Ziel dieser Hausarbeit ist es, das Konzept der Funktionsverbgefüge (FVG) in der Linguistik zu erforschen und zu klären.
FVG, bestehend aus einem Verb und einem Substantiv, sind komplexe sprachliche Konstruktionen, bei denen das Verb oft seine semantische Bedeutung verliert und das Substantiv die semantische Hauptlast trägt. Dieser Prozess wird durch verschiedene linguistische Ansichten dargestellt, wobei die Bedeutung des Verbes stark abgeschwächt wird, während die des Substantivs hervorgehoben wird. Die Arbeit untersucht die fließenden Übergänge und Unschärfen in der Definition von FVG, von der strengeren Interpretation von Peter Eisenberg, der FVG als Kombination eines Funktionsverbs und einer Präpositionalgruppe sieht, bis zur weit gefassten Definition von Helbig und Buscha, die FVG als Prädikat bilden, das aus einem Funktionsverb und einem beliebigen nominalen Bestandteil besteht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Funktionsverbgefüge als feste Idiomverbände
3. MerkmaleundKlassifikationvonFunktionsverbgefügen
4. Arten von Funktionsverbgefügen
5. LeistungvonFunktionsverbgefügen
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Als Funktionsverbgefüge (im Folgenden abgekürzt als FVG) werden in der Linguistik solche Konstruktionen bezeichnet, die aus einem Verb und einem Substantiv bestehen. Im Unterschied zu Vollverbkopula ist die Bedeutung des Verbes in FVG jedoch stark abgeschwächt und der semantische Gehalt des Gefüges geht maßgeblich vom Substantiv (nominalen Bestandteil) aus (vgl. Helbig & Buscha 1999: 63). Das Verb fungiert also lediglich als Funktionsverb (im Folgenden abgekürzt als FV) und verfügt über wenigen bis keinen eigenen semantischen Gehalt (vgl. Helbig & Buscha 1999: 63). Definierend beschreibt Linguistin Sabine De Knop, dass „die Konstituenten [eines FVG] eine semantische Einheit [bilden], deren Bedeutung als Einheit zu sehen ist und bei der die Semantik des Verbs stark abgeschwächt ist“ (2018: 1).
Eine einheitliche Definition des Begriffs Funktionsverbgefüge gibt es nicht, da die Übergänge zwischen Kopula aus Vollverben und Substantiven und Funktionsverbgefügen zumeist fließend und nicht immer klar nachzuvollziehen sind. Laut Linguist Peter Eisenberg müssen FVG immer aus einem Funktionsverb und einer Präpositionalgruppe bestehen (vgl. Eisenberg & Thieroff 2013: 305), die Dudengrammatik erlaubt jedoch auch sowohl eine Kombination mit einem Präpositional- als auch mit einem Akkusativobjekt. Die Linguisten Helbig und Buscha fassen den Begriff am Weitesten auf, indem sie FVG als Gefüge definieren, die aus einem Funktionsverb und einem beliebigen nominalen Bestandteil bestehen, die in Kombination eine semantische Einheit und somit ein Prädikat bilden (vgl. 1999: 79).
2. Funktionsverbgefüge als feste Idiomverbände
Aufgrund der nicht vorhandenen einschlägigen Definition von Funktionsverbgefügen stellt sich die Frage, ob diese überhaupt von Kopula aus Vollverben und Substantiven zu unterscheiden sind. Bereits 2008 argumentierte Linguist Arne Zeschel in seinem Artikel Funktionsverbgefüge als Idiomverbände für eine klare Trennung beider Konstruktionen, da FVG im Gegensatz zu Vollverb Kopula „unverkennbare regelhafte Tendenzen“ aufweisen (263). Darüber hinaus haben FVG laut Zeschel einen idiomatischen Charakter, was ihn zu der Frage führt, ob es sich bei FVG um feste Idiomverbände handelt, welche er als „einen vollspezifizierten Mehrwortausdruck mit einer konventionellen metaphorischen Bedeutung“ (2008: 264). Am Beispiel von „Den Stein ins Rollen bringen“ zeigt Zeschel auf, dass es sich bei diesem scheinbar festen FVG um eine Wendung handelt, die nach einem klaren Muster gebildet ist, aber nicht unveränderbar ist, wie oft geglaubt wird (vgl. 2008: 264). Zeschel führt ein verallgemeinertes Muster zur Bildung von FVG wie folgt an:
[(NPagt) NPthm[in[Nbewegung art+weise]]V]
macht aber deutlich, dass dieses Muster stark abstrahiert ist und deutliche Grenzen aufweist, da es sowohl zu der Bildung von grammatischen, aber auch ungrammatischen FVG führen kann (vgl. Zeschel 2008: 265). Der Satz *„An der Universität ist derzeit vieles im Rollen“ enthält zwar ein laut dem Muster richtig gebildetes FVG, ist allerdings ungrammatisch, was die starke Abstraktion des Musters verdeutlicht (vgl. Zeschel 2008: 265).
Als Fazit beschreibt Zeschel, dass FVG untereinander zwar semantische und formale Ähnlichkeiten aufweisen und viele nach dem von ihm angeführten Muster gebildet werden, aber keine zwei Ausdrücke absolute Deckungsgleichheit haben, woraus resultiert, dass FVG keine festen vollspezifizierten Idiome mit eigener Bedeutung sind (vgl. 2008: 276).
3. Merkmale und Klassifikation von Funktionsverbgefügen
Da die Übergänge zwischen Funktionsverbgefügen und Kopula aus Vollverben und Substantiven fließend sind, kann nicht bei jedem Gefüge eindeutig festgestellt werden, ob es sich um ein FVG handelt. Laut Helbig (1984) dienen folgende Merkmale der Identifikation und Klassifikation von FVG (indirekt zitiert nach Winhart 2002: 7 - 10):
1) FVG sind Verbal- bzw. Adjektivabstraktionen
In einem Satz wie „Er kommt in Verlegenheit“ wird das Adjektiv verlegen abstrahiert, indem die nominale Variante in Kombination mit dem Funktionsverb kommen verwendet wird.
2) FVG kann durch Vollverb substituiert werden bzw. durch Kopula und Adjektiv Anstatt des Satzes „Er kommt in Verlegenheit“ kann also auch der Satz „Er wird verlegen“, in welchem 'verlegen als Adjektiv und werden als Vollverb genutzt wird, verwendet werden, ohne dabei den semantischen Gehalt der Aussage zu ändern.
3) FV sind grundsätzlich nicht durch ein anderes Verb mit ähnlicher Bedeutung substituierbar
Wir können also sagen „Hans sagte Maria Bescheid“, aber nicht „Hans erzählte/meldete/bekundete Maria Bescheid“, da das FV sagen an das Akkusativobjekt Bescheid gebunden ist und somit nicht durch an anderes Vollverb mit ähnlicher Bedeutung ersetzt werden kann.
4) SF können nicht anaphorisiert werden
Eine Aussage wie „Er gab dem Kind Antwort“ ist daher grammatisch, eine Aussage wie „Er gab sie dem Kind“ aber nicht, da das Dativobjekt Antwort fester Bestandteil des FVG ist und nicht durch ein Pronomen ersetzt werden kann.
5) SF können nur begrenzt erfragt werden
Gleichzeitig kann der nominale Bestandteil des FVG nur begrenzt erfragt werden. Aus Aussagen wie „Er versetzt das Kind in Schrecken“ würde kausativ die Frage „Wohin versetzt er das Kind?“ folgen, welche ohne Kontextualisierung von den meisten Sprechern als unverständlich angesehen werden würde.
6) FVG weisen starke Restriktion im Artikelgebrauch auf
Grundsätzlich werden vor dem nominalen Bestandteil in FVG keine Artikel verwendet. Der Satz „Die neue Technik findet Anwendung“ ist daher grammatisch, der Satz „Die neue Technik findet eine/die Anwendung“ hingegen nicht.
7) SF können nicht pluralisiert werden
Tritt der nominale Bestandteil eines FVG im Singular auf, ist grundsätzlich keine Pluralisierung möglich. Der Satz „Die neue Technik findet Anwendung“ ist also grammatisch, der Satz „Die neue Technik findet Anwendungen“ hingegen nicht.
8) SF können nur eingeschränkt durch Attribute erweitert werden
Grundsätzlich können Nomen im Deutschen durch Attribute erweitert werden. Dies ist bei nominalen Bestandteilen von FVG allerdings nur begrenzt möglich, was die Sätze „Wir nehmen Aufstellung“ und „Wir nehmen schnelle Aufstellung“ zeigen.
9) SF kann nur eingeschränkt durch Attributivsatz erweitert werden
Ebenso können nominale Bestandteile von FVG nur eingeschränkt durch attributive Relativsätze erweitert werden. „Er nahm Kenntnis“ ist daher möglich, „die Kenntnis, die er genommen hat“ allerdings nicht.
10) FVG werden grundsätzlich durch „nicht“ negiert
Genauso wie alleinstehende Vollverben werden FVG durch den Negationspartikel „nicht“ negiert. Aus der Aussage „Er nahm die Maschine in Betrieb“ wird daher „Er nahm die Maschine nicht in Betrieb“ und nicht „Er nahm die Maschine in keinen Betrieb“. Es wird also nicht der nominale Bestandteil allein negiert, obwohl dieser den größten semantischen Gehalt trägt, sondern das komplette FVG auf dieselbe Art wie ein alleinstehendes Vollverb negiert würde.
11) Wenn ein FVG im Nebensatz vorkommt, können FV und SF nicht durch Negation getrennt werden
Tritt ein FVG in einem Nebensatz auf, so können Funktionsverb und nominaler Bestandteil nicht durch den Negationspartikel „nicht“ getrennt werden. Die Sätze „Er sagt, dass das nicht
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- Marie Will (Author), 2021, Das Funktionsverbgefüge in der Linguistik. Definitionen, Interpretationen und semantische Übergänge, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1368691
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