Unternehmen und Betriebe strukturieren sich im Zuge der wirtschaftlichen Reorganisation in den letzten Jahren immer mehr um. Bereiche, welche nicht zum Kerngeschäft gehören, werden ausgegliedert oder mit anderen verschmelzt, Betriebe werden als ganzes verkauft oder Aufgaben im öffentlichen Sektor werden privatisiert. Fast immer handelt es sich dabei um einen Betriebsübergang nach § 613a BGB. Mit der Novellierung des § 613a BGB im Jahre 2002 sollte mehr Rechtssicherheit hinsichtlich der Unterrichtungspflicht der Arbeitgeber und des Widerspruchsrechts der Arbeitnehmer geschaffen werden, jedoch zeigt die teilweise kontroverse Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in den letzten Jahren, dass es im Einzelfall immer wieder auf Kleinigkeiten ankommt, die durchaus eine große Wirkung entfalten können. In der folgenden Arbeit wird die Unterrichtungspflicht und insbesondere deren Inhalt anhand der aktuellen Rechtsprechung und Literatur erläutert und die Folgen der engen Verknüpfung mit dem Widerspruchsrecht dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. § 613a BGB Entstehung und Normzweck
3. Der Betriebsbegriff
4. Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
5. Unterrichtungspflichten des Veräußerers oder des Erwerbers
5.1 Zeitpunkt der Unterrichtung
5.2 Adressaten der Unterrichtung
5.3 Inhalt und Umfang der Unterrichtung
5.3.1 Zeitpunkt des Betriebsübergangs
5.3.2 Grund des Betriebsübergangs
5.3.3 Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Betriebsübergangs
5.3.4 In Aussicht genommene Maßnahmen hinsichtlich der Arbeitnehmer
6. Folgen einer fehlerhaften oder unvollständigen Unterrichtung
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Unternehmen und Betriebe strukturieren sich im Zuge der wirtschaftlichen Reorganisation in den letzten Jahren immer mehr um. Bereiche, welche nicht zum Kerngeschäft gehören, werden ausgegliedert oder mit anderen verschmelzt, Betriebe werden als ganzes verkauft oder Aufgaben im öffentlichen Sektor werden privatisiert. Fast immer handelt es sich dabei um einen Betriebsübergang nach § 613a BGB. Mit der Novellierung des § 613a BGB im Jahre 2002 sollte mehr Rechtssicherheit hinsichtlich der Unterrichtungspflicht der Arbeitgeber und des Widerspruchsrechts der Arbeitnehmer geschaffen werden, jedoch zeigt die teilweise kontroverse Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in den letzten Jahren, dass es im Einzelfall immer wieder auf Kleinigkeiten ankommt, die durchaus eine große Wirkung entfalten können. In der folgenden Arbeit wird die Unterrichtungspflicht und insbesondere deren Inhalt anhand der aktuellen Rechtsprechung und Literatur erläutert und die Folgen der engen Verknüpfung mit dem Widerspruchsrecht dargestellt.
2. § 613a BGB Entstehung und Normzweck
Zeitgleich mit dem Betriebsverfassungsgesetz wurde 1972 der § 613a BGB eingeführt.[1] Unabhängig des Geltungsbereichs des Betriebsverfassungsgesetzes, soll das Gesetz regeln, was im Falle eines Betriebsüberganges für die Arbeitsverhältnisse gilt. Insbesondere sollen die Rechte der Arbeitnehmer (Kündigungsschutz, Betriebsvereinbarungen, u.s.w.) geschützt werden und es sollen die wesentlichen Haftungsfragen geklärt sein.[2]
Im weiteren Verlauf wurde das Gesetz mehrfach überarbeitet und erweitert, um u. A. die Harmonisierung mit europäischen Rechtsvorschriften zu erreichen. Mit der letzten Erweiterung des Gesetzes um die Absätze 5 und 6, erfolgte am 01.04.2002 die Umsetzung der europäischen Richtlinie 2001/23/EG.[3] § 613a Absatz 5 BGB regelt die Informationspflichten des Betriebsveräußerers oder des Betriebserwerbers gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern.
Außerdem hat der Gesetzgeber das in ständiger Rechtssprechung des BAG vertretene Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gesetzlich festgeschrieben.[4] Ursächlich für das Widerspruchsrecht ist die Ansicht, dass der Arbeitnehmer sich nicht gegen seinen Willen 'verkaufen' lassen muss und er sein Grundrecht auf freie Arbeitsplatzwahl ausüben können soll (Artikel 12 GG).
Der Arbeitnehmer soll sich aus dem Inhalt der Unterrichtung zum Betriebsübergang ein umfassendes Bild über die Fortgeltung oder Änderung der bisherigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, der Haftung des bisherigen und des neuen Inhabers gegenüber dem Arbeitnehmer sowie auch Kündigungsschutzthemen machen können.[5]
In Zusammenwirkung mit seinem Widerspruchsrecht kann der Arbeitnehmer so entscheiden, ob er weiterhin auf seinen übergehenden Arbeitsplatz beschäftigt sein will oder dem Übergang widerspricht. Außerdem soll sich sowohl der Betriebserwerber als auch der Betriebsveräußerer frühzeitig ein Bild über die übergehenden bzw. beim Veräußerer bleibenden Arbeitnehmer bilden können.[6]
3. Der Betriebsbegriff
Um festzustellen, wann der § 613a BGB anzuwenden ist, ist es erforderlich den Begriff Betrieb im Sinne des Gesetzes zu erläutern. Die Definition ist durch mehrere kontroverse Entscheidungen des BAG im Laufe der Zeit verändert worden. So ging man ursprünglich davon aus, dass „...[der] Betrieb die Gesamtheit der sächlichen und immateriellen Betriebsmittel, mit denen ein Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt“.[7] Bei einem Übergang des Betriebes oder eines Betriebsteils war dabei die Möglichkeit für den neuen Inhaber den Betrieb fortzuführen von Bedeutung, nicht aber ob er es auch tatsächlich tat.[8]
Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ist es heute für einen Betriebsübergang nach § 613a BGB entscheidend, dass es sich beim Übergang um die Wahrung der Identität einer wirtschaftlichen Einheit handelt, aus der sich ergibt, dass der neue Inhaber dieselben oder ähnliche Tätigkeiten auch tatsächlich ausübt.[9] Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf die organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit.[10] Abgegrenzt davon stellt eine reine Funktionsnachfolge noch kein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB dar.[11]
Unberührt von der Frage der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge besteht ein Betriebsübergang nach § 613a BGB auch bei Abspaltungen, Verschmelzungen und Formwechsel im Sinne des Umwandlungsgesetzes durch einen Verweis des § 324 UmwG.[12]
Die grundlegenden Tatbestandsmerkmale für einen Betriebsübergang lassen sich an folgenden Merkmalen zusammenfassend prüfen:
- Wirtschaftliche Einheit beim Veräußerer und auch beim Erwerber.
Die tatsächliche Fortführung des Betrieb.
Identische Tätigkeiten.
- Eigenwirtschaftliches Interesse bei der Ausübung der Tätigkeiten.
4. Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
Ein vom Betriebsübergang betroffener Arbeitnehmer hat das Recht dem Betriebsübergang zu Widersprechen (§ 613a Absatz 6 BGB). Es kann nur dem gesamten Betriebsübergang widersprochen werden, ein Widerspruch gegen einzelne Folgen oder Bedingungen die sich aus dem Übergang ergeben ist unwirksam.[13] Der Widerspruch bedarf der Schriftform und ist empfangsbedürftig, entweder beim Erwerber oder beim Veräußerer. Die Frist für einen Widerspruch beträgt 4 Wochen. Die Frist beginnt jedoch erst mit der vollständigen und richtigen Unterrichtung der Arbeitgeber. Die Folge des Widerspruchs ist, dass das Arbeitsverhältnis ex tunc, also ohne Unterbrechung beim bisherigen Arbeitgeber fortbesteht, das gilt auch dann, wenn der Betriebsübergang bereits erfolgt ist.[14]
Zwar ist es dem Betriebsveräußerer möglich dem widersprechenden Arbeitnehmer betriebsbedingt zu kündigen, da durch den Betriebsübergang der Arbeitsplatz beim Veräußerer nicht mehr vorhanden ist, jedoch birgt der Widerspruch des Arbeitnehmers zum Betriebsübergang Planungsrisiken, sowohl beim Veräußerer als auch bei dem Erwerber.[15]
[...]
[1] BGBl. I 1972, S. 13.
[2] Vgl. Dreher in Kommentar zu § 613a, Rn. 5 ff.
[3] Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze, BGBl. I 2002, 1163 f.
[4] BAG - 2 AZR 313/92, NJW 1994, 2170, 2171.
[5] Vgl. BT-Drucksache 14/7760, S. 19.
[6] Ebd.
[7] Dreher, Kommentar zu § 613a BGB, Rn. 33.
[8] BAG 2 AZR 68/85, NZA 1987, 123, 124.
[9] EuGH, C-392/92, NZA 1994, 545.
[10] Richtlinie 2001/223/EG, Art. 1 Abs. 1b.
[11] BAG 8 AZR 621/02, NZA 2004, 791, 793.
[12] Vgl. Meyer (2007), S. 21.
[13] Vgl. Brößke (2008), S. 578.
[14] Ebd., S. 579.
[15] Vgl. Meyer (2007), S. 25.
- Quote paper
- Jonny Gerhardt (Author), 2009, Unterrichtungspflichten bei Betriebsübergang, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138066
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