Die Arbeit untersucht einen Zusammenhang der Covid-19-Pandemie und der Digitalisierung an allgemeinbildenden Schulen. Außerdem wird eine zukünftige Gestaltung des Unterrichts mit digitalen Medien erarbeitet. Es wird eine Steigerung des Einsatzes digitaler Medien im Präsenzunterricht nach den Schulschließungen angenommen. Mit einem quantitativen Online–Fragebogen mit n = 112 Teilnehmenden (11–21 Jahre, 58% weiblich), wurde die digitale Mediennutzung im Unterricht vor der Pandemie und aktuell abgefragt. Zusätzlich werden Methoden des Einsatzes digitaler Medien, das Alter der Lehrkräfte, die digitale Medien nutzen und die Motivation der Lernenden im Unterricht mit und ohne digitale Medien überprüft. Die Haupthypothese konnte nur im Fall des Einsatzes der Tablets bestätigt werden, die anderen Medien werden nicht häufiger eingesetzt als vor der Pandemie.
Die Digitalisierung wird seit Anfang der 2010–Jahre als wichtiges Thema in der Politik und Gesellschaft diskutiert. Aktuelle Relevanz hat die Digitalisierung an deutschen Schulen zusätzlich durch die Covid-19-Pandemie gewonnen. Während der Schulschließungen waren digitale Endgeräte wichtig, da-mit Lehrkräfte mit Lernenden in Kontakt bleiben, Aufgaben verschicken oder online unterrichten konnten. Während der letzten zwei Jahre wurden dabei viele Probleme offensichtlich, da viele Schulen nur wenig digitalisiert sind. Dabei wird die Digitalisierung immer wichtiger.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Hintergrund und Zielsetzung
1.2 Struktur der Arbeit
1.3 Definitionen
2. Herausforderung Schule in der Pandemie
2.1 Situation während der Schulschließungen
2.2 Aktuelle Situation an den Schulen
2.3 Wirksamkeit digitaler Medien
3. Deutsche Politik und Digitalisierung an Schulen
4. Einsatz digitaler Medien im Ländervergleich
4.1 Privatschulen in den Vereinigten Staaten
4.2 Staatliche Schulen in Dänemark
5. Exkurs: Die Gefahr von sozialen Medien
6. Neue Lehr-Lernkonzepte
6.1 Lehrkräfte
6.2 Lernende
6.4 Grenzen und Hindernisse digitaler Medien
6.5 Wie digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden können
6.6 Konkretisierung der Hypothesen
7. Methodik
7.1 Forschungsdesign
7.2 Messinstrument
7.3 Untersuchungsablauf
7.4 Stichprobe
8. Auswertung
8.1 Allgemeine Auswertung der deskriptiven Daten
8.2 Auswertung Hypothese 1
8.3 Auswertung Hypothese 2
8.4 Auswertung Hypothese 3
8.5 Auswertung Hypothese 4
9. Diskussion
9.1 Interpretation der allgemeinen deskriptiven Auswertung
9.2 Hypothese 1: Einsatz digitaler Medien im Unterricht im Vergleich
9.3 Hypothese 2: Methodeneinsatz mit digitalen Medien im Vergleich
9.4 Hypothese 3: Das Alter der Lehrkräfte
9.5 Hypothese 4: Motivation der Lernenden durch digitale Medien
9.6 Reflexion, Grenzen und Einschränkungen der Erhebung
10. Schlussbetrachtung
10.1 Implikationen für die Praxis
10.2 Fazit und Ausblick
11. Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit untersucht einen Zusammenhang der Covid-19-Pandemie und der Digitalisierung an allgemeinbildenden Schulen. Außerdem wird eine zukünftige Gestaltung des Unterrichts mit digitalen Medien erarbeitet. Es wird eine Steigerung des Einsatzes digitaler Medien im Präsenzunterricht nach den SchulSchließungen angenommen. Mit einem quantitativen Online-Fragebogen mitn= 112 Teilnehmenden (11-21 Jahre, 58% weiblich), wurde die digitale Mediennutzung im Unterricht vor der Pandemie und aktuell abgefragt. Zusätzlich werden Methoden des Einsatzes digitaler Medien, das Alter der Lehrkräfte, die digitale Medien nutzen und die Motivation der Lernenden im Unterricht mit und ohne digitale Medien überprüft. Die Haupthypothese konnte nur im Fall des Einsatzes der Tablets bestätigt werden, die anderen Medien werden nicht häufiger eingesetzt als vor der Pandemie.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Suizidraten in den USA nach Alter 2010-2019 (Suicide Prevention Center 2022)
Abbildung 2: Die 10 häufigsten Todesursachen nach Alter in den USA 2019 (Suicide Prevention Center 2022)
Abbildung 3: Altersverteilung der Lehrkräfte Deutschlands 2022
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Verteilung der Geschlechter der Befragten
Tabelle 2: Verteilung nach Alter der Befragten
Tabelle 3: Verteilung nach Klassenstufen der Befragten
Tabelle 4: Verteilung der Schulformen der Befragten
Tabelle 5: Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien
Tabelle 6: Einsatz digitaler Medien für Hausaufgaben
Tabelle 7: Einsatz digitaler Medien zum Lernen für Klassenarbeiten
Tabelle 8: Vergleich digitaler Medien vor der Pandemie und aktuell
Tabelle 9: Aufgaben- und Methodeneinsatz im Unterricht
Tabelle 12: Häufigkeit der digitalen Mediennutzung im Unterricht nach Alter der Lehrkräfte
Tabelle 10: Motivation im Unterricht deskriptive Statistik
Tabelle 11: Motivation im Unterricht t-Test
1. Einleitung
1.1 Hintergrund und Zielsetzung
Die Digitalisierung wird seit Anfang der 2010-Jahre als wichtiges Thema in der Politik und Gesellschaft diskutiert (Wollmann 2020, S. 269). Aktuelle Relevanz hat die Digitalisierung an deutschen Schulen zusätzlich durch die Covid-19-Pandemie gewonnen. Während der Schulschließungen waren digitale Endgeräte wichtig, damit Lehrkräfte mit Lernenden in Kontakt bleiben, Aufgaben verschicken oder online unterrichten konnten. Während der letzten zwei Jahre wurden dabei viele Probleme offensichtlich, da viele Schulen nur wenig digitalisiert sind (Wolter et al. 2020). Dabei wird die Digitalisierung immer wichtiger.
„Digitalisierunggehört heute mehr denn je zum Leben. Eine Schule, die sich derdamit verbundenen erzieherischen Aufgaben verschließt, würde ihrem Bildungsund Erziehungsauftrag nicht gerecht werden.“(Zierer 2021, S. 390)
Mit dem Zitat von dem Pädagogen Klaus Zierer wird deutlich, wie wichtig Digitalisierung in den Schulen ist. Heute ist es notwendig, dass Lernende bereits in der Schule auf eine digitale Welt vorbereitet werden. (Zierer 2021, S. 377f.) Besonders das Homeschooling verdeutlichte, dass weder Lernende noch Lehrkräfte oder Schulen auf digitalen Unterricht vorbereitet sind. Verglichen mit anderen Ländern, steht Deutschland auf einem der hinteren Ränge, was Digitalisierung in Schulen betrifft. In der OECD-Studie von 2020 belegt Deutschland im Hinblick auf Digitalisierung in den Schulen Platz 77 von 79. Deutschlands Nachbarland Dänemark belegte den 10. Platz. Weil Dänemarks Digitalisierung weiter fortgeschritten ist als die in Deutschland, wird innerhalb dieser Arbeit die dänische Digitalisierung an Schulen genauer untersucht. (OECD 2020, S. 111 -130) Das Ziel der Arbeit ist herauszustellen, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Digitalisierung an deutschen Schulen hat und wie Digitalisierung an den Schulen gestaltet werden kann.
Mithilfe der quantitativen Forschungsmethode in Form von Online-Fragebögen, die sich an Lernende allgemeinbildender Schulen ab der 7. Klasse in Niedersachsen richtet, soll herausgearbeitet werden, wie sich die Situation an den Schulen nach fast zwei Jahren Schulalltag bzw. Homeschoolingalltag in der Pandemie verändert hat. Werden aktuell verstärkt digitale Medien eingesetzt im Vergleich zu dem vorherigen Schulalltag? Für welche Aufgaben und Methoden werden digitale Medien im Unterricht aktuell und vor der Pandemie verwendet? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Alter der Lehrkräfte und ihrer Nutzung von digitalen Medien im Unterricht? Sind Lernende motivierter, wenn sie mit digitalen Medien arbeiten? Zusammengefasst werden diese Fragen unter der Hauptfragestellung der Arbeit:Wie hat sich die Covid-19 Pandemie auf die Digitalisierung an allgemeinbildenden Schulen ausgewirkt und wie kann diese in Zukunft digital gestaltet werden?
Die Fokussierung auf niedersächsische Schulen wurde gewählt, weil die pandemische Lage in den Bundesländern und die damit verbundenen Maßnahmen variieren. Mit dem Blick nur auf Niedersachsen kann eine kohärente, von gleichen Maßnahmen betroffene Datenerhebung in den Schulen gewährleistet werden. Niedersachsen wurde ausgewählt, aufgrund des Wohnortes und der Lage der Universität in Oldenburg. Dennoch kann aufgrund der Online-Befragung nicht ausgeschlossen werden, dass Lernende aus anderen Bundesländern an der Erhebung teilgenommen haben.
Die Arbeit basiert auf verschiedenen Studien, die in den Jahren vor der Covid- 19-Pandemie veröffentlicht wurden. Die BITKOM-Studie von 2015 zeigt den digitalen Zustand vor der Pandemie. Mit der OECD-Studie, die auf den PISA-Daten von 2018 beruht, kann die Digitalisierung in Deutschland mit der anderer europäischer Länder verglichen werden und Mängel in diesem Bereich aufdecken. Zusätzlich wird Homeschooling und das damit verbundene Thema „Blended Learning“ betrachtet, weil es in den letzten zwei Jahren für den Alltag an Schulen ausschlaggebend war. Dazu hat Klaus Zierer während der Pandemie einzelne Artikel verfasst, die in einem Werk 2020 zusammengefasst wurden. Gemeinsam mit John Hattie hat Klaus Zierer die Wirksamkeit von digitalen Medien im Unterricht erforscht. Dieses Werk dient als Grundlage für diese Arbeit. Anschließend wird der politische Kontext erklärt, der die Digitalisierung deutscher Schulen verantwortet. Dafür sind der Digitalpakt von 2019 und aktuelle politische Verträge, wie der neue Koalitionsvertrag zwischen SPD, FDP und den Grünen ausschlaggebend. Im Bereich der Länderstudien zur Digitalisierung an Schulen dient die ICILS Studie 2018 dazu, Deutschland mit Dänemark und den Vereinigten Staaten von Amerika zu vergleichen.
Für diese Arbeit sind einige Einzelstudien grundlegend. Dazu gehören die Studien von Bock und Probst zum Thema digitales Lehren und Lernen, Wößmann et al. (2021) „Bildung erneut im Lockdown“ und Wolter et al. (2020) „Coronabedingte Schulschließungen - und nun funktioniert alles digital?“. Das Sammelwerk „Schule digital - wie geht das?“ herausgegeben von Olaf Burow beinhaltet viele Aufsätze verschiedener Autoren zur Digitalisierung und Gestaltung digitalen Unterrichts. Das Thema Motivation im Unterricht wird durch die Analyse der Autoren Deci und Ryan (1993) behandelt. Die Informationen, die mit der aktuellen Covid-19-Situa- tion zusammenhängen, sind noch nicht in Studien oder Monografien zu finden, daher werden für diese Informationen Webseiten verwendet, die vom Land zur Verfügung gestellt werden.
Bei der Betrachtung von digitalen Medien im Unterricht ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass der Einsatz nicht gesondert betrachtet werden kann. Der Einsatz digitaler Medien muss im Kontext von Unterrichtsprozessen, Lehrkräften, Lernenden und der Schule gesehen werden (Herzig 2014, S. 11). In den theoretischen Grundlagen werden diese Einflussfaktoren beleuchtet und um die Faktoren deutsche Politik und globale Entwicklungen mit digitalen Medien in der Schule ergänzt.
1.2 Struktur der Arbeit
Die Arbeit teilt sich thematisch in zwei Bereiche auf. Der erste Teil dient der Beschreibung des aktuellen Zustands der Digitalisierung an den Schulen, der auch in der quantitativen Forschung untersucht wird. Damit verzahnt wird die zweite Frage der Arbeit, wie sich digitaler Unterricht an allgemeinbildenden Schulen zukünftig gestalten lässt.
Zunächst wird im theoretischen Teil der Arbeit die Situation der Pandemie im Homeschooling und aktuell beschrieben, welche dann in den politischen Kontext einführt, der für die Zukunft der schulischen Digitalisierung maßgeblich ist. Danach werden Beispiele aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Dänemark zeigen, wie die Digitalisierung an privaten und staatlichen Schulen in anderen Ländern funktioniert. Der folgende Exkurs soll darauf hinweisen, wie durch falsche Nutzung und Unwissenheit (soziale) digitale Medien zur Gefahr insbesondere für junge Menschen werden können. Der fachwissenschaftliche Abschnitt endet mit den neuen Lehrkonzepten, wie Digitalisierung an deutschen allgemeinbildenden
Schulen eingesetzt werden kann. Anschließend werden die quantitative Methode und der Fragebogen, sowie die Stichprobe und weitere Faktoren der Methodik erläutert. Die Ergebnisse werden daraufhin dargestellt und in der Diskussion interpretiert. Im abschließenden Fazit wird ein Ausblick auf zukünftige Digitalisierung an allgemeinbildenden Schulen gegeben.
1.3 Definitionen
„Blended Learning“ist ein Lernmodell aus der Pädagogik, dass die klassische Schullehre in Präsenz mit der Onlinelehre außerhalb der Schule verbindet (Graham 2006, S. 3-5).
Digitale Medienist ein häufig verwendeter Begriff, wenn es um Digitalisierung geht. Grundsätzlich sind damit Träger oder Vermittler von Informationen gemeint (Lengsfeld 2019, S. 15-17). Im schulischen Kontext sind damit feste oder mobile Endgeräte sowie digitale Arbeitsgeräte gemeint, z.B. stationäre Computer, Notebooks, Beamer und interaktive Whiteboards. Außerdem sind hier damit neben der Hardware auch Software und digitale Inhalte gemeint, wie z.B. Online-Schulbücher, Lernapps oder Lernvideos.
Digitalisierungbezeichnet die Entwicklung, digitale Technologien in soziale und geschäftliche Prozesse einzubinden, um diese weiterzuentwickeln und zu verbessern. In diesem Kontext ist die Digitalisierung in den Schulen gemeint, die spezifiziert bedeutet, dass digitale Medien an Schulen für den Unterricht genutzt werden. (Bundeszentrale für politische Bildung 2022)
Homeschoolingunterscheidet sich vom Hausunterricht, weil dieser in Deutschland aufgrund der allgemeinen Schulpflicht nicht möglich ist. Hausunterricht, wie er beispielsweise in den USA, Österreich und anderen Ländern möglich ist, ist dadurch charakterisierbar, dass die Eltern die Entscheidung über die Art der Beschulung treffen. Im Kontext dieser Forschung ist das unfreiwillige bzw. notgedrungene Unterrichten zuhause gemeint, das durch Schulschließungen aufgrund der Covid-19- Pandemie unumgänglich war. Die Unterrichtenden sind nicht zwangsläufig die Eltern, sondern die Lehrkräfte aus der Schule, die durch verschiedene Formen des digitalen Unterrichts die Lernenden erreichen. (Zierer 2020, S. 14-22)
2. Herausforderung Schule in der Pandemie
2.1 Situation während der Schulschließungen
In diesem Kapitel wird die Situation des Homeschoolings während des Lockdowns geschildert und die Auswirkungen auf die Lernenden beschrieben. Aktuell sind die Schulen hauptsächlich geöffnet, im Anschluss an die Situation im Homeschooling wird die aktuelle Lage an den Schulen erläutert. Beides bereitet darauf vor, zu erklären, was die Forschung über die Wirksamkeit von digitalen Medien im Schulkontext aussagt.
Mit der Covid-19-Pandemie und den damit einhergehenden Restriktionen, wie Kontaktbeschränkungen, ist eines sehr deutlich geworden: Deutsche Schulen sind kaum digitalisiert. Was das für das Homeschooling bedeutete, zeigten die ersten Monate der Pandemie 2020. Die Lehrkräfte hatten Schwierigkeiten, die Lernenden zu motivieren, Unterricht zu gestalten und in kurzer Zeit ihren Unterricht von analog auf digital zu verändern. Technische Probleme, wie unstete Internetverbindungen oder die Herausforderung, mit den Lernplattformen umzugehen, erschwerten den digitalen Unterricht. (Lorenz et al. 2020, S. 4-5)
Außerdem fehlten den Lernenden die digitalen Endgeräte. Für einkommensschwache und sozial benachteiligte Familien waren die Bedingungen noch schwieriger. Ohne Zugang zum Internet, digitale Endgeräte für jedes Kind oder eine ruhige Lernumgebung, konnten die Lernenden kaum am Homeschooling teilnehmen. Die Studie von Langmeyer et al. stellt heraus, dass 22% der Lernenden kein eigenes Zimmer haben. Wenn Lernende keine eigenen Endgeräte besaßen, konnten sie sich teilweise welche in der Schule ausleihen. (Langmeyer et al. 2020, S. 26) Das war jedoch eher selten der Fall. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 fehlte es an technischer Ausstattung in den Schulen, sodass der Einsatz digitaler Medien wenig genutzt werden konnte. Ein weiterer Grund dafür war auch die fehlende Medienkompetenz der Lehrkräfte (Langmeyer et al. 2020, 91f.).
Lernende mit schwächerer Lernleistung oder mit Eltern ohne akademischen Hintergrund konnten während der Schulschließungen weniger effektiv lernen. Das lässt auf eine Verstärkung der Bildungsungerechtigkeit durch die Pandemie schließen. Auch wenn Fördermaßnahmen an den Schulen ergriffen werden, werden diese häufiger von Kindern genutzt, deren Eltern einen akademischen Hintergrund haben und nicht von denjenigen, die leistungsschwächer sind und/oder nicht-akademische Eltern haben. Wößmann et al. fordern deswegen eine verstärkte Ausrichtung auf benachteiligte Gruppen. (Wößmann et al. 2021, S. 17-19) Das Thema der sozial benachteiligten Familien während der Pandemie ist ein sehr umfangreiches, welches hier aus Gründen der thematischen Beschränkung nur am Rande angeschnitten wird. Zur Vertiefung in dieses Thema wird die Studie „Kind sein in Zeiten von Corona“ von Langmeyer et al. empfohlen.
Die Schulen und ihre Lehrkräfte genauso wie die Eltern, hatten keine Vorbereitungszeit auf den Online-Unterricht. Als dieser nötig wurde, konnte die Qualität des Unterrichts nicht gewährleistet werden, denn eine einfache Übertragung vom normalen Schulbesuch hin zum ausschließlichen Lernen von zuhause ist unmöglich (Wolter et al. 2020, S. 1). Während der Covid-19-Pandemie waren vor allem die Lehrkräfte gefragt, wie sie schnellstmöglich ein neues funktionierendes Lehr-Lernkonzept erstellen, ohne die Lernenden täglich zu sehen. In der Studie von Wolter et al. wurden Eltern von Lernenden der 8. Klasse verschiedener Schulformen zu den Schulschließungen, der technischen Ausstattung und der Lernunterstützung befragt. Ihre Einschätzungen verdeutlichen die Situation zu Beginn der Pandemie.
Zur Zeit der Schulschließungen verbrachten Lernende der weiterführenden Schulen zwischen 8 und 20 Stunden pro Woche mit Lernmaterialien und Bearbeiten der Aufgaben für die Schule. Dabei zeigten sich zwischen den Schulformen oder dem familiären Hintergrund, aufgeteilt in akademisch und nicht akademisch, keine Unterschiede in der Lernzeit (Wolter et al. 2020, S. 2). Im Lockdown zum Anfang des Jahres 2021 haben die Lernenden durchschnittlich 4,3 Stunden pro Tag mit dem Lernen verbracht, was täglich ca. eine Dreiviertelstunde mehr war als im ersten Lockdown März/April 2020. Im Vergleich zu einem normalen Schultag sind das knapp drei Stunden weniger. (Wößmann et al. 2021, S. 3)
Die Eltern wurden durch die geschlossenen Schulen zu den neuen Lehrkräften ihrer Kinder. Dabei fühlten sich nicht alle ausreichend vorbereitet und geeignet. Nur 29% fühlten sich „voll und ganz“ dazu in der Lage, ihre Kinder inhaltlich zu unterstützen, 46% gaben dazu nur die Antwortmöglichkeit „ausreichend“ an. 25% der Eltern fühlten sich nicht bereit, ihre Kinder inhaltlich zu unterstützen. Hier waren die akademischen Eltern eher zuversichtlich, dass ihre Fähigkeiten genügen, um ihre Kinder zu unterrichten. (Wolter et al. 2020, S. 2) Eine mögliche Ursache für die Selbsteinschätzung der fehlenden Fähigkeiten könnten beispielsweise unbekannte Unterrichtsthemen sein oder zu hohe Anforderungen durch die Klassenstufe.
Die Lernenden mussten ihre Schulmaterialien hauptsächlich online abrufen, sodass die technische Ausstattung zuhause wichtig wurde. 87% der Eltern beantworteten die Frage danach, ob eine technische Ausstattung zuhause gegeben sei mit ja und eher ja. Die anderen 13% der Lernenden waren für die Schulschließungen zuhause nicht ausreichend mit digitalen Medien ausgestattet. (Wolter et al. 2020, S. 3)
Die unvorbereitete Umstellung auf Homeschooling und digitalen Unterricht funktionierte an den Schulen unterschiedlich erfolgreich. Den Lernenden mangelte es z.T. an Medienkompetenz, die sie für digitalen Unterricht benötigt hätten. Das wurde vor allem an Grundschulen deutlich, aber auch an Hauptschulen und anderen Schulformen ohne Abituroption. Gymnasien, Realschulen und andere Schulen mit Abituroptionen dagegen waren besser auf die digitale Unterrichtsform vorbereitet, weil die Lernenden dort eine stärkere Medienkompetenz vorweisen konnten (Lorenz et al. 2020, S. 9).
Die Kontaktbeschränkungen waren für die Lernenden schwierig und blieben nicht folgenlos: Mehr als die Hälfte der befragten Eltern gab an, dass ihre Kinder durch die geschlossenen Schulen und die Kontaktbeschränkungen an sozialer Fähigkeit eingebüßt hätten. Etwa ein Drittel der Befragten gab als zusätzliche Konsequenz an, dass ihre Kinder an Gewicht zunahmen. Positive Entwicklungen gab es dagegen in der Selbstständigkeit der Kinder, die sich zunehmend ihren Unterrichtsinhalt selbst aneigneten. Außerdem gaben zwei Drittel der Eltern an, dass ihre Kinder besser mit digitalen Medien umgehen können. Abschließend schätzen die befragten Eltern die Effektivität des Lernens zuhause als geringer ein als das Lernen in der Schule. Durch die mehrmonatigen Schulschließungen 2020 und 2021 bedeutet das für die Lernenden einen erheblichen Lernzeitverlust. (Wößmann et al. 2021, S. 18)
Durch das Homeschooling wurden auch die Zeitungen und Medien auf das Thema Digitalisierung der Schulen verstärkt aufmerksam. Die Artikel zeigen auf, wie schlecht es um die schulische digitale Ausstattung bestellt ist, wie groß die soziale Benachteiligung von Lernenden aus bildungsfernen Milieus ist und wie überfordert die Eltern durch ihre neue Rolle als Lehrkräfte sind. (Der Spiegel 2021; Frankfurter Allgemeine Zeitung 2021) Die deutsche Medienlandschaft berichtete über politische Versäumnisse, die im dritten Kapitel genauer erläutert werden.
2.2 Aktuelle Situation an den Schulen
Im Zeitraum der Erhebung und Verarbeitung der Daten für diese Arbeit, welche zwischen November 2021 bis Februar 2022 erfolgte, fand der Präsenzunterricht an den niedersächsischen allgemeinbildenden Schulen hauptsächlich statt.
Durch festgelegte Gruppen, wie Klassen, Kurse oder Kohorten sind vergleichsweise normaler Unterricht und auch Ganztagsangebote möglich. Dies funktioniert nur mit Einschränkungen, um die Gefahr der Infektionen möglichst niedrig zu halten. Allgemein gilt in den Schulen die 3G-Regel, das heißt es dürfen nur negativ Getestete, Geimpfte oder Genesene die Schule betreten, wenn sie dabei den Nachweis vorzeigen. Für die Lernenden bedeutet das, dass bereits ab der 1. Klasse Maskenpflicht mit medizinischen Masken herrscht. Während des Unterrichts ist alle 20 Minuten für 5 Minuten zu lüften, genau wie in den Pausen. In den Lüftungspausen darf die Maske abgenommen werden und auch zum Essen, Trinken, in den Pausen im Freien und beim Sportunterricht muss keine Maske getragen werden. Diese Maßnahmen ermöglichen es, dass ein Abstandsgebot in den Klassen nicht eingehalten werden muss, so sind bspw. Partnerarbeiten möglich. Vor dem Schulbeginn muss dafür ein Schnelltest zuhause durchgeführt werden. Die Eltern müssen täglich unterschreiben, dass ihr Kind ein negatives Schnelltestergebnis vorweisen konnte. Das wird vor dem Einlass der Lernenden in die Schule überprüft. Die Tests werden in der Schule durch neue ersetzt. Insbesondere in der Grundschule wird darauf geachtet, dass die Lernenden sich nach dem Einlass in die Schule und vor dem Essen die Hände waschen. Die Pausen finden zeitlich versetzt in den Kohorten statt. Nach Möglichkeit sollen Elternabende oder -Sprechtage digital stattfinden, sonst gilt die 2G-Plus-Regel, sodass nur die Schule betreten darf, wer geimpft oder genesen ist und zusätzlich einen negativen Corona-Schnelltest vorweisen kann. Wenn Lernende zu den vulnerablen Gruppen gehören, ist es möglich, sich vom Präsenzunterricht befreien zu lassen. (Niedersächsisches Kultusministerium 2022)
Ende Januar 2022 waren die Zahlen der erkrankten Lehrkräfte (9551) und der erkrankten Lernenden (147.621) sowie der in Quarantäne befindlichen Lehrkräfte (5582) und Lernenden (212.225) sehr hoch (KMK 2022, S. 1). Deswegen wird in der Länder- und Bundespolitik ständig beraten, welche Corona-Maßnahmen sinnvoll sind. Neben Niedersachsen soll zum Vergleich die pandemische Lage in Berlin erörtert werden. Dort herrscht aktuell eine Inzidenz von 1848 Covid-19-Infizierten pro 100.000 Einwohner am 30.01.2022 (Robert Koch Institut 2022). Deswegen wurde bereits die Präsenzpflicht für einen Zeitraum von 25. Januar bis 28. Februar aufgehoben (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie 2022).
2.3 Wirksamkeit digitaler Medien
Die Wirksamkeit vom Lernen mit digitalen Medien zeigt in Metaanalysen sowohl kleinere bis mittlere Effektstärken an. Die Effekte waren im mittleren Bereich, wenn Lehrkräfte durch Fortbildungen im Umgang mit digitalen Medien Kompetenzen erlernt hatten, das Lernangebot vielfältig war mit flexibler Zeiteinteilung und Lernende Feedback erhalten haben. (Herzig 2014) Welchen Effekt die einzelnen Faktoren haben, wird auf dem Hattie-Barometer dargestellt, das eine Skala vond= -.2 - 1.0 hat. Zum Vergleich hat der normale Schulbesuch Effektstärken zwischend= .2 undd= .4, während „Webinare“ einen Wert vond= .14 aufweisen und der Wert von „Blended Learning“ beid= .35 liegt. Zur Einordnung dieser Werte ist wichtig, dass Werte, die über .4 liegen gut wirken, Werte von .2 bis .4 wenig wirken, zwischen 0 - .2 kaum wirken und alles im Bereich unter 0 schadet. Nach Hattie wiesen Simulationsprogramme (d= .33) und interaktive Videos (d= .52) die höchsten Effektstärken auf. (Hattie et. al 2019, S.195-199; Zierer 2020, S. 33)
Auch Metaanalysen können Verzerrungen begünstigen, da anzunehmen ist, dass positive und höhere Effektstärken häufiger publiziert werden (Herzig 2014).
Zierer (2020) hat dem Thema der Wirksamkeit von Homeschooling und damit auch „Blended Learning“ ein Kapitel in seinem Werk gewidmet. Darin erklärt er einzelne Faktoren vom Lernen außerhalb der Schule, wie bspw. „Online Lernen“, „Webinare“ und auch „Blended Learning“ (Zierer 2020, S. 27; Hattie et. al 2019, S.195-199).
Bis auf „Blended Learning“ haben alle anderen Faktoren eine niedrigere Wirksamkeit verglichen mit den Werten des normalen Schulbesuchs. Die Wirksamkeit von „Blended Learning“ wurde in der Metaanalyse von Bernard et al. (2014) aus 21 Studien untersucht. Daraus wird deutlich, dass „Blended Learning“ auf der Wirksamkeitsskala alle Bereiche abdeckt, sehr wirksam sein kann, aber auch in den unwirksamen Bereich reicht. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sowohl die Qualität von „Blended Learning“ als auch der Umgang mit den Studierenden selbst entscheidend dafür ist, ob „Blended Learning“ wirksam oder unwirksam ist. (Bernard et al. 2014)
Es bleibt zu bedenken, dass sich die Metaanalyse auf Daten zwischen 1992 und 2008 bezieht. Mit der Weiterentwicklung von Hardware und Software könnte das bedeuten, dass die Wirksamkeit sich auch weiterentwickelt, demnach aktuell bessere Effekte erzielt als vor ca. 10-30 Jahren. Zierer hält mit einer weiteren Metaanalyse von 2021 dagegen. Darin vergleicht er die zeitliche Entwicklung der Effektstärken mit dem Alter der Metaanalysen. Bis auf einige Ausreißer, pendelt sich die Effektstärke ungefähr beid= .4 ein und bleibt dort auch seit den ersten Studien zum Thema 1980. In den letzten 20 Jahren haben sich die Forschungsbeiträge dazu stark verdichtet. (Zierer 2021, S. 387) Das zeigt, dass Digitalisierung und Schule schon länger ein Bestandteil der Forschung sind, der aktuell wichtiger geworden ist. Dieser Effekt wird vermutlich durch die Auswirkungen der Pandemie auf die Digitalisierung an Schulen weiter anhalten, wenn nicht gar verstärken.
In Zierers Überblick über die Metaanalysen zur Wirksamkeit digitaler Medien im Unterricht untersuchte er die Wirksamkeit auch nach Fächern. Dabei zeigte sich, dass sechs Faktoren bedeutsam sind: Digitalisierung im Fremdsprachenunterricht, in Mathematik, in anderen Fächern, beim Lesen, beim Schreiben und in den Naturwissenschaften. Der größte Effekt wurde im Fremdsprachenunterricht erzielt, mit einer Effektstärke vond= .53, was einen mittleren Effekt bedeutet. Einen kleinen Effekt hat die Digitalisierung in Mathematik (d= .28), beim Schreiben (d= .43) und in anderen Fächern (d= .39). Beim Lesen (d= .17) und in den Naturwissenschaften (d= .18) sind die Effekte sehr gering. Daraus folgert Zierer, dass die Wirksamkeit digitaler Medien unabhängig vom Unterrichtsfach ist. (Zierer 2021, S. 385)
Die Metaanalyse von Bernardt et al. bezieht sich auf „Blended Learning“ im universitären Kontext, also auf in der Regel junge Erwachsene. Das unfreiwillige Homeschooling während der Pandemie betraf vor allem minderjährige Lernende. Nach Zierer macht das Alter der Lernenden in Bezug auf den Einsatz digitaler Medien im Unterricht keinen nennenswerten Unterschied aus. (Zierer 2021, 383f.) Dennoch kann die Unfreiwilligkeit und die mangelnde Medienkompetenz ausschlaggebend dafür sein, dass digitaler Unterricht im Vergleich zum normalen Schulbesuch weniger effektiv ist. Die weite Streuung in der Metaanalyse von Ber- nardt et al. (2014) zeigt, dass es sowohl auf die Qualität des Unterrichts als auch auf die Studierenden selbst ankommt (Zierer 2020, S. 34). Die Ergebnisse von 2014 lassen sich auf die Situation des Homeschoolings übertragen.
Die EU erklärt, dass die Digitalisierung in den Schulen durch die Pandemie noch entschiedener durchgesetzt und zu beschleunigt werden muss. (Europäische Kommission 2021, S. 2) Die Europäische Kommission empfiehlt eine Kombination aus „Schule und Fernlernumgebung mit einer Kombination verschiedenerLernwerkzeuge, die digital und nicht-digital seinkönnen, als Teil von Lernaufgaben.“(Europäische Kommission 2021, S. 4) So soll zukünftig eine inklusivere und flexiblere Schulbildung möglich sein, die auch in Krisen einsetzbar ist.
Zierer verweist auf „Blended Learning“ so, dass es keine Technik ist, mit der digitaler Unterricht sofort funktioniert und effektiv ist. Die Technik kann keine gute Wirksamkeit erreichen, wenn das Konzept, mit dem sie umgesetzt wird und die Qualität der Lehrperson und des Unterrichts nicht angepasst werden. Eine einfache Übertragung des Unterrichts von analog zu digital ist nicht sinnstiftend und nicht lernwirksam (Zierer 2020, 35f.).
3. Deutsche Politik und Digitalisierung an Schulen
In diesem Kapitel werden verschiedene Aspekte der Digitalisierung der weiterführenden Schulen im Kontext der deutschen Politik beleuchtet. Zu Beginn soll ein historischer Blick helfen, die heutigen digitalen Infrastrukturprobleme in Deutschland zu verstehen. Anschließend wird die deutsche Digitalisierung mit anderen Ländern verglichen. Außerdem wird der Fokus auf die Ausbildung von Lehrkräften gerichtet und herausgearbeitet, warum Digitalisierung an Schulen überhaupt wichtig ist. Zum Schluss steht ein Ausblick zur neuen Regierung und wie diese zukünftig die Digitalisierung an deutschen Schulen ausbauen will.
Die Regierung unter Kanzler Helmut Schmidt hat 1981 den Glasfaserausbau angeordnet, der flächendeckend in ganz Deutschland veranlasst wurde. Nur zwei Jahre später, änderte der neue Kanzler Helmut Kohl den Glasfaserausbau zu Kupferkabeln um, damit die TV-Kabelnetze verstärkt ausgebaut werden können (Berke 2018). Hätte es keine Umänderung des Materials beim Ausbau gegeben, wäre Deutschland frühzeitig Vorreiter in der digitalen Infrastruktur gewesen. Die ICILS- Studie von 2018 hat herausgearbeitet, dass in Deutschland der Glasfaseranschluss, die Internetgeschwindigkeit und der WLAN-Zugang zu wenig vorhanden sind (Eickelmann et al. 2019b, S. 14). Gerade für Schulen ist der Glasfaserausbau wichtig, damit viele Lehrkräfte und Lernende gleichzeitig das Internet mit ihren Endgeräten in der Schule nutzen können. Zu wenig Bandbreite sorgt für langsame Internetverbindungen, vor allem bei vielen Nutzenden können die Verbindungen unterbrechen, sodass nicht weitergearbeitet oder gelernt werden kann. Auch der Ausbau in den Wohnhäusern ist wichtig, damit dort der Unterricht digital vorbereitet werden kann oder Lernende ihre Hausaufgaben digital erledigen können. Dafür muss der Glasfaserausbau beschleunigt werden. Zusätzlich wird in der ICILS-Studie von 2018 untersucht, inwieweit die technische Ausstattung und der technische Support an den Schulen vorhanden ist. Auch hier belegt Deutschland einen der letzten Plätze. Die Technik ist veraltet und zu wenig vorhanden. Auch im Verhältnis von digitalen Endgeräten pro Lernendem schneidet Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern schlechter ab. Eine genauere Ausführung und weitere Ländervergleiche folgen im vierten Kapitel.
Wenn digitale Endgeräte im Unterricht eingesetzt werden sollen, müssen Lehrkräfte auch medienkompetent sein. Im Studium und Vorbereitungsdienst haben nur ca. 25% der Lehrpersonen in Deutschland gelernt, wie digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden können. Hier könnten Fortbildungsmaßnahmen weiterhelfen, um auch die anderen Lehrkräfte zu erreichen. Problematisch ist, dass nur ein Drittel der deutschen Lehrpersonen überhaupt davon überzeugt ist, dass digitale Medien im Unterricht die schulischen Leistungen verbessern (Eickelmann und Ge- rick, S. 156). Auch hier haben viele Lehrkräfte die Chancen der Digitalisierung nur darauf fokussiert, dass sich die Lernleistung der Lernenden erhöht. Wenn Digitalisierung diesen Effekt nicht erfüllt, scheint sie von den Lehrkräften nicht gewollt zu werden. Dabei wird vergessen, dass die Chancen der Digitalisierung im Erleichtern der Arbeit für Lernende und Lehrkräfte liegen, in der Motivation mit digitalen Medien zu arbeiten und auf die Vorbereitung auf das Berufsleben, dass in den meisten Bereichen schon stark digitalisiert ist. Die Schule hat den Auftrag, Lernende als mündige Bürgerinnen und Bürger in die Welt zu entlassen, das bedeutet mittlerweile aber auch, dass sie auf den Umgang mit digitalen Medien vorbereitet werden (Ministerkonferenz Niedersachsen 2016); Zierer 2021, S. 390).
Ein weiterer Aspekt der deutschen Politik und der Digitalisierung ist der deutsche Föderalismus. Auch das wurde in verschiedenen Situationen, während der letzten zwei Jahre in der Pandemie immer wieder zum Problem, z.B. dadurch, dass keine einheitlichen Kontaktbeschränkungen vorgeschrieben wurden oder die Schulen unterschiedlich lange geschlossen waren, obwohl die Inzidenzzahlen in den Bundesländern vergleichbar waren. Auch die Bildung unterliegt den Entscheidungen der einzelnen Bundesländer und damit auch die Finanzierung der Digitalisierung. Mit dem Digitalpakt 2019 greift die Bundespolitik in geltendes Recht der Länder ein, um die Digitalisierung in Schulen zu beschleunigen. Im März 2019 wurde der Digitalpakt beschlossen und gilt zwischen den Jahren 2019 und 2024. Damit stehen für die Digitalisierungsmaßnahmen an rund 40.000 Schulen in Deutschland aktuell 5 Milliarden Euro zur Verfügung (Wollmann 2020, S. 273). Dennoch gehen mit den Fördergeldern Probleme einher. Die Gemeinden müssen kurzfristig Konzepte für digitales Lernen vorweisen. Problematisch daran ist, dass insbesondere kleine Gemeinden kein digital versiertes Personal haben, das solche Konzepte erstellen könnte. Hinzu kommt, dass die Summe der einzelnen Schulen für Digitalisierungsmaßnahmen gerade einmal 125.000 Euro beträgt, was nur für die Realisierung einer Maßnahme ausreicht. Zusätzlich sind Kommunen seit 2009 dazu angehalten, unnötige Ausgaben einzusparen. Dadurch gibt es Kommunen, die keine Anträge gestellt haben, weil die Folgekosten wie Wartungsarbeiten, IT-Kosten etc. von den Kommunen getragen werden müssen (Wollmann 2020, S.273). Daraus wird deutlich, dass nur die Bereitstellung von einmaligen Fördergeldern für die Schulen nicht ausreicht. Die Folgekosten müssen durch die Kommunen getragen werden, sodass die Digitalisierungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden können, wenn anschließend das Geld fehlt, diese instand zu halten.
Im September 2021 wurde die neue Regierung bestehend aus der SPD, dem Bündnis 90/die Grünen und der FDP gewählt. Mit dem Koalitionsvertrag, der Ende November vorgestellt wurde, gehen Erneuerungen einher, die größere Möglichkeiten für Schulen in Aussicht stellen. Die Parteien wollen für jedes Kind die gleiche Chance auf Entwicklung und Verwirklichung erreichen. Zunächst sollen vor allem Schulen mit einem hohen Anteil von sozial benachteiligten Lernenden unterstützt werden.„Dazu wollen wir diese Schulen mit einem Investitionsprogrammfür moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einerzeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaborenunterstützen.“,heißt es im Unterpunkt Startchancen-Pro- gramm (Koalitionsvertrag_2021-2025). Die Schulen sollen die Investitionen zur freien Verfügung gestellt bekommen und unbürokratisch abrufen können.
Um die Digitalisierung zu fördern, sollen ebenfalls die Fördergelder unbürokratisch abrufbar sein. Mit dem Digitalpakt 2.0 soll neue und moderne Hardware an die Schulen kommen, inklusive Administration und Gerätewartung. Zusätzlich sollen Lehrkräfte in digitalem Unterrichten weitergebildet werden. Das geschieht auf Basis von sogenannter Open Educational Resources. Das bedeutet, dass Bildungsmaterialien wie Lernvideos, Kursmaterialien, Lehrbücher aber auch Lehrpläne unter offener Lizenz veröffentlicht werden, was den Benutzenden ermöglicht, sie kostenlos zu verwenden, aber auch weiterzuverarbeiten (Deutsche UNESCO-Kommis- sion 2022).
Grundsätzlich plant die neuen Regierung für die nächsten Jahre die Digitalisierung an den Schulen weiter auszubauen. Trotzdem bleiben wesentliche Punkte sehr vage oder ungenannt. Es wird von „bis 2030 auf den Weg bringen“ gesprochen (Koalitionsvertrag_2021-2025), S. 96). Unklar bleibt, wer die Administration und die Gerätewartung übernehmen soll. Werden dafür zusätzliche Stellen geschaffen oder werden Lehrkräfte diese Aufgabe übernehmen müssen? Bisher war das Abrufen bürokratisch und aufwendig, sodass nur 35% der Fördermittel abgerufen wurden (Kuhn 2021). Zwar wird in diesem Koalitionsvertrag von Entbürokratisierung geschrieben, dennoch nicht erläutert, wie die Umsetzung funktionieren soll. Da es sich nur um den Koalitionsvertrag handelt, in dem nicht detailliert alles aufgeschrieben werden kann, bleibt offen, wie sich die digitale Zukunft der Schulen weiterentwickelt.
4. Einsatz digitaler Medien im Ländervergleich
4.1 Privatschulen in den Vereinigten Staaten
In diesem Kapitel wird zunächst beschrieben, wie die Khan Lab School, eine der renommiertesten Privatschulen der Vereinigten Staaten im Silicon Valley, den Schulalltag gestaltet. Die Schule ist eine beispielhafte Darstellung für digitale Unterrichtskonzepte, die hier vorgestellt werden. Anschließend wird auf positive wie negative Aspekte eingegangen und diese in den Kontext zu deutschen staatlichen Schulen gesetzt.
Die Khan Lab School ist 2014 von Salman Khan gegründet worden. Das Besondere an dem Schulkonzept ist die Schülerzentrierung, das „Blended Learning“-Mo- dell und die gemischten Altersgruppen. Ihren hohen Standards erreicht die Schule durch kleine Klassen und gut geschultes Fachpersonal (Khan Lab School 2022). Die Lehrkräfte der Khan Lab School müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllen, wie z.B. bereits internationale Unterrichtserfahrung in mindestens zwei Ländern. Die Lehrkräfte sind jung und die ausgeschriebenen Stellen sind beliebt, denn die Schule bietet ihren Lehrkräften die im Landesvergleich höchsten Gehälter. Um fachliche Kompetenz der Lehrkräfte weiter auszubauen, werden diese mit eigens für sie von der Khan Lab School entwickelten Fortbildungen weitergeschult. Dabei wird von ihnen, genau wie von den Lernenden gemeinsames Lernen gefordert. (Fugmann 2019, S. 111-112)
Die Lernenden verfügen über einen jeweils individuellen Stundenplan, der aus verschiedenen Aspekten besteht, wie projektbasiertem Lernen oder Fachunterricht. Davon beträgt die reine Bildschirmzeit maximal 25%. Mithilfe von Programmen und Apps können die Lehrkräfte das prüfen. In den Programmen werden die Ergebnisse des Lernfortschritts der Lernenden gesammelt und so verarbeitet, dass die Lernenden in Kompetenzlevel eingestuft werden können. Diese Daten werden dann zur Weiterarbeit verwendet, um selbst und mit Lehrkräften darüber zu reflektieren. Dennoch ist nicht ausschließlich das Lernprogramm dafür verantwortlich, dass die Lernenden Kompetenzen entwickeln. Die Lehrkräfte unterrichten, helfen, gestalten und nutzen dabei digitale Medien, sodass die Lernenden den Umgang einerseits im zwischenmenschlichen, aber auch im individuellen Prozess lernen. An der Khan Lab School ist nicht nur die Digitalisierung der Standard, sondern auch die Selbstorganisation der Lernenden. Das betrifft die Zeiteinteilung, z.B. startet der Schultag mit einer Gleitzeit zwischen 8:30 und 9:00 Uhr. (Fugmann 2019, S. 112) Durch einen Zusammenschluss von verschiedenen Privatschulen, wurden sogenannte Benchmark-Tests eingeführt, die für die Vergleichbarkeit der Leistungsbewertung und Feedback eingesetzt werden. Deswegen gibt es an der Khan Lab School keine Zensuren bis zur 9. Klasse. (Fugmann 2019, S. 112) Das eigenständige Planen und Organisieren an der Khan Lab School ermöglicht den Lernenden die Chance, ihren eigenen Lernprozess mitzugestalten. Das eröffnet einen neuen Bereich für Differenzierungsmöglichkeiten und ermöglicht individuelles Lernen.
Die Khan Lab School zeigt Vorteile gegenüber anderen bekannten Schulkonzepten. Viele Eltern und Lehrkräfte sehen zu Beginn das Problem, dass Lernende nur noch allein vor Bildschirmen mit computergenerierter Stimme arbeiten, dass trifft hier nicht zu. Die 25%-Regel zeigt, dass es nicht um eine Technisierung des schulischen Alltags geht, sondern um eine Erweiterung der Lehr-Lern-Möglichkeiten. Das Konzept des Unterrichts verfolgt beide Formen, digital und analog.
Kritisch anzumerken an der Khan Lab School und damit auch allgemein an Privatschulen, ist ihr sehr hohes Schulgeld. Die Summe, die jährlich für das Schulgeld von Eltern bezahlt werden muss, beläuft sich auf ca. 29000-34000 US-Dollar, das sich in lower, middle und high school unterteilt und jeweils steigert. (Khan Lab School 2022) Auch wenn die Schule für Lernende finanzielle Förderprogramme bietet, ist es dennoch überwiegend nur für Familien mit überdurchschnittlichem Einkommen möglich, sich diese Art der Beschulung zu leisten. Durch das hohe Schulgeld ist es für Absolventen mit einem guten Abschluss leichter, an angesehenen Universitäten angenommen zu werden, womit die Website der Khan Lab School wirbt. Auch die geringe Anzahl der Lernenden an der Schule ermöglichen die Umsetzung des schülerzentrierten Schulkonzepts erst. Beides führt dazu, dass sich Privatschulen ihre Lernenden aussuchen können und sich lange Wartelisten bilden. Grundsätzlich haben es also vermögende Familien leichter, ihren Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen, während andere Familien sich das Schulgeld auch mit finanzieller Unterstützung nicht leisten können und ihren Kindern somit nicht denselben Bildungsstandard bieten können.
An der Khan Lab School wird deutlich, dass nur digitale Ausstattung nicht ausreicht. Es braucht die Lehrkräfte für die Pädagogik und das Zwischenmenschliche, denn das können digitale Medien oder Programme nicht leisten. Mit den digitalen Medien müssen auch neue Konzepte in den Schulen entwickelt werden, die in Kapitel 6 vertieft werden.
Die Khan Lab School kann nicht mit den deutschen staatlichen Schulen verglichen werden. Ob ein Vergleich mit deutschen Privatschulen gemacht werden könnte, bleibt hier aus Platzgründen offen. Grundsätzlich stehen Privatschulen mehr Geld zur Verfügung, eine geringere Bürokratie und ein ganz wichtiger Aspekt: sie wollen die Digitalisierung an den Schulen ermöglichen und arbeiten so daran, dass es funktioniert. Das ist in Deutschland nur bedingt der Fall, wie die Finanzierungsprobleme im dritten Kapitel zeigen. Deswegen können die Privatschulen Amerikas und die öffentlichen Schulen Deutschlands nicht verglichen werden. Trotzdem kann von den funktionierenden Konzepten der Privatschulen z.B. aus dem Silicon Valley gelernt werden, z.B. in Bezug auf individuelles und schülerzentriertes Lernen mithilfe von digitalen Medien.
Das Beispiel der Khan Lab School zeigt, dass nicht nur die Digitalisierung in Deutschland benötigt wird, sondern auch eine Veränderung des pädagogischen Konzepts.
4.2 Staatliche Schulen in Dänemark
Privatschulen und staatliche Schulen lassen sich nur bedingt vergleichen, wie das vorige Kapitel gezeigt hat. Um einen besseren Vergleich zu ermöglichen, sollen in diesem Kapitel die staatlichen Schulen des deutschen Nachbarlands Dänemark untersucht werden.
Die OECD Studie von 2020, bei der die Selbsteinschätzungen von Schulleitungen in Bezug auf die Weiterbildung der Lehrkräften im Bereich Digitalisierung untersucht wurde, zeigt zwei für dieses Kapitel wichtige Ergebnisse. Das erste ist, dass Dänemark auf Platz 10 in dieser Statistik ist, direkt davor Schweden. Das zweite Ergebnis zeigt, wie sehr Deutschland im Bereich der Digitalisierung von Lehrkräften hinten abfällt. (OECD 2020, S. 111-130)
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- Sara Oldemester (Author), 2022, Digitalisierung an Schulen während der Covid-19-Pandemie. Wie kann die Schule in Zukunft digital gestaltet werden?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1362051
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