Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Kreativität und Raum und versucht die wechselwirkende Beziehung dieser zwei Instanzen ganzheitlich zu analysieren. Die These, dass Kreativität beim Menschen durch eine gezielte Gestaltung von Räumlichkeiten beeinflusst und gefördert werden könne, soll dabei erforscht und kritisch hinterfragt werden. Ferner soll es Ziel sein, erste Richtlinien für die Konzeption eines "Raumes für Kreativität" zu definieren, welche auf kreativitäts- und architekturpsychologischen Grundaspekten aufbauen, aber auch soziokulturelle und wirtschaftliche Faktoren miteinbeziehen, um die Notwendigkeit einer solchen Fragestellung in der heutigen Gesellschaft aufzuzeigen. Es gilt, die interaktiven Verbindungen zwischen Mensch, Kreativität und Raum zu erforschen, ihre Beziehungen zu erkennen und für die Praxis relevante Schlussfolgerungen zu definieren.
Der zentrale Gedanke dieser Abschlussarbeit setzt sich dabei aus der These zusammen, dass Kreativität und der kreative Denkprozess durch bestimmte Eigenschaften eines (Arbeits-)Raumes unterstützt, gefördert und damit auch das kreative Produkt dadurch quantitativ und qualitativ geprägt werden kann. Schließlich soll mit Hilfe dieser Ausarbeitung gezeigt werden, welche Möglichkeiten zur äußeren Einflussnahme durch den umgebenden Raum auf die menschliche Kreativität bestehen und wo diese Annahme an ihre Grenzen stößt. Die Erforschung der konkreten Gestaltungsweisen eines "Raumes für Kreativität" soll dabei die Motivation dieser Ausarbeitung mit Hinblick auf ihre zentrale Bedeutung für die Zukunft der Gesellschaft sein.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Thematische Ausgangssituation
1.2 Fragestellung und Zielsetzung
1.3 Methodisches und inhaltliches Vorgehen
1.4 Abgrenzungen
2. Kreativitätspsychologie
2.1 Erklärungsansätze von Kreativität
2.1.1 Kreative Person und ihr Ursprung
2.1.2 Kreativer Prozess und seine Phasen
2.1.3 Kreatives Umfeld und seine Einflüsse
2.1.4 Kreatives Produkt und seine Messung
2.2 Kreative Bilanz
2.2.1 Kreativitätsblockaden
2.2.2 Kreativitätsfördermaßnahmen
3. Arbeitskultur und Kreativwirtschaft
3.1 Arbeitskultur im Wandel
3.1.1 Vom „Organization Man“ zum „Kreativarbeiter“
3.1.2 „Generation Y“
3.1.3 „New Work“
3.2 Kreativität als Wachstumsmotor im Unternehmen
3.2.1 Kreativwirtschaft
3.2.2 Kreativität als Ressource im Unternehmen
3.2.3 Kreativitätsmanagement
3.3 Arbeitsraumgestaltung
3.3.1 Raumteile von Büroräumen
3.3.2 Büroräume im Wandel
3.3.3 Aktuelle Anforderungen an Arbeitsräume
3.4 Arbeitskulturelle Bilanz
4. Mögliche Gestaltungsrichtlinien eines “Raumes für Kreativität“
4.1 Architekturpsychologie
4.1.1 Thematischer Gegenstand
4.1.2 Konzeptuelle Grundannahmen
4.2 Standort und Umfeld
4.2.1 Best Case Factory in Berlin
4.2.2 Konzeptuelle Richtlinien zum Faktor Standort und Umfeld
4.3 Architektur und Raumdimensionen
4.3.1 Best Case “The Steve Jobs Building“ am Pixar Campus
4.3.2 Konzeptuelle Richtlinien zum Faktor Architektur und Raumdimensionen
4.4 Arbeitsplatz und Erlebniswelt
4.4.1 Best Case Google-Office in Hamburg
4.4.2 Konzeptuelle Richtlinien zum Faktor Arbeitsplatz und Erlebniswelt
4.5 Arbeitsklima und Atmosphäre
4.5.1 Best Case Arbeitskultur im Unternehmen „Money“
4.5.2 Konzeptuelle Richtlinien zum Faktor Arbeitsklima und Atmosphäre
4.6 Raumgebende Bilanz
4.6.1 Realisierung des Konzeptes
4.6.2 Mögliche Probleme bei der Implementierung
5. Fazit und Diskussion
5.1 Zusammenfassende Erkenntnisse
5.2 Kritische Reflexion
5.3 Ausblick in die Zukunft
5.4 Abschließende Beurteilung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Erforschung, Analyse und konzeptionellen Entwicklung eines “Raumes für Kreativität“ auseinander. Mit dem Hinblick auf eine ganzheitliche Behandlung dieser Materie soll zu Beginn ein Überblick über die thematische Ausgangssituation, die Frage- und Zielsetzung, sowie über das methodische und inhaltliche Vorgehen, als auch über die vorgenommenen Abgrenzungen gegeben werden.
1.1 Thematische Ausgangssituation
“Mensch und Raum“ sowie “Mensch und Kreativität“ finden in der Literatur stets regen Disput und auch fortschreitenden Einsatz in der Praxis. Der Schnittpunkt dieser Instanzen bildet den thematischen Schwerpunkt dieser Arbeit in Form des “Raumes für Kreativität“, welcher aktuell stetig mehr Aufmerksamkeit in einer sich wandelnden Gesellschaft erfährt. So ist in den letzten Jahren ein deutlich wachsendes Interesse an dem Thema Kreativität und Innovation zu erkennen, obwohl die Gesamtheit menschlichen Fortschrittes schon immer eng verknüpft mit dem Konstrukt der Kreativität zusammenhinge und sich rückblickend auf die humane Entwicklungsgeschichte als eine unerschöpfliche Ressource präsentiere (vgl. Angelou u.a., 1991: 9f.; Brühl, 2010: 15ff.). Die Untersuchung von Gestaltungsrichtlinien einer kreativitäts- und damit auch innovationsfördernden Umgebung ist insofern von aktuellem Interesse, da auf die Gesellschaft eine Großzahl an neuen Aufgabenstellungen zukommt, die nach originellen Lösungsansätzen zum Wohle der Allgemeinheit zu fragen vermögen (vgl. Bruhl, 2010: 15f.). Hierbei haben neuste Erkenntnisse und Entwicklungen auf dem Gebiet der Kreativitätsforschung und Arbeitsraumgestaltung zu einer verstärkten Hinwendung diesbezüglich in der Praxis geführt, die sich anhand erfolgreich umgesetzter Arbeitsraumkonzepte in führenden Unternehmen beobachten lässt. Dennoch liegen zum aktuellen Stand keine festen Parameter für ein kreativitätsförderndes Umfeld vor, welche die Gesamtheit aller Dimensionen, Einflüsse und Auswirkungen im Raum definieren. Auf Grund dessen soll dieser Disput an die aufkommende Reformierung im Bereich der Arbeitsraumgestaltung und des daran gebundenen Kreativitätsmanagements anknüpfen, ihn hinterfragen und neue richtungsweisende Möglichkeiten für Gestaltung eines “Raumes für Kreativität“ ermitteln.
1.2 Fragestellung und Zielsetzung
Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich somit mit dem Zusammenhang zwischen Kreativität und Raum und versucht die wechselwirkende Beziehung dieser zwei Instanzen ganzheitlich zu analysieren. Die These, dass Kreativität beim Menschen durch eine gezielte Gestaltung von Räumlichkeiten beeinflusst und gefördert werden könne, soll dabei erforscht und kritisch hinterfragt werden. Ferner soll es Ziel sein, erste Richtlinien für die Konzeption eines “Raumes für Kreativität“ zu definieren, welche auf kreativitäts- und architekturpsychologischen Grundaspekten aufbauen, aber auch soziokulturelle und wirtschaftliche Faktoren miteinbeziehen, um die Notwendigkeit einer solchen Fragestellung in der heutigen Gesellschaft aufzuzeigen. Es gilt die interaktiven Verbindungen zwischen Mensch, Kreativität und Raum zu erforschen, ihre Beziehungen zu erkennen und für die Praxis relevante Schlussfolgerungen zu definieren. Der zentrale Gedanke dieser Abschlussarbeit setzt sich dabei aus der These zusammen, dass Kreativität und der kreative Denkprozess durch bestimmte Eigenschaften eines (Arbeits-)Raumes unterstützt, gefördert und damit auch das kreative Produkt dadurch quantitativ und qualitativ geprägt werden kann. Schließlich soll mit Hilfe dieser Ausarbeitung gezeigt werden, welche Möglichkeiten zur äußeren Einflussnahme durch den umgebenden Raum auf die menschliche Kreativität bestehen und wo diese Annahme an ihre Grenzen stößt. Die Erforschung der konkreten Gestaltungsweisen eines “Raumes für Kreativität“ soll dabei die Motivation dieser Ausarbeitung mit Hinblick auf ihre zentrale Bedeutung für die Zukunft der Gesellschaft sein.
1.3 Methodisches und inhaltliches Vorgehen
Bei der methodischen Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand wird schnell deutlich, dass zum heutigen Tage zwar unterschiedliche Ansätze bezüglich der Gestaltung von “Räumen für Kreativität“ bestehen, doch noch kein allgemeingültiges und ganzheitliches Konstrukt über die konzeptuelle Entwicklung dieser existiert. Verifizierte Erkenntnisse aus den Bereichen von “Mensch und Raum“ sowie “Mensch und Kreativität“ können jedoch richtungsgebende Faktoren schaffen, um grundlegende Annahmen über die Art und Weise eines Raumes, der Kreativität gezielt beeinflusst, zu definieren. So wird zur Analyse dieses Problems eine weite Bandbreite an Fachliteratur aus den Bereichen der Psychologie, Kreativitätsforschung, Architektur, Wirtschaft und Soziologie zur Hilfe genommen, ergänzt durch Studienergebnisse fachübergreifender Forschungen. Die kritische Sichtung von möglichst seriösen Ratgebern bezüglich Kreativitätsförderung wird zur Maximierung der Informationsbasis mit dem Ziel der Perspektiverweiterung hinzugezogen. Zur Visualisierung aller Erkenntnisse, die als angenommene Gestaltungsrichtlinien formuliert werden, werden umgesetzte Projekte vorgestellt, die jeweils unterschiedliche Ansätze verkörpern. Ein solches Vorgehen ermöglicht das Entstehen einer Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis.
Inhaltlich sei die vorliegende Arbeit dabei wie folgt strukturiert: Um die gegebene Thematik einsichtig und ganzheitlich darzulegen, gliedert sich der nach dieser Einleitung folgende Hauptteil in drei aufeinander aufbauende Teile: „Kreativitätspsychologie“, „Arbeitskultur und Kreativwirtschaft“ und „Mögliche Gestaltungsrichtlinien eines ’Raumes für Kreativität’“. Somit gilt zunächst der Blick den Anfängen der Kreativitätsforschung, gefolgt von dem Versuch, ein möglichst praxisnahes Verständnis von Kreativität zu definieren. Dies geschieht anhand des „4P-Modells“ von James Melvin Rhodes, welches ein ineinandergreifendes Konstrukt aus Person, Prozess, Umfeld (engl. Press) und Produkt darstellt. Die einzelnen Komponenten dieser Theorie werden weitergehend vertieft, um ergänzende Aspekte wie den genetischen Ursprung von Kreativität, das kreative Denken, sowie das kreative Umfeld, als auch die Beurteilung eines kreativen Produktes und ihre Verbindung zur Innovation miteinbeziehen zu können. Auf die gegebene Basis der Kreativitätspsychologie folgt die Hinwendung zur Arbeitskultur und Kreativwirtschaft, um Bezüge zur aktuellen Arbeitswelt und wirtschaftlichen Situation zu definieren und ebenso das Konstrukt der Kreativität in das große Gefüge unserer Gesellschaft einzufügen. Es wird der Wandel der Arbeitskultur, sowie Kreativwirtschaft erforscht und Vorhersagen für kommende Arbeitsverhältnisse analysiert, um zu hinterfragen wer, wie und wann die zu gestaltenden Arbeitsräume nutzen wird. Als nächstes wird die Gesamtheit aller Erkenntnisse an Hand von umgesetzten Konzepten vierer Unternehmen vorgestellt und daraus versucht mögliche Gestaltungsrichtlinien zu definieren. Dabei wird auf den Faktor Standort durch die „Factory“ in Berlin eingegangen und der Aspekt der (Innen-)Architek- tur anhand „ The Steve Jobs Buildings “ visualisiert. Hinzu kommt die Gestaltung der Arbeitsplätze und Raumausstattung, wessen Vielfalt am Beispiel des Google-Sitzes in Hamburg verkörpert wird. Abschließend findet die Thematik des Arbeitsklimas in der Vorstellung der Arbeitskultur des britischen Vergleichsportals Money statt. Dieses Kapitel soll durch eine Abschätzung des Realisierungspotenzials und der kritischen Sichtung seiner möglichen Hürden Abschluss finden. Die Bachelorarbeit abschließend wird ein zusammenfassendes Fazit vorgenommen, welches die Präsentation aller Erkenntnisse, sowie eine kritische Reflexion, als auch einen Ausblick in die Zukunft beinhaltet. Eine finale Beurteilung schließt die Auseinandersetzung mit “Räumen für Kreativität“ ab.
1.4 Abgrenzungen
Zum Schluss der Einleitung sollte Erwähnung finden, dass bei dieser Abhandlung über einen “Raum für Kreativität“ zweierlei Abgrenzungen bezüglich Kreativität und Raum vorliegen. Zum einen soll die Begrifflichkeit Kreativität frei von mystischen und unerklärlichen Assoziationen betrachtet und ihr der subjektive Aspekt entzogen werden (vgl. Csikszentmihalyi, 2014:43; Gaier, 2011: 1). Ziel soll es sein, eine praxisnahe Definition und allgemeingültige Kriterien zu bestimmen, die einen Konsens für die angestrebten Gestaltungsrichtlinien bilden. Zum anderen betrifft dies den Fokus auf den Arbeitsraum bzw. spezifisch auf Büroräume, währenddessen private Räumlichkeiten nicht zu beachten seien. Ähnliches gilt für Arbeitsräume, deren Nutzer über die alleinige Denkleistung hinaus, schwere körperliche Arbeit erbringen müssen oder strikten Vorgaben Folge leisten zu haben, wie zum Beispiel in Produktionshallen.
Durch den gelegten Fokus auf die Erforschung einer Bürogestaltung, die beabsichtigt ein allgemeingültiges Verständnis von Kreativität zu fördern, kann jedoch einfacher ein vertretbarer Konsens über die gegebene Ausgangslage gefunden und von da aus vertretbarer analysiert werden, da Büroräume selbst unterschiedlicher Branchen ähnlichen standardisierten Anforderungen und Nutzungsarten entsprechen (vgl. Martin & Rundnagel, 2004: 4ff). Zudem können dadurch verstärkt Interessen seitens Wirtschaft, Unternehmen und Arbeitnehmer verwirklicht werden und dadurch von Bedeutung für unsere Gesellschaft sein (vgl. Bruhl, 2010:15ff.). Es gilt genau die Zielgruppe anzusprechen, in welcher Kreativität gefordert ist und damit durch einen “(Büro-)Raum für Kreativität“ gefördert werden kann und soll.
2. Kreativitätspsychologie
Für den überwiegenden Teil der Menschheitsgeschichte überlieferten verschiedene Schöpfungsmythen die Annahme, Kreativität sei ein göttliches Privileg höherer Wesen. Menschen galten als wehrlose, der göttlichen Kraft ausgelieferten Kreaturen ohne schöpferische Fähigkeiten (vgl. Csikszentmihalyi, 2014: 14f.). Dieser in der menschlichen Revolution fest verankerten Überzeugung liegen auch noch viele heutige Assoziationen mit Kreativität zugrunde. Man möge sie mit Begriffen der Unerklärlichkeit, Mystik oder Genialität umschreiben und sie von jeglicher Beeinflussung lenkender Aktionen freisprechen (vgl. Gaier, 2011: 1). Doch agieren zum heutigen Tage Menschen auf Basis einer fortlaufenden Entwicklung selbst als aktive Schöpfer, und Götter fungieren überwiegend als Produkt ihres schöpferischen Denkvermögens (vgl. Csikszentmihalyi, 2014: 14f.). Auch wenn die Forschung schöpferische Prozesse noch nicht vollkommen erfasst habe, gebe es deshalb kein Grund Kreativität in Frage zu stellen, so Berzbach (2015: 143). Denn zahlreiche Ergebnisse verschiedener Studien nähern sich des “Rätsels“ Lösung und machen dabei durch den bisherigen Kenntnisstand deutlich, dass kreative Prozesse keinem unerklärlichen Ursprung entstammen und diese sogar einer bewussten Beeinflussbarkeit unterliegen (vgl. Gaier, 2011:1f.). Die diesen Gegenstand behandelnde Kreativitätsforschung entwickelte sich dabei in den 1950er Jahren als ein Teilbereich der Psychologie. Grundlegender Auslöser für das Entstehen dieses neuen Forschungsgebietes sei dabei die von Joy Paul Guilford im Jahre 1949 aufgestellte Theorie „Structure of Intellect“ und der darin erstmalige Einsatz des Wortes “creativity“ innerhalb eines psychologischen Rahmens zu betrachten (vgl. Rustler, 2014: 14; Heller 2000). Guilford nach, sei jeder Mensch im Besitz von Kreativität, genauso wie der Möglichkeit, diese frei einzusetzen und gewinnbringend für die Gesellschaft zu nutzen (Vgl. Rustler, 2014: 14). Dieses bis heute in der Forschung akzeptierte Verständnis bildet den Ursprung für die Analyse von kreativitätsförderlichen Maßnahmen eines Raumes und damit den Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit der vorliegenden Fragestellung dieser Arbeit.
2.1 Erklärungsansätze von Kreativität
Auf den soeben umrissenen psychometrischen Erklärungsansatz von Guilford folgten unzählige weitere kognitionspsychologische Theorien und systemische Modelle aus verschiedenen fachlichen Gebieten wie der Psychologie, Neurobiologie oder auch den Kognitionswissenschaften. Jede These bildet dabei je nach fachlichem Hintergrund des Wissenschaftlers einen differenzierten Fokus, weswegen Begriffserklärungen in einer mindestens genauso hohen Anzahl wie Kreativitätstheoretiker vorlägen (vgl. Rustler, 2014: 14). Ein Blick in Rhodes’s Dissertation „ THE DYNAMICS OF CREATIVITY “ zeigt insgesamt 32 verschiedene Erklärungen von Kreativität in dem Kapitel „ THE PROBLEM OF MEAN- INGS “ (Rhodes, 1956: 8), wobei die verwirrende Komplexität und Widersprüchlichkeit der verschiedenen Ansätze explizit betont wird (ebd.: 13). Auch Erharter (2012: 17ff.) beschreibt zehn unterschiedliche Verständnisse von dem Begriff Kreativität, die heutzutage im vielfältigen Kontext Einsatz und Gebrauch finden:
1. . Kreativität als Persönlichkeitsmerkmal [...]
2. Kreativität als Fähigkeit [...]
3. Kreativität als ungewohntes Verhalten [...]
4. Kreativität als Problemlösungstechnik [...]
5. Kreativität als Originalität [...]
6. Kreativität als kindliche Fantasie [...]
7. Kreativität als Notlösung [...]
8. Kreativität als Gestaltung [...]
9. Kreativität als Branchenmerkmal [...]
10. Kreativität als Vorrausetzung für Innovation [...]“
Allein die Auflistung der Überschriften ohne weitere Ausführung macht deutlich, in welche interdisziplinäre Dimensionen sich die Verständnisse des Kreativitätsbegriffes erstrecken. Folglich erscheint es eine zur selben Zeit allgemeingültige, für alle zufriedenstellende und dennoch die tiefe Komplexität des Gegenstandes abdeckende Definition des Begriffes Kreativität aufzustellen, fast unmöglich. Schlussfolgernd muss die gleichzeitige Existenz mehrerer Definitionen zum heutigen Zeitpunkt akzeptiert werden (vgl. Rustler, 2014: 14). Doch wird eine solch weitläufige Bandbreite der Nutzung dieses Begriffes von Erharter (2012: 26) als Ressourcenverschwendung bezeichnet, da diese Vielfalt alles andere als zielführend sei. Ihm nach kann zwischen als diesen Bereichen ein möglicher Konsens gefunden und auf das Essenzielle runtergekürzt werden, was schlussfolgernd zu dem Begriff “Schöpfen“ führt (vgl. ebd.: 33). Genau hier liegt der Ursprung des Begriffes Kreativität in dem lateinischen Wort “creare“, was im Übersetzten “Schaffen“, “Erzeugen“ oder schlussendlich “Schöpfen“ bedeutet (Roeben, 2014: 947). Dabei repräsentiere “Schöpfen“ zunächst die Fähigkeit etwas Einzigartiges zu kreieren, was sich genauso in Form eines Gemäldes als auch in einer wissenschaftlichen Methode ausdrücken kann. Des Weiteren beinhalte dieser Begriff die Banalität des Arbeitens oder des Nachgehens einer Tätigkeit. Abschließend liegt dem Begriff “Schaffen“ auch die Bedeutung des Erreichens nieder, was wir im Alltag beispielsweise beim Bezwingen eines Problems erleben (vgl. Erharter, 2012: 13). Diese Umschreibungen von “Schöpfen“ kann man als Hinführung zu dem am öftesten benutzen Verständnis von Kreativität heutzutage ansehen, welches sich in Form einer außergewöhnlichen Art und Weise des Problemlösens präsentiert und damit das “Schöpfen“ besonderer Lösungen versteht. Diese Fertigkeit wohne dabei jedem Menschen inne und sei für jeden herauszubilden (Roeben, 2014: 947). Das zu lösende Problem kann hierbei eine gestellte Aufgabe seitens einer weiteren Person sein, eine aufkommende Fragestellung eines Fachbereiches darstellen oder alles andere, was Verbesserungsbedarf benötigt, verkörpern (vgl. Csikszentmihalyi, 2014: 167). Die dieser Definition entgegengebrachte Kritik, sie würde Kreativität nicht als Ganzes erfassen, da diese nicht nur das Lösen von Problemen beinhalte, sondern gleichermaßen auch das Entwickeln dieser (vgl. Erharter, 2012: 20), soll akzeptiert und im Hinterkopf behalten werden.
Ob nun aber eine Schöpfung oder Lösung eines Problems dann tatsächlich als allgemeingültig kreativ angesehen wird, ist, wie es Csikszentmihalyi (2014: 47) beschreibt, von dem jeweiligen kulturellen und sozialen Umfeld abhängig, denn nur durch diese Komponente kann die Originalität und Qualität einer kreativen Idee sichergestellt werden. Der Versuch Kreativität stets nur auf das Individuum und seine Überzeugung betrachtet zu erklären, sei zu stark von Subjektivität behaftet, somit nicht überschaubar und lasse Kreativität zu einem subjektiven Phänomen werden (vgl. ebd.,: 43). Schlussfolgernd sei es unumgänglich eine weitere Instanz hinzuziehen, welche eine allgemeingültige Bewertung der Schöpfung vornimmt und diese als kreativ verifiziert (vgl. ebd.: 43). Ein entsprechender Ansatz könnte in den nachfolgenden creaffective Arbeitsdefinitionen von Kreativität und Innovation gefunden werden, die eine Nähe zur praktischen Anwendung entstehen lassen:
„ Kreativität ist die Fähigkeit etwas Neues hervorzubringen, das Nutzen bringt.“ (Rustler, 2014: 14)
„ Innovation ist die Einführung von etwas Neuem, das Nutzen für einen Markt, eine Organisation oder eine Gesellschaft bringt.“
(Rustler, 2014: 14f.) [eigene Hervorhebung]
Diese Erklärungsversuche machen zunächst deutlich, dass der Gebrauch der Begriffe Kreativität und Innovation als Synonym nicht unterstützt werden kann, da Kreativität nicht impliziert Innovation bedeutet, sondern sie lediglich die Voraussetzung für das Entstehen von dieser schafft. Schlussfolgernd würde es ohne kreatives Schaffen keine innovativen Prozesse geben, die in einen weitläufigen Kontext integriert werden könnten, um diese der breiten Masse zur Verfügung zu stellen. Dies wiederrum ergänzt den Begriff der Kreativität um die Instanz der praktischen Umsetzung einer Idee bzw. Lösung, was ihren Nutzen in Form von Innovation ermöglicht (vgl. Rustler, 2014: 15ff.). Darüber hinaus entsteht dadurch eine einfache anwendungstechnische Richtlinie zur Messung von Kreativität, die ganz klar durch die Erfragung nach dem Nutzen eines schöpferischen Produktes definiert werden kann. Die nachfolgende Abbildung zeigt zusammenfassend die Zusammenhänge von Kreativität, Innovation und Kontext.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kreativität und Innovation Eigene Darstellung nach Rustler, 2014, S. 17
Erst eine solche kontextbezogene Anerkennung von Kreativität und ihrem kreativen Produkt, das idealerweise als umgesetzte Innovation vorliegt, ermöglicht eine rückwirkende Angabe über die kreative Natur der Person und des Prozesses inklusive Umfeld. Daraus ergibt sich, dass es Kreativität nicht nur aus einem Blickwinkel zu betrachten gilt, sondern als ein interaktives Gefüge aus Person, Prozess, Umfeld und dem daraus entstandenen Produkt (vgl. Gaier, 2011: 5f.). Eine entsprechende Systematik findet man auch vermehrt in der Kreativitätsforschung. Insbesondere erscheint in diesem Zusammenhang das von dem amerikanischen Wissenschaftlicher James Melvin Rhodes in den 1960er Jahren entwickelte „ 4P-Modell“ als aufschlussreich. Die auf vier Komponenten basierende Theorie ermöglicht die Betrachtung einer praxisbezogenen inneren Struktur für den Begriff der systematischen Kreativität. Dabei verkörpern die vier “P“ Forschungsfelder, die Rhodes damals als grundlegende Einflussfaktoren empfand und die immer noch bis heute ihre Gültigkeit beibehalten konnten : Person, Prozess, Klima (engl. Press) und Produkt (vgl. Rustler, 2014: 18). Dabei agieren die einzelnen Komponenten Person, Prozess und Klima interaktiv zusammen und erschaffen sich überschneidend das Produkt. Die nachfolgende Grafik bildet dabei einen ersten ganzheitlichen Überblick über das Konstrukt der Kreativität nach Rhodes.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: 4P-Modell Eigene Darstellung nach Rustler, 2014, S. 20f
Auf Grund der konkreten Miteinbeziehung des Faktors Klima bzw. Umfeld, bekommt gerade diese Theorie großen Stellenwert in der folgenden Vertiefung der Thematik. So sollen im weiteren Verlauf die basisbildenden Aspekte des „ 4P-Modelles“ erläutert werden, ergänzt durch weiterführende Faktoren und anknüpfende Ausführungen bezüglich der einzelnen Instanzen.
2.1.1 Kreative Person und ihr Ursprung
Die schöpfende Person bildet für jegliche Kreativität dabei den primären Grundbaustein, weswegen das erste P des „ 4P-Modells“ für Person steht. Rhodes nach liegt jeder einzelnen Persönlichkeit Kreativität zugrunde, die durch eine Aktion in Form eines kreativen Resultates erzeugt werden kann. Individuelle Eigenschaften, Werte, Einstellungen, Denkweisen und Verhaltensweisen eines jeden Menschen haben dabei direkten Einfluss auf das kreative Handeln, die kreative Umgebung und auf das kreative Produkt. Weitere Forschungsergebnisse stützen Rhodes Annahme, Kreativität wäre in jedem Individuum vorhanden. Es lässt sich durch mehrstimmige Studien sagen, dass Kreativität auf der einen Seite tatsächlich als eine in unserer DNA verankerte Eigenschaft angesehen werden kann und folglich jeder Mensch dazu fähig sei, kreativ zu agieren. Auf der anderen Seite besitzt jeder Mensch jedoch ganz individuelle angeborene Neigungen und Geschicke. Folglich kann das Individuum im Rahmen seiner Talente ein besonders hohes Kreativitätspotenzial aufweisen im Vergleich zu einem relativ niedrigem Potenzial auf den Gebieten, die nicht seinen Neigungen entsprechen (vgl. Rustler, 2014.: 18, 22).
Andere Bilanzen der Forschung machen dagegen deutlich, dass nicht alle Menschen gleichwertig kreative Produkte erbringen können, selbst nach entsprechendem Lernprozess. Eine weitere Einschränkung ist die Tatsache, dass besondere und kreative Ideen in bestimmten Sphären nicht ohne entsprechende Qualifikation und Auseinandersetzung mit dieser entstehen können (vgl. Heller, 2000). Guilford äußert ebenfalls, dass ein gewisser Grad an Intelligenz die Voraussetzung für kreative Ideen oder außergewöhnliche Lösungsansätze bildet, jedoch auf keinen Fall als Garantie für deren Entstehen angesehen werden kann (vgl. ebd.). Folglich können die kreativen Produkte auf Grund der differenzierten Ausgangslage von Menschen erhebliche Unterschiede in ihrer Qualität und ihrem Nutzen vorweisen, so wie es bereits Rhodes erkannt hatte (vgl. Rustler, 2014: 18f.).
Welche konkreten Eigenschaften sich dabei als zielführend und welche nicht darstellen, kann nur bedingt festgestellt werden. Denn ein aufkommendes Problem bei der Beschreibung kreativer Personen ist die Gegebenheit, dass sich diese selbst meistens nicht als dergleichen beschreiben würden, da bei ihnen Kreativität unterschwellig abläuft und sie keinerlei Auskunft über dessen Entstehen geben können (vgl. Erharter, 2012: 13f.). Gleichzeitig scheint aber auf Höhe des aktuellen Wissensstandes der Kreativitätsforschung der Konsens darüber zu bestehen, dass gewisse Faktoren nichtsdestotrotz erlernbar seien, da kreative Denkmuster durch bestimmte Mechanismen aktiviert werden können (vgl. Rustler, 2014: 22). Dies umfasst ein interaktives Zusammenspiel, welches sich aus dem divergierendem und konvergierendem Denken zusammensetzt und die Basis des kreativen Denkens bei kreativen Personen bildet. Das divergierende Denken geht dabei voraus und stellt das Sammeln von verschiedenen Möglichkeiten, Gedanken, Ansätzen und Assoziationen dar. Darauf folgt das konvergierende Denken in Form einer offenen und positiv ausgelegten Beurteilung dieser Sammlung. Die Trennung dieser zwei Instanzen ermöglicht Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und neue Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, noch bevor eine negative Beurteilung diese ausschließen könnte. Dadurch wird kreatives Denken gefördert, da es einen deutlich größeren Horizont ermöglicht, die Quantität von Lösungsansätzen erhöht und deshalb die Effektivität und Qualität des kreativen Produktes prägt (vgl. Rustler, 2014: 36f.). Dadurch kann eine „[o]ptimale Gestaltung [von Entscheidungen] durch effektive Nutzung der geistigen Möglichkeiten“ (Dries, 1982: 14) angestrebt werden. Die bewusste Umstellung auf dieses Denkmuster stellt sich nicht ohne Hürden da, doch bildet sie einen möglichen Weg zur Kreativität (vgl. Rustler, 2014: 36f.). Dabei beginne dies mit einer Änderung der Einstellung wie zum Beispiel sich Neuem gegenüber zu öffnen (vgl. ebd.: 22) Denn Menschen neigen dazu, Probleme durch bereits bewährte Muster und Strukturen zu lösen, wobei kreatives Denken durch die Kombination von divergierenden und konvergierenden Phasen zumindest periodenweise deutlich von diesem Weg abkommt und folglich zu neuen Lösungsansätzen führt. Schlussfolgernd besitzen kreative Personen dadurch die Eigenschaft sich weitestgehend von erprobten Traditionen zu lösen und neue ungewisse Routen zu verfolgen (vgl. Dries, 1982.: 12f.).
Dabei trägt diese Fertigkeit jedes Individuum von Beginn seiner Existenz an mit sich, welche bei der Beobachtung von Kindern schnell zu erkennen ist. Diese kennen das Konstrukt Tradition, Schemata oder Muster nicht und müssen jede von ihnen aufgestellte Vermutung zunächst praktisch erproben. Die instabilen Theorien eines Kindes gegenüber seiner Umwelt stoßen hierbei immer wieder auf äußerliche Wiederlegung und dies führt wiederrum zur gespeicherten Erfahrungen. Im Verlauf der Interaktion mit der Welt entwickeln sich immer zunehmend detailliertere Strukturen, welche schon bald systemartig in den Köpfen agieren und das Folgen unerprobter Wege erschweren. Somit entwickelt sich die Neigung, Probleme auf eine bekannte Art und Weise lösen zu wollen (vgl. Kast, 2015: 30f). Auf Grund von verschiedenen Erziehungsmethoden, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen während der Formung kognitiver Strukturen eines heranwachsenden Menschen kommt es zu unterschiedlich starken Ausprägungen dieser Eigenschaft bei Erwachsenen. Da die detaillierte Erklärung diesbezüglich den Umfang und thematischen Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde, soll auf die genaue Ursachenklärung verzichtet, aber die Erkenntnis über die unterschiedlichen Ausgangslagen von den zu fördernden Personen akzeptiert und berücksichtigt werden.
2.1.2 Kreativer Prozess und seine Phasen
Die Erkenntnisse zur kreativen Person führen zur zweiten Komponente im „ 4P-Modell“, die vom Prozess symbolisiert wird. Dieser entspricht einem bestimmten einbegriffenen Vorgang, der bei allen Menschen auf die gleiche Weise verläuft. Denn ein kreatives Produkt steht im kausalen Zusammenhang mit dem Auftreten eines Problems, eines Anstoßes und der Bewältigung dieses Problems durch Schaffen einer entsprechenden Auflösung. Forschungen zeigen jedoch auch weitere Strukturen, die explizit verwendet werden können, um den Prozess positiv zu beeinflussen (vgl. Rustler, 2014: 18).
Bei Heller (2000) findet sich folgende phasenweise Unterteilung des kreativen Prozesses:
„ Vorbereitungsphase
(Informations- und Materialsammlung,
Zielklärung oder Problemdefinition usw.),
Inkubationsphase
(’creatio ex nihilo’ bzw. ’unbewußte’ Lösungsfindung),
Illumination
(’Aha-Erlebnis’) und
Verifikation
(Erprobungsphase mit Lösungsbewertung).“
[Eigene Hervorhebung]
Die vier Phasen des kreativen Prozesses lassen sich vereinfacht wie folgt visualisieren:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Der kreative Prozess Eigene Darstellung nach Heller, 2000
Landau (1984: 64) erklärt erweiternd, dass während der Vorbereitungsphase das Indentifizieren eines Problems stattfindet und Bessinung auf den Erwerb des entsprechendes Wissens gelegt wird. So lautet die Schlussfolgerung, dass für die Vorbereitungsphase ein weitläufiges Angebot an Wissen die Grundlage bildet, um diverse neue Erkenntnisse bewertungsfrei zu erlangen und gemeinsam mit alten Informationen zu neuen Schnittpunkten zu vernetzen (vgl. Dries, 1982: 14). Dieser Beschreibung zu Folge kann hier das divergierende Denken angesiedelt werden, dass die Grundlage für eine erfolgreiche Bewältigung dieser zu geben scheint und somit nach einer offenen und ruhigen Umgebung mit der Möglichkeit zur Informationsbesorgung verlangt.
Darauf folgt die Inkubationsphase, die als Moment oder Periode des Ausharrens beschrieben werden kann. Hier finden unbewusste Leistungen auf Kognitionsebene statt, die bestrebt sind eine Lösung zu finden (vgl. Landau, 1984: 64). Festgehalten kann hier, dass die Wahrscheinlichkeit ausgefallene kreative Resultate zu produzieren innerhalb einer offenen Atmospähre und einem gelockertem Zustand sich deutlich vergrößert, da so die Aktivierung selbst von schwächeren neuronalen Verbindungen im Neokortex unserer Gehirnes stattfinden könne (Heller, 2000). Eine solche Umgebung, die es dem Menschen ermöglicht, sich von Ablenkungen zurück zu ziehen und innezuhalten, ist für unser Gehirn in dieser Phase von großer Bedeutung. So kann es seine Arbeitsleistung weg von äußerlichen Einflüssen wie beispielsweise den visuellen Reizen hin auf innerliche Denkleistung verlagern und diese somit sichtlich intensivieren. Ein anschauchliches Beispiel hierfür ist die Tatsache, dass Menschen nach einer komplizierten Frage oft dazu neigen ihre Augen zu schließen, um die Antwort darauf finden zu können (vgl. Kounios & Beeman, 2015: 112f.). Zur selben Zeit erscheint es aber auch als förderlich, mehr visuelle Reize in dieser Phase zu erhalten, um neue Assoziationen und damit neue synaptische Verknüpfungen für den Fortschritt des Denkprozesses hervorrufen zu können (vgl. Csikszentmihalyi, 2014: 194ff.).
Diese Ettape wird von der Illumination abgeschlossen, die sich durch das sogenannte “Aha-Erlebnis“ ausdrückt, wie es Kounios und Beeman (2015: 7) im gleichnamigen Buch beschreiben und sich dabei auf die Legende über Archimedes in der Badewanne beziehen, aus welcher er nach einem plötzlichen Einfall sprang, um durch die Gassen Syrakus zu rennen und diesen mit allen zu teilen. Es gilt festzuhalten, dass dieser Moment durch das interaktive Konstrukt aus divergierendem und konvergierendem Denken in gewisser Weise provoziert werden kann, wodurch die beiden hervorgegangenen Phasen als Förderaspekte hierfür betrachtet werden sollten. Ein bereits gewonnener “Aha-Moment“ kann jedoch gezielt unterstützt werden, indem der Person Möglichkeiten im Umfeld gegeben werden, diesen auf eine entsprechende Weise festhalten und teilen zu können (vgl. Lepel, 2017: 136).
Das Schlusslicht bildet die Verifikation, während welcher die Lösung, ausgearbeitet, bewertet und validiert wird. Hinsichtlich der Bewertung eines kreativen Produktes macht Csikszentmihalyi (2014: 17) deutlich, dass „[...] Kreativität aus der Interaktion dreier Elemente, die gemeinsam ein System bilden[...]“ entsteht “[...]: einer Kultur, die symbolische Regeln umfasst, einer Einzelperson, die etwas Neues in diese symbolische Domäne einbringt, und einem Feld von Experten, die diese Innovation anerkennen und bestätigen“. Ferner ist dies die Phase, in der das Produkt hinsichtlich seines Nutzens und seines Innovationspotenziales bewertet wird.
Die höchste Instanz eines kreativen Prozesses bildet dabei der von Csikszentmihalyi geprägte Begriff Flow, der das vollkommene “Sich-Verlieren“ in einer Tätigkeit oder Handlung beschreibt und insbesondere während eines kreativen Prozesses beobachtet werden kann. Dieser Zustand wird durch ein besonderes Vertiefen innerhalb einer Materie empfunden, wobei Zeit- und Raumgefühl in den Hintergrund treten, jedoch auch eine starke Konzentration frei von Ablenkungen benötigt. Das geschöpfte Produkt dieses Schaffungsrausches setzt dabei Glückshormone beim Menschen frei und zeigt damit mögliche positive Einflüsse von Kreativität auf die menschliche Verfassung (vgl. Csikszentmihalyi, 2014: 174-181).
Diesbezüglich soll abschließend festgehalten werden, dass dieser Prozess eine Idealvorlage bildet, die individuellen Schwankungen unterlegen sein kann und Menschen einzelne Phasen abweichend erleben können. Doch ist ebenso zu erwähnen, dass jede Person seine Umgebung so beeinflussen und gestalten kann, dass die eigene individuelle Kreativität optimal gefördert wird und damit auch die Phasen des kreativen Prozesses unterstützt werden (vgl. Rustler, 2014: 22). Diese These knüpft unvermittelt an die nun folgende Komponente des kreatives Umfeldes des „ 4P-Modell“ von Rhodes an.
2.1.3 Kreatives Umfeld und seine Einflüsse
In der Intention dem kreativen Prozess möglichst ideale äußere Grundvoraussetzungen zu schaffen, folgt die Instanz Press, die dem lateinischen Wort “pressus“ entstamm und so viel wie Box oder Rahmen bedeute, in welchem Person und Prozess bestehen. Eigenschaften dieser unmittelbaren Umgebung können eine stimulierende oder dämpfende Wirkung auf die Person und den Prozess haben. Schlussfolgernd lassen sich bestimmte Einflussfaktoren der Umgebung vom Menschen bewusst bestimmen und regulieren (vgl. Rustler, 2014: 19). Auch Csikszentmihalyi (2014: 9) betont diesbezüglich, dass Kreativität leichter durch veränderte äußere Bedingungen gefördert werden könne, als durch die Anregung zu kreativem Denken, welches wie bereits im Zusammenhang mit divergierendem und konvergierendem Denken beschrieben, stets mit Hürden verbunden ist (vgl. Rustler, 2014: 36).
Hintergrund dieses Aspektes ist die Tatsache, dass das Umfeld immer in einem Wechselspiel mit dem Menschen steht und den physischen Rahmen für derren Existenz bildet (vgl. Rodeck u.a., 1999: 56). Zudem hat der umgebende Raum großen Einfluss auf das Handeln und Denken der sich darin aufhaltenden Menschen (vgl. Selle, 2008: 1f). Es prägt uns von Geburt an durch die geographische Lage unseres Wohnortes und durch die umgebende Kultur und Sprache (vgl. New&Improved, 2017). Ebenso besitzt der zeitliche Rahmen ein starkes Prägungspotenzial auf den Menschen (vgl. Csikszentmihalyi, 2014: 186) Dies bedeutet, dass es notwendig erscheint bei der Betrachtung des kreativen Umfeldes den Rahmen größer zu setzen und nicht auf den physischen Raum zu beschränken.
Der Standort einer Person wird hierbei dreierlei beeinflusst. Zunächst bieten gewisse Orte den Vorteil so genannte Ballungspunkte einer Branche oder eines Fachbereiches darzustellen, die rückblickend gesehen immer von bekannten kreativen Persönlichkeiten angesteuert wurden, um deren kreatives Wirken voranzutreiben. Zweiter Aspekt wird vom Potenzial zur Anregung und Stimulation eines Ortes gebildet, denn unterschiediche Umgebungen führen zu unterschiedlich starkem Input. Lezteres prägt den Ort durch die Möglichkeit zur Realisierung einer kreativen Idee und ist oft an Kontakte und Geldmittel geknüpft. Allerdings gibt es keine allgemeingültige Richtlinie, welcher Ort das höchste Kreativitätspotenzial aufweist, denn die Gesamtheit aller individuellen Faktoren einer kreativen Person und ihrer Domäne sind ausschlaggebend (vgl. ebd.: 186-193).
Über diese geografischen Grundbedingungen hinaus scheint die Annahme zu bestehen, dass die vorherrschende Landschaft eine Rolle während der zweiten und dritten Phase des kreativen Prozesses spielen könnte. Personen, die bereits die Vorbereitungsphase abgeschlossen haben und somit ein gewisses Problem im Hinterkopf besitzen, finden in einer aufregenden oder beeindruckenden Landschaft eine Beeinflussung ihrer Denkmuster, welche neue Verbindungen zwischen alten und neuen Informationen ermöglichen und neue Assoziationen liefern. Hierbei findet die Inkubationsphase, in welcher unbewusst nach Lösungen gesucht wird, besondere Unterstützung bei semiautomatischen Tätigkeiten wie dem Gehen oder Laufen in einer stimulierenden Landschaft. Diese ermöglicht sich zu einem gewissen Teil auf diese Aktivität und die dabei entstehenden Eindrücke zu konzentrieren, lässt aber genug Konzentration übrig, um im Unterbewusstsein nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Dadurch wird das Lenken unserer Gedanken in eine unserem Muster entsprechende Lösung vermieden und die Möglichkeit geboten neue gedankliche Wege zu gehen. Ebenso wird dadurch eine Balance zwischen dem Entzug von visuellen Reizen und der Wahrnehmung dieser hergestellt (vgl. Csikszentmihalyi, 2014:194-201). Die nachfolgende Visualisierung des kreativen Prozesses zeigt dabei anschaulich wie, wann und in welchem Umfang die Person Daten aufnimmt und verarbeitet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Datenverarbeitung während kreativen Prozesses Eigene Darstellung nach Rustler, 2014, S. 65
Es wird deutlich, dass in der ersten Vorbereitungsphase viele Informationen aufgenommen werden, die jedoch deutlich in der zweiten Phase der Inkubation ansteigen und ab der dritten Phase durch die Illumination einen geradlinig werdenden Weg verfolgen, der in der Verifikation dieser Idee endet. Eine solche grafische Darstellung macht sichtbar, welche Rolle der äußere Input in der Inkubationsphase und bis zum Zeitpunkt der vollkommenen Illumination bildet und begründet zum einen Csikszentmihalyis Annahme, dass eine stimulierende und anregende Umwelt die ideale Grundlage für diese Phase und damit für den weiteren erfolgreichen Verlauf des gesamten Prozeses darstellt. Zum anderen wird ebenso deutlich, dass für die Verarbeitung dieser hohen Anzahl an Daten Rückzugsmomente in dieser Phase stattfinden werden und müssen (vgl. Csikszentmihalyi, 2014: 186ff.; Kounios & Beeman, 2015: 112f.).
Eine anregende Umgebung erscheint für das Aufkommen von kreativen Ideen als förderlich, doch besitzt die Vorbereitungsphase und auch die Phase der Verifikation ein deutlich stärkeres Bedürfnis nach einem bekannten und gewohntem Raum, der ungestörtes und konzentriertes Arbeiten ermöglicht. Unabhängig von Individuum und Tätigkeit muss dieser Raum das Wohlfühlen und Entspannen ermöglichen und somit ein gewisses Maß an Steuerung dieses Platzes vorweisen. Auch die Möglichkeit seine eigene Persönlichkeit in ihm auszudrücken erweist sich als förderlicher Aspekt (vgl. Csikszentmihalyi, 2014: 202208). Ergänzend zur Gestaltung des Raumes, sollte dieser seinen Nutzern ebenfalls die Möglichkeit zur individuellen Strukturierung der Aktivitäten geben. Dies beutetet, dass die Gelegenheit geboten wird, seine zu erfüllenden Aufgaben auf eine eigene Art und Weise zu ordnen, aufzubauen und zu verrichten. Dies gilt raumübergreifend auch für das Zeitkontinuum (vgl. ebd.: 208-212).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unterschiedliche Phasen des kreativen Prozesses nach verschiedenen räumlichen Bedingungen zu verlangen scheinen und man durch deren Darbietung die Kreativität positiv zu beeinflussen vermöge. Darüber steht jedoch die Individualität der kreativen Person, die ihrem Umfeld ganz persönliche Strukturen und Muster für eine erfolgreiche Absolvierung des kreativen Prozesses zuordnen können muss, um ein kreatives Produkt zu entwickeln, auf das im nächsten Abschnitt genauer eingegangen wird (vgl. ebd.: 211f).
2.1.3 Kreatives Produkt und seine Messung
Die angeführten Komponenten Person, Prozess und Klima finden ihren gemeinsamen Schnittpunkt im Produkt. Als Produkt sollte hier nicht ein zwangsläufig materielles Gut gesehen werden, sondern viel mehr ein Resultat des Prozesses, welches genauso in Form von Gedankengut nicht gegenständlich sein kann. Festzuhalten gilt, dass das Produkt mehr als nur ein schöpferisches Auseinandersetzen ist und sich immer als ein Ergebnis ausprägt, wobei natürlich ersteres als Bedingung dafür fungiert. Die drei zuerst genannten Faktoren bilden hierbei unmittelbare Ein- und Auswirkungen auf das entstehende Produkt. Einzigartige Eigenschaften von Person, Prozess und Klima können dabei die Art und den Wert des Produktes auf verschiedene Weisen regulieren und deren Qualität beeinflussen (vgl. Rustler, 2014: 19). Das Produkt ist dabei auch die einzige Instanz, die der Person, dem Prozess und der Umwelt die Eigenschaft “kreativ“ zuweisen kann, da es paradox erscheint, eine Person oder einen Prozess als kreativ zu umschreiben, wenn das Produkt dieser keine solche Bewertung erfährt (vgl. Gaier, 2011: 5f.).
Somit entsteht die Theorie, dass sich Kreativität idealerweise anhand des Resultates messen lässt und dadurch eine praxisnahe Umsetzung der Beurteilung entstehe. So ist wie bereits erwähnt, Rustler nach, zunächst entscheidend, dass das Produkt nicht nur neu ist, sondern auch einen Nutzen besitzt. Zudem sollte daraus eine Innovation weiter entwickelt werden können um einem größeren Kontext Nutzen zu bringen. Nutzen stellt in diesem Zusammenhang einen gewissen Gebrauch, Zweck oder Mehrwert für eine Branche, ein Unternehmen oder auch die Allgemeinheit dar (vgl. Rustler, 2014:14f.). Gaier (2011: 5) betont hingegen, dass es das kreative Produkt hinsichtlich Innovation abzugrenzen gilt und die Realisierung der Schöpfung dabei nicht betrachtet werden sollte. Doch ist unsere Gesellschaft von einer Forderung nach ausgereiften Ideen geprägt und scheint nicht implementierbare kreative Produkte nicht anzuerkennen (vgl. Dries, 1982: 96), weswegen der Einbezug von Innovation doch Berechtigung erhält.
Fest steht dennoch, dass der tatsächliche Wert einer hervorgebrachten Idee und die Beurteilung dieser bezüglich seiner Kreativität, nicht ohne weitere Faktoren beantwortet werden kann. Kreativität sei nämlich nur durch ein Zusammenspiel aus drei Grundbausteinen wahrzunehmen. Das schöpfende Individuum, welches etwas Neues produziert, die symbol- und mustergeprägte Domäne, in welchem dies geschieht und das Feld, also die Gruppe an Personen, die entscheidet, ob das “Neue“ in den Bereich aufgenommen wird oder nicht. Die Domäne unterliegt dabei dem Einfluss der ihr zu Grund liegenden Kultur und Gesellschaft. Ein visualisierendes Beispiel hierfür ist ein Künstler (Individuum), der ein neues Gemälde anfertigt, welches von Kuratoren, Sammlern und Kritikern (Feld) eine Bewertung erfährt, die darüber entscheidet, ob dieses in die Kunstbewegung (Domäne) aufgenommen wird (vgl. Csikszentmihalyi, 2014: 47). Folglich ist ein Produkt von Kreativität geprägt, wenn es als so kostbar angesehen wird, dass es die Kultur bzw. Gesellschaft ergänzen darf (vgl. ebd.: 43). Gewiss unterzieht sich jedes Produkt auch einer individuellen Bewertung, die jedoch auf Grund ihrer Subjektivität zu facettenreich und vielseitig ist, als das man sie Kategorien unterordnen und als allgemeingültigen Bewertungskriterium benutzen könne.
[...]
- Quote paper
- Eugenie Geyman (Author), 2017, Förderung der menschlichen Kreativität durch passende Raumgestaltung. Möglichkeiten und Grenzen der konzeptionellen Entwicklung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1372368
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.