Als Vorbereitung für eine potentielle Produktübernahme durch einen Lohnabfüller wird eine Einführung in das Thema pharmazeutische Verarbeitung von Antikörpern gegeben. Diese allgemeinen Betrachtungen sollen in der Vorprojektsphase als Diskussionsgrundlage für konkrete Transfers dienen. In dieser Arbeit wird auf die Struktur und Funktionsweise von Antikörpern eingegangen, um daraus auf mögliche Risiken bei einem Produkttransfer schließen zu können. Es werden verschiedene gängige Primärpackmittel vorgestellt und hinsichtlich des Produkttransfers sowohl formale Aspekte als auch den Transport betreffende Risiken erörtert. Unterschiedliche Varianten der Produkteinbringung in den aseptischen Abfüllbereich sowie qualitäts-beeinflussende Prozessschritte, wie Begasung und Evakuierung der Gebinde, und produktberührende Komponenten im Rahmen der Abfüllung werden beschrieben.
Abstract
An introduction into the topic of pharmaceutical processing of antibodies is given as a preparation for a product transfer from the marketing authorisation holder to a contract manufacturer. These general observations are used as basis for discussions in the first stage of the transfer project. The structure and working mechanism of antibodies are described in this thesis to gather possible risks from their properties. Several kinds of common primary packaging are presented and formal aspects as well as risks related to the product transport are discussed. Different techniques of product introduction into the aseptic filling area are described. Quality influencing steps (e.g. vacuum and inert gassing) and components which are in contact with the solution are gauged according to adverse effects to the product.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
1.1. Antikörper
1.1.1. Struktur von Antikörpern
1.1.2. Funktionsweise von Antikörpern
1.1.3. Stabilität von Antikörpern
2. Formale Vorgaben und Kundenanforderungen
2.1. Dokumente
3. Primärpackmittel für Antikörperpräparate
3.1. Ampullen
3.2. Vials
3.3. Fertigspritzen
4. Transport
5. Abfüllung
5.1. Transfersysteme in den aseptischen Abfüllbereich
5.2. Risiken bei der Abfüllung
5.2.1. Das Pumpensystem
5.2.2. Vakuum und Begasung
5.2.3. Schläuche
6. Überverpackung
7. Conclusio
8. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb.1: Struktur eines Immunglobulins am Beispiel Immunglobulin G (IgG)
Abb.2: Enzymatische Spaltung von IgG durch Pepsin bzw. Papain
Abb.3: Antikörperformate für die zielgerichtete Krebstherapie
Abb.4: Verschließen von Ampullen mittels Propangasflammen
Abb.5: Verschiedene Vials
Abb.8: Flexel® 3D System von Sartorius Stedim Biotech
Abb.9: Abfülllinie für Spritzen in Isolatortechnik
Abb.10: Aseptischer Transfer von Materialien
Abb.11: Einbringen von Komponenten in den aseptischen Abfüllbereich
Abb.12: Aseptischer Transfer von Flüssigkeiten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
Antikörper (Immunglobuline) stehen in der Medizin in den letzten Jahren wieder hoch im Kurs. Immunglobuline sind große Biomoleküle, die hochspezifisch an Oberflächen von körperfremden Strukturen binden können und damit anderen Zellen des Immunsystems ermöglichen, diese Fremdkörper anzugreifen und unschädlich zu machen.
Nicht immer verarbeitet ein Zulassungsinhaber eines pharmazeutischen Produktes dieses bis zur Endkonfektionierung selbst. Oft werden Produkte auf Grund produktionstechnischer und/oder ökonomischer Aspekte entweder gesamt oder auch als Halbfertigwaren im Auftrag des Zulassungsinhabers von anderen pharmazeutischen Unternehmen hergestellt bzw. weiterverarbeitet.
In dieser Bachelorarbeit werden allgemeine Überlegungen zum Transfer von (monoklonalen) Antikörpern vom biotechnologischen Produzenten zum Lohnabfüller in entsprechenden Primärpackmitteln und Konfektionierungen angestellt. Ziel ist es einen Überblick zu erhalten, um mit diesen Erkenntnissen in eine konkrete Machbarkeitsstudie gehen zu können.
Zu Beginn wird auf die Struktur von Antikörpern eingegangen, weil das Wissen über den Aufbau von Antikörpern und deren Wirkmechanismen eine Voraussetzung für die Beurteilung von potentiellen Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Antikörperpräparaten darstellt. In weiterer Folge werden potentielle Forderungen des Zulassungsinhabers an einen Lohnhersteller sowie mögliche formale und technische Risiken, die bei einem solchen Produkttransfer auftreten können, erörtert. Es ist nicht Ziel dieser Arbeit, Überlegungen hinsichtlich der ökonomischen Bedeutsamkeit einer Produktübernahme anzustellen.
1.1. Antikörper
Antikörper, auch Immunglobuline genannt, werden von Wirbeltieren als spezifische Abwehrproteine gegen körperfremde Makromoleküle, die sogenannten Antigene, gebildet.
Das Fremdmolekül bindet an Immunozyten und regt diese zu Wachstum und Zellteilung an, so dass viele Klone dieser einen Art von Immunozyten entstehen. Jede dieser Zellen produziert nun das entsprechende Immunglobulin, welches am Antigen bindet und dadurch der sogenannte Antigen-Antikörper-Komplex gebildet wird. Durch die Bindung des Fremdmoleküls am Antikörper wird dieses biologisch inaktiviert. Diese Reaktion ist sowohl hochempfindlich als auch sehr spezifisch. Das Immunsystem eines Menschen kann Millionen unterschiedlicher Antikörper produzieren.1
1.1.1. Struktur von Antikörpern
Antikörper sind langkettige Verbindungen aus Aminosäuren, gehören trotz ihrer großen Heterogenität zu einer gemeinsamen Proteinfamilie und weisen β-Faltblattstruktur auf.
Immunglobuline bestehen aus zwei kurzen und zwei langen Peptidketten, die durch Disulfidbindungen miteinander verbunden sind. Die kurzen Ketten werden als L-Ketten (light chains) und analog dazu die langen als H-Ketten (heavy chains) bezeichnet. Innerhalb eines Antikörpers sind sowohl die einzelnen H-Ketten als auch die L-Ketten identisch (siehe Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Struktur eines Immunglobulins am Beispiel Immunglobulin G (IgG)2
Die Zugehörigkeit eines Antikörpers zu einer der neun definierten Klassen und deren Subtypen wird durch die H-Ketten bestimmt. L-Ketten hingegen werden als κ- oder λ- Typen unterschieden.
Den größten Anteil an Antikörpern stellt die Klasse der IgG dar. Ein IgG-Molekül besteht aus vier Polypeptidketten, mit einer molekularen Masse von ca. 150kDa und hat eine Y-förmige Struktur. Die beiden oberen Enden des Moleküls stellen die Antigenbindungsstellen dar. Die sogenannte Schanierregion, durch die die oberen Schenkel des Immunglobulinmoleküls mit dem unteren Teil verbunden sind kann leicht hydrolisiert werden. Im Labor werden zur beabsichtigten Hydrolyse spezifische Proteasen, entweder Pepsin oder Papain, eingesetzt. Je nach verwendeter Protease wird das Immunglobulin an unterschiedlicher Stelle gespalten (siehe Abb. 2).3
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Abb. 2: Enzymatische Spaltung von IgG durch Pepsin bzw. Papain4
1.1.2. Funktionsweise von Antikörpern
Allgemein macht man sich sowohl bei polyklonalen als auch monoklonalen Antikörpern deren selektive Bindung an ihre Antigene zu Nutze. Reagiert das Immunsystem auf ein Antigen, so entwickeln verschiedene B-Lymphozyten Antikörper, die gegen unterschiedliche Epitope des Antigens aktiv werden. Immunglobuline verschiedener B-Lymphozyten werden als polyklonale Antikörper bezeichnet. Im Gegensatz dazu stammen monoklonale Antikörper von einem einzigen Klon einer sog. Hybridomazelle. Eine weit verbreitete Methode zur Gewinnung von monoklonalen Antikörpern, durch Fusion von B-Zellen mit Myelomzellen, entwickelten 1975 Georges Köhler und César Milstein.5
Erste Verwendung fanden polyklonale Antikörpergemische aus dem Serum von Schafen oder Pferden bei der Behandlung von Bissen durch Giftschlangen. Bereits Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gelang es monoklonale Antikörper mit sehr spezifischen Eigenschaften aus Mäusezellen zu gewinnen, allerdings wurden diese Antikörper sehr rasch vom humanen Immunsystem als Fremdproteine erkannt und eliminiert. Erst Mitte der 80er Jahre konnten monoklonale Maus-Antikörper mit humanen Antikörpern kombiniert werden. In diesen sogenannten humanisierten Antikörpern konnte der Anteil an Mausprotein soweit reduziert werden, dass eine ausreichend lange aktive Verweilzeit im menschlichen Körper gewährleistet ist, um eine entsprechende therapeutische Wirkung entwickeln zu können.
Derzeit befinden sich zahlreiche Präparate, sowohl mit polyklonalen als auch monoklonalen Antikörpern in unterschiedlichen Phasen der pharmazeutischen Entwicklung und klinischen Prüfung. Hauptaugenmerk für den Einsatz von Antikörperpräparaten wird auf die Verhinderung von Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen, die Bekämpfung verschiedener Tumorzellen und als Medikation gegen Autoimmunerkrankungen gelegt.6
Derzeit bereits zugelassene Präparate basieren auf monospezifischen monoklonalen Antikörpern, d.h. die Antikörper stammen aus einem einzigen Zellstamm und beide Bindungsarme der Y-Struktur besitzen die gleiche Spezifität. Im Gegensatz dazu besitzen bispezifische oder trifunktionale Antikörper verschiedene Spezifitäten an den Antigenbindungsstellen.
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Abb. 3: Antikörperformate für die zielgerichtete Krebstherapie7
Trifunktionale Antikörper können zusätzlich zu den beiden unterschiedlichen Spezifitäten an den Bindungsarmen am kristallisierbaren Fragment (Fc-Teil) akzessorische Zellen binden, wodurch ein abgestimmter Angriff auf Tumorzellen ermöglicht wird (siehe Abb. 3).
Dadurch, dass neben den T-Zellen über den Fc-Teil des Antikörpers noch akzessorische Zellen wie zum Beispiel Makrophagen an die Tumorzelle gezielt herangebracht werden können, werden bisher unerreichte Immunreaktionen hervorgerufen.8 Wie in einem Tumormausmodell gezeigt werden konnte, zerstören trifunktionale Antikörper nicht nur den Primärtumor, sondern erzeugen zusätzlich noch eine Immunität gegen den Tumor. Damit ist ein zusätzlicher Schutz vor einem erneuten Ausbruch des Tumors zu einem späteren Zeitpunkt gegeben. 9
1.1.3. Stabilität von Antikörpern
Proteine allgemein und somit auch Antikörper können in Lösung durch Hydrolyse und Deaminierung zerstört werden. Beide Abbaureaktionen sind vom pH-Wert und der Temperatur des Mediums abhängig. Bereits geringfügige Änderungen dieser Parameter, welche zwar für eine Hydrolyse nicht auszureichend sind, können jedoch Antikörper bereits durch Umfaltungsvorgänge oder Umlagerungen von Molekülgruppen inaktivieren.
Um den pH-Wert von Antikörperlösungen stabil zu halten, werden zum Teil komplexe Puffersysteme eingesetzt. Zumeist basieren diese Puffersysteme auf klassischen Phosphat-, Acetat- oder Citratpuffern. Die optimale Kombination und Konzentration wird in den anfänglichen Entwicklungsphasen des Produktes ermittelt und ist individuell an den Antikörper anzupassen.
Zusätzlich zu den verschiedenen Puffersalzen können Antikörperlösungen gegebenenfalls Tenside zur Verbesserung der Löslichkeit des Proteins und Komplexbildner zugesetzt werden. Komplexbildner wie etwa Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) dienen dazu, Spuren von Schwermetallen zu binden und somit eine Inaktivierung des Antikörpers zu verhindern.
Einen zusätzlichen kritischen Parameter hinsichtlich der Transport- und Lagerfähigkeit des Produktes stellt die Oberflächenspannung des Lösungsmittels dar. Proteinlösungen neigen zur Schaumbildung, wenn sie geschüttelt werden. Die negativen Auswirkungen der Schaumbildung ergeben sich aus der starken Erhöhung der Grenzfläche zwischen Lösung und Luft und zeigen sich durch verstärkte Aggregationsvorgänge an diesen Grenzflächen.10
In jeder Phase des Produktionsprozesses müssen produktberührende Materialien und Prozessschritte hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Produkt kritisch hinterfragt werden. Dabei sind die hier angeführten allgemeinen Überlegungen zu Parametern, welche die Qualität von Proteinen beeinflussen, zu berücksichtigen.
2. Formale Vorgaben und Kundenanforderungen
Nach einer ersten Anfrage eines potentiellen Kunden, ob die Abfüllung von Antikörperpräparaten im Lohnauftrag für den Zulassungsinhaber durchgeführt werden kann, gilt es grundlegende Fragestellungen zu bedenken. In dieser Phase muss unter anderem abgeklärt werden, ob das neue Produkt in die Geschäftstrategie des Unternehmens passt, die entsprechenden behördlichen Herstellungsgenehmigungen vorliegen und im Unternehmen die technischen Voraussetzungen grundsätzlich gegeben sind. Auf diese allgemein üblichen Kriterien soll hier nicht weiter eingegangen werden, es wird vorausgesetzt, dass all diese erfüllt sind.
[...]
1 Vgl.: Lehninger, Albert L. (1985): Grundkurs Biochemie. 2. verbesserte Auflage. Berlin / New York: de Gruyter. S. 485-486.
2 Vgl.: Rassow, Joachim / Hauser, Karin / Netzker, Roland / Deutzmann, Rainer (2006): Biochemie. Reihenherausgeber Bob, Alexander / Bob, Konstantin. Stuttgart: Thieme. S. 703.
3 Vgl.: Rassow et al. (2006): Biochemie. S.701 -703.
4 Vgl.: Rassow et al. (2006): Biochemie. S.704.
5 Vgl.: Rassow et al. (2006): Biochemie. S.704.
6 Vgl.: Klaffke, Oliver: www.interpharma.ch/de/doc/Boom_der_Antikörper_Medikamente.doc. [Stand 31.03.2008].
7 Vgl.: Fresenius Biotech (2006): Zielgerichtete Tumortherapie mit trifunktionalen Antikörpern. http://www.fresenius.de/internet/fag/de/faginpub.nsf/AttachmentsByTitle/Pressemappe+ASCO+200 7+Hintergrund+Trifunktionaler+Antik%C3%B6rper+d/$FILE/Trifunktionale+Antik%C3%B6rper+Bro sch%C3%BCre_6-07.pdf. [Stand 21.01.2008].
8 Vgl.: Heiss, Markus M. (2006): Trifunktionale Antikörper besitzen das Potential eines Tumor-impfstoffes. In: Journal Onkologie. Jahrgang 2006. Heft 04.
9 Vgl.: Fresenius Biotech (2006): Zielgerichtete Tumortherapie mit trifunktionalen Antikörpern. http://www.fresenius.de/internet/fag/de/faginpub.nsf/AttachmentsByTitle/Pressemappe+ASCO+200 7+Hintergrund+Trifunktionaler+Antik%C3%B6rper+d/$FILE/Trifunktionale+Antik%C3%B6rper+Bro sch%C3%BCre_6-07.pdf. [Stand 21.01.2008].
10 Vgl.: Zimmer, Andreas (2003): Galenische Formulierung rekombinanter Wirkstoffe. In: Pharm. Unserer Zeit. 32. Jahrgang 2003. Nr. 5. S. 384-386.
- Quote paper
- BSc Andreas Kerschbaumer (Author), 2008, Transfer von Antikörper-Präparaten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136861