Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Zunächst sollen der Begriff der Implikatur und das Konzept des Kooperationsprinzips erläutert und ihre Verbindung untereinander erörtert werden.
Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse wird sodann zu klären versucht, in welchem Verhältnis Rationaliät und Kooperation zueinander stehen. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, weshalb Kooperation als rationale Strategie der Konversation verstanden werden kann und inwiefern der Begriff der Kooperation notwendige Bedingung für die Gricesche Kommunikationstheorie ist. Im Verlaufe der Darstellung wird sich ergeben, dass eine starke Lesart von Kooperativität, auf dem die Gricesche Implikaturen-Theorie basiert, keine notwendige Annahme ist, um den Mechanismus des Implikatierens zu beschreiben. Abschließend wird deshalb der Erstatz des Kooperationsprinzips durch ein Rationalitätsprinzip, wie es erstmals von Asa Kasher vorgeschlagen wurde, erörtert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Zielsetzung
2. Hauptteil
2.1 Kooperation und das Kooperationsprinzip
1. Katagorie der Quantität
2. Kategorie der Qualität
3. Kategorie der Relation
4. Maxime der Modalität
2.2 Konversationale Implikaturen
2.3 Kooperationsprinzip, Konversationsmaximen und der Zusammenhang zur Rationalität
2.4 Substitution des Kooperationsprinzips
Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Zielsetzung
Paul Grices Kommunikationstheorie verfolgt das Ziel, „dem Wesen und der Wichtigkeit derjenigien Bedingugen“[1] Beachtung zu schenken, die unsere Konversation regeln. Bei diesem Unternehmen versucht Grice die Bedingungen der Kommunikation im Allgemeinen herauszuarbeiten und im Besonderen das Zustandekommen der Differenz von Gesagtem und Gemeintem zu erklären.
Das hierbei vorgeschlagene Verfahren, von der wörtlichen Äußerung zum nicht-wörtlich Gemeinten zu gelangen, wird im Allgemeinen Theorie der konversationalen Implikaturen genannt. Das Fundament dieser Theorie – das Kooperationsprinzip – geht davon aus, dass Kooperation die basale Grundlage von Kommunikation ist.
Die vorliegende Arbeit versucht nun zu klären, wie der Begriff der Kooperation konzipiert wurde und welche zentrale Rolle das Kooperationsprinzip für das Erklärungsmodell der konversationalen Implikaturen einnimmt.
Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Zunächst sollen der Begriff der Implikatur und das Konzept des Kooperationsprinzips erläutert und ihre Verbindung untereinander erörtert werden.
Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse wird sodann zu klären versucht, in welchem Verhältnis Rationaliät und Kooperation zueinander stehen. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, weshalb Kooperation als rationale Strategie der Konversation verstanden werden kann und inwiefern der Begriff der Kooperation notwendige Bedingung für die Gricesche Kommunikationstheorie ist. Im Verlaufe der Darstellung wird sich ergeben, dass eine starke Lesart von Kooperativität, auf dem die Gricesche Implikaturen-Theorie basiert, keine notwendige Annahme ist, um den Mechanismus des Implikatierens zu beschreiben. Abschließend wird deshalb der Erstatz des Kooperationsprinzips durch ein Rationalitätsprinzip, wie es erstmals von Asa Kasher vorgeschlagen wurde, erörtert.
2. Hauptteil
Grices Argumentation hebt an, indem sie die Zielsetzung formuliert, die allgemeinen Bedingungen der Konversation als solcher zu untersuchen.[2]
Im Verlaufe dieser Untersuchung soll ein Instrumentarium entwickelt werden, das es ermöglicht, die Fälle, in denen der Sprecher etwas angedeutet, gemeint oder zu verstehen gegeben hat, eindeutig zu analysieren. Grice geht davon aus, dass bei einer solchen Analyse von einer Menge von Hintergrundannahmen ausgegangen werden muss. Somit sollen nicht allein die Bedingungen der direkten Kommunikation formuliert werden, sondern vielmehr die Menge übergreifender Annahmen expliziert werden, die den Gesprächsverlauf steuern und auf die der Adressat zurückgreift, um indirekte Formulierungen zu interpretieren.
Für die Kommunikationsformen, in denen die Ebene der Satzäußerung überschritten wird und eine weitere Sinnebene eröffnet wird, hat Grice den Begriff der Implikatur eingeführt.[3]
Die Gesamtheit, was ein Sprecher mit einer sprachlichen Äußerung meint, umfasst also das Gesagte und das Implikatierte. Was mit einer sprachlichen Äußerung gesagt wird, ergibt sich aus der konventionalen Bedeutung des geäußerten Satzes durch Desambiguierung und Bezugsbestimmung. D.h. ist aus den Lesarten eines mehrdeutigen Satzes die in der Äußerung gemeinte Lesart ausgesondert und ist unter Berücksichtigung der Kontextbedingugnen die Referenz aller bezugnehmenden Ausdrücke bestimmt, so steht fest, was der Sprecher mit der Äußerung gesagt hat.[4] Alles was über das Gesagte hinaus gemeint wird, entspricht in der Griceschen Theorie dem Implikatierten der Äußerung. Mit Hilfe dieser Differenzierung kann man die Fälle beschreiben, in denen etwas über die eigentliche Satzbedeutung hinaus kommuniziert wird. Folgender Dialog stellt ein Beispiel indirekter Kommunikation dar, in dem der Sprecher etwas implikatiert:
A: Wo ist Willy?
B: Vor Susannes Haus steht ein gelber VW.
Bs Redebeitrag scheint auf den ersten Blick keine adäquate Antwort auf die Frage zu liefern und somit eine irrelevante Reaktion auf As Anliegen zu sein. Kontextuelle Informationen und interpretative Schlussverfahren ermöglichen es A dennoch, den Sinn des Geäußerten zu erschließen und in Relation zu seiner Frage zu stellen. A wird zunächst davon ausgehen, dass Bs Redebeitrag kooperativ ist und wird versuchen, den Zusammenhang zwischen Willys Aufenthaltsort und dem gelben VW herzustellen. Falls B über die Zusatzinformationen, das Weltwissen, verfügt, dass Willy einen gelben VW besitzt, wird er vermuten, dass A zu verstehen geben wollte, dass sich Willy in Susannes Haus aufhalten könnte.
Das Beispiel veranschaulicht, dass der Adressat verschiedene Schlussfolgerungen ziehen muss, um zweifelsfrei zu bestimmten, was der Sprecher gemeint hat. Der Hörer muss die subjektiven Präsuppositionen entschlüsseln, die der Sprecher seiner Äußerung zu Grunde legt. Darüberhinaus muss der Hörer dem Sprecher unterstellen, dass jener weiß, dass Paul einen gelben VW fährt und dass der Sprecher möchte, dass der Gegenüber das Wissen um den Standort des gelben VWs dazu nutzt, den Schluss zu ziehen, dass Paul sich in dem genannten Haus aufhält. Nicht zuletzt geht der Sprecher davon aus, dass sein Gegenüber in der Lage ist, dieses Schlussverfahren zu vollziehen.
Als Ergebnis der Überlegungen, die Grice hinsichtlich indirekter Kommunikation und allgemeiner Kommunikationsbedingungen anstellt, will er einen " Apparat" bereitstellen, der "beliebigen Implikaturen"[5] gerecht wird.
Zu diesen Bedingungen gehören grundlegende rationale Richtlinien, die den wirkungsvollen Sprachgebrauch in Gesprächen steuern. Grice nennt vier Richtlinien dieser Art, die er aus einem allgemeinen Prinzip, dem Kooperationsprinzip, ableitet.
Zunächst sind das Kooperationsprinzip und die aus ihm abgeleiteten Konversationsmaximen sowie der Gricesche Begriff der Kooperation Gegenstand der Untersuchung. Anschließend wird der Mechanismus des Implikatierens erörtert.
2.1 Kooperation und das Kooperationsprinzip
Kommunikation im Allgemeinen ist nach Grice durch bestimmte kooperative Bemühungen gekennzeichnet. So ist jede Form der Konversation durch einen oder mehrere Zwecke und eine Richtung, in der sie verläuft, bestimmt. Insofern die Konversationsteilnehmer diese Zwecke und Richtungen wechselseitig akzeptieren, verhalten sie sich kooperativ.[6]
Für Grice erweist sich Kooperation somit als basale Grundlage für Kommunikation, als die Bedingung der Möglichkeit von Kommunikation.Mit dieser Auffassung eng verbunden ist ein bestimmtes Verständnis von Rationalität. Grice betont, dass er "Rede als einen Spezialfall oder eine Spielart zweckhaften, ja rationalen Verhaltens"[7] versteht. Vernünftiges, rationales Handeln besteht im Wesentlichen in der Fähigkeit, Geltungsansprüche zu entwickeln und über Verfahren zu verfügen, die es ermöglichen diese Ansprüche einzulösen. Der Maßstab, an dem sich der Erfolg eines solchen Verfahrens bemisst, sind Zweck-Mittel-Relationen. Eine Handlung ist erfolgreich und rational, wenn geeignete Mittel zur Erreichung eines gesetzten Zweckes Anwendung finden.
Auf die kommunikative Interaktion übertragen, bedeuetet dies zunächst, dass Gespräche in der Regel zur Erreichung von bestimmten Zwecken – Vergabe und Empfang von Informationen oder Beeinflussung des Gegenüber – geführt werden. Zugleich haben die Konversationsteilnehmer ein Interesse daran, am Gespräch teilzunehmen und in diesem ihre Zwecksetzungen zu verwirklichen.[8]
Grice geht davon aus, dass die Konversationsteilnehmer das von ihnen geführte Gespräch als einen "gemeinsamen Zweck"[9] verstehen. D.h. in der sprachlichen Interaktion verfolgen sie bis zu einem bestimmten Grad gemeinsame Interessen oder akzeptieren zumindest eine Richtung, in der das Gespräch verläuft. Sollten diese Bedingungen erfüllt sein, verhalten sich die Konversationsteilnehmer kooperativ.
Grice formuliert einen Grundsatz, der eben dieses Interesse an der Teilnahme und der Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes expliziert. Und aus diesem leitet er einen Katalog ab, der – an spezifischen Kriterien gemessen – die Kooperativität des Handelns konkreti-
sieren soll. Dieses Kommunikationsprinzip ist seiner Ansicht nach für alle rationalen Sprecher akzeptierbar:[10]
"Mache deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird."[11]
Grice nennt das oberste Prinzip, das die allgemeine Vorgehensweise in der Kommunikation regelt und die Gelingensbedingungen für sprachliches Handeln beinhaltet, das Kooperations- prinzip.
In dieser Setzung wird zunächst expliziert, dass Kommunikation durch kooperative Bemühungen gekennzeichnet ist und dass sich die Konversationsteilnehmer gemäß ihres gemeinsamen Zweckes bzw. gemäß der wechselseitig akzeptierten Richtung des Gesprächs verhalten sollten. Was jeweils in der konkreten Gesprächssituation als für Zweck und Richtung angemessen gilt, wird in diesem Prinzip nicht ausgedrückt.
An dieser Stelle wird demnach nicht ausgeschlossen, dass die Gesprächspartner verschiedener Ansicht darüber sein können, was die Angemessenheit des Verhaltens betrifft.[12] Um das Kooperationsprinzip zu präzisieren gibt Grice vier Kategorien an, die als Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit herangezogen werden können. In Anlehnung an Kant nennt er sie die Kategorien der Quantität, Qualität, Relation und Modlität. Diese wiederum beinhalten weitere Maximen und Untermaximen. Grice betont, dass die Befolgung der Maximen im Allgemeinen zu Ergebnissen führt, "die im Einklang mit dem Kooperationsprinzip stehen."[13]
Insofern also das Kooperationsprinzip die Angemessenheit der Redebeiträge fordert und die Maximen hierfür die Gelingensbedingungen formulieren, können diese als Kriterien und Prüfsteine für die Angemessenheit eines Redebeitrags verstanden werden.[14]
1. Katagorie der Quantität
1. Mache deinen Beitrag so informativ wie (für die gegebenen Gesprächszwecke) nötig.
2. Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig.
Der Zusammenhang zwischen den beiden Maximen besteht in der Begrenzung des Informationsgehalts. Die Maximen beschränken das Ausmaß des Redebeitrages auf die gegebenen Gesprächszwecke. Insofern die gegebenen Zwecke vielfältig sein können, von vornherein bestehen, sich im Gespräch ergeben oder währenddessen wechseln, können die Maximen keine exakten Hinweise für den Grad an Informativität formulieren.
Vielmehr soll sich der geleistete Redebeitrag an der Art des geführten Gesprächs orientieren. Ob ein Redebeitrag in seiner Informativität angemessen ist, wird unterschiedlich zu bewerten
sein. In einem Small-Talk ergeben sich andere Grade von Informativität als in einem Bewerbungs- oder Verkaufsgespräch.
Die zweite Maxime trägt dem Umstand Rechnung, dass es Gesprächssituationen gibt, in denen bestimmte Informationen weniger hilfreich oder gar belastend sind. Diese können der Erlangung des Gespächszweckes derart hinderlich sein, dass sie zu vermeiden sind.
Die Quantitätsmaximen orientieren sich am Prinzip der Ökonomie und fordern die Angemessenheit der übermittelten Informationen.[15]
[...]
[1] Grice: Logik und Konversation, S. 245
[2] Vgl.: Grice: Logik und Konversation, S. 245
[3] Vgl.: Grice: Logik und Konversation, S. 246
[4] Vgl.: Kemmerling: Implikatur, S. 323
[5] Grice: Logik und Konversation, S. 247
[6] Vgl.: Grice: Logik und Konversation, S. 248
[7] Grice: Logik und Konversation, S. 251
[8] Vgl.: Grice: Logik und Konversation, S. 253
[9] Grice: Logik und Konversation, S. 248
[10] Vgl.: Grice: Logik und Konversation, S. 253
[11] Grice: Logik und Konversation, S. 248
[12] Vgl.: Harras: Handlungssprache, S. 228
[13] Grice: Logik und Konversation, S. 249
[14] Vgl.: Harras: Handlungssprache, S. 229
[15] Vgl.: Eckard: Sagen und Meinen, S. 146
- Quote paper
- Sebastian Gebeler (Author), 2008, Rationalität und Kooperation in Paul Grices Theorie der Implikaturen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136713
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