In den zurückliegenden siebzig Jahren ist eine nahezu unüberschaubare Menge von Publikationen erschienen, deren Ziel es war, die Zeit der Weimarer Republik zu beschreiben und zu analysieren. Zumeist wurde hierbei in Arbeiten mit wissenschaftlichem Anspruch aus historischer Sicht der Weg vom Ende des Kaiserreichs im Jahr 1918 bis zum Zusammenbruch der ersten deutschen Demokratie im Jahr 1933 beschrieben und in ein zeitübergreifendes Korsett eingeordnet. Hingegen weisen andere zeithistorische schriftliche Dokumente aus der pränationalsozialistischen Zeit einen oft weitaus subjektiveren Eindruck auf. Zu nennen sind hierbei vor allem Tagebücher oder Biographien von Personen, die die Geschehnisse der Weimarer Republik auf ihre Weise verarbeitet haben.
Aus einem Blickwinkel, der sich gänzlich von den zuvor aufgeführten Perspektiven unterscheidet, nähert sich Horst Dieter Schlosser der Weimarer Zeit. Der an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität Frankfurt lehrende Schlosser, dessen Name einer breiteren Öffentlichkeit weit weniger bekannt sein dürfte als seine Erfindung „Das Unwort des Jahres“, veröffentlichte 2003 „Das Deutsche Reich ist eine Republik. Beiträge zur Kommunikation und Sprache der Weimarer Zeit“. Schlossers Publikation beschäftigt sich – wie der Titel bereits nahe legt – mit der Sprache in der Weimarer Republik und ist ein Sammelband, in dem sowohl zwei Artikel von Prof. Dr. Schlosser selbst als auch 16 Aufsätze von Teilnehmern seines Hauptseminars an der Universität Frankfurt vereint werden.
Schlossers Publikation soll im Folgenden näher beleuchtet werden und einer umfangreichen Kritik unterzogen werden. Dabei wird der Schwerpunkt der vorliegenden Abhandlung auf wenige ausgewählte Aufsätze der Publikation gelegt, um mehr ins Detail gehen zu können und nicht lediglich eine Deskription des Inhalts zu liefern. Neben Schlossers Einleitung, die für alle nachfolgenden Artikel grundlegende Maßstäbe legt, soll der Fokus dabei auf zwei Aufsätze zweier Hauptseminaristinnen gelegt werden, die zum einen Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“, zum anderen Erich Kästners „Emil und die Detektive“ untersucht haben. Anhand dieser drei Buchteile soll die Rezension untersucht und beurteilt werden.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Schlossers Einleitung als Leitlinie für seine Publikation
3. Methodik der vorliegenden Abhandlung
4. „In Stahlgewittern“
4.1. Die Autorin und die Konzeption ihres Beitrags
4.2. Der Inhalt des Artikels
4.3. Kritik am Artikel
5. „Emil und die Detektive“
5.1. Die Autorin und die Konzeption ihres Beitrags
5.2. Der Inhalt des Artikels
5.3. Kritik am Artikel
6. Fazit
Literatur
1. Einleitung
In den zurückliegenden siebzig Jahren ist eine nahezu unüberschaubare Menge von Publikationen erschienen, deren Ziel es war, die Zeit der Weimarer Republik zu beschreiben und zu analysieren. Zumeist wurde hierbei in Arbeiten mit wissenschaftlichem Anspruch aus historischer Sicht der Weg vom Ende des Kaiserreichs im Jahr 1918 bis zum Zusammenbruch der ersten deutschen Demokratie im Jahr 1933 beschrieben und in ein zeitübergreifendes Korsett eingeordnet.[1] Hingegen weisen andere zeithistorische schriftliche Dokumente aus der pränationalsozialistischen Zeit einen oft weitaus subjektiveren Eindruck auf. Zu nennen sind hierbei vor allem Tagebücher oder Biographien von Personen, die die Geschehnisse der Weimarer Republik auf ihre Weise verarbeitet haben.[2]
Aus einem Blickwinkel, der sich gänzlich von den zuvor aufgeführten Perspektiven unterscheidet, nähert sich Horst Dieter Schlosser der Weimarer Zeit. Der an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität Frankfurt lehrende Schlosser, dessen Name einer breiteren Öffentlichkeit weit weniger bekannt sein dürfte als seine Erfindung „Das Unwort des Jahres“, veröffentlichte 2003 „Das Deutsche Reich ist eine Republik. Beiträge zur Kommunikation und Sprache der Weimarer Zeit“.[3] Schlossers Publikation beschäftigt sich – wie der Titel bereits nahe legt – mit der Sprache in der Weimarer Republik und ist ein Sammelband, in dem sowohl zwei Artikel von Prof. Dr. Schlosser selbst als auch 16 Aufsätze von Teilnehmern seines Hauptseminars an der Universität Frankfurt vereint werden.[4]
Schlossers Publikation soll im Folgenden näher beleuchtet werden und einer umfangreichen Kritik unterzogen werden. Dabei wird der Schwerpunkt der vorliegenden Abhandlung auf wenige ausgewählte Aufsätze der Publikation gelegt, um mehr ins Detail gehen zu können und nicht lediglich eine Deskription des Inhalts zu liefern. Neben Schlossers Einleitung, die für alle nachfolgenden Artikel grundlegende Maßstäbe legt, soll der Fokus dabei auf zwei Aufsätze zweier Hauptseminaristinnen gelegt werden, die zum einen Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“, zum anderen Erich Kästners „Emil und die Detektive“ untersucht haben. Anhand dieser drei Buchteile soll die Rezension untersucht und beurteilt werden.
2. Schlossers Einleitung als Leitlinie für seine Publikation
Als Leitlinie für die Beiträge in „Das Deutsche Reich ist eine Republik. Beiträge zur Kommunikation und Sprache der Weimarer Zeit“ dient die vom Herausgeber Horst Dieter Schlosser verfasste Einleitung „ Das Deutsche Reich ist eine Republik. Vom inneren Zwiespalt des Weimarer Staates“. Dieser einleitende Artikel umfasst zehn der insgesamt 227 Seiten umfassenden Publikation und ist maßgebend für die nachfolgenden 16 von den Hauptseminaristen verfassten Aufsätze, deren Größenordnung zwischen zehn und 16 Seiten liegt und die im Rahmen des Hauptseminars „Sprachgeschichte in der Weimarer Republik“ im Sommersemester 2000 an der Universität Frankfurt entstanden.[5]
In seiner Einleitung gibt Horst Dieter Schlosser einen kurzen Einblick in die Thematik seiner Publikation, die im übrigen Band 8 der von Schlosser und Heiner Boehncke herausgegebenen Reihe „Frankfurter Forschungen zur Kultur- und Sprachwissenschaft“ darstellt. Alle 17 der Einleitung nachfolgenden Beiträge werden kurz vorgestellt. Hierbei wird ersichtlich, dass die Beiträge ein weites Spektrum abdecken, was deren Gattungen anbetrifft. Neben Pressetexten, politischen Reden und Aufrufen sowie Sprache in Kunst, Theater, Musik und Werbung werden vor allem literarische Werke aus der Weimarer Zeit analysiert. Im Bereich der Literatur sind mit den Autoren Arthur Moeller van den Bruck, Ernst Jünger, Thomas Mann, Erich Kästner, Erich Maria Remarque und Kurt Tucholsky zudem auch alle politischen Richtungen abgedeckt.[6]
Laut Schlosser liegt der Akzent der vereinigten Beiträge „auf den sprachlichen Auswirkungen des letztlich bis 1945 nicht verarbeiteten Bruchs mit einer obrigkeitsstaatlichen Staats- und Gesellschaftsordnung“. Schlosser stellt hierbei folgende Prämisse auf: „Die politik- und gesellschaftshistorische Phase der Weimarer Republik lässt sich anders als vorherige oder spätere Phasen der deutschen Geschichte geradezu durch einen prinzipiellen inneren Zwiespalt definieren, der auch und ganz besonders in der sprachlichen Kommunikation nachweisbar ist. Der Kampf zwischen Altem und Neuem nach 1918 ist sogar in erster Linie ein Kampf um Worte, nicht zuletzt um die semantische Bedeutung von Schlüsselbegriffen“ im Parlament, im Parteienstreit, in der Publizistik, in der Literatur und in der kommerziellen Werbung.[7]
3. Methodik der vorliegenden Abhandlung
Ob der von Schlosser postulierte Akzent und die Prämisse auch wirklich in den Aufsätze der Hauptseminaristen aufgegriffen und erfüllt werden, dies soll nachfolgend anhand zweier bewusst ausgewählter Beispiele geklärt werden. Bei der Auswahl der beiden Aufsätze bot sich freilich an, sich für zwei Beiträge zu entscheiden, in denen über die Werke zweier Autoren mit sehr unterschiedlicher politischer Ausrichtung berichtet wird, eine Methode, die in der Politikwissenschaft als „most dissimilar cases design“ bezeichnet wird. Ebenso hätte sich im Umkehrschluss ein „most similar cases design“ angeboten, bei welchem zwei Beiträge zu Werken zweier Autoren untersucht worden wären, die sich in ihrer politischen Ausrichtungen nicht sonderlich unterscheiden, wobei jedoch dennoch Unterschiede aufgezeigt werden sollen.
In der vorliegenden Abhandlung wurde aber bewusst das „most dissimilar cases design“ ausgewählt, da untersucht werden soll, ob die von Schlosser postulierte Prämisse auf die verschiedenen politischen Strömungen angewandt werden kann und somit allgemein gültig ist. Bei der Anwendung des „most similar cases design“ wäre der Einwand berechtigt gewesen, die erarbeiteten Untersuchungsergebnisse gälten nur für die eine der, nicht jedoch für die anderen politischen Richtungen. Somit fiel die Wahl auf die Beiträge zu Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ und Erich Kästners „Emil und die Detektive“, weil hierbei zwei relativ divergierende Weltanschauungen aufeinanderprallen. Diese beiden Beiträge sollen im Folgenden nun vorgestellt analysiert und in Bezug auf Schlossers Prämisse eingeordnet werden.
4. „In Stahlgewittern“
4.1. Die Autorin und die Konzeption ihres Beitrags
Der erste Beitrag einer Hauptseminaristin, der hier vorgestellt und analysiert werden soll, hat Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“[8] zum Thema und ist mit „Fürsten des Grabens. Sprachliche Bilder in Ernst Jüngers ´In Stahlgewittern´“ überschrieben. Die Verfasserin des Artikels ist die 1974 in Frankfurt am Main geborene Eva Tripp, die nach ihrem Magisterexamen im Jahr 2001 ein Verlagsvolontariat absolviert hat und seit 2002 Lektoratsassistentin bei einem Tübinger Wissenschaftsverlag ist.
Eva Tripps selbstformuliertes Ziel, das sie mit ihrem Beitrag erreichen will, ist, die sprachlichen Besonderheiten und die Funktion von Wortwahl und Sprachfiguren im Werk Ernst Jüngers zu untersuchen. Im Mittelpunkt der Analyse soll hierbei der Gebrauch der für die Darstellung von Krieg und Kampf verwendeten Wortfelder stehen.[9]
4.2. Der Inhalt des Artikels
Eva Tripps beginnt ihren Beitrag mit einer historischen Einordnung und rechnet Jüngers Hauptwerk den Kriegsromanen zu,[10] einer Gattung also, die sich in der Zeit der Weimarer Republik großer Beliebtheit erfreuen konnte.[11]
„In Stahlgewittern“ wurde erstmals 1920 veröffentlicht. Überarbeitete Auflagen von Ernst Jünger, der 1998 im Alter von 102 Jahren starb, erschienen 1922, 1924, 1934, 1935, 1961 sowie 1978 und unterschieden sich zum Teil erheblich von der Originalfassung.[12] Eva Tripp legt in ihrem Beitrag die dritte Fassung von 1924 zugrunde und begründet dies damit, dass diese einen starken Bezug zu den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen der Weimarer Republik aufweise. Letztlich seien aber in allen Fassungen zentrale Merkmale vorhanden, die den Charakter des Werkes ausmachten, vor allem seien dies die Ästhetisierung des Krieges, die Betonung heroischer Elemente und nicht zuletzt auch die Selbstdarstellung des Autors.[13]
[...]
[1] Als Standardwerke seien hierbei exemplarisch die Publikationen von Karl Dietrich Bracher, Theodor Eschenburg, Eberhard Kolb und Heinrich August Winkler genannt. Vgl. Bracher 1998, Eschenburg 1984, Kolb 1998 und Winkler 1994.
[2] Als Beispiele können hier die Tagebücher von Joseph Goebbels und Viktor Klemperer sowie die Biographien von Staatssekretär Otto Meißner und der Reichskanzler Heinrich Brüning und Franz von Papen aufgeführt werden. Vgl. Goebbels 1992, Klemperer 1996, Meißner 1950, Brüning 1970 und von Papen 1952.
[3] Schlosser 2003.
[4] Schlosser 2003, S. 16.
[5] Schlosser 2003, S. 16.
[6] Während Arthur Moeller van den Bruck am äußerst rechten Rand anzusiedeln ist, da er die Rassenideologie der Nationalsozialisten rechtfertigte und durch seine Schriften sogar noch vorantrieb, muss Ernst Jünger ein eher ambivalentes Weltbild zugesprochen werden, das in seinen früheren Schriften wie „In Stahlgewittern“ eindeutig kriegsverherrlichend geprägt war, im Laufe der Zeit aber immer wieder auch gemäßigtere Ausprägungen hatte. Thomas Mann nimmt in Bezug auf die sechs hier aufgeführten und in Schlossers Buch behandelten Autoren eindeutig eine Mittelstellung ein. Bis zu seiner „Deutschen Ansprache“ im Jahr 1930 noch wenig positioniert warnte Mann in dieser und hiernach in deutlicher Sprache vor den Nationalsozialisten. Vgl. Mann 1930. Während Erich Kästner hierbei von Anfang an eine noch kritischere Haltung gegenüber faschistischen Tendenzen zugestanden werden muss, bedient sich Erich Maria Remarque in gewisser Weise in seinem Hauptwerk „Im Westen nichts Neues“ zwar auch der Kriegssprache, ist seiner politischen Ausrichtung nach aber noch eindeutiger dem linken Spektrum zuzuordnen als Kästner. Remarque wird in seiner kriegsablehnenden Haltung nur noch von Kurt Tucholsky übertroffen, dem nahezu die Funktion eines ständig warnenden Gewissens zukommt.
[7] Schlosser 2003, S. 8.
[8] Jünger 1924.
[9] Tripp 2003, S. 19.
[10] Tripp 2003, S. 17.
[11] Aus einer Fülle von weiteren Beispielen seien hier exemplarisch Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ und Philipp Witkops „Kriegsbriefe gefallener Studenten“ genannt. Vgl. Remarque 1929 und Witkop 1918.
[12] Tripp 2003, S. 17.
[13] Tripp 2003, S. 18 – 19.
- Quote paper
- Dirk Wippert (Author), 2003, Rezension zu Horst-Dieter Schlossers "Das Deutsche Reich ist eine Republik. Beiträge zur Kommunikation und Sprache der Weimarer Zeit", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134863
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