Diese Arbeit befasst sich mit dem Zusammenhang von Pornografiekonsum und sexueller Aggression in der Adoleszenz auf der Basis aktueller Literatur. Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, ob und inwieweit der Konsum sexuell expliziten Materials durch sozial-kognitive Lernprozesse die Beziehung zu sexueller Aggression von Jugendlichen in der Adoleszenz beeinflusst.
Für diesen Zweck wurde zunächst das Thema Pornografie sowie dessen Nutzung und potenzielle Wirkung auf die sexuelle Sozialisation von Jugendlichen anhand einer narrativen Literaturübersicht behandelt und anschließend ein systematisches Literaturreview aktueller empirischer Studien, welche einen Zusammenhang zwischen Pornografiekonsum und sexueller Aggression in der Adoleszenz thematisieren, durchgeführt. Die Datenbanken, die für die Literatursuche herangezogen wurden, waren die Bibliothek der Hochschule Magdeburg-Stendal, Google Scholar, das Fachportal für Pädagogik, ResearchGate, PubMed sowie die Springer-Online-Datenbank. Die Literaturrecherche begrenzte sich auf Studien, die ab 2005 publiziert wurde. Nachfolgend wurden die identifizierten Studien mittels Bewertungsbögen auf deren Qualität geprüft.
Inhaltsverzeichnis:
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Ausgangssituation
1.2 Problemstellung
1.3 Kindheitswissenschaftliche Relevanz
1.4 Forschungsziel und Fragestellung
1.5 Methode
1.6 Aufbau der Arbeit
2. Begriffsbestimmungen und Beschreibung der Forschungsthemen
2.1 Pornografie
2.1.1 Definitorische Facetten und Perspektiven
2.1.1.1 Begriffsbestimmung
2.1.1.2 Wertende Definitionen
2.1.1.3 Juristische Definition
2.1.1.4 Inhaltlich-funktionale Definitionen
2.1.1.5 Begriffsverständnis von Pornografie in der vorliegenden Arbeit
2.1.2 Das Angebot frei zugänglicher Intemetpornografie
2.1.2.1 Mainstream-Pornografie
2.1.2.2 Non-Mainstream-Pomografie
2.1.2.3 Illegale pornografische Inhalte
2.2 Forschungsstand zum Pomografiekonsum in der Adoleszenz
2.3 Sexuelle Aggression
2.3.1 Begriffsbestimmung
2.3.2Verbreitungsgrad
3. Theoriebasierte Einführung
3.1 Lernprozesse aggressiven Verhaltens: Die sozial-kognitive Lerntheorie
3.1.1 Der triadisch-reziproke Determinismus
3.1.2 Das Lernen durch Beobachtung
3.2 Sexuelle Skripte und die Rolle sexuell expliziten Materials
4. Methode
4.1 Ein- und Ausschlusskriterien
4.2 Suchstrategie
4.3 Studienauswahl
4.4 Studienqualität
5. Ergebnisse
5.1 Studienergebnisse zum Einfluss von Pomografiekonsum auf die Beziehung zu sexueller Aggression
5.2 Exkurs: Ergebnisse experimenteller Studien mit jungen Erwachsenen zum Einfluss von sexuell explizitem Material
6. Diskussion
6.1 Sozial-kognitive Lernprozesse sexueller Aggression bei Pomografiekonsum
6.2 Limitationen der Arbeit und Empfehlungen für weiterführende Forschungen
6.3 Empfehlungen für die kindheitswissenschaftliche Praxis
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Zusammenfassung:
Einleitung und Hintergrund: Der Konsum von Pornografie stellt heutzutage, insbesondere vor dem Hintergrund des immer leichter werdenden Zugangs zum Internet und der medialen Ausstattung der heutigen Jugend, ein normatives Verhalten in der sexuellen Sozialisation von Jugendlichen dar. Gerade deshalb beschäftigten sich die letzten Jahre eine Reihe an Studien mit dem Einfluss dieses Konsums auf die sexuellen Ansichten und Verhaltensweisen in der Adoleszenz. „Die“ Pornografie wird in diesen Zusammenhang oft als ein grundsätzliches Risiko betrachtet, welche die Einstellungen von „den“ Jugendlichen zu Sexualität negativ beeinflussen und die Neigung zu sexueller Aggression fördern würde. Theoretischen Grundstein dieses problembehafteten Blicks bilden dabei verschiedene Theorien der Medienwirkungsforschung, wie die sozial-kognitive Lerntheorie nach Albert Bandura.
Ziel: Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, ob und inwieweit der Konsum sexuell expliziten Materials, durch sozial-kognitive Lernprozesse, die Beziehung zu sexueller Aggression von Jugendlichen in der Adoleszenz beeinflusst.
Methode: Für diesen Zweck wurde zunächst das Thema Pornografie, sowie dessen Nutzung und potenzielle Wirkung auf die sexuelle Sozialisation von Jugendlichen, anhand einer narrativen Literaturübersicht, behandelt und anschließend ein systematisches Literaturreview aktueller empirischer Studien, welche einen Zusammenhang zwischen Pomografiekonsum und sexueller Aggression in der Adoleszenz thematisieren, durchgeführt. Die Datenbanken, die für die Literatursuche herangezogen wurden, waren die Bibliothek der Hochschule Magdeburg- Stendal, Google Scholar, das Fachportal für Pädagogik, ResearchGate, PubMed sowie die Springer-Online-Datenbank. Die Literaturrecherche begrenzte sich auf Studien, die ab 2005 publiziert wurde. Nachfolgend wurden die identifizierten Studien mittels Bewertungsbögen auf deren Qualität geprüft.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 12 Studien inkludiert, welche auf korrelativer Ebene Zusammenhänge zwischen Pomografiekonsum und sexuell-aggressiven Einstellungen und Verhaltensweisen bei Jugendlichen fanden. Diese waren insbesondere bei hohem Konsum, der Rezeption von Gewaltpornografie, sowie bei Adoleszenten mit prädisponierenden Risikomerkmalen in den sexuellen Skripten ausgeprägt.
Schlussfolgerung: Insgesamt ist allerdings nicht von einer unidirektionalen Beeinflussung generellen Pornografiekonsums, auf die Beziehung zu sexueller Aggression, auszugehen, sondern von der Korrelation der eben gennannten Einflussfaktoren, welche in einer reziproken Wechselwirkung zueinanderstehen und somit den Lernprozess beeinflussen.
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Pomografie-Typen nach Ausmaß an Gewalt
Abbildung 2: Flussdiagramm zur Studienauswahl
Abbildung 3: Korrelation derEinflussfaktoren
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Operatoren zur Literaturrecherche
Tabelle 2: Bewertung der inkludierten Studien
Tabelle 3: Extrahierte Daten der inkludierten Studien
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
„Pornografie istdie Theorie, VergewaltigungdiePraxis!“ (Morgan 1980: 139).
Auch heute, über 40 Jahre später, hat diese oft zitierte Aussage der Feministin Robin Morgan, trotz immer wieder aufkommender Kritiken, welche diesen Satz als „männerfeindlich“ deklarieren, nicht an Aktualität verloren (vgl. Döring 2011: 7). Ganz im Gegenteil. Während das Thema Pornografie bis zur Jahrtausendwende kaum Aufmerksamkeit erhielt, wird seit einigen Jahren in der Fachliteratur und in der breiten Öffentlichkeit verstärkt über die Medialisierung des Sexuellen und dessen (negative) Wirkung, besonders auf Jugendliche, diskutiert (vgl. Vogelsang 2017: 90; Hill 2011: 380ff; Zillmann 2004: 571).
1.1 Ausgangssituation
Grund für diese steigende Wirkungs-Thematisierung sexuell expliziten Materials ist, laut der Medienwissenschaftlerin Nicola Döring, insbesondere der grundlegende Wandel der freien Verfügbarkeit und Nutzung des Internets (vgl. Döring 2019: 221). So besitzen, nach der JIM- Studie 2020, heute rund 94% der Jugendlichen ein eigenes Handy und knapp drei Viertel verfügen über einen eigenen Computer/ Laptop mit Internetzugang (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2020: 6f.). Sexuell explizites Internet-Material ist dadurch so leicht und diskret abrufbar wie nie. Dies wirkt sich auch auf die Nutzung von Pornografie unter Jugendlichen aus. So haben heute „praktisch alle Jungen ab dem 13. Lebensjahr Kontakt mit Pornografie und bei Mädchen entwickelt sich das mittlerweile ähnlich“ (Cranach/Beyer 2018). Der Konsum sexuell expliziten Materials gehört also zur Lebenswelt der allermeisten Jugendlichen dazu. Hinsichtlich der Gründe für den Pomografiekonsum unterscheiden sie sich dabei auf den ersten Blick nicht grundsätzlich von den Erwachsenen. Sie nutzen diese für den Zeitvertreib, Entspannung, Lustgewinn oder zur Inspiration (vgl. Hajok 2011: 153). Doch gerade in der Adoleszenz kommt für die jungen Menschen eine weitere wichtige Dimension hinzu: Internet-Pornografie ist ein tabu-, sanktions- und schamfreier Raum. Damit bietet dieser nicht nur die Möglichkeit der anonymen Informationssuche, sondern auch der (sexuellen) Orientierung. Das Entdecken der eigenen Sexualität stellt dabei eine entscheidende Entwicklungsaufgabe der Adoleszenz dar (vgl. IBBW o.J.). Die Jugendlichen sollen lernen, erste sexuelle Kontakte und Beziehungen aufzunehmen und diese in verantwortlicher und sozial akzeptierter Weise gestalten zu können. Wesentlicher Teil dieses Lernprozesses ist dabei auch die Entwicklung von sexuellen Verhaltensdrehbüchem oder „sexuellen Skripten“. Diese enthalten Annahmen über typische Attribute und Ablaufe sexueller Handlungen, sowie dessen normative Bewertung und beeinflussen damit maßgeblich das Verhalten in solchen Situationen. Pornografie stellt dabei eine bedeutende Quelle für die Entwicklung dieser Verhaltensdrehbücher dar (vgl. Krahè 2011: 133f.). Aus diesem Grund beschäftigten sich die letzten Jahre eine Reihe an Studien mit dem Einfluss von Pornografiekonsum auf die sexuellen Einstellungen und Verhaltensweisen von Jugendlichen in der Adoleszenz (vgl. Hill 2011: 380). „Die“ Pornografie wird in diesen Zusammenhang oft als ein grundsätzliches Risiko betrachtet, welche die Einstellungen von „den“ Jugendlichen zu Sexualität negativ beeinflussen und die Neigung zu sexueller Aggression fördern würde (vgl. Rihl 2015: 257ff.; Döring 2011: 228f). Theoretischen Grundstein dieses problembehafteten Blicks bilden dabei verschiedene Wirkungshypothesen in Anlehnung an die klassischen theoretischen Modelle der Medienwirkungsforschung. Eine der am häufigsten verwendeten und auch für die Konzeptualisierung von Studien herangezogene Theorie ist die sozial-kognitive Lerntheorie nach Albert Bandura. Diese hebt insbesondere das Lernen am Modell, in diesem Fall die pornografischen Medieninhalte, hervor und identifiziert Mediendarstellungen sexueller Interaktionen als Quelle des Imitationslernens. Die Theorie legt also einen Zusammenhang von der Rezeption sexueller Mediendarstellungen auf die sexuellen Einstellungen und das sexuelle Verhalten von Jugendlichen nahe (vgl. Hill 2011: 380f; Vogelsang 2017: 90; Freitag 2015: 51f.).
1.2 Problemstellung
Diese risikoorientierte und simplifizierte Betrachtungsweise bedarf dabei aus zweierlei Gründen einer differenzierten Auseinandersetzung. Zum einen gibt es ein weites Spektrum an verschiedenen Formen von Pornografie, weshalb die Begrenzung auf „die“ eine Form im Wirkungs-Diskurs zu kurz greift. Zum anderen werden die jungen Menschen in diesem Zusammenhang lediglich als passive Opfer übermächtiger Pomografie-Einflüsse konzeptualisiert, was insbesondere aus kindheitswissenschaftlicher Perspektive kritisch zu betrachten ist.
1.3 Kindheitswissenschaftliche Relevanz
So inkludiert diese Sichtweise lediglich die Schutzbedürftigkeit der Jugendlichen, keinesfalls aber, dass diese auch bereits eigene Persönlichkeiten sind, welche über individuelle Ressourcen und subjektive Motive verfügen, warum sie Pornografie konsumieren. Die jungen Menschen werden unter diesem reduktionistischen und generationalistischen Blick lediglich als zukünftige Erwachsene, als Werdende („Becomings“), nicht aber auch als Seiende („Beings“) betrachtet, die bis zu dem Alter der Volljährigkeit vor möglichen Entwicklungsrisiken geschützt werden müssen (vgl. Geene et al. 2013: 75; Kloss/Hungerland/Wihstutz 2013: 121). Dies führt schließlich dazu, dass diese aus der Gesellschaft der Erwachsenen herausgenommen und in einen eigenen Vorbereitungs- und Schonraum gestellt werden, welcher vor den vermeintlichen „Gefährdungen“ der Erwachsenenwelt schützen soll, selbst wenn sie das gar nicht mehr wollen (vgl. Geene et al. 2013: 74). Solch wohlmeinender Paternalismus übersieht dabei die vielfältigen Möglichkeiten unterschiedlicher Sozialisationsprozesse und verstärkt durch die Risikoorientierung die Idee der Verletzlichkeit und Anfälligkeit von jungen Menschen (vgl. Geene et al. 2013: 71). Das die Adoleszenten sexuell explizites Material aus unterschiedlichen Gründen nutzen und dieses zur Alltagsrealität, sowie zur sexuellen Sozialisation der meisten Jugendlichen dazu gehört wird kaum wahrgenommen. Aus Perspektive der Kindheitswissenschaften ist es deswegen essenziell, das Thema Pomografiekonsum und Wirkung in Bezug auf sexuelle Aggression, einerseits im Spannungsverhältnis zwischen Kindheit als Schutzraum bzw. auch als Phase der Sozialisation zu betrachten, andererseits die Jugendlichen aber auch als eigenständige, handlungsfähige und autonome Subjekte anzuerkennen.
1.4 Forschungsziel und Fragestellung
Die vorliegende Arbeit soll unter diesem Aspekt den Zusammenhang zwischen dem Konsum sexuell expliziten Materials und sexueller Aggression in der Adoleszenz näher beleuchten und aus kindheitswissenschaftlicher Sichtweise kritisch reflektieren. Da sich dieser problemfokussierte Blick häufig auf die Theorien der Medienwirkungsforschung stützt, soll im Folgenden die sozial-kognitive Lerntheorie, nach Albert Bandura, als Grundlage fungieren. Von besonderer Relevanz sind hierbei die Lernprozesse aggressiven Verhaltens. Die Arbeit verfolgt dabei das konkrete Ziel, aufzuzeigen, ob und inwieweit der Konsum sexuell expliziten Materials, durch sozial-kognitive Lernprozesse, die Beziehung zu sexueller Aggression von Jugendlichen in der Adoleszenz beeinflusst. Dabei soll die folgende Forschungsfrage beantwortet werden: Inwieweit beeinflusst der Konsum pornografischer Medieninhalte, durch sozial-kognitive Lernprozesse, die Beziehung zu sexueller Aggression von Jugendlichen in der Adoleszenz?
1.5 Methode
Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage wird im ersten Teil der Arbeit zunächst das Thema Pornografie, sowie dessen Nutzung und potenzielle Wirkung auf die sexuelle Sozialisation von Jugendlichen, anhand einer narrativen Literaturübersicht, behandelt. Diese Literaturübersicht fungiert anschließend als Grundlage für das systematische Literaturreview aktueller empirischer Studien, welche auf einen Zusammenhang zwischen Pomografiekonsum und sexueller Aggression in der Adoleszenz analysiert werden. Dies ermöglicht den aktuellen Forschungsstand zu dem Thema aufzuzeigen, sowie bestehende Lücken und Forschungsbedarf in Hinblick auf die Forschungsfrage zu identifizieren.
1.6 Aufbau der Arbeit
Für diesen Zweck werden im einleitenden Teil der narrativen Literaturübersicht zunächst die grundlegenden Begriffe „Pornografie“ und „sexuelle Aggression“, sowie dessen Vorkommen, erläutert. Anschließend werden in der theoriebasierten Einführung die Lernprozesse aggressiven Verhaltens, als Bestandteil der sozial-kognitiven Lerntheorie, vorgestellt und auf die Entwicklung sexueller Skripte, sowie die dahingehende Rolle sexuell expliziten Materials, eingegangen. Im Anschluss wird dann in Kapitel 4 das systematische Literaturreview durchgeführt. Hierfür werden zunächst die Ein- und Ausschlusskriterien der Literaturrecherche aufgeführt, die Suchstrategie erläutert, sowie die anschließende Studienauswahl dargelegt. Nachfolgend werden die identifizierten Studien mittels Bewertungsbögen auf deren Qualität geprüft, bevor die Ergebnisse dann in Kapitel 5 zusammengefasst werden. In Kapitel 6 werden diese dann mit der anfänglich vorgestellten Theorie des sozial-kognitiven Lernens verglichen, Analogien diskutiert, sowie Empfehlungen für die weiterführende Forschung und die kindheitswissenschaftliche Praxis gegeben. Abschließend folgt dann ein Fazit.
2. Begriffsbestimmungen und Beschreibung der Forschungsthemen
Zur einführenden Beschreibung der zwei Forschungsthemen zeigen die folgenden Unterkapitel, welches Verständnis von Pornografie (Kapitel 2.1) und sexueller Aggression (Kapitel 2.3) der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt. Dies stellt eine wichtige Grundlage dar, um im Weiteren einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Themenkomplexen herstellen zu können.
2.1 Pornografie
Hierfür werden unter 2.1.1 zunächst die verschiedenen defmitorischen Facetten des Begriffs „Pornografie“, sowie die Begriffsdefinition für die vorliegende Arbeit, dargelegt. Anschließend wird in Kapitel 2.1.2 ein Überblick über das Angebot frei zugänglicher Internetpomografie, sowie über die differenziellen Arten gegeben, bevor in Kapitel 2.1.3 das Konsumverhalten in der Adoleszenz in Bezug aufPomografie, anhand von Studien, in Kenntnis gebracht wird.
2.1.1 Definitorische Facetten und Perspektiven
2.1.1.1 Begriffsbestimmung:
Der Begriff „Pornografie“ leitet sich etymologisch von den griechischen Wörtern „πόρνη“ (pome = Prostituierte, Hure) und ,,γράφειν“ (graphein = schreiben) ab und bedeutet sinngemäß akzentuiert übersetzt „über Huren schreiben“ oder „Hurenbeschreibung“. Lexika definieren Pornografie allgemein als Darstellung sexueller Handlungen bzw. Vorgänge (vgl. Döring 2022; Vogelsang 2017: 22). Eine universal anerkannte Definition des Begriffs gibt es allerdings nicht und kann es laut Starke (2010) wahrscheinlich auch nicht geben, da „[jede] Gesellschaft, jede Untergruppe der Gesellschaft und eigentlich jeder Mensch [...] seine eigene (deutliche oder verschwommene, ehrliche oder heuchlerische, kompetente oder inkompetente, tolerante oder intolerante) Vorstellung darüber [hat], was Pornografie ist (Starke 2010: 8). Zudem unterliegt Pornografie, bzw. das was als Pornografie empfunden wird, dem (gesellschafts-)historischen Wertewandeln und ist demnach kontextuell und teilweise auch ideologisch bis subjektivistisch zu betrachten (vgl. Klein 2021: 16-17). Trotz dessen, lassen die verschiedenen
Begriffsbestimmungen die Aufteilung in zwei definitorische Ausrichtungen zu. So handelt es sich bei den Definitionsversuchen entweder um wertende- oder um inhaltlich-funktionale Ansätze (vgl. Vogelsang 2017: 22).
2.1.1.2 WertendeDefmitionen:
Wertende Pomografie-Defmitionen sind dabei sowohl im Alltag als auch in der Literatur weit verbreitet. Sie enthalten negativ konnotierte ästhetische („geschmacklos“, „niveaulos“, „billig“ etc.) und/oder ethisch/moralische („menschenverachtend“, „frauenfeindlich“, „zum Objekt degradierend“ etc.) Bewertungskriterien und werden mit negativen Annahmen über die Auswirkungen von Pornografie in Verbindung gebracht (vgl. Döring 2011: 233; Vogelsang 2017: 22). Beispielsweise wird im Langenscheidt Fremdwörterbuch Pornografie als „obszön“ und von Heiliger (2008) als „Darstellung von Frauen als entwertete Huren“ definiert (vgl. PONS Langenscheidt GmbH o.J.; Heiliger 2008: 33). Im Gegensatz dazu stehen akzeptable „erotische“ Darstellungen. Elaborierte und konsensuale ästhetische und/oder repräsentationsethische Abgrenzungskriterien liegen in Bezug darauf allerdings nicht vor. Oft basiert die wertende Unterscheidung zwischen „guten“ Erotika und „schlechter“ Pornografie auf subjektiven Geschmacksurteilen und eigenen sexmoralischen Vorstellungen. Der negativ wertende Pornografie-Begriff entstammt dabei der Anti-Pornografie-Bewegung, welche die „pornografischen Mainstream- und Non-Mainstream-Darstellungen generell für schädlich hält (...) [und] deren stärkere rechtliche Reglementierung sowie kulturelle Ächtung anstrebt“ (Döring 2011: 234). Dieser konkret problemfokussierten und moralisch taxierenden Betrachtungsweise liegt dabei ein über 40 Jahre zurückliegender gesellschaftspolitischer Diskurs über Pornografie zugrunde, welcher von einem tabuisierenden, „prüden“ Umgang mit Sexualität im Allgemeinen gekennzeichnet war und der v.a. in den gesetzlichen Bestimmungen zu Pornografie ersichtlich wird (vgl. Hajok 2013: 6).
2.1.1.3 Juristische Definition:
So war die Verbreitung unzüchtiger Schriften, also sexuell expliziter Darstellungen, bis 1973 autokratisch verboten. Das, was heute unter Pornografie firmiert, war damit nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene tabu und das gesellschaftliche Handeln demnach eng an die gesetzlichen Reglementierungen gekoppelt. Erst das 4. Strafrechtsreformgesetz (StrRG) vom 23.11.1973 brachte die entscheidenden Änderungen, welche im Kern bis heute Bestand haben und die unter dem deutschen Pomografieparagraf § 184 ff. StGB gesetzlich geregelt sind (vgl. Hajok 2013: 5). Demnach werden im juristisch defmitorischen Sinne drei Typen sexuell expliziter Darstellungen voneinander abgegrenzt: zum einen a) Erotika bzw. Softcore-Darstellungen, welche sexuelle Interaktionen „andeutungsweise und eingebettet in größere Beziehungs- und Handlungskontexte“ zeigen und die in Deutschland auch für Minderjährige erlaubt sind; b) die einfache Pornografie bzw. Hardcore-Darstellungen, welche sexuelle Interaktionen „detailliert und weitgehend isoliert“ zeigen und in Deutschland lediglich Erwachsenen zugänglich gemacht werden dürfen und c) illegale bzw. „harte“ Pornografie (Gewalt-, Tier-, Kinder- und Jugendpornografie), dessen Besitz, Produktion, Verbreitung sowie Zugänglichmachung unter Strafe steht (Hajok 2013: 5). Entsprechende Abgrenzungen zwischen den drei Typen sind inhaltlich oft diffizil und begriffliche Verwechselungen dadurch weit verbreitet (z.B. Gleichsetzung von „Hardcore“ mit „harter“ Pornografie). Und auchjuristisch sind Grenzziehungen teilweise umstritten (z.B. Abgrenzung von BDSM-Pornografie, die einvernehmliche Inszenierungen zeigt und illegaler Gewaltpornografie, die nicht-konsensuelle sexualisierte Gewalt abbildet) (vgl. Döring 2011: 230-231). Hinzu kommt, dass eine gesetzliche Legaldefinition von Pornografie fehlt. Lediglich durch Rechtsprechungen des Bundesgerichtshofs (BGH), des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und einiger Oberlandesgerichte (OLGs), lässt sich „Pornografie“ im rechtlichen Sinne begrifflich eingrenzen. So ist aus dieser Perspektive eine Schrift als pornografisch einzuordnen, wenn
- auf der Darstellungsebene, sexuelle Handlungen „in grob aufdringlicher, übersteigerter und anreißerischer Weise“ in den Vordergrund gerückt werden, wobei „die betont hervorgehobenen Geschlechtsorgane den wesentlichen Bildinhalt darstellen“
- das Merkmal der Stimulierungstendenz der pornografischen Schrift vorliegt, d.h. „ihre objektive Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf die Aufreizung des sexuellen Triebs“ beim Betrachtenden abzielt sowie
- dabei „die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstands eindeutig überschritten werden“ (Hajok 2013:6; Walther2003: 5-8).
Die juristische Definition, sowie der deutsche Pornografieparagraf § 184ff. StGB, lassen sich dabei insoweit als moralisch wertend einordnen, als dass diese, gemäß dem christlichabendländischen Weltbild, normativ vorgeben, dass Sexualität grundsätzlich immer im Rahmen persönlicher Beziehungen praktiziert werden sollte und indem sie den sexuellen Lustgewinn um seiner selbst willen als pornografisch undjugendgefährdend verurteilen. Zudem geben die Adjektivwendungen, wie „grob aufdringlich“ und „anreißerisch“, aufgrund ihrer affektiv aufgeladenen, aber semantisch unkonkreten Charakterisierung, keine präzise defmitorische Orientierung (vgl. Döring 2011: 230-231; Klein 2021: 18-20).
2.1.1.4 Inhaltlich-funktionale Definitionen:
Aus diesem Grund sind wertende Definitionsansätze, wie die eben genannten, in der Wissenschaft hochgradig umstritten und werden, insbesondere von der zeitgenössischen Pomografie-Forschung, zugunsten einer wertneutralen inhaltlich-funktionalen Gegenstandsdefinition abgelehnt (vgl. Vogelsang 2017: 26-27; Döring 2011: 231-232). Diese Definitionsansätze schließen bewertende Kriterien bewusst aus und bestimmen den Begriff auf Grundlage einer sachlichen Darstellung des Gegenstands. Demnach ist eine Darstellung „pornografisch“, wenn nackte Körper und sexuelle Praktiken sehr direkt und detailliert abgebildet sind (inhaltliche Ebene) und vorwiegend zu Erregungszwecken produziert und rezipiert werden (funktionale Ebene) (vgl. Döring 2011: 232). Eine ausführliche und in der wissenschaftlichen Fachliteratur oft genutzte Begriffsbestimmung findet sich bei Zillmann (2004). Nach Zillmann handelt es sich bei Pornografie um „Darstellungen sexuellen Verhaltens jeglicher Art, das vonjeder denkbaren Zusammensetzung handelnder Akteure ausgeführt wird“ (Zillmann 2004: 568). Dabei steht der „Geschlechtsverkehr zwischen Menschen als angezielte Verhaltensweise“ im Mittelpunkt (Zillmann 2004: 568). Pornografie schließt „dem Verkehr vorgeordnete Handlungen ein, ebenso Abweichungen von heterosexuellem Verkehr (z. B. Masturbation oder homosexueller Verkehr)“ und umfasst „jede denkbare Konfiguration beteiligter Subjekte (z. B. hinsichtlich der Anzahl [...] [der] Teilnehmer)“ (Zillmann 2004: 569). Neben den Begriffen „Erotika“ und/oder „Pornografie“ wird in diesem Zusammenhang auch oft zusammenfassend und ideologisch neutraler (aber aus juristischer Sicht wiederum vager) von „sexuell explizitem Material“ (SEM) bzw. „sexuell explizitem Internet-Material“ (SEIM) gesprochen. Darunter werden sexuell stimulierende Angebote zusammengefasst, die mehr (Hardcore) oder weniger (Softcore) Details zeigen (vgl. Döring 2011: 232-233).
2.1.1.5 Begriffsverständnis von Pornografie in der vorliegenden Arbeit:
Die vorliegende Arbeit schließt sich der inhaltlich-funktionalen Definition an und verwendet die Begriffe „Pornografie“ und „sexuell explizites Material“ somit weitgehend synonym. Für die wissenschaftliche Untersuchung über die Bedeutung von Pornografie, in Bezug auf die sexuellen Einstellungen und Verhaltensweisen in der Adoleszenz, sind angesichts der Erscheinungsvielfalt des Gegenstandes allerdings noch weitere defmitorische Abgrenzungen und eine detaillierte Betrachtung der Subgenres notwendig. Denn allzu oft gründen Debatten um sexuell explizites Material eher auf Pomografie-Mythen (denen gemäß Pornografie z.B. generell „gewaltverherrlichend“ und „frauenfeindlich“ sei) als auf empirischen Analysen des Inhalts und der formalen Merkmale des Gegenstandes (siehe wertende Definitionen) (vgl. Döring 2011: 231). Dass die Inhalte „der“ Pornografie allgemein bekannt seien und ohnehin durchgehend demselben Muster folgen, muss allerdings bezweifelt werden. Denn vor allem durch das Internet differenzieren sich die Subgenres fortwährend. Betrachtet man z.B. die drei, laut Alexa-Ranking, in Deutschland meistgenutzten kostenlosen Pornografie-Portale „xhamster.com“, „pornhub.com“ und „youporn.com“ wird deutlich, dass es eine große Bandbreite an Kategoriesystemen gibt, welche die sexuell expliziten Darstellungen nach bestimmten Sexualpraktiken, sexuellen Orientierungen oder präferierten Pornodarstellerinnen, etc. sortieren (vgl. Vogelsang 2017: 29; Lewandowski 2012: 99ff). Im Sinne des inhaltlich-funktionalen Begriffsverständnisses erfolgt daher zunächst eine inhaltliche Beschreibung der verschiedenen Subgattungen und Varianten der Kategorienbildung.
2.1.2 Das Angebotsspektrum frei zugänglicher Internetpomografie
So ist eine Möglichkeit der Kategorisierung die Unterteilung anhand von Körpermerkmalen der Darstellerinnen. Zu den Unterscheidungsmerkmalen gehören dabei z.B. die Haarfarbe (z. B. „Blondine“, „Brünette“, „Rothaarige“), das Alter bzw. der Altersunterschied zwischen den Sexualpartnerinnen (z. B. „MILF“ (Mother I'd Love to Fuck), „Teens“, „Alt+Jung“) und die ethnische Zugehörigkeit („Asiatisch“, „Europäisch“, „Latina“, etc.). Weitere Rubriken, welche die Körpermerkmale der Pornodarstellerinnen in den Mittelpunkt stellen, beziehen sich zudem auf das Gewicht („BBW“ (Big Beautiful Woman), „Mollig“) oder die Größe bestimmter Körperteile („Große Ärsche“, „Große Titten“, „Kleine Brüste“, „Große Schwänze“). Neben den körperlichen Unterscheidungsmerkmalen kann eine inhaltliche Abgrenzung auch über die Kategorisierung anhand der gezeigten Sexualpraktiken erfolgen. Hierzu gehört v.a. der Bereich „Hardcore“, welcher Oral-, Anal- und Vaginalverkehr in verschiedenen Positionen darstellt. Zusätzlich gibt es zahlreiche Kategorien, die sich z.B. auf unterschiedliche Methoden des Oralverkehrs („Blowjob“, „Cunnilingus“ oder „Rimming“) fokussieren oder die Ejakulation in den Mittelpunkt stellen (z. B. „Cumshots“, „Facials“ oder „Squirting“). Ebenfalls Bestandteil dieser Kategorisierung sind zudem spezielle sexuelle Handlungen, wie z. B. „Masturbation“ und „DP“ (Double Penetration), sowie Filmclips, die sich auf bestimmte Fetische beziehen. Diese sexuellen Handlungen können zudem auch anhand der sexuellen Orientierung („Schwul“, „Lesbisch“, „Bisexuell“) oder anhand der Zielgruppe (z.B. „Fern Porn“ (feministische bzw. Frauen-Pornografie) aufgegliedert werden. Hinzu kommt außerdem noch die Kategorisierung auf Basis der Anzahl der an den sexuellen Handlungen beteiligten Personen („Solo-Frau“, „Solo-Mann“, „Gruppensex“, „Dreier“, etc.) oder anhand der Machart des Pomoclips (z.B. Amateurpomografie) (vgl. Vogelsang 2017: 29ff).
2.1.2.1 Mainstream-Pornografie
Ein Großteil, der auf den kostenlos zugänglichen Onlineportalen gezeigten Pornografie, kann dem Bereich „Mainstream“ zugeordnet werden (vgl. Vogelsang 2017: 31). Dabei handelt es sich um Produktionen „der etablierten Porno-Industrie [...] die sich hauptsächlich an ein heterosexuelles männliches Publikum richten und männliches Sexualvergnügen in den Mittelpunkt stellen“ (Döring 2011: 232). Diese beinhalten überwiegend Sexualpraktiken, bei denen die Frau vaginal-, oral- oder anal vom Mann penetriert wird, wobei der männliche Orgasmus meist den sexuellen Höhepunkt des Aktes darstellt (vgl. Vogelsang 2017: 31-33; Döring 2011: 232-233). Die mannigfaltigen Angebote der Mainstream-Pornografie gleichen sich dabei größtenteils in einer Sache: Die sexuelle Komplexität wird überwiegend auf die sexuelle Handlung reduziert, welche entemotionalisiert und mechanisiert dargestellt wird (vgl. Lüdtke-Pilger 2010: 57). Mainstream-Pornografie allerdings lediglich auf ein hierarchisch strukturiertes Geschlechterverhältnis, dass ausschließlich Frauen als passive Objekte des sexuellen Akts darstellt, zu reduzieren, würde an dieser Stelle zu kurz greifen. So weist z.B. Lewandowski (2003) daraufhin, dass auch die gezeigten männlichen Akteure lediglich auf ihre Geschlechtsorgane reduziert und eben auch häufig nur diese bildlich in Szene gesetzt werden. Zudem nehmen auch die Frauen teilweise den aktiven Part im gezeigten Sexualakt ein, z.B. in der Rolle der Verführerin (vgl. Lewandowski 2003: 319). Es ist also kontext- und interpretationsabhängig, ob man die häufig asymmetrisch dargestellten Verhältnisse als sexistisch (bewusst Frauen abwertend) oder als androzentrisch (weitgehend auf bestimmte männliche Interessen beschränkt) etikettieren möchte (vgl. Döring 2011: 232).
2.1.2.2 Non-Mainstream-Pomografie
Zu den Strömungen der Non-Mainstream-Pornografie gehören v.a. die eben schon genannte „Fern Porn“ (feministische bzw. Frauen-Pornografie), die „Queer Pom“ (Queere Pornografie) und die Amateur-Pornografie. Diese sind im kostenlosen Angebotsspektrums des Internets allerdings rar, da diese eher auf kostenpflichtigen Seiten angeboten werden (vgl. Vogelsang 2017: 33; Döring 2011: 234).
2.1.2.3 Illegale pornografische Inhalte
Ebenfalls selten, aber trotzdem auffindbar, sind illegale pornografische Inhalte, zu denen pädosexuelle, zoophile oder gewalttätige sexuelle Handlungen zählen (vgl. Vogelsang 2017: 34; Lewandowski 2012: 106). Während User*innen, laut Lewandowski (2012), im frei zugänglichen Angebot an Onlinepornografie wohl eher nicht auf kinderpomografische Inhalte treffen werden, so sind „Teen-Sex“-Darstellungen, in welchen besonders jung aussehende, volljährige Frauen gezeigt werden, doch sehr verbreitet und bilden, wie in Kapitel 2.1.2 schon erwähnt, teilweise sogar eine eigene Kategorie (vgl. Lewandowski 2012 :107). Und auch gewalthaltige sexuelle Darstellungen finden sich auf den unterschiedlichen Porno-Portalen, in unterschiedlichen Ausmaßen an Gewalt, wieder. So lassen sich nach Boering (1994), in Bezug auf Pornografie und Gewalt, vier verschiedenen Typen sexuell expliziter Darstellungen unterscheiden:
Abbildung 1: Pornografie-Typen nach Ausmaß an Gewalt (Boering 1994: 289ff.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die im freien Netz als gewaltförmig angepriesene Pornografie fällt dabei zu einem großen Teil in den Bereich der SM-Pornografie. Hierbei handelt es sich um konsensuelle Gewaltpornografie im Sinne von Boering (1994), da die scheinbar Schmerzen auslösenden Handlungen im SM-Bereich im gegenseitigen Einvernehmen der Beteiligten vorgespielt bzw. inszeniert werden (vgl. Boering 1994: 289ff; Zillmann 2004: 569).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Jugendliche im Internet kostenlos und ohne große Zugangshürden über ein vielfältiges Angebot an Mainstream-Pornografie verfügen können, welches sich allerdings überwiegend an heterosexuelle männliche Zuschauer richtet. Queere und Frauen-Pomografie sind im freien Angebotsspektrum eher rar und lassen sich vorwiegend unter den Kategorien „Lesbisch“, „Bisexuell“ und „Fern Porn“ auf den Mainstream- Pomografie-Plattformen wiederfinden. Illegale pornografische Inhalte gehören primär nicht zum Spektrum der frei verfügbaren und Jugendlichen leicht zugänglichen Onlinepomografie. Das Auffmden derartiger Inhalte ist jedoch nicht unmöglich. Neben der Frage welche Pomografie-Angebote Jugendliche finden können, stellt sich hierbei allerdings auch die Frage, inwieweit sie diese nutzen. Hierfür soll im Weiteren ein kurzer Forschungsüberblick des Konsumverhaltens von Jugendlichen, in Bezug auf sexuell explizites Material, gegeben werden.
2.2 Forschungsstand zum Pomografiekonsum in der Adoleszenz
Studien zum Konsum von Pornografie sind dabei bereits in einer Vielzahl vorhanden. Die Befunde zeigen, dass der zumindest gelegentliche Konsum sexuell expliziten Materials ein normatives Verhaltensmuster in der Adoleszenz darstellt (vgl. Bauer Media Group 2009: 97; Krahè 2011: 134; Braun-Courville/Rojas 2009: 158; Löfgren-Mârtenson/Mânsson 2009: 9; Weber/Daschmann 2010: 174; Weller 2013: 7; Lust und Frust-Fachstelle für Sexualpädagogik 2012: 12; Ybarra et al. 2011: 7; Peter/Valkenburg 2008: 591). So gaben in der deutschen Studie „PARTNER 4“ rund 90 % der männlichen und 68 % der weiblichen 15- bis 19-jährigen Befragten an, schon einmal pornografische Darstellungen gesehen zu haben (vgl. Weller 2013: 7). Diese Größenordnung deckt sich weitgehend mit anderen Erhebungen weiterer aktueller deutscher und internationaler Studien (vgl. Weber/Daschmann 2010: 174; Krahè 2011: 137; Lust und Frust-Fachstelle für Sexualpädagogik 2012: 12; Svedin 2007: 37). In einer deutschen Studie von Weber (2011), welche sich mit der Nutzungshäufigkeit von sexuell explizitem Material auseinandersetzte, gab zudem ein Drittel der männlichen Befragten an, dass sie Pornografie mindestens knapp täglich und ein weiteres Drittel etwa wöchentlich nutzen. Währenddessen gaben von den weiblichen Befragten lediglich 2 % an (fast) täglich Pornografie zu nutzen und 15 % berichteten von einer wöchentlichen Nutzung (vgl. Weber 2011: 42).
Die geschlechtsbezogenen Unterschiede bei der Betrachtung der Nutzungshäufigkeit, könnten dabei mit tradierten Geschlechterzuschreibungen zu tun haben, nach denen Pornografie als Medium wahrgenommen wird, welches sich vorwiegend an männliche Rezipienten richtet. So weisen qualitative Studien, wie die von Löfgren-Mârtenson und Mânsson (2009), darauf hin, dass es Jungen und jungen Männern anscheinend schwerer fällt, Pornografie abzulehnen, da die Nutzung von ihnen erwartet wird, wohingegen es für Mädchen undjunge Frauen offenbar herausfordernder ist, eine positive Einstellung zu sexuell explizitem Material zu vertreten (vgl. Löfgren-Mârtenson und Mânsson 2009: 568ff; Vogelsang 2017: 94-95). An dieser Stelle ist allerdings weitere Forschung notwendig, welche genauer überprüft, inwiefern sich stereotype Geschlechterzuschreibungen in den Bewertungen von weiblichen und männlichen Jugendlichen widerspiegeln.
Bezüglich altersbezogener Unterschiede, bei der Nutzung von sexuell explizitem Material, liegen widersprüchliche Forschungsbefunde vor. Während einige Studien belegen, dass die Nutzung von Pornografie mit zunehmendem Alter ansteigt, liefern andere Studien gegensätzliche Ergebnisse (vgl. Bauer Media Group 2009: 97; Ybarra/Mitchell 2005: 473; Braun-Courville/Rojas 2009: 158ff; Peter/Valkenburg 2008: 591; Lust und Frust -Fachstelle für Sexualpädagogik 2012: 12; Weber/Daschmann 2010: 174; Löfgren-Mârtenson/Mânsson 2009: 9; Abeele et al. 2014: 10). Auch hier zeigt sich die Notwendigkeit von Anschlussforschung, um ein genaueres Bild über die Nutzung von Pornografie im Altersverlauf zu erhalten.
Mit Blick auf die rezipierten Arten sexuell expliziten Materials liegen, besonders in der internationalen Forschung, hingegen einige qualitative und quantitative Befragungen vor. Diese weisen auf, dass Jugendliche eine Vielzahl an unterschiedlichen Pomografie-Arten kennen (vgl. Vogelsang 2017: 96). Für Deutschland ist diesbezüglich insbesondere die quantitative Studie von Altstötter-Gleich (2006) zu nennen. Die Untersuchung ist zwar verhältnismäßig alt und bedarf aufgrund des in den letzten Jahren vereinfachteren Zugangs zu Pornografie einer aktuellen Daten-Überprüfung, allerdings soll diese aufgrund ihrer Ausführlichkeit trotzdem kurz aufgeführt werden. So zeigen dessen Befunde, dass der größte Anteil an befragten Jugendlichen, Softcore-Angebote (Nacktdarstellungen, „normaler“ Geschlechtsverkehr in unterschiedlichen Stellungen) rezipiert. Des Weiteren führten die Jugendlichen an, Angebote aus dem Spektrum der Hardcore-Pornografie und der „harten“ Pornografie mindestens zu kennen. Je älter die Befragten waren, desto eher kamen diese schon einmal mit „härterer“ Pornografie in Kontakt (vgl. Altstötter-Gleich: 21ff). Ähnliche Ergebnisse finden sich auch in neueren Untersuchungen wieder. So gaben in einer aktuelleren deutschen Studie von Krahè (2011) 45,3 % der befragten 13- bis 18- Jährigen an, schon mindestens einmal Darstellungen erzwungener sexueller Handlungen gesehen zu haben (vgl. Krahè 2011: 137). Dass Jugendliche gewalthaltige, paraphile und illegale Pornografie kennen, bedeutet allerdings nicht, dass sie diese Angebote auch gezielt nutzen und die Inhalte ihrer Nutzungspräferenz entsprechen. So belegen Untersuchungen, wie die von Altstötter-Gleich (2006), dass Jugendliche vorrangig „normale“ Pornografie, die „normalen“ Sex zeigt, präferieren und konsumieren (vgl. Altstötter- Gleich 2006: 21ff; Vogelsang 2017: 97). Aus Sicht von männlichen Jugendlichen sollte der im Porno dargestellte Sex „so ähnlich sein, wie der, den sie selbst praktizieren oder sich vorstellen“ (Schmidt/Matthiesen 2011: 355). Gewaltvolle, „harte“ Pornografie wird dadurch deutlich weniger genutzt und wenn, dann in der Gleichaltrigengruppe oder indem die Jugendlichen laut eigener Angabe zufällig bzw. nicht beabsichtigt mit derartigen Angeboten konfrontiert werden (vgl. Schmidt/Matthiesen 2011: 354ff).
Das junge Menschen nicht intendiert mit Pornografie in Kontakt kommen ist dabei keine Seltenheit. So berichteten 19 % der männlichen und 42 % der weiblichen Befragten der „Lust und Frust“-Studie (2012), schon einmal zufällig auf Pornografie gestoßen zu sein (vgl. Lust und Frust - Fachstelle für Sexualpädagogik 2012: 32). Insbesondere vor dem Hintergrund des immer leichteren Zugangs zum Internet und auch durch die mediale Ausstattung der heutigen Jugend, rückt dies die Frage nach der Wirkung dieses sexuell expliziten Materials in den Vordergrund.
2.3 Sexuelle Aggression
Eine weit verbreitete Annahme im Rahmen der Wirkungsforschung ist, dass pornografische Darstellungen die sexuellen Einstellungen und Verhaltensweisen von Jugendlichen im negativen Sinne beeinträchtigen, sowie die Ausprägung sexueller Aggression steigern würde (vgl. Krahè 2014: 375-377; Freitag 2015: 43-45). Bevor hierauf näher eingegangen werden kann, ist es zunächst essenziell, den Begriff der „sexuellen Aggression“ in Kapitel 2.3.1 näher zu erläutern, sowie die Verbreitung, insbesondere in der Adoleszenz, in Kapitel 2.3.2 zu thematisieren.
2.3.1 Begriffsbestimmung
So werden unter dem Begriff der „sexuellen Aggression“jene Handlungen zusammengefasst, welche mit der Absicht begangen werden, eine andere Person gegen ihren Willen zu sexuellen Kontakten zu bringen (vgl. Krahè 2009: 173). Die Form des sexuellen Kontakts kann dabei vom unfreiwilligen Küssen, über sexuelle Berührungen bis hin zum Eindringen in den Körper reichen. Dies geschieht mittels aggressiver Strategien, welche sowohl verbale-, als auch körperliche Bedrohung bis hin zum Einsatz physischer Gewalt, umschließen (vgl. Brauchte 2015: 32). Unter dieser Definition ist der Begriff der sexuellen Aggression weiter gefasst als der strafrechtliche Begriff der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung in § 177 StGB, der den Aspekt der körperlichen Gewalt oder der Ausnutzung der Verletzlichkeit des Opfers in den Mittelpunkt stellt. Sexuelle Nötigung begeht demnach, „wer eine andere Person mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzen einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen“ (§ 1771 1-2 StGB).
2.3.2 Verbreitungsgrad
Unfreiwillige sexuelle Interaktionen unter Jugendlichen sind dabei weitaus häufiger verbreitet, als allgemein angenommen wird. Insbesondere deshalb, weil im öffentlichen Bewusstsein eher die sexualisierte Gewalt an Kindern oder unter Erwachsenen bekannt ist (vgl. Krahè 2009: 173). Eine Abschätzung, hinsichtlich der Häufigkeit sexueller Aggressionen in der Adoleszenz, kann dabei der polizeilichen Kriminalstatistik entnommen werden. So weist diese für Deutschland im Jahre 2019 auf, dass 32,1 % der Tatverdächtigen bei den Delikten der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung unter 21 Jahre alt waren (vgl. Bundeskriminalamt 2019: 21).
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- Quote paper
- Ronja Ritzel (Author), 2022, Der Zusammenhang von Pornografiekonsum und sexueller Aggression in der Adoleszenz am Beispiel des sozial-kognitiven Lernens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1357789
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