Der Präsidentialismus als Regierungssystem ist nicht nur in den USA vertreten. Besonders in Lateinamerika herrscht eine Vielzahl von präsidentiellen Regierungssystemen mit unterschiedlichen Ausprägungen. In Zentralamerika liegt sein Staat, der seit Jahrzehnten über ein stabiles Regierungssystem verfügt: Costa Rica. Costa Rica in Zentralamerika ist der flächenmäßig dritt-kleinste von diesen sieben zentralamerikanischen Staaten. Mit gerade einmal 51.100 km² ist Costa Rica nicht einmal halb so groß wie Guatemala mit 108.890 km² und gehört vor Belize und El Salvador zu den kleinsten Staaten auf dem südamerikanischen Kontinent. Die ethnische Bevölkerungsmehrheit stellen mit 80 % Weiße, neben 15 % Mestizen und 4 % Afroamerikanern. Aus dem Spanischen bedeutet „Costa Rica“ wortwörtlich übersetzt „Reiche Küste“. Jedoch ist Costa Rica für Politikwissenschaftler nicht uninteressant. Seit der Unabhängigkeit von Spanien im Jahre 1821 ist der Demokratisierungsprozess in Costa Rica ohne größere potenzielle Konflikte vorgeschritten, denn lediglich zwei kurze Perioden der bürgerlichen Gewalt haben die Demokratisierung im Staat beeinträchtigt. Die erste Verfassung von 1821 legte eine präsidentielle Demokratie mit hohen Befugnissen des Staatspräsidenten fest, in der nur ein Ein-Kammer-Parlament existiert. Bis 1948 blieb diese erste Verfassung bestehen, denn 1949 trat eine überarbeitete Verfassung in Costa Rica in Kraft. Interessant an dieser „zweiten Republik“ ist, dass seit Dezember 1949 die Republik Costa Rica über keinerlei Militär in Friedenszeiten verfügt. Die Armee ist formell abgeschafft worden, es existiert nur noch eine Staatspolizei im Land. Obwohl Ende der vierziger Jahre der Kontext für die Armeelosigkeit ein ganz anderer war, erwies sich diese Entscheidung dreißig Jahre später als geschichtsträchtig und staatserhaltend. Als die Kampftätigkeiten im Niemandsland zwischen Costa Rica und Nicaragua in den frühen achtziger Jahren zunahmen, beschleunige auch Costa Rica sein Handeln. Die Regierung in San José verkündete die dauernde, aktive und unbewaffnete Neutralität ihres Landes. Damit nahm sich Costa Rica aus dem militärischen Schussfeld und setzte zudem die Agenda für einen regionalen Verhandlungsfrieden und brachte sich selbst in eine privilegierte Position, bei der Befriedung von Zentralamerika eine entscheidende Rolle zu spielen. Oftmals wird Costa Rica in der Literatur mit der Schweiz verglichen, die eine ähnlich neutrale Position in Europa einnimmt.
Gliederung
I. Einleitung
II. Geschichte Costa Ricas seit der Unabhängigkeit von Spanien
III. Das präsidentielle Regierungssystem
1. Die Exekutive
a) Die Wahl des Staatspräsidenten
b) Das präsidentielle Wiederwahlverbot
c) Das präsidentielle Inkompatibilitätsverbot
d) Das präsidentielle Veto und „Sanktionen“
e) Die Kompetenzen des Präsidenten
2. Die Legislative
a) Das Wiederwahlverbot im Parlament
b) Die Organisation und die Kompetenzen des Parlamentes
c) Das Interpellationsrecht
d) Missbilligungsvotum
IV. Parteien und Wahlorganisation in Costa Rica
1. Parteienstruktur in Costa Rica
2. Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2006
V. Fazit
Schriftenverzeichnis
I. Einleitung
Der Präsidentialismus als Regierungssystem ist nicht nur in den USA vertreten. Besonders in Lateinamerika herrscht eine Vielzahl von präsidentiellen Regierungssystemen mit unterschiedlichen Ausprägungen. In Zentralamerika liegt sein Staat, der seit Jahrzehnten über ein stabiles Regierungssystem verfügt: Costa Rica. Costa Rica in Zentralamerika ist der flächenmäßig dritt-kleinste von diesen sieben zentralamerikanischen Staaten. Mit gerade einmal 51.100 km² ist Costa Rica nicht einmal halb so groß wie Guatemala mit 108.890 km² und gehört vor Belize und El Salvador zu den kleinsten Staaten auf dem südamerikanischen Kontinent. Die ethnische Bevölkerungsmehrheit stellen mit 80 % Weiße, neben 15 % Mestizen und 4 % Afroamerikanern. Aus dem Spanischen bedeutet „Costa Rica“ wortwörtlich übersetzt „Reiche Küste“. Jedoch ist Costa Rica für Politikwissenschaftler nicht uninteressant. Seit der Unabhängigkeit von Spanien im Jahre 1821 ist der Demokratisierungsprozess in Costa Rica ohne größere potenzielle Konflikte vorgeschritten, denn lediglich zwei kurze Perioden der bürgerlichen Gewalt haben die Demokratisierung im Staat beeinträchtigt. Die erste Verfassung von 1821 legte eine präsidentielle Demokratie mit hohen Befugnissen des Staatspräsidenten fest, in der nur ein Ein-Kammer-Parlament existiert. Bis 1948 blieb diese erste Verfassung bestehen, denn 1949 trat eine überarbeitete Verfassung in Costa Rica in Kraft. Interessant an dieser „zweiten Republik“ ist, dass seit Dezember 1949 die Republik Costa Rica über keinerlei Militär in Friedenszeiten verfügt. Die Armee ist formell abgeschafft worden, es existiert nur noch eine Staatspolizei im Land. Obwohl Ende der vierziger Jahre der Kontext für die Armeelosigkeit ein ganz anderer war, erwies sich diese Entscheidung dreißig Jahre später als geschichtsträchtig und staatserhaltend. Als die Kampftätigkeiten im Niemandsland zwischen Costa Rica und Nicaragua in den frühen achtziger Jahren zunahmen, beschleunige auch Costa Rica sein Handeln. Die Regierung in San José verkündete die dauernde, aktive und unbewaffnete Neutralität ihres Landes. Damit nahm sich Costa Rica aus dem militärischen Schussfeld und setzte zudem die Agenda für einen regionalen Verhandlungsfrieden und brachte sich selbst in eine privilegierte Position, bei der Befriedung von Zentralamerika eine entscheidende Rolle zu spielen. Oftmals wird Costa Rica in der Literatur mit der Schweiz verglichen, die eine ähnlich neutrale Position in Europa einnimmt.[1] Das politische Modell Costa Ricas, das seit langem wesentliche Elemente westeuropäischen Staatsverständnisses aufweist, hat das Land zu einem Sonderfall innerhalb des Spektrums allgemeiner Erklärungsansätze für die Entwicklung in Zentralamerika gemacht. Die besonderen historischen Bedingungen der Entstehung und Reifung, wie auch die soziökonomischen Verhältnisse unterscheiden sich nämlich bereits seit der Kolonialzeit sehr stark von den Gegebenheiten in anderen Teilen Zentralamerikas.[2] Nach dem Bertelsmann-Transformations-Index von 2003 ist Costa Rica die am meisten fortgeschrittene markwirtschaftliche Demokratie im Konsolidierungsprozess präsidentieller Systeme in Lateinamerika.[3] Welche Machtposition hat der Staatspräsident in Costa Rica und durch was wird diese Machtposition beeinflusst? In meiner Seminararbeit analysiere ich die Struktur, die Merkmale und die Besonderheiten des Präsidentialismus in Lateinamerika am Beispiel von Costa Rica.
II. Geschichte Costa Ricas seit der Unabhängigkeit von Spanien
Costa Rica hatte 1821 erst mit Verspätung von seiner politischen Unabhängigkeit erfuhren, ohne dass es zuvor auch nur einen Finger in einem Freiheitskampf hätte rühren müssen. Im gleichen Atemzug wurden auch die anderen spanischen Provinzen dem mexikanischen Kaiserreich Iturbides eingegliedert, von dem es sich jedoch 1823 loslöste, um bis 1838 in der Zentralamerikanischen Föderation aufzugehen. Ein Wandel erfolgte erst, als in den 1830er Jahren der Kaffee als gewinnbringendes Produkt entdeckt wurde, über das bald auch eine dauerhafte Bindung an den Weltmarkt entstand. Mitte des 19. Jahrhunderts bewirke der Kaffeeboom – ausgelöst durch die aufflammende Kaffekultur in Europa – erstmals eine Öffnung des Landes nach außen und verhalf Costa Rica zu einem relativen Wohlstand.[4] Erst 1871 kam mit dem Diktator Tomas Guardia wieder ein Liberaler an die Macht, unter dem die liberale Verfassung von 1871 verabschiedet wurde, die bis heute langlebigste costaricanische Verfassung, die auch dem heutigen Text als Vorlage diente und die ein präsidentielles Regierungssystem mit Ein-Kammer-Parlament festlegte. Unter ihr wurde der Übergang zu einem aufgeklärten liberal-oligarchischem Regime vollzogen, das die wirtschaftliche und soziale Entwicklung mit großem Nachdruck förderte. Staatschef Bernardo Soto (1885-1889) öffnete das System sogar soweit, dass seine liberale Partei bei den nächsten Wahlen abgewählt wurde, eine bis dahin in Zentralamerika unbekannte Möglichkeit des Regierungswechsels.[5] Es folgten jedoch wieder einige Diktaturen bevor 1940 Rafael Calderon Guardia vom Partido Republicano Nacional (PRN) von der männlichen Bevölkerung zum Präsidenten der Republik gewählt wurde. Er wurde im Februar 1940 mit überwältigender Mehrheit gewählt, die – wie bis dahin in Costa Rica üblich – durch Wahlbetrug zustande kam. Der christliche-soziale Politiker erlangte zu einem Zeitpunkt die Macht des Präsidentenamtes, als das liberale Wirtschaftsmodell am Ende schien: Monokulturen, Abhängigkeit von großen ausländischen Konzernen (Bananen und Kaffee), unorganisierter Binnenmarkt und eine fehlende Wirtschaftspolitik bestimmten die wirtschaftliche Situation im Land. Ein Steuersystem, der direkten Abgaben, dass die Exporteure ausnahm, bewirkte, dass die Staatseinnahmen nicht ausreichten und der Staat sich verschuldeten musste. Die konservativen Gegner Calderon Guardias konzentrierten sich auf eine harte Kritik an der desolaten Haushaltssituation, die chaotischen Zustände in der ineffizienten Verwaltung, deren Positionen nicht nach Fähigkeiten vergeben werden, sondern nach deren Stellung zum aktuellen Präsidenten. 1941 wurden Vorwürfe gegen die Regierung laut, die auf eine massive Korruption innerhalb der Exekutive hindeuteten. Ebenso kritisierte die Opposition die Zusammenarbeit mit den immer stärker werdenden Kommunisten im Land. Zu beachten ist auch, dass Costa Rica 1942 den Achsenmächten – vor allem dem Deutschen Reich – den Krieg erklärte. Entsprechend war der Präsidentschaftswahlkampf 1944 von politischer Gewalt beider Seiten geprägt. Aus der Wahl 1944 ging Teodoro Picado durch Wahlbetrug als Sieger hervor. Der Betrugsvorwurf der Opposition die Wahl wegen Unstimmigkeiten bei der Stimmenauszählung nicht anzuerkennen diente aber nur als Artikulation in der Öffentlichkeit, was praktisch keine Auswirkung hatte.[6] Im Jahre 1949 trat die neue Verfassung in Kraft. In Costa Rica spricht man von der „Zweiten Republik“. Die Machtposition des Präsidenten wurde eingeschränkt, um Vetternwirtschaft, Korruption und Machtzentralisierung vorzubeugen.
III. Das präsidentielle Regierungssystem
Als Systemcharakteristika im Präsidentialismus sind die monistische Exekutive und die ausgeprägte Gewaltentrennung zu nennen. In Lateinamerika gibt es überwiegend getrennte Volkswahlen des Parlamentes und des Präsidenten. Weiterhin bestehen eine Inkompatibilität von Regierungsämtern und Parlamentsmandat, die Nicht-Absetzbarkeit des Präsidenten aus politischen Gründen und die überwiegende Nicht-Auflösbarkeit des Parlaments. Der Einfluss des Präsidenten auf den Politikformulierungsprozess ist hoch, da durch die Legitimation in einer Volkswahl für den Präsidenten ein Gesetzesinitiativrecht, die Möglichkeit von Präsidentialdekreten und das präsidentielle Vetorecht in Lateinamerika besteht. Diese Machtfülle des Präsidenten relativiert sich jedoch durch die Abhängigkeit von unsicheren Mehrheiten oder Koalitionsparteien und dem fehlenden parlamentarisches Auflösungsrecht durch den Präsidenten. Ernst Fraenkel hatte ein breites Spektrum von Regierungssystemen im Blick und sah in der Inkompatibilität von Regierungsamt und Mandat und in der Nicht-Auflösbarkeit des Parlaments durch die Regierung charakteristische Unterschiede des präsidentiellen Regierungssystems gegenüber dem parlamentarischen Regierungssystem.[7] Klaus von Beyme nannte als wichtigste Merkmale des präsidentiellen Regierungssystems die Identität von Staats- und Regierungsführung, die Inkompatibilität von Amt und Mandat, die Nicht-Abberufung der Regierung durch das Parlament, die Nicht-Auflösbarkeit des Parlaments durch die Regierung, und schließlich das Fehlen einer Gesetzesinitiative durch die Regierung, die dafür über ein Vetorecht verfüge.[8] Gegenüber diesen historisch-empirischen Merkmalen postulierte Winfried Steffani ein einziges systematisch-funktionales Unterscheidungskriterium: die Existenz oder Nicht-Existenz der verfassungsrechtlichen Möglichkeit einer Abberufung der Regierung durch das Parlament. Es ging dabei um mehr als eine strikte formale Klassifikation. Steffani leitete aus dem Unterscheidungskriterium eine Reihe typischer Funktionsprobleme beider Systeme ab, die jeweils unterschiedliche Lösungen im Bereich des Parteiensystems, der Parlamentsorganisation, Faktionsdisziplin usw. nahelegen.[9] Der Wissenschaftler Juan Linz geht von folgenden Definitionsmerkmalen der Präsidentialdemokratie aus: Volkswahl und feste Amtsperiode des Präsidenten der keinem parlamentarischehen Vertrauensvotum unterliegt und auch kein Recht zur Parlamentsauflösung hat. Zusätzlich bezieht sich Linz auf die lateinamerikanische Besonderheit des Verbots der – zumindest unmittelbaren - Wiederwahl des Präsidenten. Er skizzierte Ende der 1980er Jahre die zwei Hauptschwächen der präsidentiellen Demokratie.[10] Zum einen sei die duale Legitimation, das heißt sowohl das Parlament als auch der Präsident demokratisch legitimiert. Damit ist nicht klar, wer in Konfliktsituationen entscheidet. Auch fehlt das institutionelle Instrument eines konstruktiven Misstrauensvotums, was z. B. in der spanischen Verfassung von 1985 nach dem Vorbild des deutschen Grundgesetzes übernommen wurde. Zum anderen ging Linz zunächst davon aus, dass die Präsidentialdemokratie im Vergleich zur parlamentarischen Demokratie weniger flexibel sei. Als negatives Beispiel wurde die Situation in Chile 1973 angeführt. Dort wurde eine Regierung gestürzt, die sich nur auf 37 % der gültigen Stimmen stützen konnte. Linz nimmt nun weiter an, dass es in einem parlamentarischen Regierungssystem keinen Sturz der Regierung um Salvador Allende gegeben hätte. In präsidentiellen Regierungssystemen ist der Fortbestand der Regierung unabhängig von der parlamentarischen Mehrheit. Regierung und Parlament sind institutionell voneinander getrennt.[11] In Brasilien stand die Frage der Ablösung des präsidentiellen Systems durch ein parlamentarisches System auf der Tagesordnung. 1993 fand eine Volksabstimmung über die Frage der Staatsform (Monarchie oder Republik) und der Regierungsform (Präsidentialismus oder Parlamentarismus) statt. Das Ergebnis war eindeutig: 66 % votierten für die Republik, nur 10 % für die Monarchie. Bei der Wahl der Regierungsform sprachen sich 55 % für den Präsidentialismus aus, während nur 25 % den Parlamentarismus befürworteten.[12] Im präsidentiellen System verfügen sowohl der Präsident als auch das Parlament über eine je eigene, als demokratisch geltende Legitimationsbasis, und eventuelle Konflikte zwischen beiden Gewalten lassen sich in der Regel weder im Wege einer Abberufung und Ersetzung der Regierungsspitze noch durch eine Auflösung und Neuwahl des Parlamentes lösen.[13] Demokratische Regierungssysteme haben komplexe und teilweise widersprüchliche Funktionen zu erfüllen. Larry Diamond hat sie in drei Paradoxien beschrieben. Demokratien müssen erstens Konflikte zulassen und gleichzeitig ein Mindestmaß an Konsens wahren. Zweitens müssen die Repräsentativität politischer Entscheidungsprozesse gewährleisten und gleichzeitig die Regierbarkeit aufrechterhalten. Drittens bedürfen sie der möglichst allgemeinen Zustimmung zu Entscheidung, die gleichzeitig möglichst effektiv, das heißt selektiv folgenreich sein sollen.[14]
1. Die Exekutive
a) Die Wahl des Staatspräsidenten
Grundlegend lassen sich Wahlen in kompetitive, nicht-kompetitive und semi-kompetitive Wahlen unterscheiden. In einigen Ländern fanden schon frühzeitig kompetitive Wahlen statt, so auch in Costa Rica sowie Uruguay und Chile. Kompetitive Wahlen lassen sich darin gehend definieren, dass es sich hierbei um allgemeine Wahlen mit einer Auswahl an Kandidaten und Wettbewerb unter den Kandidaten handelt.[15] Um für das Präsidentenamt zu kandieren, muss der Bewerber gebürtiger Costaricaner – jedoch nicht in Costa Rica geboren – und im Besitz der vollen Bürgerrechte sein. Weiterhin gibt es eine Altersgrenze für die Kandidatur, die derzeit 30 Jahre beträgt. Ein wichtiges Kriterium für die Analyse und Gewichtung von Wahlergebnissen bleibt die Wahlbeteiligung. Hier gilt es zwischen der Gesamtbevölkerung, den registrierten Wählern und den tatsächlich abgegebenen Stimmen zu unterscheiden. In Costa Rica ist die Registrierung der Wähler freiwillig, wie auch in Chile, Kolumbien und Peru. Staaten wie Brasilien und Ecuador haben bereits eine automatische Registrierung der Wahlberechtigten eingeführt. In allen anderen lateinamerikanischen Staaten ist eine Registrierung zur Wahl Pflicht. Interessant ist, dass in Lateinamerika größtenteils die Wahlpflicht herrscht. Nur in Kolumbien und Nicaragua besteht keinerlei Wahlpflicht für die wahlberechtigten Bürger.[16] Die durchschnittliche Wahlbeteiligung lag in Lateinamerika im Zeitraum von 1978 bis 2000 bei den Präsidentschaftswahlen bei ca. 73 %, bei den Kongresswahlen bei ca. 71 %. Auffällig ist, dass die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen in Staaten wie Chile (92 %) und Uruguay (89,8 %) stetig hoch ist, jedoch in den von Krisen betroffenen Ländern wie Kolumbien (44,1 %) und El Salvador (47,7 %) eher niedrig ausfällt. Costa Rica hat im Vergleich eine sehr stabile Wahlbeteiligung von 79,6 % bei den Präsidentschaftswahlen. Der Unterschied zu den Parlamentswahlen ist in Costa Rica verschwindend gering, er liegt im Zeitraum von 1978 bis 2000 bei 79,1 % Wahlbeteiligung, was einen Unterschied von 0,8 % ausmacht. In der Gesamtbetrachtung der Wahlbeteiligungen an den Präsidentschaftswahlen von 1978 bis 2000 ist Costa Rica hinter Peru mit 80,9 % auf Platz 7 in Lateinamerika.[17] Die Präsidentschaftswahlen finden alle 4 Jahre gleichzeitig mit den Wahlen zur Asamblea Legislativa gemäß Art. 133 CRVerf am ersten Sonntag des Monats Februar statt. Für den einzelnen Wähler nimmt die Präsidentschaftswahl einen größeren Stellenwert ein als die Parlamentswahlen. Dies lässt sich an der Wahlbeteiligung ablesen, die bei den Präsidentschaftswahlen immer höher ist als bei den Parlamentswahlen. Die psychologischen Effekte der Gleichzeitigkeit des Wahltermins sind auch in Costa Rica wirksam. Sie bewirken bisher, dass die Partei des Präsidenten regelmäßig auch die stärkste Fraktion in der Asamblea Legislativa stellt.[18] Bei den Präsidentschaftswahlen gilt das Prinzip der absoluten oder qualifizierenden Mehrheit in zwei Wahlgängen oder aber das der relativen Mehrheit. Die absolute Mehrheit erfordert 50 % plus eine Stimme, jedoch ist gerade in Costa Rica diese absolute Mehrheit nicht notwendig. Institutionell ist in Costa Rica eine qualifizierende Mehrheit von mehr als 40 % zur Wahl zum Präsidenten erforderlich. Der Grund für diese qualifizierende Mehrheit ist in Costa Rica einfach, denn in den Staaten, in denen die absolute Mehrheit gilt, kann es im ersten Wahlgang zu einer enormen Fülle an Kandidaten kommen. Das System der absoluten Mehrheit ermöglicht eine stärkere Unterstützung des gewählten Präsidenten zumindest in der Anfangsphase. Hingegen kann das System der relativen Mehrheit dazu führen, dass ein Präsident mit beispielsweise 35 % gewählt wird, was aber im Umkehrschluss bedeutet, dass ihm 65 % ihre Stimme nicht gegeben haben.[19] Sollte keine Kandidatengruppe diese Hürde genommen haben, gibt es am ersten Sonntag im April eine Stichwahl unter den ersten beiden Gruppen, wobei diejenige gewinnt, die die höchste Anzahl der Stimmen erhält. Bei Stimmengleichheit gewinnt die Mannschaft mit dem älteren Präsidentschaftskandidaten. Der gewählte Präsident und seine zwei Vizepräsidenten übernehmen ihre Ämter am 8. Mai nach der Wahl.[20]
[...]
[1] Dettling, Erwin, Seite 2.
[2] Fanger, Ulrich, Seite 26.
[3] Bertelsmann-Stiftung, Bertelsmann-Transformations-Index 2003, Auf dem Wege zur marktwirtschaftlichen Demokatie, Gütersloh 2004, Seite 13-15.
[4] Stüwe, Klaus, Seite 169.
[5] Schultz, Judith, Präsidentielle Demokratien in Lateinamerika, Seite 153.
[6] Schultz, Judith, Seite 157.
[7] Fraenkel, Ernst, 1957, Seite 224 ff.
[8] Beyme, Klaus von, 1967, Seite 1 ff.
[9] Steffani, Winfried, 1983, Seite 393 ff.
[10] Linz, Juan, Seite 3-87.
[11] Werz, Nikolaus, Lateinamerika, Seite 282; Krumwiede/Nolte, Seite 31.
[12] Jost, Stefan, Bolivien, Seite 67 f.
[13] Thibaut, Bernhard, Seite 52.
[14] Diamond, Larry, 1990, Seite.
[15] Nohlen, Dieter, Handbuch der Wahldaten Lateinamerikas und der Karibik, Opladen 1993, Seite 14.
[16] Payne, Mark, Seite 49.
[17] Payne, Mark, Seite 5.
[18] Schultz, Judith, Seite 197.
[19] Werz, Nikolaus, Lateinamerika, Seite 332.
[20] Schultz, Judith, Seite 198.
- Arbeit zitieren
- Ludwig Späte (Autor:in), 2009, Politische Systeme in Lateinamerika am Beispiel von Costa Rica, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137154
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