In Spanien verortet man den Barock zeitlich in das "Siglo de Oro", welches von Religionskämpfen und Imperialismus geprägt ist. Die beiden Hegemonialmächte Spanien und England stehen dabei im Punkt Religion konträr zueinander. Gemeinsam haben beide Mächte, dass sie dank heute noch bekannten Dichtern wie Shakespeare, Lope de Vega und Pedro Calderón de la Barca zu den führenden Theaterländern des Barocks geworden sind. Für Spanien insbesondere sind drei wichtige Besonderheiten festzustellen, welche im folgenden Text diskutiert werden sollen.
Die Zeit des Barocks gilt als Epoche des übermäßigen Prunks, was sich bereits in der Etymologie des Wortes „Barock“ zeigt: es kommt vom portugiesischem „barocco“, was übersetzt „unregelmäßige/ schiefe/ eigenwillige Perle“ bedeutet. In Spanien verortet man den Barock zeitlich in das „Siglo de Oro“, welches von Religionskämpfen und Imperialismus geprägt ist. Die beiden Hegemonialmächte Spanien und England stehen dabei im Punkt Religion konträr zueinander, da England unter Elizabeth I protestantisch geprägt ist, während das katholische Spanien sich an der Gegenreformation beteiligt. Gemeinsam haben beide Mächte, dass sie dank heute noch bekannten Dichtern wie Shakespeare, Lope de Vega und Pedro Calderón de la Barca zu den führenden Theaterländern des Barocks geworden sind. Für Spanien insbesondere sind drei wichtige Besonderheiten festzustellen, welche im folgenden Text diskutiert werden sollen.
Hinsichtlich der Darstellung kann man drei Typen von Bühnen unterscheiden: die Corral- Bühne für das Volkstheater, die Palastbühne und die Bühne der geistlichen Schauspiele. Die Corral-Bühne war jedem Zahlungsfähigen des einfachen Volkes zugänglich. Im Gegensatz zur Mehrheit der Literatur hatten die dort aufgeführten Stücke keine starke Verbindung zum Königshof. Dieses einfache Theater befand sich meist unter freiem Himmel und diente zudem als Raum der sozialen Kontrolle: Männer und Frauen befanden sich in getrennten Zuschauerbereichen. Ein großer Kontrast zum englischen Theater ist, dass Frauen in Spanien auch als professionelle Schauspielerinnen tätig sein konnten. Allgemein war das Theater beim Volk sehr beliebt, wodurch sich das Dramenschreiben zu einer Massenproduktion entwickelt. Dies führte zu einer Wiederholung von bestimmten Mustern im Drama. Die Beliebtheit kam u.a. daher, dass auch im „einfachen“ Theater schon übernatürlich wirkende Effekte erzeugt werden konnten, z.B. durch die Tramoya, eine Grube, aus welcher eine Person aus dem Untergrund erscheinen konnte. Das konnte die Rezipienten sehr beeindrucken, aber möglicherweise durch die Übernatürlichkeit auch verängstigen. Dem Pomp des Barocks entsprach jedoch das Palasttheater mehr. Dieses war eher dem königlichen Hof zugänglich und erfuhr besonders durch Felipe IV einen Aufschwung: er ließ italienische Bühnenarchitekten anheuern, welche noch pompösere Bühnenbilder und Effekte wie Erdbeben kreieren sollten, wodurch auch der Reichtum des Palastes den Rezipienten bewusst vorgeführt wurde. Das Palasttheater trug teilweise auch zum Zerfall des Volkstheaters bei, da Schauspieler für eine Karriere am Hof meist ihre Karriere im Volkstheater niederlegen mussten und auch der Pomp des Palasttheaters auf die Rezipienten viel eindrucksvoller wirkte. Die dritte Bühnenform ist die Bühne der geistlichen Schauspiele. Auf ihr wurden nur die religiösen autos sacramentales vorgeführt. Diese transportablen Bühnen wurden für die Spiele an Fronleichnam genutzt. Insgesamt durchzog die Darstellung des Theaters einen Wandel, den Hans-Jörg Neuschäfer als „tiefgreifende Kommerzialisierung, Professionalisierung und Popularisierung des spanischen Theaters“1 bezeichnet.
Im Siglo de Oro bildete sich zudem die Comedia nacional heraus, als deren Begründer Lope de Vega gilt. In seiner „Arte nuevo de hacer comedias en este tiempo“ zeigt sich, dass Schreibregeln für ihn nichts Ewiges sind und er seinen eigenen Schreibstil implementiert. Die strikte aristotelische Einteilung in Komödie und Tragödie lehnt de Vega ab. Hinsichtlich der Form des Theaterstückes legt er Wert auf einen zusammenhängenden Handlungsstrang und die Einteilung in drei Akte (jornadas), was auch in seinem bekanntesten Stück „Fuente Ovejuna“ (1619 veröffentlicht) sichtbar wird. So konnten die Rezipienten das Geschehene besser erfassen. Der erste Akt führt den Rezipienten direkt in den Konflikt um die Bauerntochter Laurencia ein, welche von einem adligen Comendador des Dorfes verführt wurde. Im zweiten Akt nimmt die Intrige ihren Lauf: der Comendador möchte Laurencia heiraten, was ihm ihr Vater Esteban verweigert. Laurencia flüchtet mit weiteren Dorfbewohnern, jedoch werden sie von Dienern des Comendadors verfolgt und es kommt sogar zu einer Vergewaltigung durch einen Adligen an der Bauerntochter Jacinta. Im dritten und letzten Akt gelangen die Fäden zusammen: Laurencia bringt die Männer des Dorfes dazu, den Comendador zu töten, was sie schließlich auch tun. Der überlebende Diener berichtet den Reyes católicos, welche die Dorfbewohner begnadigen. Dies kann als Lösung des Konflikts gesehen werden. Ein Werk, in dem alle Klassen der Gesellschaft vertreten sind, kann ermutigend auf bäuerliche Rezipienten gewirkt haben, etwas zu verändern, aber auch verängstigend auf Feudalherren. Es bat also viel politischen Sprengstoff. Bemerkenswert ist, dass die drei aristotelischen Einheiten von Ort, Zeit und Handlung nicht ganz genau eingehalten werden: schon allein im ersten Akt sind drei Schauplätze aufzufinden. Auch ist die Handlung nicht zwingend nur einsträngig. Die Haupthandlung stellt die Ehrverletzung der Bauern durch den Comendador dar, während in einer Nebenhandlung der Hass des Dorfes auf ihren Feudalherren thematisiert wird. Bezüglich der Einteilung der Comedias existieren verschiedene Typologien. Fuente Ovejuna kann sowohl als Comedia de honor als auch als Comedia histórica klassifiziert werden. Letztere beruhen meist auf wahren Gegebenheiten. Indikatoren in „Fuente Ovejuna“ sind die Reyes Católicos als Akteure und der Ort Calatrava (Wohnort des Comendadors) in der Region Castilia-La-Mancha als Bezüge zur außersprachlichen Realität. Comedias de honor beschäftigen sich mit dem Thema Ehre und Ehrverletzung. Diese wird am „Vergreifen“ des Comendadors an Laurencia und der Vergewaltigung Jacintas thematsiert. Auch Calderón schreibt in „El médico de su honra“ über dieses Thema. Ehrverletzungen werden auch von anderen europäischen Dichtern thematisiert, zum Beispiel von G. E. Lessing in „Emilia Galotti“. Zudem gibt es noch Comedias de capa y espada, welche tollkühne Abenteuer und Kämpfe behandeln. Diese neue Art des Dramas durch de Vega markierte eine wichtige Zäsur in der Entwicklung des Dramas: weg vom königlichen Hof und hin zum gemeinen Volk. Dadurch könnten sich bürgerliche Rezipienten stärker repräsentiert gefühlt haben, aber möglicherweise auch belächelt durch z.B. komische Darstellungen durch Graciosos (Witzfiguren).
Einen starken Einfluss auf das Theater wahrt auch die Kirche. Dies ist insbesondere im Drama „La vida es sueño“ spürbar, in dem das Leben im Diesseits als Illusion dargestellt wird. Es knüpft somit an das im Barock weit verbreitete Motiv „memento mori“ an, was zum einen die Omnipräsenz des Todes verdeutlicht und zum anderen das irdische Leben abwertet. Dies wird besonders im zweiten Akt deutlich: der Thronfolger Segismundo kommt nach Einnahme eines Schlaftrunks auf den Thron, entwickelt sich zum Tyrannen und kommt schließlich wieder zurück in sein Verlies. Dort kann er gar nicht begreifen, was passiert ist und denkt, er hätte geträumt. Eingesperrt ist Segismundo, da vor seiner Geburt vorhergesehen wurde, dass er zum Tyrannen wird und dies verhindert werden soll. Durch diesen Protagonisten wird den Rezipienten der Grundsatz der Kirche vorgezeigt, dass der Mensch als unfreier Sünder geboren wird. Trotzdem siegt am Ende die Freiheit, als Segismundo König wird und somit aus seiner dunklen Gruft befreit ist. Diese Freiheit kann als Anspielung auf die Freiheit im Jenseits verstanden werden und soll den Rezipienten vor Augen führen, wie frei sie dort sein werden im Gegensatz zum Diesseits. Durch diese Idee Calderóns von Freiheit im Jenseits klassifiziert Franzbach das Werk als „Ideendrama“2. Wie auch in Fuente Ovejuna spielt die Idee der Ehre der Frau eine wichtige Rolle, was besonders im dritten Akt deutlich wird: Astolfo sieht ein, dass es ein Fehler war, Rosaura zu verlassen. Jedoch sieht er es für sich als Adliger unehrenhaft, eine nicht-adlige Frau zu heiraten, wobei er nicht weiß, dass Rosaura adlig ist. Schließlich sorgt Segismundo dafür, dass beide heiraten und stellt somit die Ehre der beiden wieder her. Im Gegensatz zu Fuente Ovejuna werden hier die ständegesellschaftlichen Unterschiede bewusster hervorgehoben, was auf Rezipienten von geringerem Stande herablassend wirken könnte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Theater im Barock eine mächtige Instanz für das Volk war, was Staat und Kirche zur Kontrolle und Erziehung des Volkes nutzen konnte. Auch literarisch und sprachlich sind erste Tendenzen vom geschlossenen Theater Richtung offenes Theater zu verzeichnen, was als Grundstein für das moderne Theater gesehen werden kann.
Literatur
Franzbach, Martin: Geschichte der spanischen Literatur im Überblick. Stuttgart 1993.
Neuschäfer, Hans-Jörg: Spanische Literaturgeschichte. Stuttgart 1997.
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1 Neuschäfer, Hans-Jörg: Spanische Literaturgeschichte. Stuttgart 1997, S. 156.
2 Franzbach, Martin: Geschichte der spanischen Literatur im Überblick. Stuttgart 1993, S.160.
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- Anonymous,, 2023, Aspekte des spanischen Theaters des Siglo de Oro. Die mögliche Wirkung auf ein Publikum, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1353385