Chuck Palahniuks 1996 erschienener Roman Fight Club wird im Wesentlichen von zwei Motiven dominiert: Männlichkeit und Gewalt.
Welche Formen von Gewalt finden sich im Text? Wie wird Männlichkeit definiert und dargestellt? In meiner Arbeit möchte ich die Verknüpfung zwischen den beiden Bereichen aufzeigen und näher analysieren. Ich möchte belegen, dass es sich bei Fight Club nicht bloß um eine spannende und unterhaltsame Lektüre handelt, sondern dass Palahniuk außerdem eine überzeugende, wenn auch natürlich überspitzte Abbildung und Analyse der modernen Gesellschaft gelungen ist. Er stellt in seinem Werk eine zentrale Problematik der heutigen Zeit dar. Worin genau das Dilemma besteht und welche Lösungsansätze im Text gefunden werden können – dies soll im Folgenden untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Ausgangssituation: Krise der Männlichkeit
III. Gewalt als Weg aus der Krise?
IV. Schlussbemerkung
V. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Chuck Palahniuks 1996 erschienener Roman Fight Club wird im Wesentlichen von zwei Motiven dominiert: Männlichkeit und Gewalt.
Welche Formen von Gewalt finden sich im Text? Wie wird Männlichkeit definiert und dargestellt?
In meiner Arbeit möchte ich die Verknüpfung zwischen den beiden Bereichen aufzeigen und näher analysieren.
Ich möchte belegen, dass es sich bei Fight Club nicht bloß um eine spannende und unterhaltsame Lektüre handelt, sondern dass Palahniuk außerdem eine überzeugende, wenn auch natürlich überspitzte Abbildung und Analyse der modernen Gesellschaft gelungen ist.
Er stellt in seinem Werk eine zentrale Problematik der heutigen Zeit dar. Worin genau das Dilemma besteht und welche Lösungsansätze im Text gefunden werden können – dies soll im Folgenden untersucht werden.
II. Ausgangssituation: Krise der Männlichkeit
Bevor die Krise der Männlichkeit näher beschrieben werden kann, muss zunächst kurz auf den Begriff der Männlichkeit an sich eingegangen werden:
„Der Begriff der Männlichkeit bedeutet >dem Mann angemessen, tapfer, mutig< (Duden Etymologie, 1989, S.438). Diese Eigenschaften spiegeln eine Geschlechterideologie wider, die dem m.en Geschlecht >natürliche< Attribute zuordnet. Darüber hinaus werden an diesen Zuweisungen und Geschlechtereigenschaften – besonders auch im Vergleich zum Weiblichen bzw. zur Weiblichkeit – Herrschaftskonstruktionen deutlich. [...] Im Zentrum dieser M.en steht jeweils ein historisch variables und kulturell differenziertes M.-Modell, dass die bestehende Geschlechterordnung stabilisiert, die >hegemoniale M.< (Connell 1999, S.98). Leitbilder dafür sind z.B. der Soldat, der Bürokrat, der Börsianer, der global player. Die Anpassung erfolgt an sich verändernde ökonomische und technologische Bedingungen, die Grundaspekte bleiben gleich: Risiko- und Einsatzbereitschaft, Angstverdrängung, Heroismus. Die Übernahme dieser Attribute erlaubt Frauen Zugang und Teilnahme an dieser (männlichen) Macht [...].“[1]
Diese Definition veranschaulicht, dass zum einen zwar der Männlichkeit bestimmte archaische Attribute zugeordnet werden können (deren Herleitung an dieser Stelle zu weit führen würde) und gewisse Idealtypen von Männlichkeit existieren, andererseits aber die Männlichkeit kein konstanter, stabiler Begriff ist, sondern im historischen und sozialen Kontext immer wieder neu definiert werden muss.
Wenn nun von einer Krise der Männlichkeit die Rede ist, kommt letzterem Punkt besondere Bedeutung zu, denn
“These [shifts in employment patterns in culture since the 1970s] are some of the reasons why, in late capitalism, men are no longer automatically the breadwinners in a family nor even necessarily employable. An important definition of the masculinty of the male subject since the Industrial Revolution has thus become unstable or irrelevant.”[2]
Natürlich liegt die veränderte Situation auf dem Arbeitsmarkt zu einem Teil auch begründet im Wandel des Frauenbilds. Die Tatsache, dass Frauen sich männliche Attribute aneignen[3], in vormals männliche Domänen vordringen, hat zwangsläufig Auswirkungen auf das männliche Rollenverständnis.
Es gibt noch eine weitere Ursache für diesen Wandel. In den letzten Jahrzehnten haben starke Veränderungen nicht nur auf dem beruflichen Sektor, sondern vor allem auch in den Familien stattgefunden. Die fortschreitende Emanzipation der Frau, aber auch eine immer stärker werdende Säkularisierung haben dazu geführt, dass “increasingly American boys are raised by their mothers with a lack of any strong male role-model in their life.“[4]
Im Rahmen der eigenen Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung kommt einem solchen Leitbild jedoch große Bedeutung zu. Ist im familiären Umfeld keines zu finden, muss auf andere Quellen zurückgegriffen werden, in erster Linie heißt das: auf die Medien. Dies ist jedoch problematisch, da „gerade die Visualisierung von Männlichkeit in Fotografie, Film, Popkultur und Videoclips der Gegenwart dabei auf Bilder zurückgreift, die eine lange Tradition im musée imaginaire der Geschlechtervorstellungen haben.“[5] Es entsteht also somit eine Diskrepanz zwischen dem medial vermittelten, archaischen Bild von Männlichkeit und der sich permanent wandelnden Realität.
Der Protagonist in Fight Club löst die Problematik eines fehlenden männlichen Leitbildes dadurch, dass er eine Schizophrenie entwickelt. Er erschafft Tyler Durden: “Tyler Durden [...] is everything the narrator wishes he could be. Tyler is a walking, talking, cultural commentator.”[6]
Antworten auf die Frage nach der eigenen Identität wollen auch die Werbung und die Konsumkultur geben, sie versagen dabei aber auf lange Sicht:
“You buy furniture. You tell yourself, this is the last sofa I will ever need in my life. Buy the sofa, then for a couple of years you’re satisfied that no matter what goes wrong, at least you’ve got your sofa issue handled. Then the right set of dishes. Then the perfect bed. The draps. The rug. Then you’re trapped in your lovely nest, and the things you used to own, now they own you.”[7]
Die fraglichen Leitbilder, die Medien, Werbung und Konsum vermitteln, haben ambivalente Auswirkungen.
Einerseits findet eine Ent-Männlichung statt: „And I wasn’t the only slave to my nesting instinct. The people I know who used to sit in the bathroom with pornography, now they sit in the bathroom with their IKEA furniture catalogue.”[8] Mit anderen Worten kann gesagt werden: “The crisis of capitalism is reduced to the crisis of masculinity, and the nature of the crisis lie less in the economic, political, and social conditions of capitalism itself than in the rise of a culture of consumption in which men are allegedly domesticated, rendered passive, soft, and emasculated.”[9]
Andererseits ist zu beobachten, dass die Medien immer stärker eine bestimmte Art von Männlichkeit propagieren, und zwar über den Körper. Von einer breiten Masse wird dies, in Ermangelung anderer Alternativen, bereitwillig als männliches Leitbild angenommen: “For many men, therefore, the body has become the irreducible ground zero of their subjectivity as masculine [...].”[10]
Eine neue Problematik entsteht dadurch, dass viele Männer diesem Leitbild nicht gerecht werden können, denn
“However, such representations rarely show accurately what it takes to achieve such a figure. [...] The represented contours of the body’s musculature thus both signify and conceal the effort required to gain them. The idealized male body accordingly appears to us as natural, effortlessly achieved – even when we know, that this is not the case.”[11]
Darüber hinaus wird auch deutlich, dass diese Art von Leitbilder rein artifiziell sind, denn “ironically, the muscular male body, which until comparatively recently signified the working-class body, used to be the by-product of physical labour. It is now the goal of physical effort performed in gymnasia, on home exercise machines, and so on[...].”[12]
In Fight Club wird diese Thematik verkörpert durch Bob:
„There was Bob. The first time I went to testicular cancer, Bob, the big moosie, the big cheesebread moved in on top of me in Remaining Man Together and started crying. The big moosie treed right across the room when it was hug time, his arms at his sides, his shoulders rounded. His big moosie chin on his chest, his eyes already shrink-wrapped in tears. Shuffling his feet, knees-together invisible steps, Bob slid across the basement floor to heave himself on me.”[13]
Diese groteske Gestalt, dieser Inbegriff der männlichen Krise hat seinen Ursprung in dem artifiziellen, körperbetonten Leitbild von Männlichkeit:
“Big Bob was a juicer, he said. All those salad days on Dianabol and then the racehorse steroid, Wistrol. His own gym, Big Bob owned a gym. He’d been married three times. He’d done product endorsements, and had I seen him on television, ever? The whole how-to program about exapanding your chest was practically his invention. [...] A lot of bodybuilders shooting too much testosterone would get what they call bitch tits. [...] It’s a stupid way of life, Bob said, but when you’re pumped and shaved on stage, totally shredded with body fat down to around two percent and the diuretics leave you cold and hard as concrete to touch, you’re blind from the lights, and deaf from the feedback rush of the sound of the sound system until the judge orders: >Extend your right quad, flex and hold.<”[14]
Die Orientierungslosigkeit, die permanente Suche nach der eigenen Identität, die zu keinen dauerhaft zufrieden stellenden Antworten führt, sondern nur eine immer größere Entfremdung vom eigenen Selbst und vom eigenen Körper zur Folge hat, wird eingangs in Fight Club anschaulich verbildlicht: “Three weeks and I hadn’t slept. Three weeks, and everything becomes an out-of-body-experience. My doctor said, >Insomnia is just the symptom of something larger. Find out, what’s actually wrong. Listen to your body.<”[15]
Natürlich handelt es sich bei dem “something larger” um die Krise der Männlichkeit.
Nachdem nun neben der kurzen Darstellung der Gründe für die Krise auch aufgezeigt werden konnte, dass die moderne Konsumgesellschaft keine zufrieden stellenden Antworten liefert, stellt sich nun die Frage, inwiefern Gewalt einen Ausweg aus der Krise der Männlichkeit darstellt.
III. Gewalt als Weg aus der Krise?
Nicht jeder Mann ist aggressiv und auch Frauen können Gewalt ausüben. Dies kann nicht in Frage gestellt werden.
Jedoch ist festzuhalten, dass eine gewisse natürliche (aufgrund der körperlichen Voraussetzungen) und historische Verknüpfung zwischen Männlichkeit und Gewalt besteht:
[...]
[1] Kroll, Renate (ed.): Metzler Lexikon – Gender Studies – Geschlechterforschung – Ansätze, Personen, Grundbegriffe, Stuttgart und Weimar: Metzler, 2002, S. 252 f.
[2] Buchbinder, David: “Object or Ground? The Male Body as Fashion Accessory”, Canadian Review of American Studies 34 (3,2004), S. 224
[3] Vgl. Kroll, Renate (ed.): Metzler Lexikon – Gender Studies – Geschlechterforschung – Ansätze, Personen, Grundbegriffe, Stuttgart und Weimar: Metzler, 2002, S. 253
[4] Rothe-Kushel, Jethro: Fight Club: A Ritual Cure For The Spiritual Ailment Of American Masculinity, www.thefilmjournal.com, 04.10.2006, S. 7
[5] Stephan, Inge: „Im toten Winkel“, Männlichkeit als Maskerade, Köln: Böhlau, 2003, S.22
[6] Rothe-Kushel, Jethro: Fight Club: A Ritual Cure For The Spiritual Ailment Of American Masculinity, www.thefilmjournal.com, 04.10.2006, S. 2
[7] Palahniuk, Chuck: Fight Club, London: Vintage, 2003, S. 44 (Im Folgenden zitiert als: FC)
[8] FC, S.43
[9] Giroux, Henry A.: Public Spaces, Private Lives, Oxford: Rowman & Litterfield, 2001
[10] Buchbinder, David: “Object or Ground? The Male Body as Fashion Accessory”, Canadian Review of American Studies 34 (3,2004), S. 224
[11] Ibid., S.228
[12] Buchbinder, David: “Object or Ground? The Male Body as Fashion Accessory”, Canadian Review of American Studies 34 (3,2004), S. 227
[13] FC, S.21
[14] Ibid., S.21 f.
[15] Ibid., S.19
- Quote paper
- Eva Mona Altmann (Author), 2006, Über Verwendung, Bedeutung und Verknüpfung der Motive Männlichkeit und Gewalt in Chuck Palahniuks Roman 'Fight Club', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136328
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