Die vorliegende Arbeit fragt nach allgemeinen, pädagogischen, gesellschaftlichen sowie sozioökonomischen Motiven, die zu der Entscheidung für das Studium eines Lehramts-Studienfaches geführt haben.
An einer Stichprobe von 185 Lehramts-Studierenden in den ersten Semestern an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg wurde dieser Fragestellung nachgegangen.
Die Motivationslagen unterscheiden sich nach Geschlecht und nach den verschiedenen Schultypen, die studiert werden. Studierende des Lehramts an Grund- und an Hauptschulen geben eher pädagogisch-gesellschaftliche Motive an, Studierende des Lehramts an Realschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulen scheinen sich eher aus sozioökonomischen Gründen für das Lehramtsstudium entschieden zu haben.
Inhaltsverzeichnis
1. Problemwahl und Fragestellungen
2. Theoretischer Teil
2.1 Hypothesen
2.2 Operationalisierung
3. Beschreibung der Stichprobe
4. Ergebnisse
4.1 Allgemeine Motive
4.2 Sozioökonomische Motive
4.3 Pädagogisch-gesellschaftliche Motive
4.4 Faktorenanalyse über die Motive
5. Diskussion
Literatur
Anhang
1. Problemwahl und Fragestellungen
‚ Warum willst du Lehrer werden? ’ - eine Frage auf die es unzählige Antworten geben kann. Man möchte fast meinen, dass bei keinem Berufsbild so unzählig viele Berufswahlmotive in Frage kommen, wie es bei Lehrern der Fall ist.
Die Wahl eines Berufes stellt einen komplizierten Entscheidungsprozess dar, der unter anderem durch Aspekte wie individuelle Motive, Wünsche und Sozialisationsprozesse beeinflusst wird. Weitere Aspekte können die Vorstellungen und Informationen sein, die man über das jeweilige Berufsbild hat. Ebenso beeinflussen die persönlichen Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten („ das liegt mir, dass kann ich schaffen“ oder „damit wäre ich überfordert “) die Berufswahl. Ein weiteres Entscheidungsmerkmal können Dauer und Kosten des Studiums bzw. der Ausbildung sein. Hillmann (2007, 492) zufolge interessieren in der Pädagogischen Soziologie „soziale Herkunft und die schichtenspezifischen Wertvorstellungen und Gesellschaftsbilder der Lehrer, (sowie) die sozialen und beruflichen Erwartungen, die mit dem Berufswunsch Lehrer zu werden, verbunden werden“.
Wir gehen davon aus, dass es unterschiedliche Motive zwischen den jeweiligen Studienbereichen (Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Lehramt an Beruflichen Schulen) gibt. Unsere Fragestellung hierzu lautet:
Gibt es schulartspezifische (Motivations-) Unterschiede hinsichtlich der Aufnahme eines Lehramtsstudiums?
Eine weitere Bezugsgröße der Untersuchung soll die Differenzierung nach dem Geschlecht darstellen. Wir nehmen an, dass Männer und Frauen zum Teil aus unterschiedlichen Gründen den Beruf des Lehrers ergreifen. Hierzu lautet unsere Fragestellung :
Gibt es geschlechtsspezifische (Motivations-) Unterschiede hinsichtlich der Aufnahme eines Lehramtsstudiums?
Nach längerer Beschäftigung mit dem Thema der Berufsmotivation angehender Lehrer, ergab sich für uns folgende zentrale Fragestellung:
Welche Motive stecken hinter der Aufnahme eines Lehramtsstudiums?
2. Theoretischer Teil
Als Ausgangspunkt stellten wir uns mit den Worten von Beinke (1997, 14) die Frage „... nach dem ‚Warum’ einer bestimmten Berufswahl“ und schlossen uns seiner Meinung, dies sei „bis heute nicht eindeutig geklärt“ (ebd.) an. Um einen kleinen Beitrag zur Klärung dieser Frage zu leisten, begannen wir, uns mit Berufswahltheorien und Ideal-sowie Medienbildern von Lehrern auseinander zu setzen.
Die persönlichkeitsorientierte Berufswahltheorie von John Holland geht davon aus, dass für die Wahl einer Profession sowohl individuelle Prämissen als auch Umweltprämissen in gleicher Weise eine Rolle spielen. Ein bestimmter Persönlichkeitstyp strebt zu einem ihm entsprechenden Umweltmodell (vgl. das RIASEC-Modell bei Bergmann & Eder 2005). Wenn es eine Passung gibt zwischen dem Persönlichkeitstyp und dem Umweltmodell, in dem sich die Person befindet, dann verspricht dies, nach Holland, Berufserfolg und Zufriedenheit (vgl. Beinke). Auch die These vom Person-Environment-Misfit, also der Nicht-Passung zwischen Person und (Arbeits-) Umwelt, als Stressor spielt hier eine Rolle: „Bei einem Ungleichgewicht zwischen Belastungen und Belastbarkeit – auch als Person-Environment-Misfit bezeichnet – resultiert eine hohe Beanspruchung im Sinne eines krankheitsfördernden negativen Stresses“ (Weber 2002, 31).
Um unserer Problemwahl und unseren Ausgangsfragestellungen gerecht zu werden, soll nun zum einen ausdifferenziert werden, was den Beruf des Lehrers allgemein ausmacht (Welche Motive stehen hinter der Aufnahme eines Lehramtsstudiums?). Wie sieht also die Umwelt aus, zu der die angehenden Lehramtsstudenten streben? Zum anderen muss nun auch eine Umwelt definiert werden, die für die einzelnen Schultypen (bzw. von uns zu definierenden Gruppen von Schultypen) gilt (Gibt es schulartspezifische Unterschiede?) sowie eine wahrscheinlich von äußeren Erwartungen geprägte geschlechtsspezifische Umwelt (Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede?).
Was macht nun also den Beruf des Lehrers idealiter aus?
Der Deutsche Bildungsrat beschrieb bereits 1970 die ‚klassische’ Lehrerrolle. Die Hauptfunktionen sind demnach:
1. Lehren – dazu gehört die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten ebenso wie Verständnis für Zusammenhänge und Problembewusstsein.
2. Erziehen als Hilfe zur persönlichen Entfaltung und Selbstbestimmung des Schülers.
3. Beurteilen – als Feststellung der Leistungen, aber auch als fördernde Diagnose der individuellen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten.
4. Beraten – sowohl hinsichtlich der persönlichen Schullaufbahn als auch bei Verhaltensschwierigkeiten.
5. Innovieren – Lehrende sind zentrale Figuren für Reformkonzepte, Schul- und Bildungsreform sind Sache der Lehrer und Lehrerinnen, nicht allein der Wissenschaft oder Kultusverwaltung. (Deutscher Bildungsrat 1970, zit. n. Gudjons 2003, 257).
Die an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg studierbaren Lehramtsstudiengänge Grundschullehramt, Hauptschullehramt, Realschullehramt, Gymnasiallehramt und Lehramt an Beruflichen Schulen (LAB) unterscheiden sich in ihrer Wesensart, den späteren Zielgruppen (unterschiedliche Altersstruktur und sozioökonomische Hintergründe der Schüler), den spezifischen Arbeitsweisen, aber auch hinsichtlich Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten im Beruf. Hinsichtlich der genannten Kriterien sind die fünf Studiengänge in zwei Gruppen einteilbar:
Typ 1: Grund- und Hauptschule: Schultypen, bei denen eher das Erzieherische bzw. auch Sozialarbeiterische und weniger die Faktenvermittlung im Vordergrund steht. So hat die Grundschule die Funktion „allen Kindern Lebens- und Erfahrensraum zu sein“ (Hänsel 1988, 43, zit.n. Gudjons 2003, 278), weiterhin geben „immer mehr Eltern (sei es bedingt durch Berufstätigkeit, Alleinerziehung, Scheidung, Überforderung u.a.m.) Erziehungsfunktionen an die Grundschule ab“ (Gudjons 2003, 278). Ein Problem der Hauptschulen besteht heute darin, dass aus der einstigen Schule für die Mehrheit der Bevölkerung eine Restschule geworden ist, die in ihrer sozialstrukturellen Zusammensetzung oftmals sozialisierende und sozialpädagogische Arbeit leisten muss. Typ 2: Realschule, Gymnasium und Berufliche Schulen: Schultypen, bei denen die Wissensvermittlung einen größeren Raum gegenüber der erzieherischen Tätigkeit einnimmt und somit auch in der Ausbildung höherer Wert auf das künftige Fachlehrersein gelegt wird. Der Unterricht an diesen Schultypen „wird in der Regel von Fachlehrern erteilt, die die entsprechenden Fächer studiert haben und sich in der Regel auch darauf beschränken“ (ebd., 288).
Das Bild des Lehrerberufes in der Öffentlichkeit ist oft von (Vor-)Urteilen geprägt. Zahlreiche Buchveröffentlichungen der letzten Jahre (z.B. Kühn, L.(2005). Das Lehrerhasserbuch. Eine Mutter rechnet ab. Stuttgart: Droemer/Knaur) und auch Artikel in populären Zeitschriften (vgl. Blömeke 2005) kolportieren immer wieder das Bild des Lehrers, der eher aus sozioökonomischen Motiven handelt, wenn er das Lehramtsstudium aufnimmt. Die Aufnahme eines solchen Studiums sollte allerdings, wenn man die hier angeführten Definitionen zugrunde legt, vornehmlich pädagogisch-gesellschaftlich motiviert sein, damit eine Passung im Sinne von John Holland zu Stande kommt. In wie weit angehende Lehramtsstudierende den genannten Medien und dem öffentlichen Bewusstsein ihr Berufsbild entlehnen oder wie stark sich Abiturienten an Bedingungen und Anforderungen der Gesellschaft (Leistungsgesellschaft, Streben nach materieller Sicherheit, nach einem hohen sozialen Status und Familienverträglichkeit) orientieren, könnte sich schulartspezifisch unterscheiden.
Aspekte eines eher sozialpsychologisch orientierten Ansatzes veranlassen dazu, nicht nur über die Passung zwischen Persönlichkeit und Umwelt nachzudenken, sondern auch andere Faktoren in die Befragung einzuarbeiten.
Die Vorgänge der Berufswahl (...), mögen sie auch noch so sehr als subjektive Entscheidungen erlebt werden, sind realiter in hohem Maße abhängig von den allgemeinen kulturellen und sozialen Bedingungen, von der jeweiligen Wirtschaftslage und von den familiären Verhältnissen des Berufsanwärters, also von allgemeinen Bedingungen und Faktoren (...).
(Scharmann, zit. n. Beinke 1997, 20)
Die „allgemeinen kulturellen und sozialen Bedingungen“ (ebd.) und die „jeweilige Wirtschaftslage“ (ebd.) können aus unserer Sicht sowohl auf die Lage in der jeweiligen Gesellschaft, in welcher der Berufsanwärter lebt, gelten, als auch für die jeweiligen individuellen Voraussetzungen des Berufsanwärters. Um dies zu erfassen, sollen auch eine Reihe von allgemeinen Daten über eben diese Voraussetzungen der Versuchspersonen erhoben werden, genauso soll bei der Interpretation der Ergebnisse auf „allgemeine kulturelle und soziale Bedingungen (sowie die) (...) Wirtschaftslage“ (ebd.) Rücksicht genommen werden.
2.1 Hypothesen
Durch die Problemformulierung und die Literaturanalyse wurde die Problemwahl bereits konkretisiert und in Form der Forschungsfragen präzisiert. Aus der Forschungsfrage: Gibt es schulartspezifische Unterschiede? sind die folgenden zwei Hypothesen entstanden:
1. Bei Studierenden des Lehramts an Grundschulen und Hauptschulen überwiegen pädagogisch-gesellschaftliche Motive bei der Studienwahl.
2. Bei Studierenden des Lehramts an Realschulen, an Gymnasien und an Beruflichen Schulen überwiegen sozioökonomische Motive bei der Studienwahl.
Aus der Forschungsfrage: Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede? sind die folgenden zwei weiteren Hypothesen entstanden:
3. Bei der Studienwahl weiblicher Lehramtsstudierenden überwiegen Motive der Familienvereinbarkeit sowie pädagogische Motive.
4. Bei der Studienwahl männlicher Lehramtsstudierenden überwiegen Motive der fachlichen Wissensvermittlung sowie sozioökonomische Motive.
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- Tobias Rausch (Author), Lena Hecht (Author), Christiane Wallstein (Author), Nicole Staudt (Author), 2008, Berufswahlmotive angehender Lehrerinnen und Lehrer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135810
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