Einen wesentlichen Aspekt in der Politik der SED-Regierung stellt die Gleichberechtigung der Frau dar. In bewusster Abgrenzung zum kapitalistischen Nachbarn verfolgte man in der DDR die Gleichberechtigung der Frau sowohl auf dem bildungspolitischen und ökonomischen, als auch auf dem familiären Sektor durch entsprechende politische Regelungen und Maßnahmen von Seiten der Parteispitze zu ermöglichen und herbeizuführen. Die Politik der SED, die auf eine Gleichberechtigung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen abzielte, brachte zum einen bemerkenswerte Resultate, zum Beispiel den hohen Beschäftigungsgrad der DDR- Frauen mit sich, zum anderen entwickelte sie sich immer mehr zu einem Aushängeschild der SED. Dies hatte wiederum zur Folge, dass die damit nicht gelösten Probleme der Frauen in der DDR zur öffentlichen Diskussion nicht zugelassen wurden.
Inhaltsangabe
1. Einleitung
2. Die „Frauenfrage“
2.1 Leninistischer-Marxistischer Ansatz
2.2 Clara Zetkins Ansatz
3. Politische Maßnahmen in der DDR
3.1 Die “Frauenfrage” in der Verfassung der DDR
3.2 Historischer Überblick zur “Frauenfrage” in der DDR
4. Weibliche Erwerbstätigkeit in der DDR
5. Frauen in der Arbeitswelt
6. Fazit
1. Einleitung
Einen wesentlichen Aspekt in der Politik der SED-Regierung stellt die Gleichberechtigung der Frau dar. In bewusster Abgrenzung zum kapitalistischen Nachbarn verfolgte man in der DDR die Gleichberechtigung der Frau sowohl auf dem bildungspolitischen und ökonomischen, als auch auf dem familiären Sektor durch entsprechende politische Regelungen und Maßnahmen von Seiten der Parteispitze zu ermöglichen und herbeizuführen. Die Politik der SED, die auf eine Gleichberechtigung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen abzielte, brachte zum einen bemerkenswerte Resultate, zum Beispiel den hohen Beschäftigungsgrad der DDR- Frauen mit sich, zum anderen entwickelte sie sich immer mehr zu einem Aushängeschild der SED. Dies hatte wiederum zur Folge, dass die damit nicht gelösten Probleme der Frauen in der DDR zur öffentlichen Diskussion nicht zugelassen wurden.
Die marxistische Analyse lässt darauf schließen, dass die Unterdrückung der Frau in allen Bereichen dann ein Ende finden würde, wenn das kapitalistische System mit dem Mittel einer sozialen Revolution durch eine sozialistische Ordnung abgelöst wird. Durch diese Umwälzung würden die gesellschaftlichen Institutionen und Strukturen auf die im Kapitalismus weiter entwickelten ökonomischen Strukturen angepasst.
Die vorliegende Arbeit untersucht diese Fragen mit Konzentration auf die Frauen und Familienpolitik in der DDR. Ausgehend vom ideologischen Vorbild des Sozialismus und dessen Betrachtung der „Frauenfrage“ wird untersucht, inwieweit eine Gleichberechtigung der Geschlechter stattfand und eine Emanzipation der Frauen festzustellen war. In Verbindung mit den wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten wird auch untersucht, wie es um das traditionelle patriarchalische Gesellschaftsbild stand. Wurde es aufgehoben, modifiziert oder gar nicht angetastet?
Ein besonderes Augenmerk lege ich dabei auf die arbeitspolitischen Maßnahmen, Regulierungen und Gesetze der SED-Regierung, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, besonders für die weibliche Bevölkerung vereinfachen sollten. Analysiert wird auch die Art und der Umfang der weiblichen Erwerbsteilnahme und darauf aufbauend, welchen Anteil die politischen und sozialen Maßnahmen der Regierung an der Entwicklung (positiv oder negativ) hatten.
Als Abschluss der Arbeit gebe ich ein Fazit, in wie weit die politischen Maßnahmen der SED-Regierung gewirkt haben. Ausserdem will ich angeben, ob es eine wirkliche Gleichstellung der Frauen gab, oder ob die DDR ein nach außen deklarierten sozialistischen System der Gleichberechtigung war.
2. Die „Frauenfrage“
2.1 Leninistischer- Marxistischer Ansatz
Eine Säule des ideologischen Unterbaus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik war die Gleichberechtigung beider Geschlechter. Nicht zuletzt hierauf begründe sich der Sozialismus als die Form der Zivilisation ohne Unterdrückung der Menschen durch andere Menschen. Eine Unterdrückung zeige sich aber im Verhältnis der Geschlechter. Der Umsturz des Mutterrechts1 war Friedrich Engels zufolge
„die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts. Der Mannergriff das Steuer auch im Hause, die Frau wurde entwürdigt, geknechtet, Sklavin seiner Lust und bloßes Werkzeug der Kindererzeugung“.2
August Bebel greift diese These auf und stellt fest, dass die Frau infolge ihrer ökonomischen Abhängigkeit das erste menschliche Wesen war, das in Knechtschaft kam, dass sie Sklavin wurde, ehe der Sklave existierte.3 Bebel sieht im Mutterrecht Kommunismus und Gleichheit aller, im Aufkommen des Vaterrechts jedoch die Herrschaft des Privateigentums und die damit einhergehende Unterdrückung der Frauen.4 Friedrich Engels sowie August Bebel sehen als einzige Lösung dieser Problematik „die Befreiung der Frau, ihre Gleichstellung mit dem Manne“, die aber nur möglich sei, wenn die Frau von der gesellschaftlichen produktiven Arbeit nicht ausgeschlossen und nicht nur auf die häusliche Privatarbeit beschränkt bleibe.5 Denn sie müsse „ökonomisch unabhängig sein[...], um es körperlich und geistig zu sein, damit sie nicht mehr von dem Wohlwollen und der Gnade des anderen Geschlechts abhängig“ sei6. Nach Karl Marx lässt sich der Fortschritt einer Gesellschaft exakt messen an der gesellschaftlichen Stellung der Frauen. Jutta Gysi betonte in einem 1988 erschienenen Aufsatz, die Realisierung der Gleichberechtigung der Frau sei ein unverzichtbares Entwicklungsmoment des Sozialismus überhaupt: „Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist demnach nicht in ausgewählten Lebensbereichen herzustellen“.7 Inwieweit die Gleichberechtigung der Geschlechter in der DDR tatsächlich nicht nur in ausgewählten Bereichen angestrebt wurde, wird in den folgenden Kapiteln der vorliegenden Arbeit hinterfragt, zumal da August Bebel in seinen Thesen herausstellt, dass es neben der Berufstätigkeit der Frau auch gilt, „ihr die Fähigkeit als Mutter und Erzieherin der Kinder zu sichern“8. Grit Brühler konstatiert richtig, dass August Bebel Kinder und Familie trotz ökonomischer Unabhängigkeit und beruflicher Gleichberechtigung in der Pflicht der Frauen sieht.9
2.2 Clara Zetkins Ansatz
Clara Zetkin (1933-1957) argumentiert in Bezug auf die Stellung der Frau in der Gesellschaft auf einer marxistisch materialistischen Basis. Sie geht davon aus, dass die Stellung der Frau eine Folge der „gesellschaftlichen, auf den Produktionsverhältnissen fußenden Zustände einer gegebenen Zeit“10 sei.
So wiesen die wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Frau in den verschiedenen
Geschichtsperioden eine spezifische Stellung zu. Aus dieser Argumentation ist ersichtlich, dass Zetkin nicht davon ausgeht, dass die Frauen aufgrund irgendwelcher Ideen der Unterdrücker beherrscht und ausgebeutet werden, sondern dass allein ökonomische Entwicklungen und Verhältnisse hierfür verantwortlich sind.11
Der historische Materialismus, dem Zetkin argumentativ und ideologisch folgt,
„...sieht im Ökonomischen und dessen Kern, der menschlichen Arbeitsproduktivität, die treibende Formkraft der Geschichte und analysiert diese als Phasenfolge sich entfaltender Produktivkräfte und Klassengesellschaften mit davon abhängigen kulturellen und politischen Überbauverhältnissen“.12
Eine Veränderung der Stellung der Frau, ist also nur in dem Maße zu erwarten, wie sich die ökonomischen Bedingungen verändern und weiterentwickeln. Der Ursprung für die aufkommende Frauenfrage ist für Zetkin allein in den ökonomischen Entwicklungen zu finden. Die veränderte Produktionsweise sei durch neuartige, einfach zu bedienende Maschinen gekennzeichnet und stelle durch die Massenproduktion auch alltäglich gebrauchte Haushaltsprodukte nun billig her. Frauen hätten diese Produkte in Folge dessen nicht mehr im Familienbetrieb herstellen müssen, wodurch dieser Beschäftigungssektor an Bedeutung verlor. Einen neuen Tätigkeitsbereich fanden die Frauen in der Industrie.13
Die Gründe für einen Zustrom weiblicher Arbeitskräfte in den industriellen Erwerbssektor sieht Zetkin in der dieser Produktionsweise immanenten vereinfachten Herstellung diverser Produkte (z.B. durch neuartige Maschinen, Muskelkraft war nicht mehr so wichtig), die es auch körperlich schwächeren Frauen möglich gemacht habe, erwerbstätig zu sein. Außerdem erwarteten die Frauen einen verhältnismäßig höheren Verdienst.
Diese Faktoren seien jedoch bald von der Notwendigkeit arbeiten zu müssen abgelöst worden. Große Produktivitätssteigerungen durch neuartige Maschinen, Rationalisierungen und das Zuströmen weiblicher Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt führten zu einem Übergewicht des Angebots an Arbeitskräften über die Nachfrage hinaus. Es entstand Arbeitslosigkeit, wodurch die Löhne gedrückt wurden. Aus Zetkins Sicht wurde so ein zweites Einkommen in der Familie notwendig.
Durch das neue Betätigungsfeld der Frau habe sie allerdings auch zum ersten Mal eine ökonomische Unabhängigkeit gegenüber ihrem Mann gewonnen. Sie besäße plötzlich ein eigenes Einkommen, das ihr ein gänzlich selbstständiges Leben ermögliche. Durch diese Voraussetzung sei die traditionelle Familie, die auf die Vorherrschaft des Mannes ausgerichtet sei, zersetzt worden. Darüber hinaus verändere sich notwendigerweise auch die öffentliche und gesellschaftliche Stellung der Frau. Zetkin bezeichnet diese als die Grundlage für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts. Sie stellt an diesem Punkt allerdings fest, dass die gesellschaftlichen Institutionen und Einrichtungen, welche sie als „Ideen“ (materialistisch: der Überbau) der Menschen bezeichnet, den neuen ökonomischen Tatsachen hinterherhinken. Die Frau stehe politisch und gesellschaftlich immer noch rechtlos da.14
Aus den beschriebenen ökonomischen Veränderungen resultiere laut Zetkin, dass es erstmals zur Frage der gesellschaftlichen Gleichstellung der Frau kam.15 Aus ihrer materialistischen Weltanschauung heraus erklärt sie nun ihren Lösungsvorschlag für dieses Missverhältnis zwischen ökonomischen Tatsachen und politisch gesellschaftlicher Realität.
Die Lösung, dieses Missverhältnis zu begleichen, sieht Zetkin darin, dass die Frauen sich der, bisher durch Männer dominierten Arbeiterbewegung, anschließen müssten, um dann mit ihnen für eine soziale Revolution hin zum Sozialismus kämpfen zu können. Aus ihrer Sicht könne die Emanzipation der Frau, wie die des ganzen Menschengeschlechts, ausschließlich „das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein“16.
Daher kann festgehalten werden, dass Zetkin der Auffassung ist, dass es nur durch das Mittel einer sozialistischen Revolution zur Gleichstellung der Frau und zur Lösung der Frauenfrage kommen kann, da durch sie die Gesellschaftsform den ihr zugrunde liegenden ökonomischen Verhältnissen angepasst wird. Da die Frau ökonomisch bereits gleichgestellt ist, muss sie demzufolge zwangsläufig in der angepassten Gesellschaftsformation (dem Sozialismus) dem Mann auch gleichgestellt sein.
3. Allgemeine Politische Maßnahmen
3.1 Die “Frauenfrage” in der Verfassung der DDR
Bereits die erste Verfassung der DDR, die im Jahre 1949 verabschiedet wurde, besagte, ausgehend von der marxistisch-leninistischen Theorie, dass die volle Gleichberechtigung der Frau zu verwirklichen ist. Dort heißt es:
„Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben“17.
So wurde zumindest verfassungstechnisch schon einmal deutlich gemacht, dass von Staatsgründung aus ein großer Wert auf die Verwirklichung der oben beschriebenen ideologischen Vorgaben gelegt wurde. Es wurde schon 1949 festgelegt, dass Frauen und Männer den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit erhalten müssen.
[...]
1 Vgl.: Beate Wagner-Hasel, Art.: Matriarchat, in: Manfred Landfester (Hrsg.), Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 15/1, Stuttgart, Weimar 2001, Sp. 322/323 u. 325
2 Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates, in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), Karl Marx, Friedrich Engels. Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Bd. VI, Berlin 19797, S. 71.
3 Vgl. August Bebel, Die Frau und der Sozialismus, in: Internationales Institut für Sozialgeschichte Amsterdam (Hrsg.), August Bebel. Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. 10/2, München, New Providence, London, Paris 1996, S. 243.
4 Vgl. Bebel, S. 263.
5 Vgl. Engels, S. 179.
6 Vgl. Bebel, S. 238.
7 Jutta Gysi, Frauen- und Familienentwicklung in der DDR, in: Heiner Timmermann (Hrsg.), Sozialstruktur und sozialer Wandel in der DDR, Saarbrücken-Scheidt 19892, S. 93.
8 Bebel, S. 241.
9 Vgl. Grit Brühler, Mythos Gleichberechtigung in der DDR. Politische Partizipation von Frauen am Beispiel des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands, Frankfurt/M., New York 1997, S. 14.
10 Zetkin, 1889a, 134
11 vgl. Zetkin, 1889a, 134
12 Weiß, 2005, 547
13 vgl. Zetkin, 1889a, 139
14 vgl. Zetkin, 1889a, 140/141
15 Ebda, 137
16 Zetkin, 1889b
17 Artikel 7, 1949, Verfassung der DDR
- Quote paper
- Stefanie Tödt (Author), 2008, Inwiefern hat die SED-Regierung zur Emanzipation der Frau in der DDR geführt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138321
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