Auf die Frage, wie sich der moderne Antisemitismus entwickelt hat, und ob es grundlegende Unterschiede zu dem Begriff „Judenfeindschaft“ (der ja auch einfach als Übersetzung stehen könnte) gibt, lassen sich verschiedene Erklärungsansätze als Antwort anführen. Die kurze Definition im soziologischen Wörterbuch baut einen Fragenkomplex auf, der anhand historischer Texte untersucht werden soll: Wie und ob überhaupt unterscheiden sich Judenfeindschaft und Antisemitismus und in welcher Zeit wird der moderne Antisemitismus angesiedelt? Unterscheidet er sich grundlegend von früheren Formen des Judenhasses? Wie sind die „historischen, religiösen und psychologischen Ursachen, um Juden als ‚Sündenbock’ und ‚Verschwörer’ zu diffamieren“, gegeneinander zu gewichten? Werden auch andere Faktoren (etwa gesamtgesellschaftliche oder ökonomische), die den Judenhass begünstigen, in Betracht gezogen?
Es geht einerseits um die Definition und den Begriff „Antisemitismus“ und seine Abgrenzung zu „Judenfeindschaft“ als auch darum, welche gesellschaftstheoretischen Grundlagen die untersuchten Autoren als maßgeblich für die Entstehung, Verbreitung und Radikalisierung des Antisemitismus annehmen. Letzteres ist von hohem Interesse, da die Gewichtung der Faktoren und Strömungen der besprochenen Zeit durch den jeweiligen Autor, die seiner Meinung nach besonders mit „modernem“ Antisemitismus zusammenhängen, erkennen lassen, in welcher Richtung der Verfasser die Ursachen für das Aufleben des Antisemitismus verortet, worauf er Schwerpunkte setzt und welche theoretischen Ebenen er seinen Ausführungen zugrunde legt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung — Themenbeschreibung
- Zu: „Sozialdemokratie und Antisemitismus" (August Bebel, 1893)
- Judenfeindschaft im Gewand der Politik
- Ursachenbestimmung des Antisemitismus und Herangehensweise
- Abschließende Betrachtungen
- Zu: „Emanzipation und Krise — Zur Geschichte der ,Judenfrage' in Deutschland vor 1890" (Reinhard Rürup, 1976)
- Antisemitismus als neue Form der Judenfeindschaft
- Die Frage nach der „Judenfrage"
- Der Begriff „Antisemitismus" und seine Bedeutung
- Ursachen für die Entstehung des Antisemitismus
- Der Prozess der Emanzipation in seinen drei Phasen
- Die Emanzipation als Resultat der allgemeinen Umstände
- Negative Begleiterscheinungen der Emanzipation
- Fazit und Kritik
- Betrachtungen des Erklärungshorizontes
- Zum Theorem Reinhard Rürups
- Zu: „Rezension von: Ueber die Ansprüche der Juden an das deutsche Bürgerrecht von Fr. Rühs" (Jakob Fries, 1816)
- Fries und Rürup
- Die Rezension von Jakob Fries als eine erste Ideologie des Antisemitismus
- Abschließende Betrachtungen
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entstehung und Entwicklung des modernen Antisemitismus in Deutschland. Dabei wird untersucht, inwiefern sich der Antisemitismus von älteren Formen der Judenfeindschaft unterscheidet und welche gesellschaftlichen und historischen Faktoren zu seiner Entstehung beigetragen haben. Die Arbeit analysiert verschiedene Theorien des Antisemitismus, die von August Bebel und Reinhard Rürup vertreten werden, und setzt diese in Beziehung zu einem Text aus dem Jahr 1816, der die Judenfrage im Kontext der frühen Emanzipation diskutiert.
- Die Abgrenzung des Antisemitismus von der Judenfeindschaft
- Die Rolle der Emanzipation und des Kapitalismus in der Entstehung des Antisemitismus
- Die Bedeutung von Stereotypen und Vorurteilen gegenüber den Juden
- Die Analyse von Texten aus verschiedenen historischen Epochen
- Die Relevanz von Kulturkritik und gesellschaftlichem Wandel für das Verständnis des Antisemitismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beschreibt die Fragestellung der Arbeit und stellt die zentralen Themen dar. Sie beleuchtet die Unterschiede zwischen Judenfeindschaft und Antisemitismus und die Herausforderungen, die sich aus der historischen Entwicklung des Judenhasses ergeben.
Das Kapitel über August Bebels Rede „Sozialdemokratie und Antisemitismus" analysiert Bebels Versuch, den Antisemitismus aus seiner gesellschaftlichen und historischen Entwicklung heraus zu erklären. Es wird gezeigt, wie Bebel den Antisemitismus als eine Folge der ökonomischen Krise von 1873 betrachtet und die Juden als Sündenböcke für die wirtschaftlichen Probleme der Gesellschaft darstellt. Die Rede wird kritisch betrachtet, insbesondere im Hinblick auf Bebels Unterschätzung der mobilisierenden Funktion des Antisemitismus und seiner eigenen Vorurteile gegenüber den Juden.
Das Kapitel über Reinhard Rürups Beitrag „Emanzipation und Krise — Zur Geschichte der ,Judenfrage' in Deutschland vor 1890" untersucht Rürups These, dass der Antisemitismus eine neuartige Form der Judenfeindschaft darstellt, die sich aus dem Prozess der Emanzipation und dem Scheitern der Assimilation der Juden ergibt. Rürup analysiert die verschiedenen Phasen der Emanzipation und die negativen Begleiterscheinungen, die zu einem antisemitischen Klima führten. Er betont die Rolle des Nationalismus, der Wirtschaftskrise und der Verbreitung rassistischer Theorien in der Entstehung des modernen Antisemitismus.
Das Kapitel über Jakob Fries' Rezension von Friedrich Rühs' Schrift „Ueber die Ansprüche der Juden an das deutsche Bürgerrecht" untersucht die Kontinuität von antisemitischen Argumenten im Kontext der frühen Emanzipation. Fries' Rezension aus dem Jahr 1816 zeigt, dass bereits zu Beginn des Emanzipationsprozesses antisemitische Ressentiments und Stereotypen vorhanden waren. Fries verurteilt die Juden als eine gefährliche „Krämer- und Trödlerkaste", die durch ihre Verschworenheit und ihre „de-moralisierende Kraft" die Gesellschaft bedrohe. Fries' Argumentation beinhaltet eine implizite Kapitalismuskritik und zeigt, dass der Antisemitismus nicht nur eine Folge der abgeschlossenen Emanzipation ist, sondern bereits in seinen Anfängen eine Rolle spielte.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Antisemitismus, die Judenfeindschaft, die Emanzipation der Juden, den Kapitalismus, die Wirtschaftskrise von 1873, den Nationalismus, Stereotypen und Vorurteile, Kulturkritik und gesellschaftlicher Wandel. Die Arbeit analysiert die Entstehung und Entwicklung des modernen Antisemitismus in Deutschland und untersucht verschiedene Theorien des Antisemitismus, die von August Bebel und Reinhard Rürup vertreten werden. Sie setzt diese Theorien in Beziehung zu einem Text aus dem Jahr 1816, der die Judenfrage im Kontext der frühen Emanzipation diskutiert.
- Arbeit zitieren
- Johannes Doll (Autor:in), 2002, Sündenböcke und Blitzableiter - Theorien des Antisemitismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13700
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