Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges taten sich auf der Suche nach Kontakten mit den
angloamerikanischen Alliierten aus dem deutschen Widerstand Mitglieder des Kreisauer
Kreises maßgeblich hervor. Besonders Adam von Trott zu Solz und Helmuth James Graf von
Moltke versuchten eine Zusammenarbeit zwischen dem westlichen Ausland und der
deutschen Opposition zu erreichen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den
Problemen und Ergebnissen dieser Bemühungen: Es soll untersucht werden, inwiefern die
Reaktionen Großbritanniens und der USA sich mit fortschreitendem Kriegsverlauf gewandelt
haben.
Nach einer knappen historischen Einordnung des Kreisauer Kreises sowie der
Berücksichtigung der wichtigsten biographischen Daten von Moltke und Trott und ihrer
Beziehungen zum angloamerikanischen Ausland bis 1939 folgt die Untersuchung der
Kontaktaufnahmen: Die Analyse der US-amerikanischen Kontakte von D. Thomaschke setzt
sich intensiv mit dem USA-Besuch Trotts im Winter 1939 auseinander und legt den
Schwerpunkt auf die generellen Probleme dieser unkonventionellen Diplomatie. Außerdem
vergleicht sie diese Reise mit dem späten Vorstoß Moltkes aus dem Jahr 1943. Der zweite
Teil von Jochen Stahnke erfasst alle Kontaktaufnahmen Moltkes und Trotts mit der britischen
Regierung und legt den Schwerpunkt auf einen vermeintlichen Wandel der britischen
Haltung.
Noch immer kann Ger van Roons umfassende Arbeit über den Kreisauer Kreises aus dem
Jahr 1967 als Standardwerk angesehen werden.1 Maßgeblich für die Auslandskontakte des
deutschen Widerstandes – und somit zentral für diese Arbeit – ist die Darstellung von
Klemens von Klemperer.2 In dieser Hinsicht ist für den englischsprachigen Raum die neuere
Untersuchung von Lamb von Bedeutung.3 Obwohl die Archive des Foreign Office erst
kürzlich freigegeben worden sind, konnten einige Dokumente von Lamb eingesehen werden.
Sehr viel besser gestaltet sich die Erforschung der Kontakte zu den US-Amerikanern, da
neben den feigegebenen Akten des State Departement auch die Geheimdienstdokumente 1992
vom CIA der Wissenschaft zugänglich gemacht wurden.
1 Roon, Neuordnung.
2 Klemperer, Verschwörer.
3 Lamb, Foreign Office.
Inhalt
A. Einleitung
B. Einführung
1. Der Kreisauer Kreis (D. Thomaschke)
2. Adam von Trott zu Solz und Helmuth James Graf von Moltke (J.Stahnke)
C. I. Trotts USA-Reise 1939 (Dirk Thomaschke)
1. Umstände der Reise Trotts in die USA
2. Entstehung und Verbreitung des Scheffer - Trott - Memorandums
3. Das Scheffer-Trott-Memorandum
4. Probleme der „Diplomatie des Widerstandes“
5. Positive Eindrücke
6. Misstrauen
7. Folgen
II. Der Herman - Plan ( Dirk Thomaschke)
D. Kontakte zu Großbritannien (Jochen Stahnke)
1. erste Kontaktaufnahmen Moltkes und Trotts mit der britischen Regierung
2. Kontaktaufnahmen während der ersten Kriegsjahre
3. Kontaktaufnahmen nach der Casablanca - Konferenz 1943
4. Kontaktaufnahmen nach der Verhaftung Moltkes
E. Schlussbetrachtung
F. Literaturverzeichnis
A. Einleitung
Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges taten sich auf der Suche nach Kontakten mit den angloamerikanischen Alliierten aus dem deutschen Widerstand Mitglieder des Kreisauer Kreises maßgeblich hervor. Besonders Adam von Trott zu Solz und Helmuth James Graf von Moltke versuchten eine Zusammenarbeit zwischen dem westlichen Ausland und der deutschen Opposition zu erreichen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Problemen und Ergebnissen dieser Bemühungen: Es soll untersucht werden, inwiefern die Reaktionen Großbritanniens und der USA sich mit fortschreitendem Kriegsverlauf gewandelt haben.
Nach einer knappen historischen Einordnung des Kreisauer Kreises sowie der Berücksichtigung der wichtigsten biographischen Daten von Moltke und Trott und ihrer Beziehungen zum angloamerikanischen Ausland bis 1939 folgt die Untersuchung der Kontaktaufnahmen: Die Analyse der US-amerikanischen Kontakte von D. Thomaschke setzt sich intensiv mit dem USA-Besuch Trotts im Winter 1939 auseinander und legt den Schwerpunkt auf die generellen Probleme dieser unkonventionellen Diplomatie. Außerdem vergleicht sie diese Reise mit dem späten Vorstoß Moltkes aus dem Jahr 1943. Der zweite Teil von Jochen Stahnke erfasst alle Kontaktaufnahmen Moltkes und Trotts mit der britischen Regierung und legt den Schwerpunkt auf einen vermeintlichen Wandel der britischen Haltung.
Noch immer kann Ger van Roons umfassende Arbeit über den Kreisauer Kreises aus dem Jahr 1967 als Standardwerk angesehen werden.[1] Maßgeblich für die Auslandskontakte des deutschen Widerstandes – und somit zentral für diese Arbeit – ist die Darstellung von Klemens von Klemperer.[2] In dieser Hinsicht ist für den englischsprachigen Raum die neuere Untersuchung von Lamb von Bedeutung.[3] Obwohl die Archive des Foreign Office erst kürzlich freigegeben worden sind, konnten einige Dokumente von Lamb eingesehen werden.
Sehr viel besser gestaltet sich die Erforschung der Kontakte zu den US-Amerikanern, da neben den feigegebenen Akten des State Departement auch die Geheimdienstdokumente 1992 vom CIA der Wissenschaft zugänglich gemacht wurden.
B. 1. Der Kreisauer Kreis (Dirk Thomaschke)
Der Name taucht zum ersten Mal in den „Kaltenbrunnerberichten“ über das Attentat des 20.Juli auf. Er rührt von dem schlesischen Gut Kreisau des Grafen von Moltke her.
Der Kreisauer Kreis zählt zum bürgerlichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus.[4] Unter der Leitung von Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg fand sich ein Kreis von 20 engen Mitarbeitern zusammen, die Unterstützung von ungefähr ebenso vielen Personen bekam. Der Kreisauer Kreis vereinte Adlige, Sozialisten, Geistliche, Wissenschaftler. Die Mitglieder verfolgten während der Weimarer Republik teilweise sehr unterschiedliche Ziele. Innerhalb des deutschen Widerstandes sahen sie nunmehr ihre Aufgabe darin, Pläne für eine Neuordnung nach dem Fall des NS-Regimes zu entwerfen, obwohl sie sich mit fortschreitender Kriegsdauer immer mehr mit der Idee eines Attentats anfreundeten und einige Kreisauer schließlich am 20.Juli beteiligt waren. Spätestens nach diesem Attentatsversuch, wenn nicht bereits nach Moltkes Verhaftung im Januar 1943, zerfiel der Kreis.
Es fanden drei größere Treffen auf dem Gut Kreisau statt, an deren Ende stets Denkschriften standen. Pfingsten 1942, bei der ersten großen Tagung, wurde die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von Staat und Kirche bei Wiederaufbau betont. Auch wenn nicht alle Kreisauer religiös im engeren Sinn waren, besaßen die christlichen Werte für sie entscheidende Bedeutung im Staatsaufbau. Des Weiteren wurden Ideen für ein Bildungs- und Erziehungssystem entwickelt. Ende des Jahres fand ein weiteres Treffen statt, bei dem man sich auf folgende Leitlinien des Staatsaufbaus einigte: Man strebte ein stark föderalistisches Staatswesen hin zu mehr Selbstverwaltung an, ein System der „kleinen Gemeinschaften“. Auch in der Wirtschaft sollte mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung stattfinden. Wichtig war den Kreisauern vor allem auch soziale Gerechtigkeit und Vollbeschäftigung zu erreichen. Beim letzten Treffen um Pfingsten 1943, bei dem alle Auffassungen des Kreises in seiner wichtigsten Schrift „Grundsätze für die Neuordnung“ zusammengefasst wurden, bekannte man sich zu einem föderalistischen Europa und erteilte dem Nationalismus eine klare Absage. (Aufgrund dieser stark europäischen Ausrichtung war der Kreisauer Kreis auch die außenpolitisch aktivste aller Widerstandsbewegungen.[5] ) Weiterhin hielt man eine Bestrafung der Kriegsverbrecher für unumgänglich und machte sich Gedanken über ein zuständiges internationales Gericht.
B. 2. Adam von Trott zu Solz und Helmuth James Graf von Moltke (Jochen Stahnke)
Helmuth James Graf von Moltke wurde 1907 in Kreisau - heute Krzyzowa - geboren.[6] Seine Mutter stammte aus Südafrika und war Tochter des dortigen Justizministers. James Moltkes Vater, Helmuth Graf von Moltke war ein Großneffe des Feldmarschalls Helmuth Carl Bernhard Graf von Moltke. James Moltke studierte in Breslau, Berlin und Wien Rechtswissenschaften. 1935 eröffnete er in Berlin eine Kanzlei für Völkerrecht und internationales Privatrecht. Unmittelbar nach Kriegsbeginn wurde Moltke, weil kriegsuntauglich, als Kriegsverwaltungsrat im militärischen Geheimdienst des OKW zwangsverpflichtet. Als Sachverständiger für Völkerrecht war Moltke bis zu seiner Verhaftung 1944 auf dem Gebiet des Kriegs- und Völkerrechts tätig. James Moltke wurde am 23. Januar 1945 hingerichtet. Schon Moltkes Familie hatte viele Bekannte in England.[7] 1934 besuchte James Moltke für einige Wochen einen Freund der Familie seiner Frau, Lionel Curtis, in England.[8] Curtis war in England ein bedeutender Publizist auf dem Gebiet der internationalen Politik.[9] Nach und nach bildete sich eine enge Beziehung zwischen den beiden aus, dokumentiert auch in fortlaufendem Briefwechsel, der bis zu Moltkes Tod aufrechterhalten wurde. Während Moltke den Barrister[10] machte, wohnte er bei Curtis, der ihm viele Kontakte vermittelte, so zu Michael Balfour – damals Dozent für moderne Politik in Oxford - und dem späteren Innenminister von England, Henry Brooke.[11] In England knüpfte Moltke 1937 Kontakt mit Trott.[12] Trott hatte für zwei Jahre in Oxford Jura, Philosophie und Ökonomie studiert.[13]
Adam von Trott zu Solz wurde 1909 als Sohn des damaligen preußischen Kultusministers in Potsdam geboren. Ab 1927 studierte er in München, Göttingen, Berlin und Oxford Jura, Philosophie und Ökonomie. Während seines Studiums in Oxford lernte Trott den Labourpolitiker Stafford Cripps und den einflussreichen Konservativen David Astor kennen. Nach dem Examen in Berlin begab er sich auf Weltreise: 1937 besuchte er die USA, anschließend bis 1939 China, Japan, Korea und Hongkong, wo er die Bekanntschaft zahlreicher Politiker machte.[14] Eine Festanstellung im Staatsapparat blieb ihm aufgrund von Parteilosigkeit zunächst verwehrt, für die Dauer der USA- und England - Reisen 1939/40 wurde Trott allerdings der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes zugeteilt, in der er ab Mitte 1940 bis zur Verhaftung im Juli 1944 fest angestellt war. Adam von Trott zu Solz wurde am 26. August hingerichtet.
C. Trotts USA - Reise im Winter 1939
1. Umstände der Reise Trotts in die USA (Dirk Thomaschke)
Eine genauere Untersuchung soll im Folgenden die Reise Trotts in die Vereinigten Staaten vom Oktober 1939 bis zum Januar des darauffolgenden Jahres erfahren – eine im Licht der Thematik dieser Arbeit gesehen in mehrerer Hinsicht besondere Fahrt: Anders als vorhergehende Reisen Trotts nach Großbritannien und in die USA war der Krieg in Europa zu diesem Zeitpunkt schon ausgebrochen. Die USA allerdings waren noch nicht beteiligt. Da nach der Ausweitung des Krieges nur noch mittelbare Kontakte der Kreisauer zu den Alliierten Regierungen möglich waren, sind die direkten Kontakte Trotts zu US-amerikanischen Regierungsvertretern während dieses Aufenthaltes von besonderem Interesse.[15]
Der offizielle Grund der Reise war eine Einladung des Direktors des Institute of Pacific Relations (IPR), Edward Carter, dem Trott bereits während seines USA-Besuchs 1937 durch Lord Lothian bekannt gemacht wurde.[16] In den Diensten des Auswärtigen Amtes sollte Trott hier aufgrund seiner eingehenden Kenntnisse Ostasiens an einer Konferenz in Virginia Beach, VA, teilnehmen.[17] Unterstützt durch den Staatssekretär im Auswärtigen Amt Weizsäcker wurde die Reise von Hewel und schließlich Ribbentrop genehmigt, um „dem deutschen Reich einen beträchtlichen Prestigegewinn einzubringen“.[18] Die Ausreise aus Europa bereitete jedoch wohl einige Schwierigkeiten.[19] In Amerika angekommen hatte Trott regelmäßig im deutschen Konsulat in Washington zu erscheinen.[20]
Während seines ganzen Aufenthaltes war Trotts wichtigstes Anliegen die Anerkennung eines deutschen Widerstandes und Verständnis für seine Bedürfnisse zu vermitteln, wobei er wohl keinen spezifischen Auftrag hatte, sondern sehr selbständig handelte.[21] Die Regierungskontakte im Sinne des Widerstandes werden in den folgenden Kapiteln eingehender behandelt, doch auch während der Tagung des IPR verbreitete Trott unter einigen Mitgliedern der Konferenz seine diesbezüglichen Ansichten. Er war hier sowohl Verdächtigungen als auch Vertrauen in Hinblick auf die Ehrlichkeit seiner Aussagen ausgesetzt.[22]
Zu beachten sind auch die zahlreichen persönlichen Kontakte zu alten Freunden und Verwandten, die Trott bei seinen Vorhaben ermutigten und teilweise aktiv unterstützten.[23]
In der zweiten Januarwoche 1940 verließ Trott die USA Richtung Deutschland. Er reiste über den Fernen Osten und Russland zurück.[24]
C. 2. Entstehung und Verbreitung des Scheffer-Trott-Memorandums
(Dirk Thomaschke)[25]
Wie erwähnt versuchte Trott während seines Aufenthaltes Anliegen des deutschen Widerstandes an amerikanische und britische Regierungsvertreter zu vermitteln.[26] Diese verdeckten Unternehmungen werden im Folgenden genauer untersucht.
Nach Schott besuchte er als Vorbereitung hierzu eine Reihe prominenter Exilanten.[27] In der Tat entstand hierbei ein Memorandum Paul Scheffers[28], das Trott im Wesentlichen übernahm, jedoch auch mit einigen Änderungen (s.u.) versah, und sich letztlich als „author only in parts“ bezeichnete.[29]
Dieses Memorandum erreichte über W.T. Stone, Repräsentant der Foreign Policy Association in Washington, die Spitzen des Außenministeriums: Secretary Hull, Undersecretary of State Welles sowie Assistant Secretary of State Messersmith, der es an mehrere Personen weiterleitete, darunter auch Präsident Roosevelt, und Trott aufforderte diese persönlich aufzusuchen.[30] Darunter war das Treffen mit Felix Frankfurter, das im negativen Sinne von entscheidender Bedeutung war. Außerdem kam es zu zwei persönlichen Treffen Trotts mit Messersmith vor und nach dem Besuch des IPR.[31]
C. 3. Das Scheffer-Trott-Memorandum (Dirk Thomaschke)
Eine eingehendere Betrachtung des Inhalts des besagten Memorandums erscheint nun sinnvoll vor der Untersuchung der Reaktionen, die es in amerikanischen Regierungskreisen auslöste.
Zu Beginn des Schriftstückes zieht Trott die in den alliierten Staaten angeblich vorherrschende Meinung, dass ein Sieg ihrerseits außer Frage stehe, in Zweifel, unterlässt es jedoch diese Frage gründlicher zu behandeln, da er die Wichtigkeit einer dauerhaften Friedensordnung nach dem Krieg unabhängig von seinem Ausgang in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellen möchte. Hierzu fordert er die Alliierten auf, so bald wie möglich ihre beabsichtigten Friedensziele öffentlich zu formulieren.[32]
Die Diskussion über die Nachkriegsabsichten Deutschland gegenüber würden sich in den alliierten Ländern zwischen zwei entgegengesetzten Polen bewegen: Einerseits würde eine nachhaltige Zerschlagung des Deutschen Reiches gefordert zur Beseitigung jedweden außenpolitischen Aggressionspotentiales. Manche Stimmen würden auch eine Teilung Deutschlands bevorzugen mit dem Ziel, die entstehenden deutschen Staaten durch Konkurrenz untereinander zu erschöpfen. Diese Position gehe von Deutschlands Friedensunfähigkeit sowie einer eigennützigen Schutzpolitik der Nachbarstaaten aus.
Die Gegenposition sehe die Demütigungen des Versailler Vertrages als nahezu zwangsläufige Verursacher der nationalsozialistischen Machtergreifung und des Krieges. Eine zukünftige Friedenslösung sollte auf die Vernunft des deutschen Volkes vertrauen und sich von jeglicher Machtpolitik freimachen. Eine Zerteilung Deutschlands sei auf jeden Fall zu vermeiden, da sie ein Garant für zukünftige Streitigkeiten darstelle.
Erklärungen der Alliierten und andersartig involvierter Staaten im Sinne der ersten Richtung würden dem Nationalsozialismus neue Kräfte zuführen. Um den deutschen Widerstand zu stärken und sich selbst innenpolitisch abzusichern sollten stattdessen die Absichten verlautbart werden, den Krieg schnellstmöglich zu beenden und Spannungen in Europa durch Kooperation - auch mit Deutschland - zu ersetzen.
Dadurch würde man den Großteil aller gesellschaftlichen Schichten in Deutschland auf die eigene Seite bringen, denn die Nazi-Propaganda über die Westmächte würde als falsch entlarvt werden. Im Volk herrsche eine umfassende Enttäuschung über Hitler vor und nur die Unsicherheit gegenüber der Haltung der Alliierten und die Angst vor einem „Zweiten Versailles“ ließe ihm noch Unterstützung zukommen. Gleichzeitig bestehe die Gefahr einer Orientierung der Deutschen zur Sowjetunion hin.[33]
Auch für die Stabilität im eigenen Land sollten England und Frankreich schleunigst die Ziele ihres Kriegseinsatzes benennen. Die Beweggründe der Bevölkerungen ihrer Länder, den Kriegseintritt zu unterstützen seien sehr rational gewesen. Doch je länger der Krieg dauere, desto größer wachse die Gefahr heran, dass sich nach dem Krieg emotionale Reaktionen der Bevölkerung gegen die eigenen Regierungen als Kriegsverursacher und –treiber entlüden. Damit dies nicht passiere, müssten den Menschen klare Ziele für eine beabsichtigte dauerhafte und nachhaltige Friedenssicherung präsentiert werden, denen sie sich anschließen könnten. Da die nationale Begeisterung in ganz Europa ihre Anziehungskraft verloren habe, müssten die Absichten sich auf eine europäische Zusammenarbeit richten.
Im letzten Abschnitt seines Memorandums setzt Trott sich mit den Schwierigkeiten der Umsetzung einer vertrauenerweckenden Friedenszielerklärung seitens der Alliierten auseinander. Er lobt die politische Initiative Woodrow Wilsons während des Ersten Weltkrieges, die geholfen habe, den Krieg schnell zu beenden, indem die demokratischen Kräfte Deutschlands ermutigt worden seien. Doch gerade die Perversion seiner Ideen durch den Versailler Vertrag habe diesen positiven Effekt in sein Gegenteil verkehrt. Dies stelle jetzt die größte Hürde für die Glaubwürdigkeit der Alliierten in Deutschland dar, da die Propaganda der Nationalsozialisten eine Wiederholung dieses „Verrats“ verbreite.
Um dem zu entgegnen, müsse die Proklamation gradlinig und nüchtern formuliert sein, sowie ein Höchstmaß an Details enthalten. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt vieles nicht genau abzusehen sei, sollten doch feste Grenzen bekannt gegeben werden, die die Forderungen der Alliierten nicht überschreiten werden, sowie minimale zu erwartende Zugeständnisse auf Seiten der Siegermächte. Am wichtigsten seien hier finanzielle Großzügigkeit, Aufbau eines Europas mit gleichberechtigten Partnern und keine Teilung Deutschlands, sondern die Grenzen von 1933.[34] Um als Verhandlungspartner angesehen zu werden, müsste Deutschland seine momentane Regierung durch eine friedliche und vertrauenswürdige ersetzen.
Die ideale Lösung, das deutsche Volk von den in diesem Sinne zu proklamierenden Kriegszielen zu überzeugen, sei eine offizielle Garantie der Vereinigten Staaten ihre Umsetzung zu überwachen, da der politische Einfluss der USA unverkennbar zu sehr großem Gewicht angewachsen sei. Sofern die USA sich nicht zu einer solchen Garantie der Durchsetzung entscheiden, wäre wenigstens die diplomatische Unterstützung und Einwirkung auf die Alliierten von großer Bedeutung für die Vorgänge in Deutschland.
[...]
[1] Roon, Neuordnung.
[2] Klemperer, Verschwörer.
[3] Lamb, Foreign Office.
[4] Neben der hier gewählten Bezeichnung bürgerlich (vgl. W.Benz, W.H.Pehle (Hg.), Lexikon des Widerstandes, Frankfurt a. M. ²1994.) findet man den Kreisauer Kreis auch mit den Attributen konservativ, nationalkonservativ, bürgerlich-konservativ. Zu den Problemen der Begrifflichkeit z.B. Klemens von Klemperer, Der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Lichte der konservativen Tradition, in: Manfred Funke, Hans-Adolf Jacobsen (Hg.) u.a., Demokratie und Diktatur, Festschrift für Karl-Dietrich Bracher, Bonn 1987, S.266-83.
[5] Roon, Widerstand, S.207.
[6] ausführliche Biographien Moltkes und Trotts liefern van Roon, Neuordnung, S. 56 ff. bzw. S. 141 ff. sowie Finker, Kreisauer Kreis, S. 56 ff. bzw. S. 136 ff., ferner für Trott Schott, S. 21 ff.
[7] Roon, Ausland, S. 39.
[8] Roon, Neuordnung, S. 296.
[9] Lamb, Das Foreign Office und der deutsche Widerstand 1938- 1944, S.64.
[10] Barrister ist der englische Rechtsanwaltstitel.
[11] van Roon, Neuordnng im Widerstand, S. 297.
[12] Finker, Kreisauer Kreis, S. 142.
[13] Roon, Ausland, S. 36.
[14] vgl. Finker, Kreisauer Kreis, S. 140.
[15] Hinzu kommt eine vergleichbar gute Quellenlage zu den Kontakten mit Großbritannien, da das amerikanische Auswärtige Amt die entsprechenden Akten zugänglich gemacht hat, Rothfels, VfZ 7, S.319; VfZ 12, S.304.
[16] Roon, Neuordnung, S.146. Das Einladungstelegramm Carters ist z.B. bei Klemperer, Verschwörer, S.445 zu lesen.
[17] Roon, Ausland, S.40; Schott, S.141.
[18] MacDonogh, S.144; Klemperer, Verschwörer, S.169.
[19] Vgl. Rothfels, VfZ 7, S.318, Anm.1; MacDonogh, S.145.
[20] Klemperer, Verschwörer, S.169.
[21] Klemperer, Verschwörer., S.170.
[22] Vgl. Clarita von Trott zu Solz, S.141-42 (insbesondere den Tagebucheintrag von Dr. Felix Morley).
[23] Vgl. Clarita von Trott zu Solz, S.140. Familiäre Bindungen in die USA bei Roon, Neuordnung, S.141.
[24] Schott, S.41.
[25] Vgl. Anm.27.
[26] Ein in Amerika entstandenes Memorandum, das von dort aus über Wheeler-Bennett Lord Halifax erreichen sollte, wird hier nicht genauer behandelt. Rothfels, VfZ 12, S.305 (Dokument 2). Kontakte hatte Trott auch zu Lord Lothian, dem Botschafter Großbritanniens in Washington. Klemperer, Verschwörer, S.174-76. Ebenso sei das Treffen in den USA mit K.B.Frank, einem Mitglied der deutschen Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“ nur hier erwähnt, a.a.O.
[27] Schott, S.142; Klemperer, Verschwörer, S.170: Er traf u.a. Heinrich Brüning, Kurt Riezler, Hans Simons und Paul Scheffer. Bei Klemperer, Verbindung S.7, befinden sich auch einige Gedanken zur wichtigen Wechselbeziehung von Widerstand und Exil.
[28] Paul Scheffer war ehemaliger außenpolitischer Redakteur des „Berliner Tageblatts“.
[29] Rothfels, VfZ 7, S.318-19. Dort ist auch das Memorandum abgedruckt, S.322-29 (Dokument 3). Vgl. auch Roon, Neuordnung, S.149; Klemperer, Verschwörer, S.171. Auch Scheffers Text basierte auf einer Vorlage: Ein nicht veröffentlichter Artikel für die Zeitschrift Atlantic Monthly, der hier keine weitere Berücksichtigung finden wird.
[30] Roon, Neuordnung, S.149; Rothfels, VfZ 7, S.319-20; Klemperer, Verschwörer, S.172. Zu einem Treffen mit Roosevelt ist es nicht gekommen.
[31] Mitteilungen von Messersmith vom 20.November und vom 8.Dezmeber 1939, Dokument 3 und 6 bei Rothfels, VfZ 7.
[32] Der in Anführungszeichen gesetzte Ausdruck „no victors and no vanquished“ spielt auf die Fourteen Points von Woodrow Wilsons New Diplomacy an, die dieser während des Ersten Weltkrieges entwickelte. Nach Klemperer trugen Berufungen des deutschen Widerstandes auf die New Diplomacy zu einer ablehnenden Haltung Roosevelts und der Politik der absolute silence bei. Foreign Policy, S.359.
[33] Die drohende Ostorientierung Deutschlands, falls man weiter über die Haltung der Alliierten im Unklaren bliebe, soll von Trott hinzugefügt worden seien. Klemperer stützt diese Ansicht auf FBI-Berichte darüber, wie Trott mit Miss Boardman vom IPR diesen Absatz diskutiert habe. Außerdem stellt Klemperer die Überzeugungskraft dieses Arguments von Trott in Frage. Verschwörer, S.172 (Anm.209).
[34] Die dem überwiegenden Teil der außenpolitischen Vorstöße des deutschen Widerstandes eigene Betonung der Bedeutung der nationalen Integrität ist der Rücksichtnahme auf die Interessen der Wehrmachtsgeneräle geschuldet, deren Unterstützung für einen Staatsstreich von unersetzlicher Wichtigkeit war. Klemperer, Verbindung, S.10.
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