Interpersonelle Kommunikation in Organisationen dient u. a. dem Aufbau von Beziehungen. In den letzten Jahren nimmt die interpersonelle Textkommunikation besonders in der Form von EMails in den Organisationen immer mehr zu. Ein Großteil der Telefonkontakte und direkten Gespräche von Angesicht zu Angesicht werden inzwischen von der EMail ersetzt. Daraus folgt, dass die schriftliche Kommunikation verstärkt Einfluss auch auf die Arbeitsprozesse und Beziehungsbildung in Organisationen nimmt. Die vorliegende Arbeit soll anhand der Funktionen und Rahmenbedingungen von interpersoneller Textkommunikation in Organisationen diesen Einfluss beleuchten, um von da ausgehend sich dem beziehungsrelevanten Phänomen ‚Vertrauen’ zuzuwenden.
In dem Bereich der Medientheorien werden Bedenken geäußert, dass schriftliche und computervermittelte Kommunikation aufgrund ihrer Schriftlichkeit in der Übermittlung von beziehungsrelevanten Inhalten stark eingeschränkt ist, da in dieser Kommunikationsform neben den verbalen auch keine nonverbalen Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen. Andere Medientheorien wiederum widersprechen dieser Sichtweise. Sie gehen davon aus, dass sich die kommunizierenden Organisationsmitglieder in ihrem Verhalten und ihrer Wahrnehmung der Situation und den gegebenen Möglichkeiten anpassen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die Textkommunikation in Organisationen den Gegebenheiten anpasst und auf den Aufbau und Erhalt von Beziehungen auswirkt. Ein interessanter Aspekt von Beziehungen in Organisationen ist in diesem Zusammenhang das Phänomen ‚Vertrauen’. Zum einen ist Vertrauen ein wichtiges Element, das Arbeitsprozesse in Organisationen vereinfacht, Kosten spart und Arbeitszufriedenheit verbessert. Zum anderen sind insbesondere beziehungsrelevante Elemente für die Bildung und den Erhalt von Vertrauen notwendig. Diese Elemente werden jedoch größtenteils über nonverbale Kommunikationskanäle übertragen, die in der schriftlichen Kommunikation nicht vorhanden sind. Daher ist ein Ziel der vorliegenden Arbeit zu klären, wie interpersonelle Textkommunikation trotz Wegfall der nonverbalen Kanäle Einfluss auf Vertrauen nehmen kann, welches Verhalten in der Textkommunikation sich speziell auf die Bildung von Vertrauen auswirkt, auf welche Komponenten sich die vertrauensrelevante Wahrnehmung verlagert und wie durch diese Erkenntnisse bewusst positiv Einfluss auf Vertrauen in Organisationen genommen werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Vorgehensweise
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Organisation
2.2 Information
2.3 Interpersonelle Kommunikation
2.3.1 Sozialpsychologische Kommunikationsmodelle
2.3.2 Kommunikation als Selektionsprozess nach Luhmann
2.3.3 Sprache
2.3.4 Nonverbale Kommunikation
2.4 Abgrenzung der Textkommunikation zur Face-to-Face-Kommunikation
2.4.1 Schrift
2.4.2 Anforderungen der modernen Textkommunikation
2.5 Wahrnehmung und Beziehung
2.5.1 Interpersonelle Wahrnehmung
2.5.2 Prozess der Beziehungsentstehung
2.6 Vertrauen
2.6.1 Vertrauen: Relevante Forschungsansätze und Definitionen
2.6.2 Prozess der Vertrauensbildung und beteiligte Komponenten
2.6.3 Vertrauen in Organisationen
2.7 Relevante Medientheorien
2.7.1 Theorien zur Medienauswahl
2.7.2 Modelle zur Nutzungs- und Wirkungsweise von Medien
3 Interpersonelle Textkommunikation in Organisationen
3.1 Funktionen von interpersoneller Textkommunikation in Organisationen
3.1.1 Distanzüberbrückung durch Textkommunikation
3.1.2 Informationsvermittlung in der Textkommunikation
3.1.3 Beziehungsbotschaften in der Textkommunikation
3.2 Rahmenbedingungen von interpersoneller Textkommunikation in Organisationen
3.2.1 Organisationsabhängige Rahmenbedingungen
3.2.2 Externe Rahmenbedingungen
3.2.3 Textmedien und ihr kommunikatives Potenzial
3.3 Merkmale, Funktionen und Rahmenbedingungen der interpersonellen Textmedien in Organisationen
3.3.1 Brief: Merkmale, Übertragungsweg und Einsatzbereich
3.3.2 Fax: Merkmale, Übertragungsweg und Einsatzbereich
3.3.3 E-Mail: Merkmale, Bearbeitungsmöglichkeiten und Einsatzbereich
3.3.4 Empirische Untersuchung zur Verwendung von Emoticons, Sound- und Aktionswörtern
3.4 Verlagerung vertrauensrelevanter Wahrnehmung auf textspezifische Ausdrucksmittel
3.4.1 Auswirkungen der Medienauswahl auf Vertrauen
3.4.2 Kanalreduktion und ihre Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit
3.4.3 Datensicherheit in der Textkommunikation – Ein Unsicherheitsfaktor für Vertrauen
3.4.4 Asynchronität von Textmedien in Bezug auf die Vertrauensbildung
3.4.5 Beantwortungszeitrahmen in der Vertrauenswahrnehmung
3.4.6 Bedeutung von Schriftlichkeit für die Vertrauensbildung
3.4.7 Textformatierung bei Brief und Fax und die Auswirkung auf Vertrauen
3.4.8 Auswirkungen von Betreff und Carbon Copy in der E-Mail auf Vertrauen
3.4.9 Emoticons, Sound- und Aktionswörter und ihre Auswirkung auf Vertrauen
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Anhänge
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Grundlegendes Modell der Kommunikation nach Shannon und Weaver (1949)
Abb. 2: Kommunikationsmodell von Karl Bühler (erstmals 1934)
Abb. 3: Vier Seiten einer Nachricht - ein psychologisches Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation von Schulz von Thun (1994)
Abb. 4: Schematische Darstellung der notwendigen Elemente des Vertrauensprozesses
Abb. 5: Drei-Phasen-Modell des Vertrauensaufbaus
Abb. 6: Drei-Phasen-Modell des Vertrauensverlustes
Abb. 7: Kommunikationskanäle gezielt einsetzen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
Interpersonelle Kommunikation in Organisationen dient zur Koordination von Arbeitsabläufen. Dazu gehört die Übermittlung von Informationen aber insbesondere auch der Aufbau von Beziehungen. Als ‚interpersonelle’ Kommunikation wird in dieser Arbeit die ‚unmittelbare’ Kommunikation zwischen zwei Mitgliedern einer Organisation bezeichnet. Es kann sich dabei um Mitarbeiter derselben, aber auch unterschiedlicher hierarchischer Ebenen oder Abteilungen handeln. In dieser Ausarbeitung werden somit Besprechungen in Gruppen und Teams sowie die interne Organisationskommunikation, wie Mitarbeiterzeitschrift, Schwarzes Brett oder Intranet nicht berücksichtigt.
Eine mögliche Unterteilung von interpersoneller Kommunikation ist die Einteilung in verbale Kommunikation und Kommunikation über Textmedien. In den letzten Jahren nimmt die interpersonelle Textkommunikation besonders in der Form von E-Mails in den Organisationen immer mehr zu. Ein Großteil der Telefonkontakte und direkten Gespräche von Angesicht zu Angesicht1 werden inzwischen von diesem Textmedium ersetzt2 (vgl. Frey 1999, S. 58). Daraus folgt, dass die schriftliche Kommunikation verstärkt Einfluss auf die interpersonelle Kommunikation und damit auf die Arbeitsprozesse und Beziehungsbildung in Organisationen nimmt. Die vorliegende Arbeit soll anhand der Funktionen und Rahmenbedingungen von interpersoneller Textkommunikation in Organisationen diesen Einfluss beleuchten, um von da ausgehend sich dem beziehungsrelevanten Phänomen ‚Vertrauen’ zuzuwenden.
In dem Bereich der Medientheorien werden Bedenken geäußert, dass schriftliche und computervermittelte Kommunikation aufgrund ihrer Schriftlichkeit in der Übermittlung von beziehungsrelevanten Inhalten stark eingeschränkt ist, da in dieser Kommunikationsform neben den verbalen auch keine nonverbalen Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen (vgl. Winterhoff-Spurk und Vitouch 1989). Andere Medientheorien wiederum widersprechen dieser Sichtweise. Sie gehen davon aus, dass sich die kommunizierenden Organisationsmitglieder in ihrem Verhalten und ihrer Wahrnehmung der Situation und den gegebenen Möglichkeiten anpassen (vgl. Hartmann 2004).
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die Textkommunikation in Organisationen den Gegebenheiten anpasst und auf den Aufbau und Erhalt von Beziehungen auswirkt. Ein interessanter Aspekt von Beziehungen in Organisationen ist in diesem Zusammenhang das Phänomen ‚Vertrauen’. Zum einen ist Vertrauen ein wichtiges Element, das Arbeitsprozesse in Organisationen vereinfacht, Kosten spart und Arbeitszufriedenheit verbessert (vgl. Schweer und Thies 2003). Zum anderen sind insbesondere beziehungsrelevante Elemente für die Bildung und den Erhalt von Vertrauen notwendig. Diese Elemente werden jedoch größtenteils über nonverbale Kommunikationskanäle übertragen (vgl. u. a. Graeff 1998, Heinrich 1995 und Petermann 1996), die in der schriftlichen Kommunikation nicht vorhanden sind. Daher ist neben den oben genannten Aspekten Ziel der vorliegenden Arbeit zu klären, wie interpersonelle Textkommunikation trotz Wegfall der nonverbalen Kanäle Einfluss auf Vertrauen nehmen kann. Dabei soll geklärt werden, welches Verhalten in der Textkommunikation sich speziell auf die Bildung von Vertrauen auswirkt, auf welche Komponenten sich die vertrauensrelevante Wahrnehmung verlagert und wie durch diese Erkenntnisse bewusst positiv Einfluss auf Vertrauen in Organisationen genommen werden kann.
1.2 Vorgehensweise
Diese Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Das erste Kapitel beinhaltet die Fragestellung (Kap. 1.1) und die Erläuterung der Vorgehensweise (Kap. 1.2). Im zweiten Kapitel erfolgt zuerst die Begriffsbestimmung von Organisation (Kap. 2.1) und Information (Kap. 2.2). Anschließend werden die theoretischen Grundlagen und ihre Zusammenhänge, die für diese Arbeit relevant sind, erläutert. Abschnitt 2.3 stellt daher zu Anfang die interpersonelle Kommunikation anhand wesentlicher Modelle vor. Im Anschluss daran dient Abschnitt 2.4 der Abgrenzung der allgemeinen Sichtweise von interpersoneller Kommunikation von der für die vorliegende Arbeit relevanten Textkommunikation.
Um die Zusammenhänge zwischen interpersoneller Kommunikation und den Konstrukten ‚Beziehung’ und ‚Vertrauen’ deutlich werden zu lassen, werden im Abschnitt 2.5 die beiden Aspekte ‚Wahrnehmung’ und ‚Beziehungsentstehung’ dargestellt. Vor diesem Hintergrund wird sich im Kapitel 2.6 dem Phänomen ‚Vertrauen’ zugewandt, um ein Verständnis für diesen umfassenden Begriff zu vermitteln. Der abschließende Teil des Grundlagenkapitels (Kap. 2.7) stellt die für diese Arbeit relevanten Medientheorien vor. Auf diesen Grundlagen werden anschließend im dritten Kapitel die Fragen behandelt, welchen Einfluss die interpersonelle Textkommunikation in Organisationen auf die Arbeitsabläufe und die Bildung von Beziehungen nimmt. Dazu werden im Abschnitt 3.1 die Funktionen und im darauf folgenden Abschnitt 3.2 die Rahmenbedingungen von interpersoneller Textkommunikation in Organisationen betrachtet. Anschließend folgt die Darstellung der Merkmale und Funktionen der Textmedien, die in Organisationen am häufigsten Verwendung finden: Brief (Kap. 3.3.1), Fax (Kap. 3.3.2) und E-Mail (Kap. 3.3.3) (vgl. Frey 1999, S. 58). Aufgrund ihres herausragenden Stellenwerts als Medium der interpersonellen Textkommunikation in Organisationen wird dabei der Betrachtungsschwerpunkt auf der E-Mail-Kommunikation liegen. In Abschnitt 3.3.4 wird eine empirische Untersuchung vorgestellt, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurde und die Verwendung der neuen Zeichen- und Symbolsysteme der computervermittelten Textkommunikation in Organisationen klären soll. Im Kapitel 3.4 wird die abschließende Fragestellung dieser Arbeit beantwortet: die Auswirkungen von interpersoneller Textkommunikation auf Vertrauen. Dazu werden die wichtigsten textspezifischen Merkmale bezüglich ihrer Wirkungen auf die Bildung von Vertrauen in Organisationen erläutert und Möglichkeiten einer positiven Einflussnahme aufgezeigt. Diese Darstellung bezieht sich dabei sowohl auf die zuvor erarbeiteten Aspekte der Kapitel zwei und drei als auch auf die Resultate der empirischen Untersuchung. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit werden in Kapitel vier zusammengefasst.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Organisation
Das Thema dieser Arbeit ‚Interpersonelle Textkommunikation’ wird im Kontext von Organisationen betrachtet. Daher dient dieser Abschnitt der Bestimmung dieses Begriffs und der Eingrenzung des Bezugsrahmens.
Picot, Dietl und Franck (2005) zeigen auf, dass es bei dem Versuch, Organisationen zu definieren unterschiedliche Herangehensweisen gibt (vgl. Picot et al. 2005, S. 23). Werden Organisationen als zielgerichtete Handlungssysteme mit einer interpersonellen Arbeitsteilung verstanden, dann handelt es sich hierbei um den institutionellen Organisationsbegriff, in dem die Organisation als soziales System gesehen wird (vgl. Kieser und Kubicek 1992 sowie Kirsch und Meffert 1970 in: Picot et al. 2005, S. 24). Damit entspricht der institutionelle Organisationsbegriff der kommunikations-wissenschaftlichen Sicht von Organisation. So legt z. B. Neuberger (1993) in seiner Definition Wert auf den strukturellen Aspekt von Organisationen. Er nennt sie „ leistungsbezogene Sozialsysteme “ (Neuberger 1993, S. 259), die sich aufgrund ihrer Größe nicht mehr durch direkte Absprache koordinieren können, sondern dies durch Strukturen vornehmen müssen (vgl. Neuberger 1993, S. 259). Für Mast (2002) handelt es sich bei Organisationen um von Menschen geschaffene soziale Netzwerke, die dazu dienen, Probleme zu lösen und Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. Mast 2002, S. 7). Somit nimmt auch sie Organisationen als soziale Gebilde wahr, deren dauerhafte Kommunikations-beziehungen einem kontinuierlichen Wandel unterliegen. Sie beschreibt Organisationen als Netze aus Interaktionen, „[...] die geplant, regelmäßig und systematisch zwischen Menschen ablaufen“ (Mast 2002, S. 7). Damit verbindet sie in ihrem Ansatz die institutionelle Sichtweise mit dem instrumentellen Organisationsbegriff, wie Picot et al. (2005) ihn beschreiben.
Die instrumentelle Sicht auf Organisationen ist für Picot et al. (2005) die Lösung des „ aus zwei Teilproblemen bestehende [n] Organisationsproblem [s]“ (Picot et al. 2005, S. 23). Unter Organisationsproblem verstehen Picot et al. (2005) die Beseitigung von Mängeln in den Bereichen der Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung sowie des Tausches und der Abstimmung. Voraussetzung für Lösungen in diesem Bereich ist die Koordination und die Motivation der Personen, die in diesen Bereichen agieren (vgl. Picot et al. 2005, S. 8f.).
Koordination umfasst in diesem Fall die Aufgabenabstimmung aller Akteure und Arbeitsschritte, die aufgrund der Spezialisierung, Arbeitsteilung, den Tausch- und Abstimmungsoptionen in der heutigen Gesellschaft nötig werden, um eine „ überlegene Struktur des Wirtschaftens “ (Picot et al. 2005, S. 6) zu schaffen. Dazu muss die Weitergabe von einem ausreichenden Maß an Informationen an die Handelnden gewährleistet sein, damit diese wissen, was ihre Rollen und damit ihre Aufgaben in dieser Struktur sind (vgl. Picot et al. 2005, S. 6f.). Die Motivation ist der zweite wichtige Punkt des Organisationsproblems. Picot et al. (2005) führen aus, dass selbst bei ausreichenden Informationen nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle beteiligten Personen die an sie gestellten Erwartungen erfüllen können oder wollen. Handelt es sich tatsächlich um ein „ Nichtwollen “ (Picot et al. 2005, S. 6) der Organisationsteilnehmer, kann dieses nur durch Motivation überwunden werden. D. h. es sind gemeinsame Zielvereinbarungen nötig, denn den Akteuren muss deutlich werden, dass sie durch das Erfüllen der an sie gestellten Aufgaben ihren eigenen Zielen näher kommen (vgl. Picot et al. 2005, S. 7). In dieser instrumentellen Betrachtungsweise von Organisation wird ebenfalls deutlich, dass die Beteiligten in den Hauptpunkten auf Kommunikation angewiesen sind. Denn nur durch Kommunikation können Informationen weitergegeben und gemeinsame Zielvereinbarungen getroffen werden. Welche Rolle die interpersonelle Textkommunikation in diesem Zusammenhang spielt, wird in Kapitel 3.1 ausführlich dargestellt.
Die dritte Form der Betrachtung von Organisationen nennen Picot et al. (2005) die traditionelle betriebswirtschaftliche Sichtweise. In dieser wird die Organisation meist auf Unternehmen als ‚Mehrpersonengebilde’ begrenzt. Es handelt sich dabei i. d. R. um eine Betrachtung des Inneren der Unternehmung (vgl. Picot et al. 2005, S. 25). Picot et al. (2005) weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass diese traditionelle Sichtweise ergänzt werden muss, da der Organisationsprozess „ nicht in einem institutionellen Vakuum stattfindet “ (Picot et al. 2005, S. 26). Auch wenn ihre Betrachtungsweise weiterhin betriebswirtschaftlich bleibt und damit die Unternehmung Erkenntnisobjekt und Bezugsgrundlage ist, weiten Picot et al. (2005) ihren Ansatz vor diesem Hintergrund aus. Neben der klassischen Betrachtung des Binnenbereiches eines Unternehmens widmen sie sich auch der Organisation zwischenmenschlicher Beziehungen und den wettbewerblichen Rahmenbedingungen (vgl. Picot et al. 2005, S. 29f.). Durch die Ausweitung des Beziehungsbegriffs spielen nun nicht mehr nur unternehmensinterne Beziehungen eine Rolle, sondern auch die Beziehungen zu Akteuren außerhalb des Unternehmens, wie Lieferanten, Konkurrenten, Kunden, Gesetzgeber etc. (vgl. Picot et al. 2005, S. 30). Dies gilt auch für den Aspekt der wettbewerblichen Rahmenbedingungen. Neben den einzelnen Abteilungen und Sparten eines Unternehmens geht es auch hier um externe Beteiligte, wie den Staat, Konkurrenten, Kunden, die Öffentlichkeit etc. (vgl. Picot et al. 2005, S. 30).
Um Organisationen zu strukturieren, müssen die Gesamtaufgaben in Teilaufgaben aufgegliedert werden. Diese Teilaufgaben setzen sich aus Tätigkeiten zusammen, die ihrerseits wieder zu einem „ Aufgabenkomplex “ (Picot et al. 2005, S. 230) zusammengestellt werden. Dieser wird als Stelle bezeichnet und ist die kleinste organisatorische Einheit. Die Stelle selbst ist unabhängig von der Person, die die Stelle besetzt, und entspricht in ihrem Umfang dem, was eine für diese Stelle qualifizierte Person „ unter normalen Umständen bewältigen kann “ (Picot et al. 2005, S. 230).
In der vorliegenden Arbeit geht es vornehmlich um die interpersonelle Textkommunikation innerhalb einer Organisation, dies kann eine Abteilung, eine Unternehmung, ein Verband, ein Verein oder eine Dachorganisation sein.
2.2 Information
Zur Verdeutlichung wie der Begriff ‚Information’ in dieser Arbeit verwendet wird, erfolgt eine Eingrenzung und anschließend eine Darstellung der unterschiedlichen Informationsarten. Ihre jeweiligen Übertragungswege in der Textkommunikation werden später in Kapitel drei noch genauer erläutert.
Birker (1994) führt aus, dass in der betriebswirtschaftlichen Praxis Information und Kommunikation teilweise synonym verwendet werden. Ebenso kommt es vor, dass Begriffe wie Datenverarbeitung, Informationsverarbeitung, Nachrichten, Information und Informationswesen nicht deutlich differenziert und von einander abgegrenzt werden (vgl. Birker 1994, S. 133). In dieser Arbeit wird Information als handlungsorientiertes Wissen verstanden, das sich aus Daten zusammensetzt. Diese Daten sind Angaben über bestimmte Tatsachen, Ereignisse und Abläufe. Sie können auch als Einzelergebnisse bezeichnet werden. Erst durch einen Zweckbezug werden sie zu Informationen. Kommunikation dagegen ist der Prozess der Informationsweitergabe bzw. des Informationsaustausches an sich (vgl. Birker 1994, S. 133).
Anordnungen sowie Mitteilungen zur Koordination und zur Orientierung gehören nach Meier (2002) zu dem Bereich Informationen. Anordnungen sind i. d. R. kurze und knappe Anweisungen, die aufgabenspezifische Änderungen und Neuerungen kommunizieren sollen. Mitteilungen zur Koordination haben den Zweck, die einzelnen Teilbereiche und Prozesse zu koordinieren und auf das gemeinsame Ziel der gesamten Organisation auszurichten. Hinweise, die der Orientierung dienen, werden dann eingesetzt, wenn es um die Erklärung neuer Entwicklungen und Veränderungen im produkt-, branchen- und marktspezifischen Bereich geht. Diese sind für die einzelnen Mitarbeiter oft unübersichtlich und nicht immer durchschaubar. Hier ist es nötig, die Organisationsmitglieder über die Zusammenhänge der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und ihre Auswirkungen auf das Unternehmen aufzuklären, um ihr Verständnis und ihre Unterstützung für eventuelle Änderungen zu wecken, die auch ihren persönlichen Arbeitsbereich betreffen können (vgl. Meier 2002, S. 29f.). „ Es wird davon ausgegangen, daß eine Handlung um so wirkungsvoller wird, je umfangreicher und genauer das Wissen über die Handlungsbedingungen sowie Handlungsalternativen ist“ (Birker 1994, S. 133). Die ideale Verteilung von Informationen in Organisationen ist dann erreicht, wenn jede Stelle über die für ihre Aufgabenbereiche relevanten Informationen verfügt, ohne an Überinformation ‚zu ersticken’.
Informationen können in Anordnungen, Richtlinien, Berichte, Vorschläge etc. eingeteilt werden oder nach Objekten, auf die sie sich beziehen, wie z. B. Planungsinformationen, Entscheidungsinformationen, Durchführungsinformationen oder Kontrollinformationen (vgl. Birker 1994, S. 134). Zu diesen Arten von Informationen gehören auch schriftliche Berichte und Notizen (Memos). In ihnen werden Zahlen, Fakten, Ereignisse, Erfahrungen und Abläufe dokumentiert, um diese festzuhalten. Beschlüsse und Vereinbarungen werden somit auch für Dritte sichtbar (vgl. Mast 2002, S. 199)
Mast (2002) unterscheidet Informationen in einfache und schwierige Themen. Bei den einfachen Informationen handelt es sich um Zahlen und Fakten, die z. B. der Abstimmung dienen. Schwierige Informationsthemen sind hingegen die Vereinbarung gemeinsamer Ziele und die Stärkung der Motivation. Hier treffen unterschiedliche Ansichten, Verständnisse und Bedürfnisse der beteiligten Personen aufeinander, die dann eine gemeinsame Abstimmung und Konsensbildung benötigen (vgl. Mast 2002, S. 166).
2.3 Interpersonelle Kommunikation
Die Fragestellung dieser Arbeit geht davon aus, dass interpersonelle Kommunikation sich auf die Entstehung von Beziehungen und den Aufbau von Vertrauen auswirkt. Um die theoretischen Grundlagen dieser Zusammenhänge deutlich zu machen, dient der folgende Abschnitt. Anhand von fünf sozialpsychologischen Kommunikationsmodellen werden elementare Bestandteile der interpersonellen Kommunikation vorgestellt und ihre Funktionen erläutert. Dazu gehören die Mikroanalysemodelle von Shannon und Weaver (1949), Lasswell (1948) und Bühler (1934) sowie die fünf Axiome der Kommunikation von Watzlawick, Beavin und Jackson (erstmalig 1969) und das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun (1994). Dem folgen die Beschreibung des Kommunikationsprozesses in seinen Codierungs-und Decodierungsphasen und die Darstellung der Kommunikation als Selektionsprozess nach Luhmann (1984/97). Anschließend werden die Funktionen von Sprache und nonverbaler Kommunikation aufgezeigt.
Kommunikation stammt von dem lateinischen Wort communicare ab, dessen Übersetzung ‚mitteilen’, ‚teilnehmen lassen’ oder ‚gemeinsam machen’ lautet. Dies weist darauf hin, dass es in der menschlichen Kommunikation um die Reziprozität, den Austausch von Signalen3 zwischen mindestens zwei Personen geht. Interpersonelle Kommunikation ist ein komplexer Prozess sozialer Handlungen, bei denen nicht nur auf die jeweils aktuelle Botschaft reagiert wird, sondern sowohl die vorhergehenden als auch die nachfolgenden Botschaften berücksichtigt bzw. vorweg genommen werden (vgl. Delhees 1979, S. 20 und Döring 2003, S. 38).
2.3.1 Sozialpsychologische Kommunikationsmodelle
- Mikroanalysemodelle der interpersonellen Kommunikation
Die Grundmodelle der Kommunikationswissenschaften entsprechen der Mikroanalyse von Kommunikation und untersuchen deren innere Feinstruktur. Die in den 1920er bis 1940er Jahren entwickelten Modelle bilden bis heute die Grundlage der sozialpsychologischen Kommunikationswissenschaften. Sie stellen das Gerüst dar, auf dem auch die fünf Axiome von Watzlawick et al. und das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun aufbauen.
Das Kommunikationsmodell (vgl. Abb. 1) von Shannon und Weaver (1949) gilt in den Kom-munikationswissenschaften als grundlegendes Modell4 der Kommunikation.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Grundlegendes Modell der Kommunikation nach Shannon und Weaver (1949)
(Simon 2004, S. 17 ergänzt d. Verf.)
Shannon und Weaver beschreiben den Kommunikationsvorgang folgendermaßen: Eine Kommunikation benötigt mindestens zwei Partner, außerdem eine Botschaft und einen Kanal. Von dem Sender5 (1) geht die Botschaft über einen Kanal zum Empfänger (2) (vgl. Shannon und Weaver 1949 in: Koeppler 2000, S. 14). Ist keine Rückmeldung, in Form einer Botschaft (‚Antwort’) durch den Empfänger vorgesehen bzw. gibt dieser keine, wird dies als ‚Einweg-Kommunikation’ bezeichnet. Reagiert der Empfänger, egal ist in welcher Weise, handelt es sich um eine Interaktion (vgl. Simon 2004, S. 16 und Watzlawick et al. 2007, S. 50). Der Sender wird auch oft als Quelle oder Kommunikator bezeichnet. Der Kanal, teilweise auch Medium genannt, überträgt die Information. Bei einem direkten Gespräch von Angesicht zu Angesicht (im Folgenden Face-to-Face-Kommunikation genannt) handelt es sich beispiels-weise um das Medium Luft, durch das die Botschaft mit Hilfe von Schallwellen an das Ohr des Empfängers getragen wird. Auch ein Brief oder eine E-Mail können als Kanal/Medium dienen. Der Empfänger erhält die Botschaft und wird zum Sender (3), wenn er auf diese reagiert (vgl. Koeppler 2000, S. 14 und Günther 2003, S. 20).
Mittels der Formel von Harold Lasswell (1948): „ Wer sagt was in welchem Medium zu wem mit welchem Effekt? “ (Wiswede 1981, S. 227) wird das Modell durch zwei weitere Elemente ergänzt. Zum einen fragt Laswell nach den Zeichen, Signalen bzw. verbalen oder nonverbalen Verhaltensweisen, durch die die Nachricht codiert wird. Zum anderen interessiert ihn der ‚Effekt’, der die Absicht des Senders beinhaltet, also seine Motivation, die Botschaft zu senden. Er möchte beim Empfänger eine bestimmte Reaktion erzeugen (vgl. Günther 2003, S. 20).
Für seine Sprachtheorie entwickelt Karl Bühler (1934) ein differenziertes Kommunikations-modell, in dem er Zeichen und Objekte einander zuordnet (siehe Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Kommunikationsmodell von Karl Bühler (erstmals 1934)
(aus: Günther 2003, S. 21 ergänzt v. d. Verf.)
Der Sender verweist den Empfänger in seiner Nachricht durch Symbole auf ein Objekt/einen Sachverhalt. Diese Darstellungsfunktion kann von Worten, Gesten, Schriftzeichen, Bildern, Logos etc. übernommen werden. Die Ausdrucksfunktion macht die Verknüpfung von Sender und Zeichen sichtbar und sagt etwas über den Sender und seine Werte aus. Dies können Motive, Stimmungen oder Einstellungen sein. Durch die Ausdrucksfunktion kann der Empfänger den Sender und seine Nachricht besser einordnen, da sie Hinweise auf den Hinter-grund der Nachricht geben kann. Der Appell zeigt die Relation zwischen Signal und Empfänger. Dieser soll durch die Nachricht zu einem von dem Sender gewünschten Verhalten veranlasst werden, das der eigenen oder gemeinsamen Bedürfnisbefriedigung dient (vgl. Günther 2003, S. 1f.).
Durch diese drei grundlegenden Kommunikationsmodelle von Shannon und Weaver (1949), Lasswell (1948) und Bühler (1934), die die interpersonelle Kommunikation beschreiben, wurden die wesentlichen Begriffe benannt und in ihrer Funktion dargestellt. Auf dieser Basis wendet sich der folgende Abschnitt der Frage nach dem Zusammenhang von Kommunikation und Beziehungsbildung zu.
- Fünf Axiome der Kommunikation nach Watzlawick et al.
Paul Watzlawick, Janet H. Beavin und Don D. Jackson entwickelten in den 1960er Jahren einen Ansatz, der die ‚verhaltensmäßige Wirkung von Kommunikation’ (Watzlawick et al. 2007, S. 13f.) beschreibt. Dazu benennen sie fünf ‚pragmatische Axiome’, die für jegliche interpersonelle Kommunikation gelten sollen.6 Das erste Axiom „ Man kann nicht nicht kommunizieren “ (Watzlawick et al. 2007, S. 53) bezieht sich darauf, dass jegliches Verhalten in Situationen zwischen mindestens zwei Menschen von dem jeweils anderen wahrgenommen und gedeutet werden kann. Der Mensch interpretiert jedes Verhalten seines Gesprächpartners in irgendeiner Art und Weise7. Dieses ‚Interpretieren’ bezeichnen Watzlawick et al. als Kommunikation (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 50ff.). Mit dem ersten Axiom verdeutlicht Watzlawick et al., dass auch nonverbale Signale als Kommunikation wahrgenommen werden.
Das zweite Axiom heißt: „ Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersten bestimmt und daher eine Metakommuni-kation8 ist “ (Watzlawick et al. 2007, S. 56). Also gehen Watzlawick et al. davon aus, dass es zu jeder Mitteilung zwei Ebenen gibt, auf denen kommuniziert wird. Bei der Ebene des Inhaltsaspekts geht es um Informationen zur Sache. Die Beziehungsebene liegt darüber und definiert die Situation und somit auch die sachliche Information, die gesendet wird (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 53ff.).9
Das dritte Axiom „ Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens des Partners bedingt “ (Watzlawick et al. 2007, S. 61) besagt, dass die Gesprächspartner in ihrer Kommunikation aufeinander reagieren. Dies gibt der Kommunikation subjektive Struktur (Interpunktion von Ereignisfolgen), die jeder Partner aus seinem Blickwinkel wahrnimmt und als wahr empfindet10 (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 57ff.). Der Versuch, die Struktur der gemeinsamen Kommunikation und Beziehung zu verstehen, kann nur durch einen gemeinsamen Austausch über das zugrunde liegende Gespräch stattfinden. Hierbei muss versucht werden, die Kommunikation zu beleuchten und zu hinterfragen.
Das vierte Axiom heißt „ Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehung unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikationen erforderliche logische Syntax. “11 (Watzlawick et al. 2007, S. 68)
Dieses Axiom steht in engem Zusammenhang mit dem zweiten Axiom, denn der Inhalts- und der Beziehungsaspekt werden über unterschiedliche Wege (Kanäle) vermittelt. Bei der digitalen Kommunikation werden Zeichenketten, also Wörter kommuniziert. Sie dient zur Vermittlung von Fakten und ist i. d. R. eindeutig. Die analoge Kommunikation bedient sich dagegen der nonverbalen Kanäle, z. B. durch Mimik und Gestik. Die nonverbalen Übertragungsformen sind nach Watzlawick et al. wesentlich geeigneter, die doppeldeutigen Beziehungsaspekte12 zu kommunizieren. Jedoch lässt die analoge Kommunikation aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit nur eine ungefähre Deutung durch den Empfänger zu. Dieser kann, unter Umständen, durch eine verbale Rückmeldung der eigenen Wahrnehmung helfen, Missver-ständnisse zu vermeiden. Nach Watzlawick et al. ergänzen sich die analoge und digitale Kommunikation durch ihre speziellen Stärken und Eigenschaften (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 61ff.).
Das fünfte Axiom von Watzlawick besagt: „ Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichgewicht oder Unterschiedlichkeit beruht “ (Watzlawick et al. 2007, S. 70).
Laut diesem Axiom hängt die Art der Kommunikation von dem jeweiligen Verhältnis ab, dass die beiden Gesprächspartner zueinander haben. Beruht dieses Verhältnis auf Gleichrangigkeit, ist die Kommunikation symmetrisch. Watzlawick et al. gehen davon aus, dass in der symmetrischen Kommunikation beide Partner bemüht sein werden, dass die Rangunterschiede möglichst gering bleiben und die Kommunikation auf gleicher Statusebene stattfindet. Haben die beiden Kommunikationspartner dagegen einen unterschiedlichen Status, wie z. B. Vorge-setzter und Mitarbeiter, dann handelt es sich um einen komplementären Kommunikationsab-lauf. Dieser zeichnet sich durch ein Ergänzungsverhältnis der beiden Gesprächspartner aus, welches z. B. dazu führen kann, dass der Vorgesetzte (mit dem höheren Status) häufiger redet als sein Kommunikationsgegenüber mit dem niederen Status. Watzlawick et al. betonen, dass es in der komplementären Kommunikation objektiv keinen guten oder schlechten Status gibt, sondern die „ einander ergänzenden Verhaltensweisen sich [durch die jeweiligen Beziehungen] gegenseitig auslösen “ (Watzlawick et al. 2007, S. 70.).
Die fünf Axiome von Watzlawick et al. untermauern die Komplexität von Kommunikation. Interpersonelle Kommunikation unterliegt einer Wechselwirkung. Sie wird immer durch die Beziehung der Kommunikationspartner zueinander beeinflusst, nimmt aber ihrerseits auch Einfluss auf die Beziehung. Diese Aspekte von Kommunikation werden bei Schulz von Thun noch weiter differenziert und im folgenden Abschnitt thematisiert.
- Kommunikationsquadrat bei Schulz von Thun
Schulz von Thun verbindet in seinem Werk „ Miteinander Reden – Störungen und Klärungen “ (1994) die verschiedenen Ansätze der Kommunikationspsychologen miteinander, um dann daraus Möglichkeiten für den praktischen Umgang mit Kommunikationsproblemen zu entwi-ckeln. Zu diesem Zweck entwirft er ein Kommunikationsquadrat, das auf dem Modell von Bühler und den fünf Axiomen von Watzlawick et al. basiert. Auch Schulz von Thun geht davon aus, dass eine Nachricht mehrere Dimensionen hat. Aber bei ihm kommt neben den drei Aspekten (dem Sachinhalt, der Beziehungsbotschaft und dem Appell) noch ein vierter hinzu: die Selbstoffenbarung. Sein Kommunikationsquadrat (siehe Abb. 3) verdeutlicht, dass alle vier Aspekte mit jeder Nachricht übermittelt werden (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 13ff.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Interpersonelle Textkommunikation in Organisationen:
Abb. 3: Vier Seiten einer Nachricht - ein psychologisches Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation von Schulz von Thun (1994)
(Schulz von Thun 1994, S. 30, Abb. 4)
Durch die Selbstoffenbarung werden Aussagen über den Sender an den Empfänger weiterge-leitet. Diese Aussagen bieten Informationen über seine Herkunft, Motivation, Einstellungen und seine Befindlichkeit. Die verwendete Sprache sagt beispielsweise etwas über seine Nationalität aus, der Dialekt über die Region, aus der er stammt. Des Weiteren wird deutlich, was der Sender für wahr und wichtig betrachtet. Die Dimension der Selbstoffenbarung enthält sowohl Selbstdarstellung, die vom Sender bewusst gesteuert werden kann, als auch Selbst-enthüllung, die häufig unbeeinflusst übertragen wird. Diese von Schulz von Thun als „ Ich-Botschaften “ bezeichneten Aussagen erleichtern dem Empfänger die Einschätzung der gesendeten Nachricht (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 26ff.). Der Beziehungsaspekt wird im Gegensatz dazu i. d. R. als ‚ Du- ‚ und ‚ Wir-Botschaften ’ gesendet. Hier teilt der Sender dem Empfänger mit, wie er zu ihm steht und wie er ihre Beziehung zueinander sieht (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 27f.). Der Appell wurde bereits bei Bühler (1934) erwähnt. Er verdeutlicht die Funktion der Kommunikation und soll Einfluss auf den Empfänger nehmen bzw. diesen durch den angezeigten Inhalt zu einer Reaktion veranlassen (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 29). Wie Watzlawick et al. (2007) sieht auch Schulz von Thun den Sachinhalt als die Übertragung von Fakten und Problemen (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 26).
Wie bereits oben aufgeführt haben alle Seiten (Aspekte) einer Nachricht den gleichen Stellenwert. Allerdings werden in den unterschiedlichen Lebensbereichen bestimmte Aspekte mehr betont. So wird z. B. in der Schule und im Arbeitsleben dem Sachaspekt die höchste Bedeutung beigemessen. Dies negiert jedoch die anderen Aspekte und ihre Wirkungen. (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 16) Eine Nachricht enthält immer alle vier Botschaften. Der Empfänger bekommt sie alle mitgeteilt und muss alle vier Aspekte entschlüsseln. Eine Nachricht kann dabei auf der einen Ebene als falsch und auf der anderen als richtig erlebt werden (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 15).
Neben dem Kommunikationsquadrat ist noch ein weiterer Ansatz aus dem Werk von Schulz von Thun für diese Arbeit relevant: der Codierungs- und Decodierungsprozess in der menschlichen Kommunikation und die damit verbundenen möglichen Irritationen und Störungen. Diese Störungen und Irritationen können in jeder Kommunikation vorkommen und wirken sich immer auch auf die Wahrnehmung und die Beziehungs- und Vertrauensbildung aus.
- Prozess der Codierung und Decodierung
Der Kommunikationsprozess beginnt i. d. R. beim Sender. Dieser verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen. Auf der Mitteilungsebene kommuniziert der Sender den Inhalt und auf der Meta-Ebene, wie die Mitteilung verstanden werden soll. „ Die Botschaften dieser beiden Ebenen »qualifizieren« einander, d. h. geben wechselseitig Interpretationshilfen darüber, wie die Botschaft der anderen Ebene gemeint ist “ (Schulz von Thun 1994, S. 36). Außerdem wird eine Nachricht immer durch den jeweiligen Kontext qualifiziert, in dem sich beide Kommunikationspartner befinden. Dieser bestimmt, neben den anderen Interpretationshilfen, wie das Gesagte aufzufassen ist (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 36 und das zweite und vierte Axiom von Watzlawick et al. 2007).
Die Ansätze von Watzlawick et al. (2007) und Schulz von Thun (1994) zeigen, dass sich die interpersonelle Kommunikation durch ihr Multikanalsystem auszeichnet. Sind dabei die Signale und ihre Wahrnehmung nicht einheitlich, kann es zu Kommunikationsstörungen kommen. Die vielen Botschaften innerhalb einer Nachricht machen zwischenmenschliche Kommunikation kompliziert und störanfällig (vgl. Delhees 1979, S. 27). Wenn sich bereits die Codierung durch den Sender als Störquelle in der Kommunikation erweist, handelt es sich entweder um eine zu abstrakte und komplexe Darstellung der Nachricht durch den Sender. Dies ist vor allem dann besonders schwierig, wenn der Empfänger über ein vom Sender abweichendes sprachliches Repertoire verfügt. Oder es werden inkongruente Botschaften auf der Senderseite über die nonverbalen Kanäle vermittelt.13 Dies ist häufig der Fall, wenn der Kommunikator sich selbst nicht im Klaren darüber ist, wie und was er kommunizieren will. Die Meta-Ebene wird durch Körperbewegungen, z. B. Mimik und Gestik qualifiziert. Hier können zustimmende oder ablehnende Körperbewegungen kongruent oder inkongruent zur Aussage wirken. Widersprechen die nonverbalen Körpersignale der verbalen Botschaft, kann diese Art der Nachricht den Empfänger eher verwirren bzw. gegensätzlich und damit unglaubwürdig wirken (s. a. Kap. 2.6.2). Auch die Formulierungen selbst können kongruent oder inkongruent sein. Ein Beispiel für eine derartige Inkongruenz ist die Ironie. Des Weiteren kann der Tonfall den Sachinhalt unterstreichen oder ad absurdum führen, z. B. kann eine Einladung in einem sehr kühlen, distanzierten Tonfall unter Umständen eher als eine Ausladung zu verstehen sein. Oft sind es unbewusst gesendete, uneingestandene Intentionen, die durch die nonverbalen Kanäle zur Geltung kommen. Bei inkongruenten Nachrichten befindet der Empfänger sich in einer Zwickmühle und fragt sich, welcher Ebene (Mitteilung, Meta) er bei der Decodierung Beachtung schenken soll (vgl. Wiswede 1981, S. 227–228 und Schulz von Thun 1994, S. 35ff.).
Weitere Mängel beim Senden können u. a. eine unklare Ausdrucksweise, ein Sprachfehler oder z. B. Störgeräusche aus der Umgebung sein. Auch die Auswahl des Mediums hat eine qualifizierende Bedeutung für die Nachricht.
„ Ein Medium ist nicht nur ein schieres (neutrales) Vehikel zur Übermittlung von Botschaften. Es hat immer auch eine metakommunikative Bedeutung, die sich gleichsam auch auf den vermittelten Inhalt auswirkt. Nicht unwesentlich ist es deshalb, über welches Medium eine Nachricht verbreitet wird. “ (Höflich 2003a, S. 45)
Wird ein Kanal gewählt, der einen zu langen Informationsweg in Anspruch nimmt oder vom Empfänger kaum oder ungern genutzt wird, kann es ebenfalls zu einer Behinderung der Kommunikation kommen.
Wurde die Nachricht codiert und über ein Medium an den Empfänger übermittelt, so liegt die Decodierung jetzt allein bei diesem. Schulz von Thun beschreibt das Decodieren auch als ein „ Machwerk “ des Empfängers (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 61). Auf welchen Aspekt der Nachricht der Empfänger bei seiner Decodierung besonderen Wert legt, entscheidet über den weiteren Gesprächsverlauf (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 44ff.). Bezieht sich der Empfänger beim Decodieren mehr auf einen Aspekt der Nachricht, auf den der Sender kaum Wert gelegt hat, können Intentionen in die Botschaft hineingelesen werden, die vom Sender nicht beabsichtigt waren (vgl. Wiswede 1981, S. 227f.). Geht der Empfänger z. B. von einer rein sachlichen Auseinandersetzung aus, wird er seinen Interpretationsschwerpunkt auf den Sach-aspekt der Nachricht legen. Die zwischenmenschliche Seite der Botschaft kann dann bei der Decodierung in den Hintergrund geraten. Schulz von Thun konnte in seinen Untersuchungen beobachten, dass oft gerade bei Konfrontationen mindestens einer der Beteiligten die Flucht auf die Sachebene antrat (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 47).
Liegt der Schwerpunkt bei der Decodierung dagegen mehr auf der Beziehungsebene, kann es passieren, dass der Empfänger in allen Nachrichten, die er erhält, eine Stellungnahme zu seiner Person herausliest, auch wenn die Nachricht weitgehend beziehungsneutral gemeint war. Er kann sich dann leicht angegriffen bzw. beleidigt fühlen. Schulz von Thun nennt dies: Auf der „ Beziehungslauer [liegen]“ (Schulz von Thun 1994, S. 51).14
Wird die Botschaft erst einmal im Hinblick auf den Sender entschlüsselt, kann dies ein guter Selbstschutz sein, denn Gefühlsausbrüche, Anklagen und Vorwürfe werden als Gefühle des Anderen wahrgenommen und nicht so sehr auf die eigene Person bezogen. Die Botschaft wirkt dadurch weniger bedrohlich. Der Empfänger muss sich dann weniger mit der eigenen Rehabilitation beschäftigten und kann besser zuhören. Es kann jedoch passieren, dass der Gesprächspartner sich nicht mehr ernst genommen fühlt, sondern als „ zu diagnostizierendes Objekt “ (Schulz von Thun 1994, S. 56) herabgewürdigt sieht, wenn der Empfänger sich aus jeder Betroffenheit herauszieht. Dieser Fall tritt dann ein, wenn der Empfänger die Nachricht psychologisiert und den Sender damit pathologisiert (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 54ff.).
Vernimmt der Empfänger nur den Appellaspekt einer Nachricht, hat er i. d. R. den Wunsch, es allen Mitmenschen recht zu machen, und versucht durch diese Art der Interpretation herausfinden, welche Maßnahmen dazu nötig sind. In diesem Fall blendet der Empfänger die eigene Wahrnehmung sowie eigene Bedürfnisse und Wünsche weitgehend aus. Er richtet sich dann nur nach dem, was er meint, das andere von ihm erwarten. Zudem unterstellt der Empfänger dem Sender unter solchen Umständen, dass dieser die anderen Aspekte (den Sach-, Beziehungs- und Selbstoffenbarungsaspekt) funktionalisiert, um seinem Appell mehr Gewicht zu verleihen und diesen durchzusetzen. Dies muss vom Sender aber nicht beabsichtigt sein (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 58ff.).
2.3.2 Kommunikation als Selektionsprozess nach Luhmann
Niklas Luhmann hat sich im Zuge seiner konstruktivistischen Systemtheorie ebenfalls zu den Themen Kommunikation, Wahrnehmung, Sprache und Schrift mehrfach geäußert. Seine Ansätze zeigen weitere Aspekte von Kommunikation sowie Zusammenhänge von Kommunikation und Vertrauen auf.
Nach Luhmanns Verständnis ist Kommunikation die kleinste Einheit bzw. das kleinste Element in einem sozialen System15 (vgl. Luhmann 1997, S. 82). Kommunikation selbst ist für ihn ein „ dreistelliger Selektionsprozeß “ (Luhmann 1984, S. 194). Er unterscheidet die Selektion von Informationen, die Selektion, was mitgeteilt wird, und die Selektion der Annahme/des Verstehens, dass es sich um eine Mitteilung handelt (vgl. Luhmann 1997, S. 190). Bei der ersten Selektion wird aus der Gesamtheit alles Möglichen etwas ausgewählt, was durch diese Selektion zur Information wird (vgl. Luhmann 1997, S. 46). In der zweiten Selektion werden aus diesen selektierten Informationen diejenigen ausgesucht, die mitgeteilt werden sollen. Des Weiteren wird die Darstellungsweise ausgewählt (vgl. Luhmann 1984, S. 195). Die dritte ist für Luhmann die Selektion, die Kommunikation erst entstehen lässt. „ Kommunikation kommt nur zustande, wenn diese zuletzt genannte Differenz [zwischen Information und Mitteilung] beobachtet, zugemutet, verstanden und der Wahl des Anschluß-verhaltens zu Grunde gelegt wird “ (Luhmann 1984, S. 196). Das bedeutet, dass für Luhmann Kommunikation erst dann zustande kommt, wenn der Empfänger etwas als Mitteilung auf-fasst. „ Die Kommunikation wird sozusagen von hinten her ermöglicht, gegenläufig zum Zeit-ablauf des Prozesses “ (Luhmann 1984, S. 198).16 Dabei geht es Luhmann in der dritten Selektion nicht um das inhaltliche Verstehen. Vielmehr ist Kommunikation unabhängig davon, ob es eine inhaltliche Verständigung gegeben hat oder nicht (vgl. Luhmann 1997, S. 229). Das inhaltliche Verstehen oder Missverstehen ist für Luhmann bereits Teil der Anschlusskommunikation (vgl. Luhmann 1997, S. 83).
2.3.3 Sprache
Auch die Sprache ist Teil der Kommunikation und ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Weitergabe von Informationen und die beziehungsrelevante Wahrnehmung (vgl. Kap. 2.5) geht. Bereits das Kommunikationsmodell von Bühler verdeutlicht, dass die Sprache (dort Symbol/Darstellung genannt) eine fundamentale Funktion in der menschlichen Kommunikation hat (vgl. Kap. 2.3.1). Wahren (1987) bezeichnet die Sprache als „ das grundlegende Kommunikationsmittel des Menschen “ (Wahren 1987, S. 24).
Kahle (1999) sieht Sprache neben dem Sammeln eigener Erfahrungen als den zweiten Aspekt, der die eigene Wahrnehmung beeinflusst,. Sprache bedeutet für ihn einen „ Weg des Wissens-erwerbs “ (Kahle 1999, S. 8). Durch die Sprache können sich Menschen Wissen und Erfahrungen anderer aneignen ohne diese selbst erleben zu müssen (vgl. Kahle 1999, S. 8). Das ist möglich, weil Sprache erlaubt, Aussagen über etwas zu treffen, ohne dass dieses tatsächlich vorhanden oder während der Aussage vor Ort sein muss. Sprache verweist auf abwesende Dinge, somit hat Sprache Zeichen- bzw. Symbolcharakter im Sinne von Bühlers Kommunikationsmodell. Zeichen sind Stellvertreter (vgl. Wahren 1987, S. 25). Durch sie können u. a. Vergangenheit oder Zukunft ausgedrückt werden (vgl. Günther 2003, S. 18). Sprache erleichtert komplizierte Denkvorgänge, weil abstrakten Gedanken Begriffe zugeordnet werden können (z. B. Geist oder Religion) und diese damit fassbarer werden17 (vgl. Wahren 1987, S. 27). Diese Zuordnung nimmt neben der eigenen Erfahrung, starken Einfluss auf das Denken und die Konstitution von Wirklichkeit (vgl. Kahle 1999, S. 8). Der Sprachgebrauch eines Menschen konstituiert seine individuelle soziale Realität (vgl. Krippendorff 1994, S. 107). Durch die Verwendung von Sprache wird die „ außersprachliche Wirklichkeit “ (Wahren 1987, S. 26f.) unterschiedlich aufgeteilt. Dies führt bei unterschiedlichen Betrachtern zu unterschiedlichen Wahrnehmungen. Sprache hat also sowohl auf die Informationsaufnahme (die Wahrnehmung) als auch auf die Informationsverarbeitung (das Denken) massiven Einfluss (vgl. Wahren 1987, S. 26f. und Forgas 1999, S. 110ff.).
Luhmann (1997) sieht in dieser Möglichkeit von Sprache noch einen anderen Aspekt. Er beschreibt, dass durch Sprache eine zweite Zeit geschaffen wird. Die individuelle Wahrnehmung benötigt Gleichzeitigkeit. Sprache hingegen ermöglicht eine zeitliche Abkopplung. Dadurch wird Kommunikation bis ins Unendliche in die Vergangenheit und Zukunft ausgeweitet (vgl. Luhmann 1997, S. 214f.).
Ein weiteres Phänomen der lebendigen Sprachen ist ihre ständige Erweiterung durch neue Symbole. Dies können Wörter, Logos oder ähnliches sein (vgl. Günther 2003, S. 18), z. B. das Wort ‚Handy’ oder so genannte ‚Emoticons’, die in der E-Mail- bzw. Online-Kommunikation Verwendung finden (vgl. Kap. 3.3.3). Die Worte und Symbole einer Sprache können zu Sätzen und Texten zusammengefasst werden. Dabei besteht die Möglichkeit, die Wörter in beliebig vielen unterschiedlichen Abfolgen miteinander zu kombinieren und dadurch unermesslich viele neue Bedeutungen und Sachverhalte auszudrücken. Allerdings müssen bei diesen Kombinationen bestimmte Regeln und Vorgaben beachtet werden, damit eine Verstän-digung möglich bleibt (vgl. Günther 2003, S. 18). Diese Richtlinien sind notwendig, damit sich die Kommunikationspartner durch Zeichen, Worte und Sätze auf die gleichen Gegenstände, Geschehnisse oder abstrakten Gedanken beziehen können (vgl. Wahren 1987, S. 25).
„Nur aufgrund dieser konventionell geltenden Regeln und Bedingungen kann der Empfänger einer mündlichen oder schriftlichen Äußerung die vom Sender erstrebte Verstehensweise (Behauptung, Frage, Befehl usw.) herausfinden.“ (Meier 2002, S. 20).
Sprachregeln bestehen aus der Syntax (Ordnung und Struktur der Wörter), Phonologie (lautliche Muster von Sprache), Semantik (Bedeutung von Sprache) und der Pragmatik (Wer redet wo wie zu wem) (vgl. Forgas 1999, S. 109f.). Dieses metasprachliche Regelwerk muss allgemeingültig sein und sowohl der Sender als auch der Empfänger müssen über das Wissen um dieses Regelwerk sowie über ein gemeinsames Repertoire an Zeichen verfügen. Ansonsten wird eine Verständigung schwierig bis unmöglich (vgl. Kahle 1999, S. 7f.).
Für eine erfolgreiche Interaktion18 muss außerdem der jeweils angebrachte Sprachcode beherrscht werden. Damit ist nicht nur der spezielle Code gemeint, der in einer sozialen Gruppe als Zeichen der Abgrenzung vorherrscht, sondern auch der Code, der für die jeweilige Situation angemessen ist und korrekt in den sozialen und gesellschaftlichen Kontext einge-bettet sein muss (vgl. Delhees1979, S. 21 und Forgas 1999, S. 115ff.). Diese Bedingung ist notwendig, da Sprache unterschiedlichen Formen der Mehrdeutigkeit unterliegt. Zum einen gibt es für einen Begriff immer mehrere Worte (Laute), die ihn ausdrücken19 und auf der anderen Seite gibt es für ein Wort oder einen Laut mehrere Bedeutungsebenen20. Ein ganzer Sachverhalt kann somit unterschiedlich gedeutet werden. Eine Verständigung ist daher nur möglich, wenn die jeweilige Kommunikationssituation mit einbezogen wird (vgl. Kahle 1999, S. 8).
[...]
1 Direkte Gespräche von Angesicht zu Angesicht werden im Folgenden Face-to-Face-Kommunikation genannt.
2 Daher werden sich bestimmte Aspekte dieser Arbeit verstärkt auf die E-Mail-Kommunikation beziehen.
3 Signale können sowohl Worte, aber auch der Tonfall, die Schnelligkeit der Sprache, Lachen, Seufzen, die Körperhaltung oder die Körpersprache sein (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 50 und Kap. 2.3.4).
4 Das Kommunikationsmodell von Shannon und Weaver wurde ursprünglich allerdings nicht als Beispiel für die menschliche Kommunikation entwickelt. Anfänglich entstammt dieser Ansatz dem nachrichtentechnischen Bereich (vgl. Wahren 1987, S. 29).
5 Bei den in dieser Arbeit verwendeten Bezeichnungen, wie ‚Sender’, ‚Empfänger’, ‚Mitarbeiter’ etc. wird stets die männliche Form gewählt. Diese Verwendungsform dient lediglich dazu, den Lesefluss des Textes nicht zu stören. Der weibliche Personenkreis ist stets mit einbezogen und angesprochen.
6 Watzlawick et al. machen in ihrer Einleitung selber deutlich, dass es sich bei ihrem Ansatz nur um einen Anfang für eine mögliche Herangehensweise handelt, die in ein bis dahin weitgehend unerforschtes Gebiet, führen soll (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 13f.).
7 Z. B. ist auch Schweigen und Reglosigkeit eine Kommunikation, da es i. d. R. als Verneinung oder Vermeidung vom Gegenüber wahrgenommen wird und meistens auch so vom Sender gemeint ist (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 50ff.).
8 Mit Metakommunikation ist die Verständigung über den zugrunde liegenden Austausch gemeint (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 41).
9 Watzlawick et al. führen hier das Beispiel der Perlenkette an. Durch die Frage, ob es sich bei der Kette um echte Perlen handelt, wird nur eine Information erfragt. Die Beziehungsebene definiert diese Frage jedoch genauer. Durch die Art und Weise der Fragestellung, den Tonfall, den Blick etc. wird unterschwellig Bewunderung, Freundlichkeit oder aber Neid mitgesandt. Der Empfänger entschlüsselt den Inhaltsaspekt i. d. R. unter Beachtung des Beziehungsaspektes (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 54).
10 Das Beispiel für diese Art von Kommunikationsabläufen ist ein bekanntes Beziehungsverhalten in Partnerschaften: Sie nörgelt, weil er sich zurückzieht, er zieht sich zurück, weil sie nörgelt (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 58).
11 Das vierte Axiom verwendet die zwei Begriffe ‚digital’ und ‚analog’. Diese Wörter werden in Bezug auf die neuen Medien vor allem in einem technischen Kontext verwendet. Watzlawick et al. meinen jedoch mit diesen Begriffen keine technischen bzw. manuellen Übermittlungswege. Sie verstehen digital als ‚genauer bezeichenbar’ bzw. ‚eindeutig’ und analog als ‚ähnlich, ungefähr’ oder ‚indirekt’.
12 So gibt es für Gesten oder Mimik häufig mehrere Bedeutungen: Tränen können aufgrund von Traurigkeit oder Freude fließen, eine erhobene Faust kann eine Drohung oder eine Geste des Sieges bedeuten etc. (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 66).
13 Auf die nonverbalen Kanäle und ihr Kommunikationspotenzial wird genauer in Kapitel 2.3.4 eingegangen.
14 Schulz von Thun rät in diesem Fall, die Nachricht dahingegen zu untersuchen, ob es sich hier wirklich um eine Botschaft mit Beziehungs- oder eher um eine mit Selbstoffenbarungscharakter handelt. Oft sind es gerade Selbstoffenbarungsbotschaften, die als Beziehungsbotschaften missverstanden werden (vgl. Schulz von Thun 1994, S. 51ff.).
15 Nach Luhmann sind Systeme „ organisierte Komplexität “, die durch die „ Selektion einer Ordnung “ operieren. Diese Systeme bestehen nicht aus Dingen, sondern aus „ Operationen" (vgl. Luhmann 1984, S. 46ff.). Diese Operationen finden in der Differenz zur Umwelt statt. Soziale Systeme operieren durch Kommunikation (vgl. Luhmann 1984, S. 192).
16 Wenn z. B. sich zwei Autofahrer auf der Straße begegnen und der eine tippt sich an die Stirn, dann ist bis dahin (nach Luhmann) noch keine Kommunikation zustande gekommen. Versteht der andere Autofahrer die Geste als Zeichen, dass er einen Vogel gezeigt bekommen hat, dann ist eine Kommunikation entstanden. Geht der Autofahrer aber davon aus, dass den Gegenüber nur etwas an der Stirn gejuckt hat und er sich gekratzt hat, dann ist dies keine Kommunikation.
17 Luhmann sieht hier eine enge strukturelle Kopplung von psychischen und sozialen Systemen durch die Sprache, da beide Sprache und Sinn benötigen (vgl. Luhmann 1984, S. 92).
18 In ihrer Differenzierung zwischen Kommunikation und Interaktion bezieht sich diese Arbeit auf Watzlawick et al. (2007). Für ihn ist die einzelne Kommunikation eine Mitteilung (Verhaltenseinheit), die nicht nur Worte, sondern auch nonverbale Signale umfassen kann (vgl. hierzu Kap. 2.3.4). Der wechselseitige Ablauf von Mitteilungen zwischen zwei oder mehreren Personen wird dann zu einer Interaktion (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 50f.). Die Interaktivität entsteht somit durch den Rückbezug auf vorangegangene Botschaften.
19 Kahle (1995) führt als Beispiel für die vielen verschiedenen Worte/Laute für einen Begriff die unterschiedlichen Bezeichnungen für Hund an. Dies kann Tier, Geschöpf, Vieh, Töle oder der Name des Hundes z. B.‚Cäsar’, sein (vgl. Kahle 1995, S. 12).
20 Für die verschiedenen Bedeutungsebenen von einem Wort bleibt Kahle (1995) bei dem Beispiel des Hundes mit dem Namen ‚Cäsar’. Er zeigt auf, dass die Nennung dieses Namens durch einen Lehrer in einer Lateinstunde höchstwahrscheinlich nicht den Hund, sondern den römischen Feldherrn und Staatsmann Gaius Julius Cäsar (100-44 v. Chr) bezeichnet (vgl. Kahle 1995, S. 12).
- Quote paper
- Anja Dagmar Kluck (Author), 2007, Die Auswirkungen von E-Mail-Kommunikation auf Vertrauen in Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134764
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