Adolf Reichwein war Pädagoge, ein Widerstandskämpfer, ein Abenteurer und ein Wissenschaftler und für seine Schüler war er sicherlich auch ein Freund.
Er publizierte über 300 Arbeiten, entwarf verschiedene Lern- und Schulkonzepte und war in den Bereichen Erwachsenenbildung, Lehrerbildung, Schulpädagogik, Museumspädagogik und Medienpädagogik tätig.
Ihm waren das Handeln und die Tat wichtiger als, die reinen, sprachlichen Bekenntnisse. Er setzte sich selbst in verschiedenen Bereichen und zu den verschiedenen Zeitpunkten seines Lebens für eine Gesellschaftsreform ein. Somit war er auch Erlebnispädagogiker, denn er kämpfte für und lebte selbst die Gemeinschaftlichkeit, die Demokratie und die Humanität. Seine Konzepte erprobte er stets in kleinen Gemeinschaften, doch er war sich sicher, dass diese eine Vorbildfunktion besaßen und später vollends realisiert werden konnten.
Er hatte der Volkshochschule Thüringen und einer Vielzahl von Schülern neue Konzepte und Horizonte eröffnet und es bleibt offen, was er hätte noch alles erreichen können, wenn sein Leben nicht so abrupt beendet worden wäre.
Gliederung
1.) Kurzer biographischer Überblick
1.1.) Die Eltern und die dörflichen Verhältnisse
1.2.) Die Jugendbewegung bzw. die Wandervögel
1.3.) Die Front- und Kriegserfahrungen
1.4.) Die Studienzeit und die akademische Vereinigung in Marburg
2.) Adolf Reichweins Tätigkeit für das Volkshochschulwesen
3.) Zusammenfassung
4.)Literaturverzeichnis
1.) Kurzer biographischer Überblick
Adolf Reichwein ist am 3. Oktober 1898 im preußischen Bad Ems als Sohn des protestantischen, sozialdemokratischen Volkshochschullehrers Karl Gottfried Reichwein und seiner Frau Anna Maria geboren.
Im Alter von 6 Jahren siedelte Reichwein mit seiner Familie (2 weitere Geschwister) nach Ober-Rosbach um; einer Stadt, die von Landwirtschaft und Bergbau geprägt war.
Seit 1906/07 ging er zu den Wandervögeln. Die folgenden Jahre verbrachte er als Schüler an der Realschule in Friedberg.
1917 legte Reichwein sein Abitur ab und meldete sich im selben Jahr als Kriegsfreiwilliger. Bereits während seines ersten Einsatzes wurde er schwer verwundet. Aufgrund der Verletzung beendete er seinen Dienst und begann ein Jahr später ein Studium in Frankfurt am Main. Allerdings wechselte er nach zwei Jahren nach Marburg und beendete dort seine Studienzeit mit der Dissertation zu dem Thema „China und Europa im 18. Jahrhundert“.
Im Herbst 1923 wurde Reichwein, auf Empfehlung von Wilhelm Flitner zusammen mit Hans Berlepsch-Valendes Geschäftsführer der Volkshochschule Thüringen. Im selben Jahr kam sein erster Sohn zur Welt, der bereits zwei Jahre später durch einen Unfall ums leben kam.
1925 übernahm Reichwein die Nachfolge von Wilhelm Flitner und somit die Leitung der städtischen Volkshochschule Jena.
Im folgenden Jahr trennte er sich von seiner Frau und gründete gleichzeitig ein Jungarbeiterheim am Beuthenberg. Kurz nach der Gründung begab sich Reichwein, zur persönlichen Regeneration auf eine Forschungsreise durch die USA, Alaska, Mexiko, Japan, China und Europa und kehrte gut ein Jahr später nach Jena zurück.
Auch die Kurse des Jungarbeiterheims endeten jeweils mit einer Abschlussfahrt in verschiedene europäische Regionen.
1929 ging Reichwein nach Berlin und beteiligte sich an der Reform der Volkshochschullehrerausbildung in Preußen in den „Pädagogischen Akademien (PA)“.
1930 verließ er dieses Ministerium und wurde Professor für Geschichte und Staatsbürgerkunde an der PA in Halle. Zudem tritt er der SPD bei.
3 Jahre später heiratete er erneut. Zudem wurde er durch das neue nationalsozialistische Kultusministerium aus seiner Anstellung entlassen. Daraufhin ging er als Volksschullehrer an die einklassige Dorfschule im brandenburgischen Tiefensee. In den nächsten 6 Jahren widmete er sich hier der Entwicklung eines reformpädagogischen Schulmodells. Zudem arbeitete er mit der Reichstelle für den Unterrichtsfilm (FfdU) zusammen.
1939 widmete sich Reichwein der Museumspädagogik, indem er Leiter der Abteilung „Schule und Museum“ in Berlin wurde und Ausstellungen mit und für Berliner Schulen organisierte.
Seit dieser Zeit nahm er vermehrt Kontakt zu so genannten „Reichsfeinden“ und schließlich wurde er Mitglied des „Kreisauer Kreis“, einer Widerstandsgruppe um Helmuth James Graf von Moltke.[1] Durch einen Spitzel kam es dazu, dass einige Mitglieder, darunter Reichwein, am 4. Juli 1944 bei einem Treffen verhaftet wurden.
Reichwein wurde am 20. Oktober 1944 durch den „Volksgerichtshof“ wegen Landesverrat zum Tode verurteilt und am selben Tag in Berlin gehängt.
1.1.) Die Eltern und die dörflichen Verhältnisse
Adolf Reichwein wurde seit seiner Geburt von zwei wesentlichen Faktoren beeinflusst. Einerseits durch den schlichten, bäuerlichen Lebenskreis und andererseits durch das Wesen seines Vaters. Die Bedeutung des sozialen Milieus, in das er geboren wurde, bewertete er wie folgt:
„Für mein ganzes Leben entscheidend ist, daß ich von den armen Bauern de Westerwaldes abstamme und meine Jugend bist zum Eintritt in das Kriegsheer auf dem Dorfe verlebt habe.“[2]
Den Aspekt der Armut führte er sogar noch genauer aus und beschreibt im folgenden Zitat, wie wenig die Familie hatte und wie schwierig es war, von dem Gehalt des Vaters zu leben.
„Für mich war immer wegweisend die tiefgründige Unterscheidung Riehls zwischen der ´natürlichen` und der ´proletarischen` Armut. Die ´natürliche Armut` hat mich während meiner ganzen Jugend begleitet, ja ich habe aus der Bedürfnislosigkeit des ländlichen Daseins die Zwingkraft, wie ich hoffe, für mein ganzes Leben gewonnen; aber auch die ´proletarische Armut` hat meine Jugenderfahrung mitgestaltet, denn in dem ärmlichen Landlehrerhaushalt meines Vaters, der zwei Söhne in die Stadt zur Schule schickte bei einem Monatsgehalt von 150,- bis 170,- Mark, war inmitten fruchtbarer Felder das Brot beschränkt und, angesichts eines täglichen Umgangs mit Kühen und heranwachsenden Rindern auf dem Tisch der Mutter die Butter durch Margarine ersetzt. Fleisch gab es nur einmal in der Woche, vielleicht nicht zum Schaden unserer Gesundheit.“[3]
Hier werden zwei Aspekte deutlich, nämlich, dass Reichwein schon früh mit dem Empfinden und den Bewusstsein für soziale Not und Unterschiede konfrontiert wurde. Selbst nach dem Umzug der Familie leben die Reichweins in einer Stadt, wo der Bergbau eine besondere Bedeutung innehält. Trotz der dortigen Aufwärtsentwicklung blieb Ober-Rosbach ein einfacher ländlicher Raum.
[...]
[1] Die Gruppe existierte seit 1938 und baute Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen auf. Sie beschäftigten sich mit der Frage, wie die Bildung, Erziehung, Ausbildung der Lehrer nach Hitler weitergehen bzw. aussehen sollen? Auf den so genannten Kreisauer Treffen diskutierten sie ihre Vorstellungen. Ihre Ziele waren demokratischen Neuordnung, selbstverantwortliches Handeln und Erziehungsarbeit durch Familie, Staat und Schule. Reichwein wurde diesbezüglich als Kultusministerkandidat diskutiert.
Vgl. hierzu: Heidötting-Shah, Elisabeth: Adolf Reichweins Widerstand im Kreisauer Kreis. In: Reichwein, Roland (Hrsg.): Wir sind die lebendige Brücke von gestern zu morgen. Pädagogik und Politik im Leben und Werk Adolf Reichweins. Band 4. Weinheim und München. 2000. S. 149-176.
[2] In: Fricke, Klaus: Adolf Reichwein. Ein Wegbereiter der modernen Erlebnispädagogik?. Lüneburg. 1993. S. 5.
[3] In: Amlung, Ulrich: Adolf Reichwein 1898-1944. Ein Lebensbild des politischen Pädagogen, Volkskundlers und Widerstandskämpfers. Band 1. Frankfurt am Main. 1991. S. 35.
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- Marlen Berg (Author), 2007, Adolf Reichwein, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136816