In dieser Hausarbeit wird folgenden Fragen nachgegangen: Welche Personen, Umstände oder Begleiterscheinungen gibt es, welchen eine gewisse „Schuld“ am Untergang Westroms angelastet werden darf? Sah sich das Weströmische Reich mit mächtigen Feinden von außerhalb konfrontiert oder wurde es von innen zugrunde gerichtet? Gibt es einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Vielzahl von Umständen, die in einem schleichenden Prozess den Untergang Westroms nach sich zogen? War der Zerfall des Weströmischen Reiches nur ein von vermeidbaren Fehlern bedingtes Resultat oder kann man von einem letztlich unaufhaltsamen Zerfallprozess sprechen?
Gemäß der überwiegenden Meinung in der Geschichtsforschung ist die Spätantike als Zeitspanne zwischen Diokletians Kaiserkrönung im Jahr 284 und der Abschaffung des Kaisertums im Weströmischen Reich im Jahr 476 festgelegt. Der zeitliche Fokus dieser Seminararbeit richtet sich auf die letzten zwanzig Jahre, also die Zeitspanne unmittelbar vor dem Ende des Weströmischen Reiches, die einerseits begrenzt ist durch die Jahre 454/455, als die Morde an Aetius und Valentinian III eine Reichskrise auslösten, und andererseits durch die oben genannte Abschaffung des Kaisertums im Westreich durch Odoakar im Jahr 476. Obwohl also der Untergang des römischen Westreiches den zeitlichen Sprung zwischen Spätantike und Frühmittelalter markiert und der Weg dorthin dementsprechend genügend Gründe für ein beträchtliches Interesse in der breiten Geschichtsforschung liefern dürfte, wird sie dort tendenziell auf eine „Verfalls- und Übergangszeit“ reduziert, deren Untersuchung nicht zu lohnen scheint.
Meines Erachtens jedoch muss die Beschäftigung mit dem Zerfall des Imperium Romanum Occidentalis zugleich das Interesse dafür wecken, wie genau es dazu kommen konnte. Denn beim Durchforsten der entsprechenden Literatur stößt man unweigerlich auf eine Bandbreite unterschiedlicher Meinungen über die Ursachen, die nicht erst in den letzten zwanzig Jahren des Reiches anzusiedeln sind.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Reichskrise von 454/455 als Auslöser für desintegrative Tendenzen
- Die Ermordung Aetius' und Valentinians III
- Folgen und Auswirkungen
- Auflösungserscheinungen im Westreich infolge partikularistischer Interessen
- Avitus Auseinandersetzung mit der italischen Senatsaristokratie
- Maiorians Auseinandersetzung mit der gallischen Senatsaristokratie
- Anthemius Auseinandersetzung mit Ricimer
- Die Barbarenstämme und ihr destruktiver Einfluss
- Die Zentrifugalkraft der lokalen Eliten
- Ergebnisse
- Welche Rolle nimmt Ricimer mit Blick auf den Zerfall Westroms ein?
- Ricimer und die drei wichtigsten Grundprinzipien der italischen Senatsaristokratie
- Ricimers für das Reich vermeintlich desintegrative Rolle als „Kaisermacher“
- Die Hunnen
- Das Erscheinen und Verschwinden der Hunnen
- Folgen und Auswirkungen
- Der Untergang des Weströmischen Reiches aus Sicht des Sidonius Apollinaris
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die letzten zwanzig Jahre des Weströmischen Reiches vor dessen Untergang im Jahr 476. Ziel ist es, die entscheidenden Faktoren und Prozesse zu analysieren, die zum Zusammenbruch des Reiches beitrugen. Dabei werden sowohl interne als auch externe Einflüsse berücksichtigt.
- Die Reichskrise von 454/455 und ihre langfristigen Folgen
- Die Rolle der lokalen Eliten und partikularistischer Interessen
- Der Einfluss von Barbarenstämmen auf die politische Stabilität
- Die Bedeutung von Schlüsselfiguren wie Aetius und Ricimer
- Die Perspektive des Sidonius Apollinaris auf den Untergang des Reiches
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung definiert den zeitlichen Rahmen der Arbeit (454/55 – 476 n. Chr.) und benennt die Forschungslücke, die diese Arbeit schließen möchte. Sie problematisiert die gängige Sichtweise des Untergangs als „Verfalls- und Übergangszeit“ und hebt die Bedeutung der Arbeiten von Dirk Henning und Friedrich Anders hervor. Die zentralen Forschungsfragen der Arbeit werden formuliert: Welche Personen, Umstände oder Begleiterscheinungen trugen zum Untergang bei? War der Untergang ein schleichender Prozess oder ein unvermeidbares Ereignis? Die Arbeit beschränkt sich bewusst auf die relevanten Aspekte.
Die Reichskrise von 454/455 als Auslöser für desintegrative Tendenzen: Dieses Kapitel analysiert die Ermordung Aetius' und Valentinians III. als zentralen Wendepunkt. Es beleuchtet Aetius' politische Macht und seinen militärischen Erfolg gegen die Hunnen. Die Ermordung Aetius' und des Kaisers löste eine Kaskade von Ereignissen aus: Proteste von Anhängern Aetius', die Plünderung Roms durch die Vandalen und den Verlust an Autorität des Kaiseramtes gegenüber dem Heermeister. Diese Krise wird als Ausgangspunkt für die folgenden desintegrativen Prozesse im Westreich dargestellt.
Auflösungserscheinungen im Westreich infolge partikularistischer Interessen: Dieses Kapitel behandelt die Herrschaften nach Valentinian III. und die zunehmende Macht der Heermeister. Es beschreibt die Konflikte zwischen Kaisern und der Senatsaristokratie in Italien und Gallien und den zerstörerischen Einfluss der Barbarenstämme. Der Fokus liegt auf der Analyse der Zentrifugalkräfte, die das Reich von innen heraus zerfielen. Die Zusammenfassung der einzelnen Herrscher und ihre Konflikte zeigt die fortschreitende Destabilisierung des Reiches.
Welche Rolle nimmt Ricimer mit Blick auf den Zerfall Westroms ein?: Dieses Kapitel untersucht die Rolle des mächtigen Heermeisters Ricimer. Es analysiert seine Beziehung zur italischen Senatsaristokratie und seine vermeintlich desintegrative Rolle als „Kaisermacher“. Die Diskussion von Ricimers Handlungen und ihrem Einfluss auf das Reich soll eine differenzierte Betrachtung seiner Bedeutung ermöglichen. Der Fokus liegt auf der Frage, ob Ricimer aktiv zum Untergang des Reiches beigetragen hat oder ob seine Handlungen lediglich die bereits bestehenden Probleme verschärften.
Die Hunnen: Dieses Kapitel behandelt den Einfluss der Hunnen auf das Westreich. Es beschreibt ihr Erscheinen und Verschwinden und analysiert die Folgen ihres Einflusses für die politische Stabilität und die militärische Lage des Reiches. Die Hunnen werden nicht nur als äußere Bedrohung, sondern auch als ein Faktor im komplexen Gefüge der Ursachen für den Untergang betrachtet.
Der Untergang des Weströmischen Reiches aus Sicht des Sidonius Apollinaris: Dieses Kapitel betrachtet den Untergang des Reiches aus der Perspektive des gallo-römischen Aristokraten Sidonius Apollinaris, der als wichtiger Zeitzeuge einen wertvollen Einblick in die damalige Situation bietet. Seine Sichtweise und Beobachtungen liefern zusätzliche Informationen und Perspektiven zum Verlauf der Ereignisse.
Schlüsselwörter
Weströmisches Reich, Untergang, Spätantike, Reichskrise, Aetius, Valentinian III., Ricimer, Barbaren, Hunnen, Senatsaristokratie, Partizipation, Desintegration, Kaisermacht, Heermeister, Sidonius Apollinaris.
Häufig gestellte Fragen zur Seminararbeit: Der Untergang des Weströmischen Reiches (454-476 n. Chr.)
Was ist der Gegenstand dieser Seminararbeit?
Die Seminararbeit analysiert die letzten zwanzig Jahre des Weströmischen Reiches (454-476 n. Chr.) und untersucht die entscheidenden Faktoren und Prozesse, die zu dessen Untergang führten. Dabei werden sowohl interne als auch externe Einflüsse berücksichtigt.
Welche zentralen Fragen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit untersucht, welche Personen, Umstände oder Begleiterscheinungen zum Untergang des Weströmischen Reiches beitrugen. Sie hinterfragt, ob der Untergang ein schleichender Prozess oder ein unvermeidbares Ereignis war und konzentriert sich auf die relevantesten Aspekte dieses komplexen historischen Prozesses.
Welche Themenschwerpunkte werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit fokussiert sich auf die Reichskrise von 454/455 und deren langfristige Folgen, die Rolle der lokalen Eliten und partikularistischer Interessen, den Einfluss von Barbarenstämmen, die Bedeutung von Schlüsselfiguren wie Aetius und Ricimer, sowie die Perspektive des Sidonius Apollinaris auf den Untergang des Reiches.
Welche Rolle spielt die Reichskrise von 454/455?
Die Ermordung Aetius' und Valentinians III. wird als zentraler Wendepunkt angesehen. Die Arbeit analysiert die Folgen dieses Ereignisses, wie Proteste, die Plünderung Roms durch die Vandalen und den Verlust an Autorität des Kaiseramtes, die als Ausgangspunkt für die folgenden desintegrativen Prozesse im Westreich dargestellt werden.
Wie wird die Rolle der lokalen Eliten und partikularistischer Interessen dargestellt?
Die Arbeit untersucht die Herrschaft nach Valentinian III., die zunehmende Macht der Heermeister und die Konflikte zwischen Kaisern und der Senatsaristokratie in Italien und Gallien. Der Einfluss der Barbarenstämme und die Zentrifugalkräfte, die das Reich von innen heraus zerfielen, stehen im Mittelpunkt der Analyse.
Welche Bedeutung hat Ricimer für den Untergang des Reiches?
Die Arbeit analysiert die Rolle des Heermeisters Ricimer, seine Beziehung zur italischen Senatsaristokratie und seine vermeintlich desintegrative Rolle als „Kaisermacher“. Es wird diskutiert, ob Ricimer aktiv zum Untergang beitrug oder ob seine Handlungen lediglich bestehende Probleme verschärften.
Welchen Einfluss hatten die Hunnen?
Die Arbeit behandelt das Erscheinen und Verschwinden der Hunnen und analysiert die Folgen ihres Einflusses auf die politische Stabilität und die militärische Lage des Reiches. Die Hunnen werden als ein Faktor im komplexen Gefüge der Ursachen für den Untergang betrachtet.
Welche Perspektive bietet Sidonius Apollinaris?
Die Arbeit nutzt die Perspektive des gallo-römischen Aristokraten Sidonius Apollinaris als wichtigen Zeitzeugen, um zusätzliche Informationen und Perspektiven zum Verlauf der Ereignisse zu gewinnen.
Welche Kapitel umfasst die Seminararbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, Kapitel zur Reichskrise von 454/455, zu den Auflösungserscheinungen im Westreich, zur Rolle Ricimers, zu den Hunnen, zur Perspektive Sidonius Apollinaris und ein Fazit.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Weströmisches Reich, Untergang, Spätantike, Reichskrise, Aetius, Valentinian III., Ricimer, Barbaren, Hunnen, Senatsaristokratie, Partizipation, Desintegration, Kaisermacht, Heermeister, Sidonius Apollinaris.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2012, Die Ursachen für den Untergang des Weströmischen Reiches in expliziter Betrachtung seiner letzten zwanzig Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1367177