Unterbeschäftigung und Armut sind schwerwiegende Probleme der Gesellschaft, insbesondere
für Geringqualifizierte und Personen mit Migrationshintergrund. Aufgabe der
Ökonomen ist es Wege zu finden die die Ausmaße dieser Probleme begrenzen. Welche
Instrumente den Ökonomen dabei zur Verfügung stehen und welche Auswirkungen sie,
auf Beschäftigung und Einkommen der Geringqualifizierten haben, soll diese Arbeit zeigen.
Internationale Erfahrungen mit diesen Instrumenten können dabei Hinweise auf die
Auswirkungen, die diese in Deutschland haben könnten, geben. Vor allem soll auf die
beiden viel diskutierten Instrumente, Mindest- und Kombilohn, eingegangen werden.
Mindestlöhne sind Teil einer breiten politischen Agenda mit dem Ziel Ungleichheiten zu
reduzieren, Arbeitsanreize zu verbessern und werden in verschiedenen Formen in vielen
entwickelten Ländern genutzt. Allerdings sind Mindestlöhne weit davon entfernt unumstritten
zu sein. Für viele Ökonomen, aber nicht alle, implizieren sie eine Verringerung
der Beschäftigung, da sie verzerrende Effekte auf die Lohnsetzung haben können.1 Auch
Kombilöhne sind dafür gedacht Arbeitsanreize, durch Aufstockung niedriger Löhne, zu
erhöhen und die Einkommenssituation von Geringverdienern zu verbessern.
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung
1.1 Die Arbeitsmarktsituation in Deutschland
1.2 Einkommensverteilung
1.3 Soziale Sicherungssysteme
1.4 Schwarzarbeit
2. Arbeitsmarkttheorie
2.1 Das Arbeitsangebot
2.2 Die Arbeitsnachfrage
2.3 Das Arbeitsmarktgleichgewicht
2.4 Die Entstehung von Unterbeschäftigung
2.5 Zwischenfazit
3. Mindestlöhne
3.1 Mindestlöhne in der Theorie
3.2 Mindestlöhne in den USA - Der Fair Labour Standards Act
3.3 Mindestlöhne in Frankreich – Das SMIC
3.4 Der Britische Mindestlohn
4. Kombilöhne
4.1 Bisherige Modellprojekte
4.2 Aktivierende Sozialhilfe
4.3 Die Magdeburger Alternative
5. Weitere Beschäftigungsinstrumente
5.1 Negative Einkommensteuer
5.2 Workfare
5.3 Förderung haushaltsbezogener Dienstleistungen
5.3.1 Die Förderung haushaltsbezogener Dienstleistungen in Deutschland
5.3.2 Das dänische Haushaltsdienstleistungenprogramm
5.3.3 Die Förderung haushaltsbezogener Dienstleistungen in Frankreich
6. Schlussbetrachtung
6.1 Maßnahmen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit
6.2 Fazit zum Mindestlohn
6.3 Fazit zum Kombilohn
6.4 Qualifikation als bessere Alternative
6.5 Wirtschaftspolitische Implikationen
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1.1 Gesamtwirtschaftliches Stellenangebot im früheren Bundesgebiet
Abbildung 1.1.2 Gesamtwirtschaftliches Stellenangebot in den neuen Bundesländern
Abbildung 1.1.3 Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten nach Bundesgebiet
Abbildung 1.1.4 Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten nach Geschlecht
Abbildung 2.1.1 Budgetbeschränkung für die Wahl zwischen Freizeit und Einkommen
Abbildung 2.1.2 Die Arbeitsangebotskurve
Abbildung 2.2.1 Die Arbeitsnachfrage
Abbildung 2.2.2 Arbeitsnachfrage und Re allohn
Abbildung 2.2.3 Arbeitsnachfrage für Gewerksch aftsmi tg lieder
Abbildung 2.3.1 Arbeitsmarktgleichgewicht
Abbildung 2.3.2 Auswirkung einer Verschiebung des Arbeitsangebots
Abbildung 2.3.3 Verschiebung der Arbeitsnachfragekurve
Abbildung 2.4.1 Entstehung von Unterbeschäftigung
Abbildung 3.1.1 Der Arbeitsmarkt bei vollkommenem Wettbewerb
Abbildung 4.3.1 Der Arbeitsmarkt
Abbildung 4.3.2 Lohnergänzungsleistung
Abbildung 4.3.3 Lohnkostenzuschüsse an den A rb eitgeb e r
Abbildung 5.2.1 Entscheidung zwischen Konsum und Freizeit und das Workfareprinzip
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1.1.1 Erwerbsbeteili gung (Inländerkonzept) in Deutschland nach Jahren, in Tausend
Tabelle 1.1.2 Offene Stellen nach Jahren, in Tausend
Tabelle 3.1 Bruttostundenverdienste in der Landwirtschaft, in Euro je Stunde
Tabelle 3.2 Bruttostundenverdienste im Handwerk, in E uro je Stunde
Tabelle 3.3 Bruttostundenverdienste im Produzierenden Gewerbe, in Euro je Stunde
Tabelle 3.4 Erwerbstätige in Deutschland nach Wirtschaftsbereichen und Jahren, (Inlandskonzept), in Tausend
Tabelle 3.5 Arbeitskosten im Produzierenden Gewerbe und Dienstleistungs- bereich 2004 nach Wirtschaftsbereic hen in Euro je Stunde
Tabelle 4.1 Existenzminimum , in Euro
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Problemstellung
Unterbeschäftigung und Armut sind schwerwiegende Probleme der Gesellschaft, insbe-sondere für Geringqualifizierte und Personen mit Migrationshintergrund. Aufgabe der Ökonomen ist es Wege zu finden die die Ausmaße dieser Probleme begrenzen. Welche Instrumente den Ökonomen dabei zur Verfügung stehen und welche Auswirkungen sie, auf Beschäftigung und Einkommen der Geringqualifizierten haben, soll diese Arbeit zei-gen. Internationale Erfahrungen mit diesen Instrumenten können dabei Hinweise auf die Auswirkungen, die diese in Deutschland haben könnten, geben. Vor allem soll auf die beiden viel diskutierten Instrumente, Mindest- und Kombilohn, eingegangen werden.
Mindestlöhne sind Teil einer breiten politischen Agenda mit dem Ziel Ungleichheiten zu reduzieren, Arbeitsanreize zu verbessern und werden in verschiedenen Formen in vielen entwickelten Ländern genutzt. Allerdings sind Mindestlöhne weit davon entfernt unum-stritten zu sein. Für viele Ökonomen, aber nicht alle, implizieren sie eine Verringerung der Beschäftigung, da sie verzerrende Effekte auf die Lohnsetzung haben können.[1] Auch Kombilöhne sind dafür gedacht Arbeitsanreize, durch Aufstockung niedriger Löhne, zu erhöhen und die Einkommenssituation von Geringverdienern zu verbessern.
Das Problem von Armut und Unterbeschäftigung manifestiert sich allerdings nicht nur im ökonomischen Bereich. Auf die Dimension des sozialen Problems der Unterbeschäfti-gung muss mit Nachdruck hingewiesen werden. Arbeitsplätze haben einerseits eine fun-damentale Bedeutung für die soziale Anerkennung und die Selbstachtung.[2] Andererseits hat der soziale Status aber auch Rückwirkungen auf die Gesundheit. So wird die subjekti-ve Gesundheit sowohl von Familien mit niedrigem Sozialstatus als auch von Personen mit Migrationshintergrund niedriger bewertet als dies der Fall bei Familien mit hohem Sozialstatus ist.[3] Bei Kindern mit niedrigem sozioökonomischen Status und Kindern mit Migrationshintergrund zeigen sich zudem häufiger Hinweise auf psychische Probleme. Die Früherkennung und Prävention dieser Probleme scheint besonders schwierig, da es sich hierbei um nur schwer erreichbare Gruppen handelt.[4] Auch das Rauchen ist bei Ju-gendlichen mit niedrigem sozioökonomischen Status besonders stark verbreitet, dass gilt auch für die Passivrauchbelastung dieser Personengruppe.[5] Auch die Ergebnisse der Un-tersuchung über das Mundgesundheitsverhalten zeigen, dass ein schicht- und kulturspezi- fischer Präventionsbedarf besteht.[6] Ebenso werden nicht alle Früherkennungsuntersu-chungen von Familien mit Migrationshintergrund und denen mit niedrigem sozioökono-mischen Status wahrgenommen. Diese Untersuchungen sind jedoch besonders wichtig, da sie Kinder vor langfristigen negativen Folgen für die Gesundheit und den damit ver-bundenen hohen Kosten bewahren sollen.[7]
Ein weitaus gravierenderes Problem zeigt sich jedoch in der Bildung. Viele Studien, die im Rahmen des PISA Programms unternommen wurden, zeigen dass Deutschland eine höhere Korrelation zwischen sozialem Hintergrund und schulischen Leistungen aufweist als dies in anderen industrialisierten Ländern der Fall ist.[8] Die rapiden Veränderungen der Arbeitswelt, als Folge von Globalisierungsprozessen, lässt die Nachfrage nach hoch-qualifizierten Arbeitskräften steigen. Un- bzw. Geringqualifizierte werden hingegen im-mer weniger gebraucht. Das Risiko des Ausschlusses steigt dabei für diejenigen Personen die keinen adäquaten Zugang zu weitererführender Bildung in ihrem Lebensverlauf ha-ben. Die sozialen und ökonomischen Restriktionen gehen Hand in Hand mit schulischen Einschränkungen, welche sowohl die schulischen Leistungen als auch die intellektuellen Entwicklungen von Schülern erschweren. Hinzu kommt dass sich die Pro – Kopf Bud-getverteilungen, von Bundesland zu Bundesland, signifikant unterscheiden . Der frühe Einstufungsprozess führt im Übrigen dazu, dass Kinder die in Armut leben oder einen Migrationshintergrund haben, an den Hauptschulen überrepräsentiert sind. Diese stehen dann, gleich ob mit oder ohne Abschluss, im Wettbewerb mit anderen besser qualifizier-ten Arbeitskräften und befinden sich in einer Situation in der es zu einem Ausschluss vom Arbeitsmarkt kommen kann.[9] Ein niedriger sozioökonomischer Status führt somit zu einem niedrigen Qualifikationsgrad, der wiederum in einem niedrigen sozioökonomi-schen Status resultiert. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.
1.1 Die Arbeitsmarktsituation in Deutschland
Tabelle 1.1.1 zeigt die Erwerbsbeteiligung in Deutschland. Demnach ist nicht nur die Zahl der Gesamtbevölkerung rückläufig sondern auch die Zahl der Erwerbspersonen. Rund 52% der Gesamtbevölkerung gehen einer Beschäftigung nach. Die Zahl der Er-werbslosen nahm von 2005 bis 2006 um mehr als 400.000 Personen ab, während die Zahl der Erwerbstätigen im selben Zeitraum um rund 300.000 Personen stieg. Dies lässt den Schluss zu dass nahezu 100.000 Personen aus dem Erwerbsleben ausschieden. Tabelle 1.1.1
Erwerbsbeteiligung (Inländerkonzept) in Deutschland nach Jahren, in Tausend[10]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Vorläufiges Ergebnis Aktualisiert am 2. Mai 2007
Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland, 2006; eigene Darstellung
Die konjunkturelle Belebung des vergangenen Jahres hat die Nachfrage nach Arbeitskräf-ten erhöht. Jeder fünfte Betrieb suchte im Herbst 2006 nach Personal. Betriebe und Ver-waltungen boten in diesem Zeitraum rund 1,4 Millionen Stellen an, fast 260.000 mehr als im Vorjahr. Im Durchschnitt gab es 3,4 offene Stellen je personalsuchendem Betrieb. Insbesondere hat die Zahl der unverzüglich zu besetzenden Stellen um 240.000 zuge-nommen. Der Anteil der zu besetzenden Vollzeitstellen nahm ebenfalls zu. Mit rund 8% waren Vakanzen für Ingenieure am häufigsten, gefolgt von Stellen für Verkaufspersonal / Warenkaufleute mit jeweils 7% und Berufen des Landverkehrs und Bürofach- und Büro-hilfskräften. Zum Anstieg der Vakanzen haben insbesondere die Stellen beigetragen die durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gefördert werden. Dabei handelt es sich vor allem um Stellen im Rahmen sozialer Arbeitsgelegenheiten, auch die sogenannten Ein – Euro - Jobs. Solange diese nicht besetzt werden, gehören diese ebenfalls zum gesamt-wirtschaftlichen Stellenangebot. Die Entwicklung des gesamten Stellenangebotes war jedoch weitestgehend konjunkturell bestimmt. Am ersten Arbeitsmarkt wurden 1,16 Mil-lionen Stellen angeboten, fast 200.000 mehr als im Vorjahr.[11]
Tabelle 1.1.2 zeigt die offenen Stellen der Jahre 2006 und 2007. Demnach nahmen die Stellenangebote um ca. 100.000 zu. Allerdings ist auch ersichtlich dass die Zunahme der Stellenangebote von 2006 zu 2007 geringer ausfiel als die Zunahme von 2005 zu 2006.
Tabelle 1.1.2
Offene Stellen nach Jahren, in Tausend[12]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Stand Mai
Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland, 2007; eigene Darstellung.
Die Arbeitskräftenachfrage nahm sowohl im früheren Bundesgebiet als auch in den neuen Ländern zu. Die Zahl offener Stellen nahm in Ost und West gleichermaßen stark zu. Für die neuen Bundesländer bedeutet dies aber nahezu eine Verdopplung gegenüber 2005. Vor allem stieg die Zahl der nichtgeförderten Stellen. Das Niveau der Arbeitsnachfrage ist zwar im früheren Bundesgebiet höher, jedoch ist die konjunkturelle Dynamik in den neuen Bundesländern stärker ausgeprägt.[13]
Abbildung 1.1.1 (siehe Anhang A1)
Gesamtwirtschaftliches Stellenangebot im früheren Bundesgebiet[14]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.1.2 (siehe Anhang A2)
Gesamtwirtschaftliches Stellenangebot in den neuen Bundesländern[15]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein weiterer Indikator für die Intensität der Arbeitskräftenachfrage ist die Vakanzrate, d.h. dem Verhältnis zwischen Vakanzen und aktuell Beschäftigten. Überdurchschnittliche Zunahmen der Vakanzrate waren bei den Stellen für un- und angelernte Facharbeiter zu verzeichnen. Das liegt zum einen an der hohen Zahl geförderter Stellen, die im Durch-schnitt nur geringe Qualifikationsanforderungen haben. Zum anderen spiegelt dies den zunehmenden Fachkräftebedarf im gewerblichen Bereich wieder, der sich in Folge des zunehmenden Wirtschaftswachstums entwickelt. Die Arbeitskräftenachfrage konzentriert sich vor allem auf kleinere Betriebe. Mehr als die Hälfte aller offenen Stellen wurden von Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern angeboten. Erhebliche Unterschiede der Va-kanzraten finden sich nicht nur regional sondern auch in den einzelnen Wirtschaftszwei-gen. Insbesondere im Bereich der wirtschaftsnahen Dienstleistungen sind diese gestiegen. Aber auch im Baugewerbe nahm die Vakanzrate zu.[16]
Stellenbesetzungen sind Ausgleichsvorgänge zwischen Angebot und Nachfrage am Ar-beitsmarkt. Die allerdings Zeit benötigen. Die Spanne, vom Beginn der Bewerbersuche bis zur Arbeitsaufnahme des Beschäftigten, betrug im Jahr 2006 im früheren Bundesge-biet durchschnittlich 77 Tage und in den neuen Bundesländer 66 Tage. Von den Vakan-zen des vierten Quartals 2006 waren rund 19% schwer besetzbar. D.h. die Suche nach geeignetem Personal dauerte länger als üblich oder vorgesehen. Im selben Quartal 2005 galten nur 13% aller Vakanzen als schwer besetzbar. Nach Angaben der Unternehmen sind Knappheiten auf der Bewerberseite nicht das Kernproblem des Arbeitsmarktes. Das Fehlen von Aufträgen wird als wichtigstes Hemmnis betrachtet, erst danach folgt der Mangel an geeigneten Arbeitskräften. Der Auftragsmangel ist damit das größte Hindernis auf dem Weg zu mehr Beschäftigung und Wachstum, während der Arbeitskräftemangel nur eine vergleichsweise geringe Rolle spielt. Angesichts steigender B eschäftigtenzahlen und rückläufigem Arbeitsangebot muss das Thema Arbeitskräftemangel allerdings im Auge behalten werden. Nach Auffassung von Kettner und Spitznagel gibt es noch keinen gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Arbeits- bzw. Fachkräftemangel. Dennoch kann die Entwicklung in einzelnen Sektoren oder in einzelnen Berufs- und Qualifikationsgruppen problematisch sein.[17]
Abbildung 1.1.3 (siehe Anhang A3)
Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten nach Bundesgebiet[18]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die qualifikatorische Situation des Arbeitsmarktes lässt sich in der Faustregel, je niedri-ger das Qualifikationsniveau desto höher das Arbeitsmarktrisiko, festhalten. Wegen ihres großen Gewichtes das zwei dritteln der Erwerbspersonen entspricht, folgt die mittlere Qualifikationsebene weitgehend der Gesamtbewegung. Eine deutliche Spreizung der Arbeitsmarktchancen zeigt sich im langfristigen Trend bei den unteren und oberen Quali-fikationsebenen. Dabei tragen Akademiker das niedrigste Risiko in Unterbeschäftigung zu geraten. Im Jahr 2004 betrug deren Arbeitslosenquote 3,5% im früheren Bundesgebiet und 6% in den neuen Bundesländern und liegt damit deutlich unter denen aller anderen Vergleichsgruppen. Grund dafür ist eine lang anhaltende positive Beschäftigungsentwick- lung die sogar in Zeiträumen mit niedrigem oder negativem Wirtschaftswachstum nicht gestoppt wurde.[19]
Während andere Beschäftigungsgruppen massive Beschäftigungseinbußen verzeichneten, konnten während des Zeitraums 2002 – 2004, trotz eines Anstiegs unterbeschäftigter Akademiker von 30.000 Personen, weitere 270.000 Arbeitsplätze hinzugewonnen wer-den. Personen ohne Berufsabschluss tragen nach wie vor das größte Arbeitsmarktrisiko. Im Jahr 2004 war jede, fünfte im früheren Bundesgebiet und jede zweite Erwerbsperson in den neuen Bundesländern ohne B erufsabschluss arbeitslos. Grund dafür ist ein anhal-tender Abbau von Einfacharbeitsplätzen. Selbst in Zeiten mit hohem Wirtschaftswachs-tum konnte dieser Trend nur gebremst aber nicht aufgehalten werden. Offensichtlich werden sowohl die langfristigen Beschäftigungsverluste der Geringqualifizierten, als auch die Arbeitsplatzgewinne bei den Hochqualifizierten von der Konjunktur nur wenig beein-flusst. Die Beschäftigungsverluste bei den Geringqualifizierten haben sich zwar verlang-samt dennoch stieg der Verlust an Arbeitsplätzen, von 2003 – 2004, in diesem Segment um weitere 200.000 Stellen. Hinter den verbliebenen Stellen verbirgt sich zudem eine zunehmende Zahl an Minijobs.[20]
Zwischen Juni 2003 und Juni 2004 hat sich die Zahl der geringfügig entlohnten Beschäf-tigung insgesamt von 5,5 Millionen auf 6,5 Millionen erhöht. Für drei viertel aller gering-fügig Beschäftigten, 4,8 Millionen, waren Minijobs die einzige Beschäftigung. Der größte Teil dieser Beschäftigung wurde dabei von Frauen ausgeübt und nur ein drittel von Män-nern. Rund 20% der Beschäftigten im Minijobbereich waren jünger als 25 Jahre, weshalb sich dahinter viele Schüler und Studenten verbergen könnten. Von 855.000 der 4,8 Milli-onen ist bekannt, dass diese keinen Berufsabschluss besitzen. Laut Mikrozensus 2004 lag die Zahl der Beschäftigten ohne Berufsabschluss sogar bei 4,5 Millionen. Der Niedrig-lohnsektor expandiert im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäfti-gung, in der Geringqualifizierte überproportional vertreten sind. Für viele Geringqualifi-zierte ist der Niedriglohnbereich damit längst Realität. Die unterschiedlichen Entwick-lungen der qualifikationsspezifischen Arbeitskräftenachfrage haben offensichtlich eher strukturelle Ursachen.[21]
Abbildung 1.1.4 (siehe Anhang A4)
Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten nach Geschlecht[22]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
An der Rangfolge der Arbeitslosenquoten ändert sich nichts wenn Frauen und Männer gesondert betrachtet werden. Die Arbeitslosenquoten der Frauen sind in fast allen Quali-fikationsebenen höher als bei Männern. Dies gilt besonders für die neuen Bundesländer. Die Altersgruppe der 55- bis 64jährigen ist wegen hoher Geburtenausfälle und hoher Kindersterblichkeit, der Kriegs- und Nachkriegszeit, nur gering besetz. Zwischen 1998 und 2003 hat sich deren Anteil an der gesamten Bevölkerung um 1,1 Millionen Personen verringert. Die Zahl der Unterbeschäftigten dieser Altersgruppe hat sich zwischen 1998 und 2004 halbiert. Gleichzeitig reduzierte sich deren Arbeitslosenquote von 17,5% auf 10%. Im Vergleich zu den jüngeren Beschäftigtengruppen hatten die 55 bis 64jährigen im Jahr 2004 eine niedrigere Arbeitslosenquote bei einer nahezu unveränderten Erwerbsbe-teiligung. Allerdings wird der Bevölkerungsstand dieser Gruppe wieder deutlich anstei-gen und den Arbeitsmarkt für Ältere nur noch für einen kurzen Zeitraum entlasten. Ältere Akademiker konnten ihre Arbeitsmarktsituation in den letzten Jahren weiter verbessern. Im Jahr 2004 hatten sie die niedrigste Arbeitslosenquote (3,5%) aller Vergleichsgruppen und konnten bei der Bes chäftigung noch zulegen während bei allen anderen Qualifikati-onsebenen dieser Altersgruppe Beschäftigungsverluste verzeichnet wurden. Qualifikation spielt demnach auch hier eine bedeutende Rolle. Die niedrige Arbeitslosenquote resultiert allerdings nicht daraus, dass nur wenig Ältere dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, da die Erwerbsquote älterer Akademiker mit 70% über dem Durchschnitt von 47% liegt. Seit langem tragen Akademiker das geringste Risiko arbeitslos zu werden. Sie verdienen besser, werden seltener unter Wert beschäftigt und können offensichtlich ihr Arbeitsver-mögen länger und ergiebiger nutzen.[23]
Auf mittlere Sicht werden sich die schlechten Beschäftigungsmöglichkeiten der Gering-qualifizierten weiter verstärken, da die Nachfrage nach geringqualifizierten Arbeitsleis-tungen auf Grund von Rationalisierungen und internationalem Wettbewerbsdruck konti-nuierlich abnimmt. Während die Nachfrage nach qualifizierten Kräften wächst sind Ge-ringqualifizierte zunehmend von Arbeitslosigkeit bedroht. Die Unterschiede zwischen Gering- und Höherqualifizierten werden deshalb weiter zunehmen.[24]
1.2 Einkommensverteilung
Die Verringerung der durch den Markt geschaffenen Einkommensungleichheiten ist im-mer mehr zu einer staatlichen Aufgabe geworden. Ohne staatliche Zuschüsse reicht das Einkommen mancher Familien kaum zum Überleben. Kinder aus diesen Familien haben oft schlechte Zukunftsperspektiven. Die meisten Industrieländer haben sich deshalb dazu entschlossen Sicherheitsnetze für Arme aufzubauen. Unabhängig vom Einkommen sollen Programme Menschen bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Alter unterstützen. In eini-gen Ländern versucht man durch einen aktiveren Ansatz Chancengleichheit herzustellen. Die Einkommensumverteilung ist eng mit der Besteuerung verknüpft. Die Rolle des Staa-tes beruht auf der Prämisse wirtschaftspolitisch zu intervenieren, wenn Marktversagen durch unvollkommenen Wettbewerb, unvollständige Informationen und externe Effekte vorliegt. Das Einkommen der Menschen bestimmt wer produzierte Güter konsumiert. Menschen mit höherer Qualifikation oder mit hohem Kapitalvermögen erhalten ein höhe-res Einkommen und können deshalb mehr konsumieren. Arbeits- und Kapitalmärkte sind effizient, da Löhne und Kapitalerträge eine geeignete Anreizstruktur darstellen. Aller-dings führt die durch den Markt bestimmte Einkommensverteilung zu einer großen Un-gleichheit in der Verteilung von Einkommen und Vermögen. Einkommensumverteilung beruht daher weniger auf wirtschaftlichen als auf gesellschaftspolitischen Werten. Kon-sens herrscht darüber dass der Staat eingreifen muss, wenn am Markt erzielte Einkommen zu niedrig sind und ein annehmbares Minimum an Lebensstandard aufrechterhalten soll muss. Entscheidend ist wie der Staat eingreift, denn Umverteilungspolitik steht oft im Widerspruch zu wirtschaftlicher Effizienz.[25]
Im Wettbewerbsgleichgewicht können einige Individuen sehr reich sein, während andere in Armut leben. Wettbewerb kann zu einer effizienten Wirtschaft mit ungleicher Ressour-cenverteilung führen. Vor allem können individuelle Fähigkeiten unterschiedlich hoch bewertet werden. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage legt in einer Wettbewerbswirt-schaft fest wie das Einkommen verteilt wird und bestimmt den Lohn der Arbeitskräfte und die Rendite der Kapitaleigner. Vor allem durch Ausbildung und Erziehung, über das Humankapital, kann der Staat die Vermögensverteilung beeinflussen. Der Grad an Un-gleichheit kann zu einem gewissen Teil durch eine kostenlose Grundausbildung reduziert werden.[26]
1.3 Soziale Sicherungssysteme
Unter den Empfängern von Leistungen der sozialen Existenzsicherung sind vor allem Arbeitskräfte mit geringer Qualifikation überrepräsentiert. Dies spiegelt zum einen das höhere Arbeitsplatzrisiko dieser Bevölkerungsgruppe wider. Zum anderen schafft das System der sozialen Absicherung Beschäftigungsschwellen für Arbeitskräfte die nur ei-nen geringen Marktlohn erzielen können. Die Aufnahme einer Erwerbsarbeit für Gering-verdiener scheint wenig attraktiv, da das erzielbare Nettoeinkommen bei Vollzeitbeschäf-tigung nur geringfügig über den Transferansprüchen liegt.[27] Das gesamte untere Ein-kommenssegment des Arbeitsmarktes geht somit verloren. Dies hat auch Auswirkungen auf die Arbeitsnachfrage, da Unternehmen Arbeitsplätze, deren Wertschöpfung unter den sozialen Transferleistungen liegen, nicht besetzen können. Solche Arbeitsplätze werden dann dauerhaft abgebaut oder durch Produktionsverlagerung ins Ausland transferiert.[28] Doch nicht alle Arbeitsplätze können verlagert werden, dies gilt vor allem für nicht han-delbare Güter, insbesondere für Dienstleistungen. In Frage steht außerdem ob Arbeits-plätze, die der Aufrechterhaltung anderer Unternehmensprozesse dienen, vollständig ab-gebaut werden oder diese mit weniger Beschäftigten besser entlohnt werden.
1.4 Schwarzarbeit
Ein weiteres Problem, für die gesamte Ökonomie, ist die Beschäftigung in der Schatten-wirtschaft die hier thematisiert wird. Schwarzarbeit wird definiert als geleistete Arbeit für die weder Sozialversicherungsabgaben noch Steuern abgeführt und oft Arbeitsmarkt- und andere Gesetze verletzt werden. Tätigkeiten die im Sinne der volkswirtschaftlichen Ge-samtrechnung eine Wertschöpfung darstellen aber nicht oder nur zum Teil in amtlichen Statistiken auftauchen werden der Schattenwirtschaft zugerechnet. Die in den Haushalten geleistete Produktion bzw. Eigenarbeit und freiwillige Arbeit für wohltätige Zwecke wer-den nach dieser Definition ausgeschlossen. Rein finanzielle Transaktionen, die keine Wertschöpfung darstellen, werden ebenfalls nicht der Schattenwirtschaft zugerechnet. Die Erfassung des Ausmaßes der Schwarzarbeit ist relativ schwierig, da die Beteiligten einen starken Anreiz haben dies zu verheimlichen, denn die Gefahr besteht das Behörden diese illegalen Tätigkeiten aufdecken und bestrafen.[29]
Nach Schätzungen über den Bargeldansatz lag das Volumen der Schwarzarbeit im Jahr 2003 bei 370 Milliarden Euro und hatte damit einen Anteil von 17% des offiziellen Brut-tonationaleinkommens. Den größten Anteil an der Schattenwirtschaft haben das Bau- und Handwerksgewerbe sowie Haushalte und sonstige Dienstleistungsbetriebe. Hierin liegt ein beträchtliches Beschäftigungspotential, welches durch einen Niedriglohnsektor in der offiziellen Wirtschaft erschlossen werden könnte. Vor allem in südeuropäischen Ländern, wie Griechenland, Italien und Spanien, hat die Schattenwirtschaft ein Ausmaß von 23 – 29% des Bruttonationaleinkommens. Deutschland liegt im internationalen Vergleich im unteren Drittel.[30]
Die Ursachen für das Wachstum der Schwarzarbeit liegen in der hohen Steuer- und Ab-gabenbelastung, der schlechten Steuermoral, unvollständigen Information über Steuer-und Sozialversicherungsgesetzgebung, der Verkürzung der Arbeitszeit, Vorruhestandsre-gelungen und der zunehmenden Regulierung des Arbeitsmarktes. Entsprechen die Ar-beitsplatzbedingungen nicht den Erwartungen der Beschäftigten werden diese ihre Ar-beitskraft in die Schattenwirtschaft verlagern. Die Zahl illegaler Beschäftigter lag nach Schätzungen im Jahr 2000 bei 5 Millionen. Diese Zahl ergibt sich aus der Umlage der in der Schattenwirtschaft geleisteten Stunden auf Vollzeitbeschäftigte. Deshalb sind Struk-turreformen und eine rationale Wirtschaftspolitik notwendig, die zu einer Verringerung der Steuer- und Abgabenlast führen. Die Unterbeschäftigung kann so verringert und die Leistungen in der offiziellen Wirtschaft erhöht werden. Quintessenz dessen ist, dass es in Deutschland nicht zu wenig Arbeit gibt, sondern diese unter offiziellen Bedingungen zu teuer ist.[31]
Die Beschäftigung in der Schattenwirtschaft kann aber auch positive Effekte haben. Ein großer Teil des in der Schattenwirtschaft erwirtschafteten Einkommens fließt wieder zu-rück in die offizielle Wirtschaft und stellt damit einen bedeutenden Nachfragefaktor dar. Ebenfalls kann die Schattenwirtschaft zu mehr Wettbewerb beitragen und Effizienzsteige-rungen bewirken. Negative Aspekte ergeben sich vor allem aus den massiven Ausfällen von Steuer- und Sozialversicherungsabgaben. Fraglich ist aber ob das Wachstum der Schwarzarbeit für wirtschaftspolitische Probleme verantwortlich oder nur ein Symptom desselben ist. Schwarzarbeit verursacht aber auch anderweitige Probleme. Zum einen werden Statistiken verfälscht, die die Entscheidungsträger der Wirtschaftspolitik zu Fehl-entscheidungen verleiten können. Unerwünschte Umverteilungseffekte können ebenfalls auftreten. Transferleistungen können den Beschäftigten in der Schattenwirtschaft zu Gute kommen obwohl dafür keine Notwendigkeit besteht oder diese ein höheres Einkommen als offiziell Beschäftigte erwirtschaften. Um das Ausmaß der Schwarzarbeit einzudäm-men muss der Staat für Kontrollen und andere Aktivitäten erhebliche Ressourcen auf-wenden. Auf der anderen Seite nehmen auch die illegal Beschäftigten Kosten auf sich um ihre Tätigkeiten zu verbergen. Volkswirtschaftlich gesehen sind beide Aktivitäten unpro-duktiv, da diese Ressourcen nicht für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Besonders problematisch ist die Auswirkung einer stark steigenden Schattenwirtschaft, die das Gemeinwohl in Frage stellt. Individuen sind in dem Maße eher bereit einer illegalen Beschäftigung nachzugehen je mehr Menschen diesen persön-lich als illegal Bes chäftigte bekannt sind. Daraus kann ein kumulativer Prozess entstehen, der über Steuerhinterziehung hinaus zu weiteren Gesetzesverstößen führen kann. Im Ex-tremfall kann es zu einer Einschränkung der Funktionstüchtigkeit der Demokratie und staatlicher Einrichtung führen und geht damit weit über die ökonomischen Schäden hin-aus.[32]
2. Die Arbeitsmarkttheorie
Die Arbeitsmarkttheorie zeigt wie Arbeitsangebot und –nachfrage entstehen, durch wel-che Faktoren sie beeinflusst werden, wie aus dem Zusammenwirken beider Kräfte ein Gleichgewicht entsteht und wie es zur Entstehung von Unterbeschäftigung kommen kann.
2.1 Das Arbeitsangebot
Löhne sind der Preis am Arbeitsmarkt, doch ähnlich qualifizierte Arbeitskräfte, die ähnli-che Tätigkeiten verrichten, werden oft unterschiedlich bezahlt.[33]
Entscheidung zwischen Konsum und Freizeit
Mit Hilfe eines grundlegenden Entscheidungsmodells soll geklärt werden warum es zu Lohnunterschieden kommt. Der Umfang des Arbeitsangebots hängt von der Entscheidung zwischen Konsum bzw. Einkommen und Freizeit[34] ab. Durch einen Verzicht auf Freizeit erhält ein Anbieter von Arbeit zusätzliches Einkommen und dadurch mehr Konsummög-lichkeiten. Analog bedeutet das, dass jemand der weniger Arbeit anbietet damit auf einen Teil von Einkommen und Konsum verzichtet dafür aber mehr Freizeit zur Verfügung hat.[35]
Üblicherweise haben Arbeitsplätze feste Arbeitszeitanforderungen. Arbeitskräfte müssen einen Vollzeitarbeitsplatz mit festen Wochenarbeitsstunden akzeptieren, haben allerdings einen gewissen Einfluss auf den Umfang von Überstunden. Hinzu kommt die Möglich-keit eines Zweitjobs der zusätzliches Einkommen generiert.[36] Anzumerken ist hier das nicht bei jedem Erwerbstätigen die angefallenen Überstunden bezahlt werden oder diese zu einem späteren Zeitpunkt in Freizeit umgewandelt werden können. Durch die höheren Abzüge der Lohnsteuerklasse VI dürfte zudem der Grenznutzen eines Zweitjobs relativ gering sein.
Abbildung 2.1.1 zeigt die Budgetbeschränkung einer Person die einen Stundenlohn von 5€ erhält. Verzichtet diese Person auf eine Stunde Freizeit werden zusätzlich5 € verdient. Die Budgetbeschränkung beruht auf einer Zeitbeschränkung, d.h. dass täglich nur eine bestimmte Anzahl von Stunden auf Arbeit und Freizeit verteilt werden kann. In diesem Fall 16 Stunden. Jede Stunde die diese Person arbeitet kostet eine Stunde Freizeit. Die Budgetbeschränkung zeigt hier einen Trade – off von 5€ pro Stunde. Jedes Individuum wird einen Punkt auf der Budgetgeraden wählen der seinen Präferenzen entspricht. Bei der Entscheidung für einen bestimmten Punkt auf der Budgetgeraden wägt die Arbeits-kraft zwischen dem Grenznutzen des Einkommens, aus zusätzlicher Arbeitszeit und den Grenzkosten, den Wert zusätzlicher Freizeit, ab. Individuen können Grenznutzen und Grenzkosten unterschiedlich bewerten.[37] Dies ist ein Grund warum es zu Lohnunter-schieden kommen kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[38]
Lohnänderungen können sowohl Einkommens- als auch Substitutionseffekte haben. Der Einkommenseffekt beruht darauf, dass Lohnerhöhungen den Wohlstand vermehren, was dazu führt dass weniger gearbeitet wird. Lohnänderungen verändern aber ebenfalls den Trade – off zwischen Konsum und Freizeit. Der Substitutionseffekt beruht darauf, dass der Arbeitsanbieter nach einer Lohnerhöhung für eine zusätzliche Arbeitsstunde mehr Güter kaufen kann, d.h. dass der Grenznutzen der zusätzlichen Arbeitsstunde steigt. Des-halb steigt die Bereitschaft der Arbeitskraft mehr zu arbeiten. Beim Arbeitsangebot wir-ken Einkommens- und Substitutionseffekt in entgegengesetzte Richtungen. Daher ist der Nettoeffekt einer Lohnerhöhung nicht eindeutig bestimmbar. Abbildung 2.1.2 Teil A
zeigt den Normalfall einer von links nach rechts ansteigenden Arbeitsangebotskurve, Teil B zeigt eine Arbeitsangebotskurve mit zum Teil negativer Steigung. Bei hohen Löhnen überwiegt, bei einer weiteren Lohnerhöhung, der Einkommenseffekt,. Das Arbeitsange-bot nimmt dadurch ab.[39] Halten sich Einkommens- und Substitutionseffekt die Waage, bleibt das Arbeitsangebot bei Änderungen des Lohnsatzes relativ unberührt.[40]
Abbildung 2.1.2
Die Arbeitsangebotskurve[41]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Entscheidung über das Arbeitsangebot kann in zwei Teile aufgespaltet werden. Zum einen in eine grundsätzliche Entscheidung eine Arbeit aufzunehmen und in eine Ent-scheidung über die Höhe der Erwerbsbeteiligung. Der niedrigste Lohn zu dem ein Ar-beitsanbieter bereit ist eine Arbeit aufzunehmen wird Reservationslohn genannt. Liegt der Lohnsatz unter dem Reservationslohn wird keine Arbeit aufgenommen.[42]
Steuerpolitik
Lohnänderungen die auf das Arbeitsangebot wirken haben auch eine wirtschaftspolitische Bedeutung. Steuererhöhungen können Arbeitskräfte zu einer Verminderung ihres Ar-beitsangebots verleiten, da diese sich wie eine Lohnsenkung auswirken. Ist die Arbeits-angebotskurve negativ geneigt kann eine Steuererhöhung, die die Nettolöhne verringert, zu einer Erhöhung des Arbeitsangebots führen. Diese entgegengesetzten Wirkungen las- sen sich folgendermaßen erklären. Soll der Lebensstandard beibehalten werden müssen mehr Überstunden geleistet oder einem Zweitjob nachgegangen werden. Andererseits wird die Arbeitszeit reduziert da der Grenznutzen einer zusätzlichen Arbeitsstunde sinkt. Die Auswirkungen von Steuererhöhungen hängen sehr stark von der Elastizität der Ar-beitsangebotskurve ab. Ist die Elastizität der Arbeitsangebotskurve niedrig dann haben Steuererhöhungen weder einen Einfluss auf die Erwerbsbeteilung noch auf die durch-schnittliche Arbeitszeit. Im Gegensatz dazu führt eine hohe Elastizität des Arbeitsange-bots zu einer Erhöhung der Erwerbsbeteilung, wenn die Löhne steigen und zu einem Sin-ken der Erwerbsbeteilung wenn Steuersätze steigen.[43] Das impliziert einen Verzicht auf Steuererhöhungen, wenn Vollbeschäftigung erreicht werden soll und Erwerbspersonen unterschiedliche Arbeitsangebotselastizitäten aufweisen.
Humankapital und Ausbildung
Die Anzahl der Arbeitsstunden sind nicht der einzige Faktor der den Output einer Volks-wirtschaft bestimmt. Auch die Produktivität einer Arbeitsstunde hat eine große Bedeu-tung. Der Bildungsstand ist einer der wichtigsten Bestimmungsfaktoren für die Arbeits-produktivität und damit der Löhne. So kann das Einkommen erhöht werden, wenn Perso-nen ihre Erwerbstätigkeit intertemporal von der Gegenwart in die Zukunft verschieben und eine Ausbildung in Kauf nehmen.[44] Der Trade - off besteht hier nicht zwischen Frei-zeit und Konsum bzw. Einkommen sondern zwischen potentiellem Einkommen in der Gegenwart und Einkommen in der Zukunft.
Zu ausbildungsbezogenen Kosten und Kosten der Unterkunft sowie der Verpflegung kommen noch Opportunitätskosten hinzu. Dazu gehört das Einkommen welches in der Zeit der Ausbildung hätte verdient werden können. Das durch Ausbildungsinvestitionen geschaffene Kapital wird Humankapital genannt und wird durch schulische und betriebli-che Ausbildung , Arbeitserfahrung und viele andere Aufwendungen von Geld und Zeit entwickelt.[45]
Kompensationslohntheorie
Arbeitsplätze die ähnlich benannt werden, können unterschiedliche Anforderungen ha-ben. Nichtpekuniäre Eigenschaften eines Arbeitsplatzes, wie Entfernung zum Arbeits-platz, die Anzahl von Überstunden, das Maß an Entscheidungsfreiheit, gesundheitliche Risiken und die Variabilität des Einkommens, sind verantwortlich für Lohnunterschiede.
Unternehmen müssen diese negativen Aspekte eines Arbeitsplatzes mit Hilfe von höheren Löhnen kompensieren.[46]
Lohnunterschiede können auch auf unterschiedliche Produktivität zurückgeführt werden. Bei gleicher Ausbildung und Arbeitserfahrung können Arbeitskräfte produktiver als an-dere sein. Unvollständige Informationen tragen ebenfalls zu unterschiedlicher Entlohnung bei. Arbeitskräfte benötigen Zeit um sich über verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten und deren Bezahlung zu informieren. Auch für Unternehmen haben unvollständige In-formationen wichtige Implikationen. Arbeitskräfte werden nicht sofort den Arbeitsplatz wechseln wenn ein anderes Unternehmen die Löhne erhöht, da die Arbeit nicht attraktiv sein oder die Arbeitskräfte den Qualifikationsanforderungen nicht genügen könnten.[47]
Diskriminierung
Werden zwei Arbeitskräfte mit ähnlichen arbeitsplatzrelevanten Eigenschaften unter-schiedlich bezahlt spricht man von Diskriminierung. Unternehmen sind bestrebt Arbeits-plätze zu möglichst geringen Kosten mit den besten verfügbaren Arbeitskräften zu beset-zen. Diese treffen ihre Entscheidung auf Grundlage von unvollständigen Informationen und stützen sich auf die Informationen die ihnen zur Verfügung stehen. Absolventen re-nommierter Bildungseinrichtungen könnten produktiver sein als deren Konkurrenten aus weniger renommierten Einrichtungen. Eine subtilere Form der Diskriminierung ist die statistische Diskriminierung, bei der Minderheiten oder Immigranten entweder bei Ein-stellungen nicht berücksichtigt oder schlechter bezahlt werden. Erhalten Frauen oder An-gehörige von ethnischen Minderheiten geringere Löhne dann spricht man von Lohndis-kriminierung. Arbeitsplatzdiskriminierung besteht darin, dass benachteiligte Gruppen einen schlechteren Zugang zu besser bezahlten Arbeitsplätzen haben.[48]
Diskriminierung wird aber durch bestimmte Marktkräfte begrenzt. Wird eine Frau bei gleicher Produktivität schlechter bezahlt dann lohnt es sich für die Unternehmen Frauen einzustellen. In der langen Frist sollten durch Wettbewerb die Löhne der Frauen solange steigen bis das Niveau der Löhne von Männern mit gleicher Produktivität erreicht wird.[49]
[...]
[1] Vgl. Gregg, P., The use of wage floors as policy tools, 2000, S. 134.
[2] Vgl. Heinze, R. G., Streeck, W., Optionen für den Einstieg in den Arbeitsmarkt, 2003, S. 26.
[3] Vgl. Lange, M., Erdmann, F., Subjektive Gesundheit, 2006, S. 1225.
[4] Vgl. Erhart, M., Hölling, H., Schlack, R., Ravens – Sieberer, U., Verhaltensprobleme und –stärken, 2006, S. 1227.
[5] Vgl. Lampert, T., Thamm, M., Tabakkonsum und Passivrauchen, 2006, S. 1229.
[6] Vgl. Schenk, L., Knopf, H., Mundgesundheitsverhalten, 2006, S. 1230.
[7] Vgl. Kamtsiuris, P., Schlack, R., Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen im Kindesalter, 2006, S. 1231.
[8] Vgl. Muñoz, V., Mission to Germany, 2006, S. 10.
[9] Vgl. ebenda, S. 13ff.
[10] Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland, 2007; http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/ Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Arbeitsmarkt/ILOArbeitsmarktstatistik/ Tabellen/Content50/EinwohnerErwerbsbeteiligung,templateId=renderPrint.psml, vom 04.06.2007.
[11] Vgl. Kettner, A., Spitznagel, E., IAB Kurzbericht Nr. 11 / 2007, S. 1f.
[12] Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland, 2007; http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/ Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Zeitreihen/WirtschaftAktuell/Arbeitsmarkt/ Content100/karb830bv4,templateId=renderPrint.psml, vom 04.06.2007.
[13] Vgl. Kettner, A., Spitznagel, E., IAB Kurzbericht Nr. 11 / 2007, S. 2f.
[14] Vgl. ebenda, S. 3.
[15] Vgl. Kettner, A., Spitznagel, E., IAB Kurzbericht Nr. 11 / 2007, S. 3.
[16] Vgl. ebenda, S. 3f.
[17] Vgl. Kettner, A., Spitznagel, E., IAB Kurzbericht Nr. 11 / 2007, S. 6ff.
[18] Vgl. Reinberg, A., Hummel, M., IAB Kurzbericht Nr. 9 / 2005, S. 2.
[19] Vgl. Reinberg, A., Hummel, M., IAB Kurzbericht Nr. 9 / 2005, S. 1f.
[20] Vgl. ebenda, S. 2.
[21] Vgl. ebenda, S. 3.
[22] Vgl. Reinberg, A., Hummel, M., IAB Kurzbericht Nr. 9 / 2005, S. 4.
[23] Vgl. Reinberg, A., Hummel, M., IAB Kurzbericht Nr. 9 / 2005, S. 4ff.
[24] Vgl. Zimmermann, K. F., Beschäftigungspotentiale im Niedriglohnsektor, 2003, S. 12.
[25] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 602f.
[26] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 374f.
[27] Vgl. Zimmermann, K. F., Beschäftigungspotentiale im Niedriglohnsektor, 2003, S. 13.
[28] Vgl. Bonin, H., Kempe, W., Schneider, H., Kombilohn oder Workfare, 2003, S. 53.
[29] Vgl. Schneider, F., Zunehmende Schattenwirtschaft in Deutschland, 2003, S. 150f.
[30] Vgl. ebenda, S. 152f.
[31] Vgl. Schneider, F., Zunehmende Schattenwirtschaft in Deutschland, 2003, S. 153f.
[32] Vgl. ebenda, S. 154f.
[33] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 535.
[34] Freizeit ist hier gemeint als gesamte Zeit die potentiell für Erwerbsarbeit zur Verfügung steht aber mit anderen Aktivitäten verbracht wird.
[35] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 226.
[36] Vgl. ebenda, S. 226.
[37] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 227.
[38] Vgl. ebenda, S. 227.
[39] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 228; Samuelson, P., Nordhaus, W., Volkswirtschaftslehre, 1987, S. 302f.
[40] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 229.
[41] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 229; Samuelson, P., Nordhaus, W., Volkswirtschaftslehre, 1987, S. 303.
[42] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 229.
[43] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 231ff.
[44] Vgl. ebenda, S. 235.
[45] Vgl. ebenda, S. 235.
[46] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 535; Samuelson, P., Nordhaus, W., Volkswirtschaftslehre, S. 306f.
[47] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 535f.
[48] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 536f; Samuelson, P., Nordhaus, W., Volkswirtschaftslehre, 1987, S. 315.
[49] Vgl. Stiglitz, J. E., Volkswirtschaftslehre, 1999, S. 539.
- Quote paper
- Martin Plathe (Author), 2007, Die Auswirkungen von Mindestlöhnen, Kombilöhnen und weiterer Instrumente auf das Einkommen und die Beschäftigung Geringqualifizierter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137011
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