In den letzten Jahren wurde die bis dahin vernachlässigte Forschung 1 im Bereich der deutschen Adelsgeschichte vor allem bezüglich der Reformdiskussion durch Veröffentlichungen von Heinz Reif 2 , Dieter Langewiesche 3 und nicht zuletzt von Elisabeth Fehrenbach 4 voran gebracht. Wie Heinz Reif feststellt, standen jene Historiker, welche „mit starken Thesen die `Feudalisierung´ des Bürgertums und die bleibende gesellschaftlichpolitische Dominanz des Adels über 1933“ vertraten, den marxistischen Historikern gegenüber, welche „eine zunehmende `Verbürgerlichung´ des Adels“ in den Entwicklungen des 19. Jahrhunderts zu erkennen meinten. Doch war für beide Interpretationen vor allem „der ostelbische, altpreußische Adel die Folie“ 5 . Auch wurde die „beeindruckende Selbstbehauptung des deutschen Adels im 19. und frühen 20. Jahrhundert“ 6 stark betont. Nachdem der Fokus bis dahin im allgemeinen auf die preußischen Junker ausgerichtet war, wurde eine Korrektur der Betrachtungsweise vorgenommen: die Verschiedenheit der Adelsgruppen sowie die regionalen Unterschiede werden in neueren Arbeiten berücksichtigt 7 .
In der wissenschaftlichen Diskussion werden Fragen nach der „Entwicklung vom Herrschaftsstand zur staatlichen Funktionselite“, nach „der sozialen Öffnung des Adels zum Bürgertum, nach adelig-bürgerlichen Elitenkompromissen, -bündnissen und –fusionen“ gestellt und eine mögliche „Aristokratisierung des Bürgertums und/oder eine Verbürgerlichung des Adels“ untersucht 8 .
Drei Perspektivkorrekturen wurden im Rahmen des Forschungsprojekts „Elitenwandel in der gesellschaftlichen Modernisierung“ 9 erarbeitet: zum einen soll die Adelsgeschichte als Geschichte des Adels in seiner Beziehung zum Bürgertum untersucht werden, da Adel und Bürgertum gemeinsam die Machtstrukturen verändert haben. Das Verhältnis, so Reif, sei aber noch näher zu bestimmen. Zum andern sollen nicht mehr die Gegenüberstellung von „Verbürgerlichung“ des Adels und „Feudalisierung“ des Bürgertums, nicht mehr „Verschmelzung“, „Einbürgerung“ oder „Selbstbehauptung“ als Konzepte verwendet werden, sondern das Agieren von adligen und bürgerlichen Gruppen „neben-, mit-, und gegeneinander“ 10 . Schließlich müsse untersucht werden, welche Vorschläge es von Seiten des Adels und von Seiten des Bürgertums zur Bildung einer neuen Elite gab, was als „Kontaktform“, was als Konsens entwickelt, was angeboten wurde und was die Gründe für das Scheitern dieser Konzepte der Elitenbildung waren.
Inhaltsverzeichnis
- In den letzten Jahren wurde die bis dahin vernachlässigte Forschung' im Bereich der deutschen Adelsgeschichte vor allem bezüglich der Reformdiskussion durch Veröffentlichungen von Heinz Reif2, Dieter Langewiesche3 und nicht zuletzt von Elisabeth Fehrenbach4 voran gebracht.
- In der wissenschaftlichen Diskussion werden Fragen nach der -Entwicklung vom Herrschaftsstand zur staatlichen Funktionselite", nach „der sozialen Öffnung des Adels zum Bürgertum, nach adelig-bürgerlichen Elitenkompromissen, -bündnissen und —fusionen" gestellt und eine mögliche „Aristokratisierung des Bürgertums und/oder eine Verbürgerlichung des Adels" untersucht8.
- Ein unterstützender Aspekt für das „Obenbleiben" des Adels, so Reif, ist zum einen die Unmöglichkeit der kurzfristigen Auflösung einer „nahezu tausendjährigen Adelsformation" 11.
- Langewiesche unterstellt der bürgerlichen Adelskritik einen nicht näher bestimmten Anteil an der Selbstbehauptung des Adels in Deutschland.
- Auf die Frage, wie der Adel seine ehemalige Stellung in der Ständegesellschaft verlor, gibt Reif die Antwort, daß „Säkularisierung und Verwissenschaftlichung der Weltdeutung" „die Aura des Adels" auflösten und „die Bedeutung adliger Formkultur, das Ideal der autonomen adligen Persönlichkeit" auslöschteni5.
- Neuere Forschungen haben dazu beigetragen, daß Staat und lil»rale Bewegung als Triebfedern der Entmachtung des deutschen Adels, zumindest in den Rheinbundstaaten und Südwestdeutschland, gesehen werden, während die dortigen „Grenzen staatlicher Funktionalisierung und gesellschaftlicher Einbürgerung des Adels" durch E. Fehrenbach deutlicher herausgestellt wurden1G.
- Stellt man die Frage nach den Verlusten, die das „Obenbleiben" des Adels mit sich brachte' 7, so muß man ebenso, um die Antwort zu relativieren, die Frage nach den Forderungen stellen, die vor dem Beginn des 19. Jahrhunderts von Seiten der immer mehr an Selbstbewußtsein gewinnenden Bürgerschicht ebenso wie von Angehörigen des Adels erhoben wurden, als die Aufklärung die Geister „erhellte" und ihnen die Idee der Freiheit und Gleichheit aller Menschen brachte, der die Existenz eines privilegierten Adels aus heutiger Sicht grundsätzlich widerspricht.
- In seinem 1748 veröffentlichten Werk „De L 'Esprit des Lois" stellte Montesquieu seine Vorstellungen bezüglich des Adels vor.
- Montesquieu, der selbst dem Adel angehörte, ist ein Anhänger der Monarchie.
- Montesquieus Esprit des Lois ist u. a. eine Adelsapologie.
- Eine Lobrede auf den Adel und dessen Tugend ist in Kapitel 6 des zwanzigsten Buches zu finden.
- Ämterkauf war ein der Monarchie angenehmes Mittel, die desolaten Staatskassen aufzufüllen.
- Man kann beim französischen Adel des 18. Jahrhunderts trotz der Möglichkeit zum Åmterkauf doch von einer nach unten relativ abgeschlossenen Kaste sprechen, solange mit „unten" das durchschnittliche (und nicht übermäßig reiche) Bürgertum gemeint ist.
- Wohlwollend könnte man Montesquieu einen Kritiker der Ständegesellschaft in Bezug auf die Festlegung von Berufen nennen, wenn er schreibt: -Les bis qui ordonnent que chacun reste dans sa profession, et la fasse passer å ses enfants, ne sont et ne peuvent étre utile que dans les Etats despotiques."
- Ein weiterer Aspekt der Adelsapologie im Esprit des Lois ist der Privilegienerhalt.
- Auch for eine gesetzlich niedergeschriebene Erblichkeit des Adels setzt Montesquieu sich ein: „11 faut qu'elles [los loisl la rendent (la noblessel héréditaire; non pas Pour étre le terme entre le pouvoir du Prince et la faiblesse du peuple, mais le lien de tous les deux."48 Hier wird ebenfalls die politische Rolle des Adels angesprochen.
- Die „pouvoirs intermédiaires" konstituieren, nach Montesquieu, die Natur der monarchischen Regierungsform50.
- Die intermediären Gewalten sind untergeordnet und abhängig („subordonnés et dépendants"), das heißt, es gibt nur eine Quelle der Macht, den „princw•, also den Souverän, der nach der Vorstellung Montesquieus „Mittlerkanåle" („canaux moyens") brauche, durch die seine Macht fließen könne.
- Außerdem war Montesquieu der Meinung, der Noblesse stünde, im Gegensatz zum Monarchen selbst und zum „conseil des rois", die Gerichtsbarkeit aus Gründen der Gewaltenteilung zu.sa so soll dem Adel, wie dies zu Montesquieus Lebenszeiten auch der Fall war, die Gerichtsbarkeit in den sogenannten „parlements" als notwendiges Gegengewicht zur seigneurialen Gewalt zufallen" Diese „parlements" hatten die Aufgabe Recht zu sprechen55 und unterstanden dem König direkt.
- In den Argumentationen Montesquieus zeigt sich deutlich seine typisch adlige, aber dennoch kritische Einstellung: Les grands sont toujours exposé ä l'envie; et s'ils étaient jugés par le peuple, ils pourraient étre en danger, et ne jouiraient pas du privilåge qu'a le moindre des citoyens dans un Etat libre, d'étre jugé par ses pairs."6' Montesquieu scheint es hier als oberstes Ziel des Volks zu sehen, von Adligen, den Obersten der Region (le Pair) gerichtet zu werden.
- Sein Ideal eines monarchischen Regierungssystems baut Montesquieu ebenfalls im vierten Kapitel des zweiten Buchs auf, also im Zusammenhang mit den intermediären Gewalten.
- An dieser Stelle ist ein Widerspruch festzustellen: Obwohl sich Montesquieu ausdrücklich gegen einen Zusammenfall von Regierungsbereichen ausspricht66, erklärt er dennoch einen Anspruch des Adels auf Teihhabe an der legislativen Gewalt, neben dessen Betätigung in der Rechtsprechung.
- Es wäre interessant, die Rolle der englischen Monarchie als Vorbild for Montesquieus staatspolitische Vorstellungen zu erläutern, dient sie ihm doch als das Vorbild des idealen monarchischen Staates68.
- Montesquieus Programm ist die Schwächung des Monarchen durch Machtverlagerung auf den Adel.69 Nun muß man sich fragen, warum Montesquieu als Aufklärer gelten kann.
- Auch er scheint vom Glauben an die gottgewollte Stellung des Adels abgefallen zu sein, die im Mittelalter vertreten wurde74 Andernfalls müßte er nicht durch Theorien der Gewaltenteilung die Stellung des Adels im Staat und dessen Abgrenzung zum Bürgertum legitimieren.
- Montesquieus Werk, das wegen Religionsfeindlichkeit 1751 vom Papst auf den Index librorum prohibitorum gesetzt wurde76, erfreute sich nicht nur in Frankreich einer weitverbreiteten Lektüre.
- Auch im deutschsprachigen Raum erfreute sich das Werk trotz der päpstlichen Zensur eines hohen Bekanntheitsgrades und schon 1752 wurde der „Esprit des Lois" von der Zensurbehörde in Wien wieder freigegeben7g
- Montesquieus Werk ging auch in die kameralistischen Lehrbücher der Universitäten einu und man findet Teile von Montesquieus Vorstellungen in Publikationen der Berlinischen Monatsschrift, so etwa 1787 von Ernst Brandes, der die Umstände dafür verantwortlich macht, daß der deutsche Adel nicht ein „Bollwerk gegen den Despotismus sein könne"" Es ist Montesquieus Adelskonzeption, die fast vierzig Jahre später in Deutschland für den deutschen Adel angemahnt wird.
- Natürlich ist der deutsche Adel vom französischen sehr verschieden. Allein die Struktur der „Vielstaaterei", Landesherren, reichsmittelbarer und reichsunmittelbarer Adel oder gar die Stiftsfähigkeit sind in Frankreich aufgrund der zentralistischen Struktur unbekannt: ,Auch wenn sich die Fürsten in den größeren Einzelstaaten als -souveräne* Landesherren fühlten und dementsprechend auftraten, so bewahrte doch das Alte Reich mit seiner föderativen Struktur eine bei weitem größere Vielfalt von Adelsherrschaften als das zentralisierte französische Königreich.s Noch einmal stellt sich die Frage, warum die Aufklärung adelskritisch sein sollte, war doch einer der berühmtesten Vertreter, Montesquieu, an der Legitimation des Adels interessiert.
- Möller stellt in seinem Aufsatz „Aufklärung und Adel" fest, Adel und Aufklärung hätten sich „nicht als vergleichbare Phänomene" gegenübergestanden, denn tatsächlich waren beide in sich nicht homogen, tatsächlich war, um ein Beispiel zu nennen, aufgeklärte Adelskritik nicht für alle Epochen der Aufklärung ein wichtiges Thema.
- Möller geht vom letzten Drittel des 18. Jahrhunderts aus, das, mit Sicherheit auch, aber nicht ausschließlich, durch die Ereignisse in Frankreich als eine Zeitspanne gelten darf, in der die Adelskritik eine gewisse Bedeutung innerhalb der deutschen Aufklärungsbewegung erhielt.
- Es bleibt zu betrachten, wie diese neue „Elite", bei Montesquieu als ein starker und relativ abgeschlossener, adliger Führungsstand zwischen Volk und Souverän konzipiert, einige Jahrzehnte später bei Immanuel Kant dargestellt wird und ob er die Vision einer von Langewiesche so genannten „bürgerlich — adligen Elitensymbiose"95 in einer zukünftigen Zeit vertritt.
- Kant ist nur einer der bürgerlichen Adelskritiker innerhalb der deutschen Aufklärung.
- Anhand eines Beispiels für die Rechtmäßigkeit von Gesetzen soll zuerst die Grundeinstellung Kants dargestellt werden: „Ist es nämlich so beschaffen, daß ein ganzes Volk unmöglich dazu seine Einstimmung geben könnte (wie z. B. daß eine gewisse Klasse von Untertanen erblich den Vorzug des Herrenstandes haben sollte), so ist es nicht gerecht-97.
- Im Jahr 1794 wurde das „Allgemeine Landrecht for die preußischen Staaten" erlassen. Fast zehn Jahre nach dem Tod Friedrich des Großen, der das ALR in Auftrag gegeben hatte, wurde seine Adelspolitik gesetzliche Realität.101 Die Privilegien des Adels und dessen Stellung als erster Stand im Staate wurden darin bestätigt, aber auch seine Funktionalisierung for den preußischen Staatsdienst sowie die Unterstellung unter die Preußische Krone festgelegt102 Aber der Adel hatte auch seinen Vorteil am ALP: „Der Adel ist zu den Ehrenstellen im Staate, wozu er sich geschickt gemacht hat, vorzüglich berechtigt" 103 heißt es dort.
- Kant schreibt in Königsberg; er selbst soll in seinem Leben nie weiter als 120 km von Königsberg entfernt gewesen sein.99 Daher soll hier nur vom preußischen Adel die Rede sein. Doch sollte eine Untersuchung for die Gesamtheit der deutschen Staaten angestrebt werden, so sind beim Adel, wie Reif schrieb, „Unterschiede des Reichtums, der bevorzugten Praxisbereiche, der Herkunft, der Adelsqualität (Feudaladel vs. monarchischer Dienstadel) und der Rechtsstellung von Bedeutung."100
- Auch das Gutsbesitzmonopol des Adels ist Ziel der Angriffe Kants, die Argumentation bleibt ähnlich: „so würde es schon wider den vorherigen Grundsatz der Gleichheit streiten, wenn ein Gesetz sie mit dem Vorrechte des Standes privilegierte, daß ihre Nachkommen entweder immer große Guteigentomer (der Lehne) bleiben sollten, ohne daß sie verkauft oder durch Vererbung geteilt und also mehreren im Volk zu Nutze kommen dürften, oder (...l niemand als der zu einer gewissen willkürlich dazu angeordneten Menschenklasse Gehörige davon etwas erwerben könnte."' 17 An dieser Stelle wird auch auf die Gutsherrschaft Bezug genommen, mit der sich beachtliche Privilegien verbanden.
- Nun hatten die gutsbesitzenden preußischen Adelsfamilien auch das Recht, Landräte zu wählen, die ihrerseits Einfluß z. B. auf die Höhe der Steuerlast hatten 123 Inwiefern das dem Adel zu Gute kam soll ein Zitat aus der Zeit Friedrich Wilhelm l. zeigen: _ Due to fraud, connivance, and patronage, the land tax is Paid in full only by the poor, the honest, and those Who do not belong to the ruling noble faction [in the districtl."12d Auch dieses Privileg mahnt Kant for den Fall des Einzugs von Geldern for einen Krieg an: „Wenn aber gewisse Gutseigentümer in einem solchen Kriege mit Lieferungen belästigt, andere aber desselben Standes damit verschont würden: so sieht man leicht, ein ganzes Volk könne zu einem solchen Gesetz nicht zusammen stimmen."'
- Schließlich schrieb Kant auch gegen den Majoratsadel. Er sieht den Staat in der Pflicht, „ein solches föderatives System seiner Untertanen, gleich als Unterkönige (nach der Analogie von Dynasten und Satrapen), wenn es erloschen ist, nicht weiter aufkommen zu lassen."'26 Ein Anspruch auf die Stiftung auf „ewige Zeiten", „gleich als ob das Erbrecht am Boden haftete", gebe es nicht127.
- Es ist deutlich geworden, daß Kant for eine Abschaffung der Adelsprivilegien war. Für ihn war das Staatsziel des idealen Staates der Zustand der größten Übereinstimmung der Verfassung mit Rechtsprinzipien"129. Eines dieser Prinzipien, nämlich die rechtliche Gleichheit, ist „in einem Staate dasjenige Verhältnis der Staatsbürger, nach welchem keiner dem andern wozu rechtlich verbinden kann, ohne daß er sich zugleich dem Gesetz unterwirft, von diesem wechselseitig auf dieselbe Art auch verbunden werden zu können-130, schreibt Kant im „Ewigen Frieden". Man darf Kant gerade deshalb aber nicht als einen radikalen Revolutionär mißverstehen, denn mit aller Deutlichkeit lehnt Kant schon vor und erst recht nach der Französischen Revolution1S1 , einen blutigen, revolutionären Umsturz ab, denn „das gefährlichste aller Experimente ist die gewaltsame Veränderung Oder vielmehr Umwandlung der Staatsverfassung."' 32 Kant war folgender Meinung: „wenngleich die Organisation des Staats durch sich selbst fehlerhaft wäre, so kann doch keine subalterne Gewalt in demselben dem gesetzgebenden Oberhaupte desselben tatsächlichen Widerstand entgegensetzen, sondern die ihm anhängenden Gebrechen müssen durch Reformen, die er an sich selbst verrichtet, allmählich gehoben werden."'
- Kant räumte dem Adel eine Daseinsberechtigung im Rahmen „gewisser Zeitalter oder „Umstände" ein, die allerdings nicht für die Ewigkeit galt.
- Kant sieht den idealen Staat mit geteilten Gewalten138 und in republikanischer Form'" Es wurde gezeigt, daß alle Bürger rechtlich gleichgestellte Untertanen sein sollen. Diejenigen, die ihr eigener Herr sind, also „selbständig" ihr Geld verdienen — Kant gibt zu, daß die Eingrenzung schwierig sei; er selbst grenzt den Dienstleistungsbereich aus' 40 — sollen ein Mitbestimmungsrecht bei der Gesetzgebung erhalten. Er möchte also die bestehenden politischen Verhältnisse, den Ständestaat, zu Gunsten eines republikanischen Rechtsstaats durch Reformen auflösen.
- Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der Montesquieu den Adel unter Erhalt der meisten seiner Privilegien legitimierte, entzieht ihm Kant die Existenzberechtigung, denn die Existenz eines privilegierten Standes widerspricht, nach seiner Auffassung, zum einen der Vemunft und zum anderen dem aus der Vernunft geborenen Gleichheitsgrundsatz.
- Es stellt sich nun abschließend die Frage, inwiefern Kant eine adlig-bürgerliche Elitensymbiose befürwortete und inwiefern er sich in seiner Meinung von Montesquieu unterschied. Heinz Reif und Horst Möller sehen ein Ziel aufklärerischer Adelskritik in der Bildung einer neuen Elite von Gebildeten aus Adel und Borgenum1S0. Diese These wird aber auch von Elisabeth Fehrenbach und Dieter Langewiesche vertreten.'
- Kant ging von einem egalitären Ansatz aus. Er sah in seinem idealen Staat eine Schicht von Untertanen, die dem Herrscher mit exekutivem Machtanteil und der Regierung, der legislativen Staatsmacht unterstehen152. Er wollte zwar die erblichen Privilegien des Adels abschaffen, doch ohne Gewalt.
- Abschließend läßt sich sagen, daß beide, Kant und Montesquieu, aufgeklärte Ideen verbanden. Montesquieus Konzept des Adels waren von dem Gedanken einer ständischen Gesellschaft bestimmt. Doch Kants Adelskonzept war beeinflusst vom Gedanken an einen Rechtsstaat, dessen Grundlage die rechtliche Gleichheit aller Untertanen bildete.
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- Die Entwicklung des Adels vom Herrschaftsstand zur staatlichen Funktionselite
- Die soziale Öffnung des Adels zum Bürgertum und die Entstehung adelig-bürgerlicher Elitenkompromisse
- Die Bedeutung der Aufklärung als Hintergrund für die spätere Forderung nach Abschaffung oder Reform des Adels
- Die unterschiedlichen Konzepte von Adel und Monarchie bei Montesquieu und Kant
- Die Rolle der Privilegien und der rechtlichen Gleichheit in den Adelskonzepten beider Denker
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Adelskritik der Aufklärer und untersucht die Adelskonzepte von Montesquieu und Kant in einer kontrastiven Analyse. Sie zielt darauf ab, die unterschiedlichen Perspektiven der beiden Denker auf die Rolle des Adels in Staat und Gesellschaft aufzuzeigen und die jeweiligen Argumente zu beleuchten.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den aktuellen Forschungsstand zur deutschen Adelsgeschichte und die Bedeutung der Adelskritik in der Aufklärung beleuchtet. Sie stellt die beiden zentralen Figuren der Arbeit, Montesquieu und Kant, vor und skizziert deren unterschiedliche Ansätze zur Frage des Adels.
Im folgenden Kapitel wird Montesquieus Adelskonzept im Kontext seines Werks „De L'Esprit des Lois" analysiert. Dabei werden seine Vorstellungen von der Monarchie, der Rolle des Adels als intermediäre Gewalt und die Bedeutung der Privilegien erläutert. Die Arbeit beleuchtet auch die Kritik Montesquieus am Hofadel und seine Vorstellung von einer „noblesse parlementaire", die an der legislativen und judikativen Staatsmacht beteiligt sein sollte.
Das dritte Kapitel widmet sich Kants Adelskritik. Es zeigt, wie Kant die Privilegien des Adels als unrechtmäßig betrachtet und die rechtliche Gleichheit aller Bürger fordert. Die Arbeit analysiert Kants Kritik am Gutsbesitzmonopol des Adels, seiner Vorstellung von Leistung als Kriterium für Ehre und seine Ablehnung des Majoratsadels. Sie beleuchtet auch Kants Vorstellung von einem idealen Staat, der auf der Basis der rechtlichen Gleichheit aller Bürger und der Gewaltenteilung aufgebaut ist.
Die Arbeit schließt mit einem Vergleich der Adelskonzepte von Montesquieu und Kant. Sie zeigt, wie beide Denker zwar von aufgeklärten Ideen geprägt waren, aber unterschiedliche Vorstellungen von der Rolle des Adels in Staat und Gesellschaft hatten. Montesquieu sah den Adel als eine notwendige Stütze der Monarchie, während Kant die Abschaffung der Adelsprivilegien und die Etablierung eines republikanischen Rechtsstaats forderte.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Adelskritik, die Aufklärer, Montesquieu, Kant, Adelskonzepte, Monarchie, Republik, Privilegien, rechtliche Gleichheit, Ständegesellschaft, Rechtsstaat, Elitenwandel, bürgerlich-adlige Elitensymbiose, Geschichte des Adels, Deutschland, Frankreich.
- Quote paper
- Erik Lautenschlager (Author), 2002, Die Adelskritik der Aufklärer : eine kontrastive Untersuchung der Adelskonzepte von Montesquieu und Kant, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13695
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