fortpflanzung der „höherwertigen“ wollte sie fördern12, während die der „minderwertigen“ demnach, so gut es geht, vermieden und unterbunden werden sollte. Key betrachtete die Ehe nur als ,,zufällige Form des sozialen Zusammenlebens“13, in der das wichtigste die Art des Zusammenlebens in bezug auf die Nachkommen ist. Außerdem forderte sie eine neue Ethik, deren ,,(…)zehn Gebote (…) nicht vom Religionsstifter, sondern vom Naturforscher geschrieben werden“14.
,,Diese neue Ethik wird kein anderes Zusammenleben zwischen Mann und Weib
unsittlich nennen, als das, welches Anlaß zu einer schlechten Nachkommenschaft
gibt und schlechte Bedingungen für die Entwicklung dieser Nachkommenschaft
hervorruft.“15
Hier wird deutlich sichtbar, dass die Erkenntnisse von Charles Darwin über ,,Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl“, der von ihm geprägte Begriff ,,struggle for life“16 und der von Herbert Spencer geprägte Satz ,,survival of the fittest“17 Einfluss auf Keys Theorien und Forderungen hatten. Folglich kann man Ellen Key als Sozialdarwinistin bezeichnen, denn sie forderte die Anwendung Darwin´scher Theorien auf den Menschen. In diesem Zusammenhang trat Key für eine Umgestaltung der Wissenschaften ein, indem sie die Naturwissenschaften z.B. als Grundlage für Rechtswissenschaften und Pädagogik forderte, wodurch dann die Menschen die Gesetze der natürlichen Auslese kennen lernen und im Geiste dieser Gesetze handeln sollten18. Key wollte verhindern, dass sich der ,,Verbrechertypus“ fortpflanzt, der allerdings nur vom Gelehrten erkannt werden kann19. Als „Verbrechertypus“ bezeichnet Key u.a. die Trunksüchtigen, die Geisteskranken oder die für die Ehe Ungeeigneten20.
Aber auch Francis Galton hatte durch seine Arbeiten und Theorien Keys eugenische Gedanken beeinflusst, denn er führt an:
,,(…)dass das Gesetz der natürlichen Auslese, das in der übrigen Natur ,,survival
of the fittest“ gesichert hat, in der menschlichen Gesellschaft nicht mehr gilt(…)“21
Dafür gibt Galton ökonomische Beweggründe an, bei denen z.B. durch den Reichtum die unrichtigen Heiraten gefördert werden22. Diese Ehen könnten natürlich ,,schlechte“ Nachkommen erzeugen, da die Menschen aus materialistischen und nicht aus Rassenveredelungs-Gründen heiraten.
Deshalb fordert Key vor der Eheschließung ein ärztliches Zeugnis, welches beide Partner über jeweils mögliche Erberkrankungen des anderen informiert und dadurch die Entscheidung gegen eine ,,schlechte“ Nachkommenschaft für die Eheleute und die möglichen Kinder erleichtert23 Key hält dieses Zeugnis für ebenso wichtig, wie die Fähigkeit zum
Kriegsdienst24. Zudem sollten alle Ehen nur mit der Zustimmung des Gemeindevorstehers erlaubt werden25. Die Entscheidung gegen eine schlechte Nachkommenschaft, wäre für Key der Beweis für eine gute, verantwortungsvolle Elternschaft26. Falls es jedoch trotzdem zu einer ,,schlechten“ Nachkommenschaft gekommen sein sollte, sollte die Barmherzigkeit den Tod geben. Denn dann: ,,wird die Humanität der Zukunft sich darin zeigen können, dass der Arzt unter Kontrolle und Verantwortung schmerzlos ein solches Leiden auslöscht“27. Außerdem sei das Christentum zu ,,milde“ geworden, als dass es die unheilbar Kranken oder Verkrüppelten nicht der natürlichen ,,Härte“ aussetzt, sondern, das psychische und physische Leiden, die stündliche Qual immer wieder verlängert28. Mit diesen Aussagen, verlässt Ellen Key das Gebiet der Eugenik und begibt sich in das Gebiet der Euthanasie. Auch Francis Galton, auf den sich Ellen Key immer wieder beruft und in ihre Arbeiten einfließen lässt, behauptete, dass durch die Zivilisationsbedingungen die natürliche Auslese ausgeschaltet sei, weshalb er auch Gegenmaßnahmen fordert, um einer möglichen Degeneration29 entgegenzuwirken. Der Staat und die Gesetzgebung haben laut Key zwar nur einen geringen Einfluss30, jedoch müssten diese Gesetze beschlossen werden, um den Menschen auch die rechtliche Grundlage geben zu können. Weiterhin verlangt sie von den Eltern, die bestmöglichen Bedingungen für das Aufwachsen der Kinder zu schaffen. Wenn diese jedoch nicht erreichbar sind, haben die Eltern das eugenisch begründete Recht, über Leben und Tod des Kindes zu entscheiden31.
Das Ziel einer edleren Form kann man, so Key, nur dann erreichen, wenn man auf naturwissenschaftlicher Basis zur antiken Liebe der Schönheit und Stärke des eigenen Körpers kommt32. Der Staat muss in das Familienleben eingreifen, um die Frauen und Kinder vor männlichem Missbrauch und Ausbeutung zu schützen, da die damalige Gesetzgebung die ,,klügsten und geeignetsten“ Frauen vor der Mutterschaft abschrecken und die Bevölkerungsqualität sinken würde33. Da um die Jahrhundertwende Verhütungsmittel nicht sehr verbreitet waren, sollten Frauen das Recht haben, sich dem Ehemann völlig zu verweigern, wenn eine „schlechte“ Nachkommenschaft zu erwarten wäre34.
[...]
1 http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik, Verweis auf Y. Knibiehler: ,,A brief history of eugenics“, Agressologie 28(7)/1987, S765-767, sowie D.J. Galton: ,,Greej theories on eugenics“, Journal of Medical Ethics 24(4)/1998, S.263-267, einen historischen Überblick gab Allen G.Roper: ,,Ancient Eugenics“. The Arnold Prize Essay for 1913, B.H. Blackwell, Broad Street, Oxford (1913)
2 Ursula Hermann: ,,Die neue deutsche Rechtschreibung“; Bertelsmann Lexikon Verlag GmbH Gütersloh 1996, S. 367
3 http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik
4 http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik
5 http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalszialistische_Rassenhygiene
6 http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik
8 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.6
9 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.6
10 Baader/Jacobi/Andresen: „Ellen Key reformpädagogische Vision“; Beltz Verlag; Weinheim/Basel 2000; S.43
11 Anja Mankel: ,,Ellen Key: „Das Jahrhundert des Kindes“„Das Recht des Kindes, seine Eltern zu wählen“ – Rassistischer
Größenwahn oder logische Konsequenz der modernen Lebenswelt?; Grin Verlag ; S.4
12 Anja Mankel: ,,Ellen Key: „Das Jahrhundert des Kindes“„Das Recht des Kindes, seine Eltern zu wählen“ – Rassistischer
Größenwahn oder logische Konsequenz der modernen Lebenswelt?; Grin Verlag ; S.4
13 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.7
14 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.10
15 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.10
16 http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik#Evolutionstheorie_von_Charles_Darwin
17 http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik#Sozialdarwinistische_Gesellschaftstheorien
18 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.23
19 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.23
20 Anja Mankel: ,,Ellen Key: „Das Jahrhundert des Kindes“„Das Recht des Kindes, seine Eltern zu wählen“ – Rassistischer
Größenwahn oder logische Konsequenz der modernen Lebenswelt?; Grin Verlag ; S.4
21 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.12
22 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.12
23 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.28
24 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.28
25 Baader/Jacobi/Andresen: „Ellen Key reformpädagogische Vision“; Beltz Verlag; Weinheim/Basel 2000; S.105
26 Baader/Jacobi/Andresen: „Ellen Key reformpädagogische Vision“; Beltz Verlag; Weinheim/Basel 2000; S.61
27 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.18
28 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.17
29 http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialdarwinismus vgl. R.Bannister: "Social darwinsmus" S. 166
30 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S.28
31 Baader/Jacobi/Andresen: „Ellen Key reformpädagogische Vision“; Beltz Verlag; Weinheim/Basel 2000; S.260
32 Ellen Key: ,,Das Jahrhundert des Kindes“; Athenäum Verlag Königstein/Ts. 1978; S. 9
33 Baader/Jacobi/Andresen: „Ellen Key reformpädagogische Vision“; Beltz Verlag; Weinheim/Basel 2000; S.111
34 Baader/Jacobi/Andresen: „Ellen Key reformpädagogische Vision“; Beltz Verlag; Weinheim/Basel 2000; S.109
- Quote paper
- Daniel Rahn (Author), 2009, Euthanasie und Hilfsschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138987