Zu einem normalen Schulalltag gehört immer das Lernen mit oder ohne Interesse. Von einem interessierten Lernen kann man sprechen, wenn die Lerninhalte aufgrund der subjektiven Bedeutung des Lerngegenstandes erschlossen werden und nicht nur wegen ihrer intrinsischen Anreize. Nach A. Krapp (1996) ist Interesse ein Konstrukt, welches eine besondere Beziehung einer Person zu einem Gegenstand kennzeichnet.
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Ohne Interesse ist es für fast jeden schwer einer Freizeitbeschäftigung nachzugehen. Auch ein Beruf ist ohne Interesse auf Dauer nur schwer zu ertragen.
Ist es möglich sich für jeden beliebigen Gegenstand zu interessieren? Vorab kann man schon sagen, dass es allein durch Willenskraft nicht lange möglich ist. Also müssen bestimmte Bedingungen für das Entstehen und Anhalten von Interesse vorhanden sein. Damit sind allerdings nicht unbedingt Auslöser wie „irgendwann auf den Geschmack gekommen“ gemeint.
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Im Folgenden werde ich mich unter anderem mit Definitionen und Merkmalen von Interesse beschäftigen, dem Interessenkonstrukt, der Interessengenese, der Person-Gegenstands-Konzeption und mit dem Einfluss von Interesse auf das Lernen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen und Merkmale von Interesse
2.1 Definitionen
2.2 Merkmale
3. Interessenentwicklung aus Sicht einer Person-Gegenstands-Konzeption
3.1 Strukturelle Aspekte und Beschreibungsmerkmale
3.2 Einfache und komplexe Person-Gegenstands-Bezüge
3.2.1 Einfacher Person-Gegenstands-Bezug
3.2.2 Komplexer Person-Gegenstands-Bezug
3.2.3 Strukturelle Verknüpfung einfacher Person-Gegenstands-Bezüge
3.2.4 Strukturelle Verknüpfung komplexer Person-Gegenstands Bezüge
3.2.5 Aufbau neuer komplexer Person-Gegenstands-Bezüge
4. Das Interessenkonstrukt der neuen Interessenforschung
4.1 Individuelles Interesse
4.2 Situationales Interesse oder Interessiertheit
4.2.1 Bedingungen der Interessiertheit am Unterricht
5. Der Einfluss des Interesses auf das Lernen und Leistung
5.1 Einfluss von thematischen Interessen auf den Erwerb von Wissen
6. Entwicklung und Entwicklungstrends in der Schule
7. Schluss / Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Zu einem normalen Schulalltag gehört immer das Lernen mit oder ohne Interesse. Von einem interessierten Lernen kann man sprechen, wenn die Lerninhalte aufgrund der subjektiven Bedeutung des Lerngegenstandes erschlossen werden und nicht nur wegen ihrer intrinsischen Anreize. Nach A. Krapp (1996) ist Interesse ein Konstrukt, welches eine besondere Beziehung einer Person zu einem Gegenstand kennzeichnet. Dabei kann es sich bei dem Gegenstand des Interesses um einen thematischen Bereich, bestimmte Objekte oder Tätigkeiten handeln. Diese Person-Gegenstands-Beziehung (Person-Gegenstand im Folgenden PG abgekürzt) äußert sich in der freiwilligen Beschäftigung, für die man eine persönliche Vorliebe hegt. Somit ist ein interessengeleitetes Lernen selbstbestimmt und wird von positiven emotionalen Erfahrungen begleitet.
Ohne Interesse ist es für fast jeden schwer einer Freizeitbeschäftigung nachzugehen. Auch ein Beruf ist ohne Interesse auf Dauer nur schwer zu ertragen.
Ist es möglich sich für jeden beliebigen Gegenstand zu interessieren? Vorab kann man schon sagen, dass es allein durch Willenskraft nicht lange möglich ist. Also müssen bestimmte Bedingungen für das Entstehen und Anhalten von Interesse vorhanden sein. Damit sind allerdings nicht unbedingt Auslöser wie „irgendwann auf den Geschmack gekommen“ gemeint.
Situationen, in denen Kinder zum Beispiel mit Gegenständen in Berührung kommen, sind in der Schule. Betrachtet man allerdings die Forschungsergebnisse zum Interesse in Bezug auf Schule, so wurde folgendes festgestellt:
- im Laufe der Schulzeit sinkt das Interesse an schulischen Inhalten konstant
- nur wenige Schülerinnen und Schüler (im Folgenden SuS abgekürzt) geben an, dass sich ihr Interesse durch die Schule entwickelt hat (mehr durch Familie und Freunde)
- es finden sich fast keine Überschneidungen, wenn man die von SuS angegebenen Interessen mit denen in der Schule behandelten Themen vergleicht
Dies lässt vermuten, dass die Bedingungen von Interessenentwicklung in der Schule nicht günstig sind. Allerdings kann manchmal Schule auch der Auslöser von Interessen sein, wobei das Thema bzw. der Gegenstand unverzichtbarer Aspekt von Interesse ist.
In diesem Abschnitt habe ich einen kurzen Abriss gegeben, wie vielfältig die Ansatzmöglichkeiten sind, wenn man sich mit dem Thema Interesse auseinander setzen möchte. Im Folgenden werde ich mich unter anderem mit Definitionen und Merkmalen von Interesse beschäftigen, dem Interessenkonstrukt, der Interessengenese, der Person-Gegenstands-Konzeption und mit dem Einfluss von Interesse auf das Lernen.
2. Definitionen und Merkmale von Interesse
2.1 Definitionen
„Interesse (lat.: dabeisein). Personale affektiv-kognitive Struktur mit handlungs- und erlebnisleitender Funktion; beeinflußt Form und Inhalt unserer Auseinandersetzung mit der Umwelt. […] Die eigene I.nstruktur ist wesentliches Charakteristikum des Individuums. Im Unterschied zu Trieb und Instinkt sind I.n nicht einem Reiz- und Reaktionsmechanismus unterworfen; sie sind von ihrer Vielfalt her prinzipiell nicht eingrenzbar, da sie alle Bereiche menschl. Strebens umfassen, sie sind aber weckbar.“ (Böhm, Winfried 2000, S.265)
Nach Definition von English und English (1958) hat das Interesse u.a. folgende Bedeutungen:
- Aufmerksamkeitseinstellung
- ein Gefühl, dass ein Objekt für einen selbst wichtig ist
- das Streben, die Merkmale eines Gegenstandes genau kennen zu lernen
- Persönlichkeitsdisposition
Man kann Interesse also einen Zustandscharakter (Gefühle) und auch einen Dispositionscharakter (Einstellungen, etc.) zuschreiben (siehe Abb. 1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 (aus: Todt, Eberhard 1995, S.222)
Betrachtet man Interessen aus einer anderen Sicht, so kann man ihnen emotionale (Gefühle, kognitive (Aufmerksamkeit) oder konative (Streben) Komponenten zuordnen.
In der Psychologie werden Interessen in den verschiedenen Lebensbereichen Freizeit, Schule und Beruf untersucht.
In der angewandten Psychologie kann man unterschiedliche Möglichkeiten der Beziehung zwischen Arbeits-(oder Schul-) und Freizeittätigkeiten diskutieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 (aus: Todt, Eberhard 1995, S.224)
Wenn zum Beispiel jemand auf der Arbeit juristische Fälle bearbeitet und in seiner Freizeit Briefmarken sammelt, so ist von einer Segmentierung die Rede. Um eine Generalisation handelt es sich, wenn dieser Jurist in seiner Freizeit für sich selber juristische Bücher oder Zeitschriften liest. Treibt er in seiner Freizeit aber hauptsächlich Sport, so spricht man von einer Kompensation. Natürlich könnte er auch alle drei Freizeittätigkeiten (und noch mehr) ausüben.
Für eine Differenzierung des Interessenkonzepts haben auch weitere Wissenschaftler plädiert. So zum Beispiel auch E. Todt (1985):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 (aus: Todt, Eberhard 1995, S.226)
Definition „allgemeine Interessen“:
Relativ überdauernde und verallgemeinerte Dispositionen, die auf verschiedene Gegenstands-, Erlebnis- oder Tätigkeitsbereiche gerichtet sind. „In ihrer Entwicklung stehen sie in enger Wechselwirkung zur kognitiven Entwicklung und zur Entwicklung des Selbstbildes.“ (Todt Eberhard 1995, S. 225) Sie umfassen affektive, kognitive und konative Komponenten.
Definition „spezifische Interessen“:
Relativ überdauernde und spezifische Dispositionen, die sich innerhalb allgemeiner Interessen auf spezifische Gegenstände, Erlebnisse oder Tätigkeiten beziehen. In ihrer Entwicklung sind sie abhängig von konkreten Anregungen, wobei sie sich eher manifestieren als allgemeine Interessen. Auch spezifische Interessen umfassen affektive, kognitive und konative Komponenten.
Definition „Interessiertheit“:
Gekennzeichnet durch eine positive emotionale Befindlichkeit, Sympathie, Aufmerksamkeit, ein sinnvolles Tätigsein und Verstehen.
(mehr zum Thema Interessiertheit am Unterricht folgt später)
2.2 Merkmale
Wichtig für das Verständnis von Interesse im pädagogischen, psychologischen und alltagssprachlichen Bereich ist die PG-Beziehung, auf welche ich zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer eingehen werde. Sie ist durch bestimmte Merkmale geprägt, die in der pädagogischen Interessentheorie in eine Rahmenkonzeption von Interesse integriert sind. Nach H. Schiefele (1983) gehören drei Kategorien dazu:
1.) Emotionale Merkmale → (haben die größte Nähe zum alltagssprachlichen Verständnis von Interesse) Interessenhandlungen werden meist von angenehmen Gefühlen begleitet. M. Prenzel (1988) teilt mögliche positive Empfindungen, die das Interesse begleiten, in drei verschiedene Kategorien ein:
- angenehmes Spannungsgefühl: drückt sich durch ein günstiges Aktivierungsniveau aus und Anforderungen werden nicht als zu schwer oder zu leicht angesehen
- positive Kompetenzgefühle: eng verbunden mit dem Spannungsgefühl, treten während der Handlung oder nach Beendigung auf
- ‚emotionale Tönung’: stärker gegenstandsspezifisch als die ersten beiden, die relativ unabhängig von Inhalten auftreten; zum Beispiel beim Hören von Musik
2.) Wert- und Steuerungsaspekte → Selbstintentionalität wird als ein zentrales Merkmal bei interessengeleitetem Handeln gesehen. PG-Beziehungen werden nicht aufgrund externer Anreize geführt, sondern „um der Sache Willen“. Selbstintentionalität kann nicht als völlig unabhängig von äußeren Einflüssen interpretiert werden, da PG-Auseinandersetzungen in der Realität nur selten so unabhängig sind. Wenn eine wahrgenommene Handlungsveranlassung in der eigenen Person liegt, dann kann man sagen, dass diese Handlung selbstintentional ist. Das heißt, der selbstintentionale Charakter einer PG-Auseinandersetzung ist von äußeren Einflüssen unabhängig bestimmbar.
3.) Kognitive Aspekte → (wichtig im Hinblick auf die Bedeutung von Interesse im Rahmen von Schule) Als Merkmal von Interesse wird ein hohes und differenziertes Wissen über den Interessengegenstand festgelegt, was empirisch nachzuvollziehen ist. Eine Person ist sich in ihrem Interessengebiet darüber bewusst, was sie darüber wissen und was sie können bzw. nicht. Dennoch ist auch ein Wissen über Aktivitäten vorhanden, die noch nicht ausgeführt wurden. Die Person „will“ ihren Interessengegenstand erschließen und ist auch in der Lage dazu.
3. Interessenentwicklung aus Sicht einer Person-Gegenstands-Konzeption
Die Beschreibung und Erklärung entwicklungsbedingter Veränderungen ist ein wichtiges Ziel in der Interessenforschung, wobei ein Rahmenkonzept zur Klärung allgemeiner Zielrichtung von Bedeutung ist. Die meisten neueren Interessentheorien basieren auf der schon mal oben erwähnten PG-Konzeption.
In der Regel hinterlassen regelmäßig wiederkehrende Auseinandersetzungen mit einem Gegenstand (dabei kann es sich um konkrete oder abstrakte Gegenstände handeln) in der Persönlichkeitsorganisation eines Individuums eine dauerhafte Disposition. Dieser interessenorientierte PG-Bezug kann dazu beitragen, dass bestimmte gegenstandsspezifische Präferenzen in entsprechenden Situationen aktualisiert werden. Über die aktuelle Handlungssituation behalten die damit verbundenen Gegenstände ihre Wertschätzung und ihre Beliebtheit für das Individuum. Interessen sind auf der Handlungsebene gekennzeichnet durch eine höhere Bereitschaft sich mit verschiedenen Aspekten des Gegenstandsbereichs auseinanderzusetzen. Weiterhin sind Interessen auf der Handlungsebene durch gegenstandsspezifische Präferenzentscheidungen gekennzeichnet, wenn sich das Individuum in einer Wahlsituation befindet.
3.1 Strukturelle Aspekte und Beschreibungsmerkmale
Bereits im Kindesalter weisen Interessen unterschiedliche Komplexitätsgrade auf. Diese individuelle Struktur eines Interesses ergibt sich aus hierarchischen Abstufungen der Präferenz von Objekten. Dabei wird die überdauernde dispositionelle Interessenorientiertheit anhand dieser Präferenzen widergespiegelt. „Diese manifestiert sich auch in kognitiven Repräsentationen […]. Darin eingeschlossen sind die gespeicherten Erfahrungen aus früheren Auseinandersetzungen mit dem Gegenstandsbereich und das Wissen über bereits realisierte und/oder nur bekannte bzw. vorgesehene Handlungsmöglichkeiten […].“ (Krapp, Andreas 1992, S.54f) Ein interessenorientierter PG-Bezug ist meist durch komplexe Strukturen gekennzeichnet und nicht nur auf einen eng begrenzten Objektbereich. Zum interessenorientierten PG-Bezug gehören drei grundlegenden Komponenten:
- konkrete materielle Objekte, also ‚Referenzobjekte’
- Tätigkeiten oder Handlungsmöglichkeiten
- Themen, die als Suchraster für Auseinandersetzungen dienen und damit zum Teil für die Art und den Ablauf einer Interessenhandlung verantwortlich sind
Ein wichtiges Merkmal beginnender Interessen ist die Präferenz. Dabei sind empirisch belegte Indikatoren für die Präferenz:
- Dauer und Häufigkeit der gegenstandsbezogenen Tätigkeit → Damit kann man zum Ausdruck bringen, dass es sich bei Handlungen die interessengeleitet sind nicht um kurzfristige oder einmalige Vorkommnisse handelt, sondern um beständige, die sich über Zeit und Situation hinaus erstrecken.
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