Diese Einsendeaufgabe besteht aus drei Themenschwerpunkten: Im ersten Teil wird dem sozialen Handeln nach Max Weber nachgegangen, danach wird auf das Verständnis der Soziologie für soziale Gruppen eingegangen. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt anhand der OECD-Studie.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Soziales Handeln nach Max Weber
2. Soziale Gruppen
3. OECD-Empfehlung zur Integration von Flüchtlingen und sonstigen
Schutzbedürftigen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Soziales Handeln nach Max Weber
Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Hausarbeit auf das Gendern verzichtet. Gemeint sind stets alle Geschlechter.
Für die Soziologie ist der Begriff des sozialen Handelns von wesentlicher Bedeutung. Als Wissenschaft soll sie „Phänomene und Prozesse der sozialen Wirklichkeit erfassen und erklären“.1 Maßgeblich wurde dieser Begriff von Max Weber geprägt. Aufgrund dessen möchte ich zuerst auf diese Person selbst eingehen, bevor ich das soziale Handeln näher definiere und beschreibe.
Max Weber heißt mit vollem Namen Maximilian Carl Emil Weber. Er wurde in Erfurt in Thüringen am 21. April 1864 geboren. Damit war er das erste Kind von Dr. jur. Max Weber sen. und Helene Weber, geb. Fallenstein. Das Ehepaar hatte weitere sieben Kinder, darunter Alfred Weber (1868-1958), dieser wirkte ebenfalls als Soziologe.2 Max Weber studierte ursprünglich Rechtswissenschaft und war bekannt als Nationalökonom. Er setzte sich schon sehr früh mit soziologischen Themen auseinander.3 Mittlerweile ist Max Weber in der Literatur aus den Bereichen der Soziologie, Politikwissenschaften, Ethnologie, Volkswirtschaftslehre, Geschichtswissenschaft, Rechtswissenschaft und Religionswissenschaft nicht mehr wegzudenken. Seine Werke haben maßgeblich die genannten Wissenschaften beeinflusst.4 Nach Max Webers Tod im Jahre 1920, wurde sein letztes Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“ veröffentlicht. Heute gilt er als Begründer der sogenannten „Verstehenden Soziologie“.5 In seinem Buch „Wirtschaft und Gesellschaft“ wird dies, genauso wie seine Promotion in Jura, gleich am ersten Paragrafen im ersten Kapitel deutlich - durch die Nutzung von Paragrafenzeichen und die Formulierung der Definition von Soziologie.6 Hier nimmt Weber unter anderem Bezug auf den Begriff des „sozialen Handelns“. Im weiteren Verlauf der Aufgabe wird dieses „soziale Handeln“ im Speziellen nach Weber definiert und beschrieben.7
Nach Max Weber soll die Wissenschaft der Soziologie, soziales Handeln deutend verstehen. Es soll den Ablauf von sozialem Handeln erklären und seine Wirkungen kausal beschreiben. „Handeln“ soll hier ein menschliches Verhalten, einerlei ob äußerliches oder innerliches, Unterlassen oder Dulden heißen.8 Weber umfasst in der Wissenschaft vom menschlichen „Sich-Verhalten“, all die Wissenschaften von geistigen sowie gesellschaftlichen Zusammenhängen. Dabei meint er die gesamte Bandbreite vom Denken, über den psychischen Habitus (= Produkt von Klassen und milieuspezifische Sozialisation, Erzeugungsprinzip von Lebensführung, Werthaltung, Ziele und Möglichkei- ten.),9 bis hin zu seinem konkreten Handeln.
Um soziales Handeln als solches zu erfassen und zu erklären, genüge es nämlich nicht, das Verhalten von Menschen zu beobachten. Der Sinn und die Sozialorientiert- heit des Handelns müssen ebenfalls, deutend, verstanden werden.10
Das ist nicht immer einfach, denn der „Sinn“ - ein Grundbegriff der verstehenden Soziologie, um die Besonderheiten des menschlichen Handels zu charakterisieren11 -ist selten eindeutig zu erkennen. Nach Max Weber gibt es eine eindeutige Grenze zwischen reinem Sich-Verhalten und dem Handeln als Sich-Verhalten, das mit einem subjektiven Sinn verbunden ist.12 Dieser kann sehr abweichend sein, da eine Handlung nicht objektiv sinnvoll sein muss. Dadurch wird eine Interpretation notwendig13. Nicht selten kommt es vor, dass sich die handelnde Person diesem „Sinn“ selbst gar nicht bewusst ist,14 dies erschwert ebenfalls das Verstehen der Sozialorientiertheit. Ergänzend zu der Definition des sozialen Handelns schreibt Weber: „Nicht jede Art von Berührung von Menschen ist sozialen Charakters, sondern nur ein sinnhaft am Verhalten des Anderen orientierten eigenen Verhaltens“.15 Somit wäre der Zusammenstoß von zwei Individuen, die nicht auf den Weg achteten, kein soziales Handeln - auch nicht wenn Person (A) beim Stolpern einer anderen Person (B) auf den Fuß tritt. Dennoch kann es passieren, dass ihm Person (B) eine Absicht, also eine soziale Handlung mit subjektivem Sinn beim „auf den Fuß“ treten unterstellt. Dabei war es kein soziales Handeln, sondern ein reines Versehen. Die Entschuldigung oder die Erkundigung im Nachhinein, ob alles gut ist, wäre wiederum ein soziales Handeln. Aber auch wenn sich Person A dazu entscheidet sich nicht zu entschuldigen, weil Person B ihn so böse angeschaut hat, haben beide Beteiligte, ohne miteinander zu sprechen sozial gehandelt. Die reine Mimik oder ein Unterlassen ist soziales Handeln, soweit es einen subjektiven Sinn hat und sich auf eine andere Person bezieht.
Für den Beobachter ist der Sinn hinter den Handlungen, reine Vermutung, die nicht durch unmittelbare Beobachtung geprüft werden kann. Der Beobachter kann das Spektrum an Möglichkeiten eines subjektiven Sinnes für das Handeln des Akteures nicht überschauen. Die Absicht des Akteures kann viel mehr weit über das, was der Beobachter an Verhalten registriert, hinausreichen.16
Soziales Handeln, wird im alltäglichen Sprachgebrauch häufig mit nettem, hilfsbereitem, zuvorkommendem, aber auch uneigennützigem Handeln gleichgestellt. Dies trifft aber nicht auf das soziologische Verständnis dieses Begriffs zu.17 Das Wort „sozial“ stammt aus dem Lateinischen, vom Wort „socius“ und bedeutet so viel wie „Gefähr- te“.18 Soziales Handeln aus der soziologischen Sicht, ist also zwischenmenschliches und sinnhaftes Handeln. Somit bewusst oder unbewusst auf Mitmenschen bezogen und trägt meist einen subjektiven Sinn.19 Es orientiert sich nicht immer nur an der Gegenwart, sondern auch an Vergangenheit und der Zukunft. Beispielsweise Rache für etwas, das vor einigen Wochen passiert ist. Nach Weber kann es sich genauso um bekannte oder auch unbekannte, sowie mehrere Mitmenschen handeln.20
Um diese Komplexität etwas zu differenzieren, unterscheidet Weber vier Motivlagen des Handelns: zweckrationale, wertrationale, traditionale und affektuelle Bestim- mungsgründe21. Es gilt zu beachten, dass reales Handeln sich selten nur einer Art orientiert, meist stellt es einen Mischtyp aus den genannten „reinen Typen“ dar.22
Zweckrational handelt der, der Sinn, Mittel und Nebenfolge der Handlung einschätzt, sich an diesen orientiert und Mittel gegen Zweck, Zweck gegen Nebenfolge abwägt. Die optimal erscheinende Handlung wird gewählt und somit vernunftgeleitet gehandelt. Beispielsweise wenn es um die Berufsausbildung geht: Um anschließend bessere Berufschancen zu haben, würde eine Person eher ein wissenschaftliches Studium vorziehen, anstelle einer anderen Ausbildung, obwohl diese von kürzerer Dauer wäre.23 Während dieses zweckrationale Handeln ausdrücklich an Erfolgsaussichten spezifischer eigener Zwecke ausgerichtet ist, orientiert sich wertrationales Handeln bewusst an einem unbedingten Glauben. Wer wertrational handelt, agiert ohne Rücksicht auf absehbare Folgen, sondern im Dienst seiner Überzeugung. Das soziale Handeln wird primär von Geboten oder Richtlinien gesteuert.24 Nicht selten ist diese Art des Han- delns mit absoluter Folgsamkeit verknüpft. Beispiele dafür wären religiöses, umweltbezogenes oder soldatisches Handeln auf Befehl.25
Traditionales Handeln findet gewohnheitsmäßig statt, nach bewährten Mustern, da die Person es nicht anders kennt und schon immer so handelt. Es stellt eingelebtes, alltägliches handeln dar26. Nach Weber ist es oft nur ein „Reagieren auf gewohnte Reize“.27 Daher ist es nicht immer ersichtlich, ob traditionales auch als sinnhaftes Handeln bezeichnet werden kann.
Sowie das traditionale Handeln, steht auch das affektuelle Handeln an der Grenze zum reinen Sich-Verhalten.28 Das affektuelle Handeln ist sehr emotional und geschieht aus einer Gefühlslage heraus, deshalb an der Grenze dessen, was als sinnhaft gilt. Der Akteur handelt hier, ohne zu reflektieren oder rationalisieren. Sein Handeln gleicht einem Gefühlsausbruch oder einer ungehemmten Reaktion auf eine gewisse Situation oder auch Geschehnis.29 Hier kann ich das vorherige Beispiel der Rache verwenden, die handelnde Person handelt hier ebenfalls aus einem Affekt. Häufig kommt es im Anschluss vor, dass der- oder diejenige seine Reaktion im Nachhinein bereut, weil es andere bzw. bessere Handlungsalternativen geben würde. Im Augenblick des Vorgehens wird dies aber nicht bedacht.
Soziale Handlungen sind die Grundlage sozialer Interaktionen und Beziehungen. Soziale Beziehungen sind das Resultat der beschriebenen sozialen Handlungen. Wenn auf die soziale Handlung einer Person, die einer anderen Person folgt, die ihre Handlung auf das Soziale der ersten Person ausrichtet, kommt es zu einer Interaktion. Wenn diese Reziprozität von Interaktionen fortbesteht, können wir von einer sozialen Beziehung sprechen. Weber meint, wenn die Handlung sich auf das Verhalten des anderen bezieht und sich daher an dessen Ablauf orientiert, dann bewirkt die soziale Handlung in der Interaktion etwas, dem die Bedingung vorausgeht für weiteres Handeln. Dabei setzt jeder Beteiligte eine bestimmte Einstellung oder Sinnhaftigkeit beim Handeln des anderen voraus, ohne tatsächlich mit Sicherheit zu wissen aus welcher Einstellung der Interaktionspartner eigentlich handelt. Unsere eigenen Handlungen sind wiederum auf diese vermutete Sinnhaftigkeit ausgerichtet. Weber erklärt unsere Interpretation der Bedeutung anderer Handlungen damit, dass es in den jeweiligen Kulturen durchschnittliche bzw. übliche Annahmen über Verhalten bzw. Handeln der Dazugehörigen gibt.30
2. Soziale Gruppen
Im zweiten Kapitel wird erläutert, was die Soziologie unter sozialen Gruppen versteht. Danach folgt eine Übertragung auf die Tätigkeit von Sozialarbeiter innerhalb der stationären Jugendhilfe.
Das Leben in einer Gruppe ist eine menschliche Basiserfahrung. Ab dem Punkt der Geburt leben Menschen im Normalfall in Gruppen, wie zum Beispiel in der kerneigenen Familie.31 Unter dem Begriff „soziale Gruppe“ versteht sich ein soziales Verflechtungsgefüge aus Menschen, die zusammenleben oder sich regelmäßig treffen. Dieses Verflechtungsgefüge ist von einer entsprechenden Überschaubarkeit von Mitgliedern gekennzeichnet: Gruppen beinhalten mindestens drei Personen. Die „soziale Gruppe“ zeichnet sich außerdem durch Interaktion, Dauerhaftigkeit und einem Wir-Gefühl, einer kollektiven Identität aus. Nebenbei gibt es in diesen Gruppen mehr oder weniger spezifische Mitgliederregeln, wie geltende Norme und Werte.32 Wie jedes Individuum, nehmen hier auch die Mitglieder einer Gruppe, eine gewisse Rolle ein. Hier versteht sich die „Rolle“ als Verhaltensausschnitt, sie beschreibt ein Verhalten des Rolleninhabers in einer bestimmten Situation.33 Diese Rollen haben Bezug zueinander sowie Kommunikation- und Interaktionsprozesse. Eine Gruppe ist klar definiert, die Anzahl der Gruppenmitglieder ist bestimmt und ein gemeinsames Gruppenziel wird verfolgt.34 Allerdings gleicht nicht jede menschliche Zusammenkunft einer sozialen Gruppe. So gelten Reisende im Flugzeug zum Beispiel nicht als soziale Gruppe, auch wenn diese dasselbe Endziel hätten. Hier fehlen aber gewisse Konstitutionsbedingungen einer sozialen Gruppe, wie zum Beispiel die Regelmäßigkeit der Interaktion. Für die räumliche sowie zeitlich begrenzte Menschenansammlung, bei der die Individuen anonym bleiben (wie im Beispiel mit den Reisenden im Flugzeug) verwendet die Soziologie den Begriff „Soziales Aggregat“.35 Soziale Gruppen lassen sich also ganz klar differenzieren von einem Sozialen Aggregat.
[...]
1 Korte/Schäfers (2016), S. 12.
2 Käsler (2014), S. 16.
3 Abels (2020), S. 55.
4 Käsler (2014), S. 7.
5 Roggenthin (2017), S. 12.
6 Abels (2020), S. 55.
7 Abels (2020), S. 55.
8 Weber (2019), S. 7-8.
9 Schimank (2020), S. 955.
10 Korte/Schäfers (2016), 24 ff.
11 Korte/Schäfers (2016), S. 41.
12 Weber (1922).
13 Roggenthin (2017), S. 84.
14 Pries (2019), S. 65.
15 Weber (1922).
16 Schneider (2008), S. 25.
17 Roggenthin (2017), S. 19.
18 Pries (2019), S. 23.
19 Pries (2019), 80 ff.
20 Weber (1922).
21 Pries (2019), S. 66.
22 Weber (1922).
23 Pries (2019), S. 66.
24 Pries (2019), S. 66.
25 Roggenthin (2017), S. 20.
26 Pries (2019), S. 66.
27 Weber (1922).
28 Pries (2019), S. 66.
29 Pries (2019), S. 66.
30 Abels (2020), 62 ff.
31 Klein (2022), S. 10.
32 Pries (2019), S. 126.
33 Klein (2022).
34 Korte/Schäfers (2016), S. 157-158.
35 Endruweit (2014), S. 12.
- Quote paper
- Melanie May (Author), 2023, Soziologische Grundlagen. Soziales Handeln nach Max Weber, Soziale Gruppen und die OECD-Studie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1356163
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